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6 Die neue Generation

Neulich habe ich gelesen, dass eine einzige Wildbiene in einer Saison so viele Blüten bestäubt, dass daraus etwa 12‘000 Äpfel wachsen. Ich habe auch gelesen, dass ein Schwalbenpaar für die Aufzucht einer Brut etwa 250‘000 Mücken mit einem Kilogramm Gesamtgewicht sammelt.

Wenn man solche Erkenntnisse den Kindern vermittelt, begreifen sie auf eindrückliche Art und Weise, wie wichtig es ist, dass die Harmonie der Natur nicht gestört werden darf und insbesondere, weshalb man zur Umwelt Sorge tragen soll. Und dass diese Einstellung nicht zuletzt auch und vor allem zum Nutzen von uns Menschen ist.

Es ist weder notwendig noch sinnvoll, dass wir gegenüber jüngeren Kindern detailliert auf die weltweite Klimaerwärmung und die sich daraus ergebenden möglichen Katastrophenszenarien bis hin zum Weltuntergang verweisen. Denn damit würden wir Gefahr laufen, die Kinder zu verängstigen und das absolut notwendige Grundvertrauen in uns Erwachsene zu erschüttern, dabei insbesondere auch ihre eigene Zukunft in Frage stellen. Es genügt Zusammenhänge in überschaubarem Rahmen zu erklärt, um Kinder zu sensibilisieren. Wenn wir darlegen, weshalb man keinen Abfall auf die Strasse wirft oder in der Natur liegen lässt, haben wir – als Beispiel – einen kleinen, wenn auch nicht unwichtigen Beitrag geleistet. Wir können darlegen, weshalb sauberes Wasser kostbar ist und wir damit sorgsam umgehen sollen, insbesondere wie das Wasser sauber gehalten werden kann. Dass die Erde nicht verschmutzt sein darf, weil daraus gesunde Pflanzen wachsen sollen, die wiederum Früchte tragen, von denen wir uns ernähren. Wir können darauf hinweisen, dass es lebensnotwendig ist reine Luft einzuatmen. Es liegt an uns Erwachsenen zu erklären, weshalb der Müll getrennt werden soll. Es ist unsere Pflicht darzulegen, dass der Erhalt der eigenen Gesundheit fundamental wichtig ist, um ein glückliches Leben führen zu können. Wir sollten uns bewusst sein und entsprechend argumentieren, dass Alkohol, Nikotin und Drogen keinerlei Vorteile bieten, sondern im Gegenteil abhängig machen können. Dass zudem sowohl für die Betroffenen, die solche Gifte zu sich nehmen und Schaden nehmen können, wie auch für die Allgemeinheit hohe Kosten auflaufen, die vermeidbar sind. Es ist unsere Pflicht darauf hinzuweisen, dass Suchtmittel Vorschub leisten für eine mögliche künftige Degeneration, meist verbunden mit einer Beeinträchtigung der Gesundheit und einer Verkürzung des eigenen Lebenszyklus. Kinder sind in der Regel lernbegierig und vernünftig. Sie sind meistens bestrebt das Gelernte umzusetzen, auf positive Weise für sich zu nutzen. Es ist unnötig weitere kleine, traurige Gretas zu programmieren. Kindern ihre natürliche Fantasie, Fröhlichkeit und Spontanität zu rauben, ist in meinen Augen ein unverzeihlicher Akt, ein Vergehen mit weitreichenden Folgen, zum Beispiel psychischen Beeinträchtigungen.

Als Erwachsene sollten wir uns vergegenwärtigen, dass unser eigener Körper nicht vergisst, wenn wir ihn im Verlauf unseres Lebens mit Raubbau überfordern und ihm Misshandlungen welcher Art auch immer selbst zufügen oder geschehen lassen. Denn es wird unausweichlich sein, dass wir für alle Überforderungen an Seele und Leib früher oder später den Preis zu bezahlen haben.

Die Erkenntnis, dass unser Verhalten fundamental wichtig ist für die Erhaltung unseres Planeten und ein Umdenken Not tut, wurde eigentlich erst unserer Nachfolgegeneration richtig bewusst und in der heutigen Form bekannt. Während das Volk in unserer Jugendzeit kaum je einen Gedanken verwendete die Umwelt zu schonen, war dies bei der Generation unserer Kinder (heute plus/minus 50-Jährige) schon ein Thema von Bedeutung. Die damaligen exzellenten Lehrer unseres eigenen Nachwuchses zeigten in vielen Stunden eingehend die Zusammenhänge in der Natur auf und wie die Kreisläufe Zahnrädern gleich ineinandergreifen. Des Weiteren zeigten sie drastisch auf, welche Folgen drohen, wenn die natürlich bestehenden Verkettungen in der Natur gestört oder noch schlimmer unterbrochen werden.

Weil bei unserer eigenen Generation (aktuell plus/minus 80-Jährige) und vor allem auch bei der vorhergehenden Generation die Bewältigung und Aufarbeitung der Folgen der zwei Weltkriege Priorität hatte, blieben wir - das allgemeine Volk - weitgehend unwissend und somit nicht sensibilisiert hinsichtlich der grossen Zusammenhänge in der Natur. In der Schule wurde kaum je etwas dergleichen vermittelt. Wir lebten diesbezüglich unbedarft und wenig fokussiert in den Tag. Die Forschung in jener Zeit bewegte sich auf bescheidenem Level, das entsprechende Wissen war selbst unter Fachleuten eher klein, insbesondere gemessen am heutigen Wissensstand. Das rührte wohl daher, weil Volk und Regierung gezwungen waren andere Prioritäten zu setzen. Generell stand eher wenig Geld für Wissenschaft und Forschung zur Verfügung. Ausserdem entsprachen die Möglichkeiten der Kommunikation eben jener Zeit, waren aus heutiger Sicht marginal. Damit leisteten wir alle mehrheitlich unbewusst unseren negativen Beitrag an gewissen Umweltsünden, deren Folgen heute drastisch ersichtlich sind. Wir heutigen Alten können uns nun deswegen schuldig sehen oder nicht, es ist in jedem Fall unsere Pflicht diesbezüglich Verantwortung zu übernehmen. Und wenn es nur darum geht, ein gutes Beispiel zu geben bei der Schonung der Ressourcen, dafür einzustehen aus Vergangenem zu lernen.

Die heutigen jungen Menschen sind in jeder Hinsicht unendlich viel besser informiert als jegliche Vorgängergeneration, nicht nur aufgrund besserer Bildung, sondern auch dank der heutigen Informations- und Kommunikationstechnik. Die Flut an Informationen ist nicht nur gewaltig gross, sondern auch unglaublich schnell. Weil die Leute generell wichtige Zusammenhänge besser verstehen, existiert bei vielen verantwortungsbewussten Menschen der Wille, ein möglichst umweltkonformes Dasein zu führen. Und die Gesellschaft ächtet zumindest die gröbsten Frevler, die öffentlich werden. Dieses Verhalten zeigt positive Wirkung.

Wir heutigen Alten waren die Generation, welche den Aufschwung nach dem zweiten Weltkrieg nicht nur miterlebten, sondern aktiv mitprägten. Der Optimismus in der Zeit unserer Jugend war allenthalben gross. Denn nach der Überwindung der Wirtschaftskrise zwischen den beiden Weltkriegen und dem Ende des zweiten Weltkriegs, konnte es ja nur noch aufwärts gehen. Die Welt war voller Chancen, schien jedem offen, der etwas wagte, der hart arbeitete. Unabhängig davon waren wir gezwungen zu sparen, wir mussten einteilen, um uns jenes leisten zu können, was als unser jeweiliges Ziel auserkoren war. Weil Mobilität wichtig war, wünschte man sich vielleicht als Erstes ein Fahrrad, dann ein Motorrad und später ein Auto. Und ein eigenes Haus stand stets im Fokus. Anschaffungen auf Pump machte man schon aus dem einfachen Grund nicht, weil die Bankzinsen sehr hoch waren. Die einzige Möglichkeit war zuerst jenes Geld zu verdienen, das für die entsprechende Anschaffung notwendig war. Man gönnte sich eine Ferienreise – nicht in die weite Ferne, doch die nähere Umgebung war auch attraktiv. Junge Paare lebten kaum unverheiratet zusammen, sondern man ehelichte den auserkorenen Partner eher jung und gründete eine Familie. Sogenannte Muss-Heirate waren nicht selten. Man hatte Kinder und lebte bescheiden, aber bestimmt nicht schlecht und voller Hoffnung. Man hatte Vertrauen in jenes, was uns im Leben erwarten würde. Im vielen Haushalten lebte man der Maxime Friedrich Schillers nach: Die Axt im Haus erspart den Zimmermann! Verbesserungen, Verschönerungen in den eigenen vier Wänden führte man nach Möglichkeit selbst aus. Immer vorausgesetzt, dass ein entsprechendes handwerkliches Geschick gegeben war.

Apropos wilde Sechziger: Dies mag ein Hype der Hautevolee in Städten gewesen sein, nicht so bei uns auf dem Land. Es war kurz gesagt überhaupt kein Thema.

Wenn zwei Generationen später viele der jungen Leute eine sehr viel bessere Ausbildung vorweisen können, waren nicht selten ihre Eltern die eigentlichen Antreiber und die Financiers ohnehin. Das Ziel ist und war es, den Jungen einen guten Einstieg in den Ernst des Berufslebens zu verschaffen, um sich letztlich ein möglichst angenehmes, aber auch sinnerfülltes Leben leisten zu können. In der Tat sieht der Grossteil der aktuellen Jugend die entsprechenden Zusammenhänge realistisch. Die jungen Leute sind mehrheitlich lernwillig, arbeitsam und fleissig und sie haben meist auch konkrete Ziele. Sie können – ja nach Art der Ausbildung – mehr oder weniger schnell flottes Geld verdienen und das ist gut so. Andererseits haben erstaunlich viele der heutigen Jungen keinen Plan zu sparen. Kaum trocken hinter den Ohren, zieht man zuhause aus und beschafft sich eine eigene Wohnung. So wie das Geld jeden Monat aufs Konto kommt, so geht es auch wieder raus. Ein nicht zu unterschätzender Treiber bei den Ausgaben ist die Kreditkarte, welche jederzeit schnell gezückt werden kann. Wenn Probleme bei der Rückzahlung bestehen, gewährt die Bank gerne einen Kredit, der einerseits völlig überteuert ist, andererseits wie ein Damoklesschwert über einem schwebt bis zum Ende der Abzahlungen. Und mühsam genug, wenn die Eltern dauernd den Mahnfinger heben müssen, dass man achtgeben soll auf die zu erwartenden grossen Rechnungen, zum Beispiel jene von der Steuerverwaltung und auch die von der Krankenkasse. Grössere Anschaffungen wie ein Auto oder Möbel für schöneres Wohnen werden nicht nur ausnahmsweise, sondern sogar mehrheitlich auf Leasing oder Abzahlung getätigt und dies bedenkenlos. Das neueste Smartphone ist Pflicht, das entsprechende Abo ebenfalls, der frequentierte Ausgang abends und am Wochenende selbstverständlich. Ein Drink hier und ein Drink dort, es läppert sich zusammen! Und auch die jährlichen Ferien in Übersee liegen drin, wie auch Kurzreisen nach Madrid, Venedig oder London unter dem Jahr sind populär. Die Flugtickets sind spottbillig, der Aufenthalt selbst dann allerdings weniger, weil man sich ja stets das volle Programm vor Ort gönnt.

Viele der heutigen Alten können die Art und Weise wie die heutigen Jungen leben, nicht verstehen, den Stil, mit welcher Selbstverständlichkeit sich die Gesellschaft gewandelt hat und sich noch immer wandelt, nicht nachvollziehen. Eine Familie gründen? Fehlanzeige! Heiraten? Du meine Güte! Später, aber auch nur vielleicht, sicher nicht jetzt! Im Übrigen kann man Kinder auch unverheiratet haben. Die Hälfte aller Neugeborenen hat heute eine nicht verheiratete Mutter, was diese aber in der Regel beileibe nicht als Unglück betrachtet, sondern gerne noch inszeniert. Wenngleich die entsprechende Infrastruktur nicht oder noch nicht gut auf diese neuen Gesellschaftsformen vorbereitet ist: Es fehlen Krippenplätze und dies erheblich. Und die verfügbaren Plätze in der Kita sind fast unbezahlbar teuer. So teuer, dass heute fünfzigtausend Akademikerfrauen in der Schweiz es vorziehen zuhause zu bleiben und damit dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen. Wenn man die Kosten der einstigen Ausbildung in Relation setzt, ist dies volkswirtschaftlich betrachtet ein riesiger Verlust. Zumal Arbeitsplätze mehrheitlich zur Verfügung stehen würden.

Übrigens: Eine Umfrage bei heute 30-jährigen hat ergeben, dass diese bei der Frage «was ihre grösste Angst sei», als Antwort nicht eine Krankheit, ein eventueller Krieg, Arbeitslosigkeit oder Naturkatastrophen nannten, nicht mal das Auseinanderfallen der Beziehung, sondern «die Angst etwas im Leben verpasst zu haben, oder aktuell zu verpassen» mit der Begründung, dass einem nur ein einziges Leben zur Verfügung stehe und die Alterskeule nahe sei! Und was die Statistik auch noch aufzeigte ist, dass die überwiegende Mehrheit der heute 30-jährigen nicht verheiratet und ohne Kinder ist. Dies ist allerdings unter den gegebenen Umständen kein sehr überraschendes Ergebnis!

Frauen sind heute so gut ausgebildet wie Männer. Viele Berufe, die einst als typische Männerberufe angesehen wurden, werden von Frauen gleichwertig gut besetzt. Wer kann Frauen verübeln, dass sie ihre Berufstätigkeit so lange als möglich auszuüben versuchen. Das Drama ist, dass die Gebärfähigkeit der Frau heute nicht anders ist als früher – verändertes soziales Umfeld hin, verbesserte medizinische Betreuung her. Irgendwann bricht das Klimakterium ins Leben ein und dann ist es fertig mit der Mutterschaft. Frauen, Paaren, die zu lange planen, können leer ausgehen, bleiben ohne Kinder trotz grundsätzlichem Kinderwunsch.

Am anderen Ende der Gesellschaft, nämlich bei den Alten, ist ebenfalls ein nicht unerhebliches Verbesserungspotenzial auszumachen. Vielerorts fehlt es an geeignetem Lebensraum. Es ist jene Generation, welche die Jungen nicht mehr oder nur mehr schwer verstehen kann. Diese Greise werden in unverschämter Weise immer älter und es gibt immer mehr davon. Dies als Folge, weil das Gesundheitswesen laufend neue Erkenntnisse gewinnt – das logische Resultat kostspieliger Forschung auf dem medizinischen Gebiet. Die Preisfrage lautet: Wo sind sie, die bezahlbaren Alterswohnungen und die Zimmer in Alters- und Pflegeheimen, die sich der Durchschnittsbürger leisten kann? Wo ist das entsprechende Personal, ohne das die Rädchen stehen bleiben?

Seit Jahren weiss man wohin die Reise der demographischen Entwicklung geht und dennoch zeigt sich die Politik ziemlich resistent. Es sind kaum Regungen auszumachen, dass Politiker tatsächlich aktiv nach Lösung suchen. Die Jungen erwärmen sich mehrheitlich wenig für dieses Thema, obwohl gerade sie es dereinst sein werden, die einen hohen Preis bezahlen werden. Wahrscheinlich mit einem späteren Rentenalter und wohl auch mit herab gestuften Renten. Diese Konsequenz ist absehbar, weil immer weniger Arbeitende für immer mehr Rentenbezüger aufkommen müssen. Es ist ein Teufelskreis, den man kennt, der aber nicht oder höchstens halbherzig angegangen wird. Die diesbezüglichen Ideen der Politik und vor allem die Standpunkte der Parteien zielen vielfach an der Realität vorbei. Ihre Slogans sind in der Regel an beiden Polen zu radikal und die Exponenten wenig kompromissbereit. Ihnen geht es vielfach eher darum Parteiparolen durch zu schreien und sich dabei selbst vorteilhaft darzustellen. Denn die nächste Wahl ist nahe. Mit diesem Mangel an Flexibilität dürfte aber wohl kaum nächstens ein mehrheitsfähiger Konsens gefunden werden. Alle Bemühungen werden so identisch gleich jenem beim Hornberg-Schiessen enden. Eigentlich liegt der Eindruck nahe, dass es sich wohl meist um Alibiübungen handelt, auf dass die Zeit vorüber streiche. Damit sich dann vielleicht die nächste Politikergeneration dem Problem annimmt.

Doch was sollen wir lamentieren! Schon unsere Eltern und Grosseltern konnten ihre nachfolgende Generation nicht oder zumindest schlecht verstehen. Dieses sich nicht verstehen können, dieses Missverstehen, diese Zerwürfnisse zwischen den Generationen gab es schon immer, hat Tradition, existierte gar schon vor tausend und zweitausend Jahren. Man kann das sogar in der Bibel und anderen alten Schriften lesen.

Wir leben in einer Zeit, in der es den Leuten so gut geht, wie es nie je zuvor der Fall war, dies zumindest in unserer Hemisphäre der Weltkugel. Worte wie Entbehrung oder Verzicht sind für junge Menschen kaum existierend. Es sind Begriffe, die negativ behaftet sind, die nichts hergeben, die so abstrakt sind, dass sie schlicht nicht nachvollziehbar sind. Weil sie nie je persönlich auch nur ansatzweise erlebt wurden. Die allgemeine Losung scheint zu lauten: Money, Money, Money: Geld verdienen, damit man sich alles jenes leisten kann, was man sich als Ziel in den Kopf gesetzt hat. Die Latte liegt hoch! Und ja, auch das soll nicht unerwähnt bleiben, privat gespendet wird noch immer unvermindert und vielfach nicht kleinlich. Das Volk verhält sich human, grosszügig. Bei den Privatspenden ist die statistisch erfasste Summe jedes Jahr noch etwas höher als im Vorjahr, so berichten die Hilfswerke. Viele geben ehrlichen Herzens, andere aus anderen Gründen und sei es nur, um das eigene Gewissen ruhig zu stellen. Aber auch dies ist an sich nichts Negatives! Andererseits scheint die grosszügige Verhaltensweise der privaten Hand oft gegensätzlich zu jener des Staates zu sein. Dieser versucht offensichtlich zunehmend Unterstützungsgelder zu Gunsten unterschiedlicher sozialer Institutionen, welche sich für Unterprivilegierte einsetzen, zu beschneiden.

Die noch vor wenigen Jahrzehnten alles beherrschende Religion hat bei einer Grosszahl der modernen Menschen abgewirtschaftet, sie hat nur noch wenig oder keinen Einfluss mehr. Der Glaube an Gott ist vielen sich modern und aufgeschlossen gebenden Menschen abhandengekommen. Sie pochen auf ihren Anspruch der einzige Schmied des eigenen Glückes sein zu dürfen. Sie meinen, dass es besser ist die Zügel in der eigenen Hand zu behalten, sich am vorteilhaftesten selbst zu managen. Übermächtige oder gar allmächtige Wesen oder Institutionen sind unpopulär, einerlei ob es sich um Gott handelt, die Regierung oder die Polizei. Die einst weit verbreitete Obrigkeitsgläubigkeit ist passé. Autoritäten jeglicher Art sind unpopulär, weil sich der Mensch ihretwegen in der persönlichen Freiheit beschnitten fühlt. Anbetungswürdig sind stattdessen andere Objekte oder Personen: Sportskanonen, Popstars, die eigene Behausung, tolle Autos, Freizeitaktivitäten, Reisen, der Kult mit und um den eigenen Körper, die persönlichen Tatoos, die Kommunikation jeglicher Art mit Freunden und Gleichgesinnten, vornehmlich die digitale, weit weniger die persönliche. Für die Mehrung der Anzahl der Follower wird einiger Aufwand betrieben! Ja, das Smartphone ist ein unverzichtbarer Fetisch. Damit hat man sich selbst zu einer Art Gottheit erhoben und betrachtet sich selbst in betont unbescheidener Manier als letzte und einzige Instanz, die für das eigene, das persönliche Ich zuständig ist.

Trotz Kenntnis der realen Situation und sich dem Risiko auszusetzen, als letzter Hinterwäldler betrachtet zu werden, sei die scheue Frage erlaubt: Könnte sich diese Einstellung vielleicht nicht doch noch einmal letztendlich als fatale Fehleinschätzung entpuppen? Insbesondere dann, wenn der Lebenspfad die Glückstrasse einmal in unerwarteter Weise verlassen sollte und sich fatal und völlig unverhofft linke Abzweigungen einschleichen, Wendungen, die schwer zu meistern sind, schon gar nicht allein und auf sich allein gestellt?

Kürzlich habe ich in unserer Lokalzeitung folgenden Leitartikel gelesen: Früher haben wir im Religionsunterricht einmal gelernt, dass es Übertretungen gibt, die eine Sünde sind. Es wurde uns beigebracht, dass göttliche Gebote bestehen, Vorgaben, die von uns Menschen einzuhalten sind, andernfalls nach dem Erdendasein die Verbannung in die Niederungen der Hölle warte. Heute ist der Begriff Sünde im Bewusstsein des modernen Menschen nicht mehr existierend. - In der Folge drückte der Autor im besagten Zeitungsartikel seine Genugtuung aus, dass wir uns glücklich schätzen dürfen, die Zeit der Einschränkungen, der moralisierenden Fesselungen überwunden zu haben. - Einspruch, lieber Journalist! Deine Einschätzung ist sehr kurz gedacht. Denn die Sünde existiert nach wie vor und hat keinesfalls abgewirtschaftet. Sünde meint nichts anderes als Gott durch eine grobe Überschreitung einer Grenze zu beleidigen, es ist die bewusste Abwendung von ihm. Jeder, der die Sünde negiert, isoliert sich somit selbst und sollte sich nicht wundern, wenn ihn Gott dereinst am Ende des diesseitigen Daseins im Jenseits nicht kennen sollte. Es ist kein einfältiges Verhalten, sich dies stets vor Augen zu halten und nicht nur und absolut auf Gottes finale Barmherzigkeit zu bauen. In der Tat ist es absurd, dass viele von uns das Wort Sünde nur noch in verdrehter Weise kennen und anwenden, nämlich als Parksünde, Umweltsünde, Verkehrssünde oder Sündenbock.

Richtig ist, dass wir uns glücklich schätzen dürfen zumindest eine gewisse Mündigkeit erreicht zu haben und es unser Recht ist persönliche Selbstverantwortlichkeit zu beanspruchen. Es ist auch richtig und gut, dass wir uns von niemandem mehr ein X für ein Y vormachen lassen. So soll es sein, so muss es sein! Wir haben das Recht ohne Einschränkung selbst denken zu dürfen und es ist unsere explizite Freiheit unsere eigenen, unsere ganz persönlichen Rückschlüsse zu ziehen. In gleichem Sinn sollten wir jederzeit hellhörig sein. Wir sollten auf all die vielen Schalmeien, die uns mit allen Tricks der Psychologie auf diese oder jene Seite ziehen wollen, eigenständig, klug und abgeklärt reagieren. Wir müssen uns bewusst sein stets Zielscheibe vieler Einflüsse zu sein, die nichts anderes im Schild führen, als uns zu vereinnahmen, zu manipulieren. Oft realisieren wir das gar nicht. Dabei geht es den Manipulatoren stets nur um eines, nämlich um die Ausweitung ihrer Macht in jeglichem Sinn, um die Beeinflussung auf ideellen, politischen und ökonomischen Gebieten. Diese Machtblöcke testen unsere Gesinnung. Sie wollen unsere Stimme erobern. Dabei behaupten sie, dass ihr Tun juristisch korrekt sei und es somit daran nichts auszusetzen gebe. Es liegt in unserer Hand sich nicht falsch beeinflussen zu lassen, sondern eigenständig zu denken, dezidiert zuzustimmen oder eben abzulehnen.

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von wegen früher war alles besser

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