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DIE UNO

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In weiten Teilen der Welt hatte der Zweite Weltkrieg unermessliches Leid, Chaos und Zerstörung hinterlassen; die Apokalypse des Bösen hatte über 55 Millionen Menschen das Leben gekostet. In der Zeit danach wurden die Karten in der Weltpolitik neu gemischt, und die internationale Lage veränderte sich grundlegend. Schon auf der Jalta-Konferenz im Februar 1945 hatten Churchill, Roosevelt und Stalin die Gründung der Vereinten Nationen angedacht. Gleich nach dem Sieg der Alliierten wurden dann auf der Potsdamer Konferenz erste Weichen gestellt; der Frieden war eine Verhandlungsmasse der Mächtigen, und bereits in Potsdam kam es zu Differenzen zwischen Ost und West über die Besatzungspolitik, die den Beginn des Kalten Krieges markierten. Eine Woche danach warfen die Amerikaner ihre Atombomben über Hiroshima und Nagasaki ab. Ein gigantisches Wettrüsten setzte ein, und die Entwicklung der Kernwaffentechnik wurde vorangetrieben. Im Sommer 1949 zündeten auch die Sowjets ihre erste Atombombe, Großbritannien im Oktober 1952.

Zur Aufrechterhaltung des Weltfriedens wurden 1945 die Vereinten Nationen ins Leben gerufen. Vorläufer waren der Weltfriedenskongress 1891 in Rom, die beiden Haager Friedenskonferenzen in den Jahren 1899 und 1907 sowie der nach dem Ersten Weltkrieg im April 1919 gegründete Völkerbund. Hauptziel der UNO war und ist die Bewahrung des Friedens, vor allem der Schutz kommender Generationen „vor der Geißel des Krieges“ durch Verbesserung der wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und humanitären Zusammenarbeit weltweit. Der Zweite Weltkrieg und der Holocaust waren ein Höhepunkt des Grauens gewesen, aber nicht dessen Ende: In der Zeit danach bis in die Gegenwart wurden mehrere Hundert Millionen Menschen Opfer von Kriegen, von Vertreibung, von Terror, Hass und Gewalt jeder Art. Ein großer Teil der Menschheit hatte darunter zu leiden, und dieses Leid hat bis heute nicht aufgehört. Die vielerorts zu beobachtende Verachtung menschlichen Lebens und die der Natur, der Umwelt und dem Klima zugefügten Schäden haben ein unvorstellbares Ausmaß angenommen und geben Anlass zur Sorge für die Zukunft. Es gibt jedoch auch Signale neuer Hoffnung, darunter ein zunehmendes Bewusstsein hinsichtlich der Menschenrechte sowie verstärkte Anstrengungen im Umwelt-, Arten- und Klimaschutz. Im Januar 2021 trat ein UN-Abkommen in Kraft, das die permanente völkerrechtliche Ächtung der Nuklearwaffen auf den Weg bringt und die Lücke zum Verbot anderer Massenvernichtungswaffen schließt.

Doch zurück zur Anfangszeit: Am 26. Juni 1945 unterzeichneten zum Abschluss einer Konferenz in San Francisco 50 Gründungsstaaten die Grundcharta der UN; Polen wurde bald darauf 51. Gründungsmitglied. Diese Verfassung der Vereinten Nationen trat am 24. Oktober in Kraft. Im Prinzip kann jedes Land, das sich für den Frieden in der Welt einsetzen will, auf Empfehlung des Sicherheitsrats Mitglied werden; derzeit sind 193 Staaten der Erde der UNO angeschlossen. Sie hatte zunächst Büros im Empire State Building in New York und bezog dann ihr Hauptquartier in dem 1950 fertiggestellten, für die damalige Zeit supermodernen gläsernen Wolkenkratzer, der wie ein überdimensionaler Dominostein am East River in Manhattan in den Himmel ragt.

Ihr wichtigstes Organ ist der Weltsicherheitsrat mit 15 Mitgliedern (bis Ende der 60er-Jahre waren es nur elf), davon fünf ständige, die das entscheidende Gremium bilden. Zur Zeit Hammarskjölds waren die USA, die Sowjetunion, Frankreich, Großbritannien und die kleine Republik China (Formosa, später Taiwan) ständige Mitglieder. Sie haben ein Vetorecht, von dem bis 1984 die Sowjetunion am meisten Gebrauch machte; allein bis 1961 legten die Sowjets 95 Vetos ein. Seit Mitte der 80er-Jahre haben die USA dieses Recht am häufigsten in Anspruch genommen. Zu den weiteren wichtigen Organen der UNO gehören die Generalversammlung, die normalerweise mindestens einmal jährlich zusammentritt, und nicht zuletzt das Generalsekretariat, dessen Aufgaben in den Artikeln 97–101 der Charta der Vereinten Nationen geregelt sind.

Gegenwärtig gehören zur UNO insgesamt 19 Sonderorganisationen, darunter die UNESCO für Erziehung, Wissenschaft und Kultur in Paris, die Weltgesundheitsorganisation WHO in Genf, die Welternährungsorganisation FAO in Rom sowie der Internationale Währungsfonds mit der Weltbank-Gruppe. Das Ganze wird vom Wirtschafts- und Sozialrat ECOSOC mit vielen Fachkommissionen koordiniert, ebenso die weiteren Unterorganisationen sowie zahlreiche Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Mit den ehrgeizigen Zielen der „Agenda 2030“ für nachhaltige Entwicklung wollen die Vereinten Nationen in diesem Jahrzehnt die Situation der Menschen weltweit wesentlich verbessern, nicht zuletzt durch Bekämpfung von Armut, Hunger, Krankheiten und Analphabetismus. Die Corona-Pandemie hat mehr denn je deutlich gemacht, dass internationale Zusammenarbeit unerlässlich ist. Die offizielle Entwicklungshilfe der einkommensstarken Nationen reicht bei Weitem noch immer nicht aus. Einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Lage leisten Nichtregierungsorganisationen sowie zahllose private Initiativen und Projekte.

An der Spitze der Verwaltung der ganzen Organisation steht der Generalsekretär, der auf Empfehlung des Sicherheitsrates ernannt und dann von der Generalversammlung in dieses Amt gewählt wird. Er ist gewissermaßen der ranghöchste Beamte der Welt und nimmt an den Sitzungen des Sicherheitsrats teil. Ihm obliegt im Wesentlichen die Rolle eines Vermittlers und Organisators. Im Gegensatz zum Generalsekretär des Völkerbundes wurde der Amtsinhaber der UNO mit beachtlichem politischem Handlungsspielraum ausgestattet, der auf Artikel 99 der UN-Charta basiert: „Der Generalsekretär kann die Aufmerksamkeit des Sicherheitsrats auf jede Angelegenheit lenken, die nach seinem Dafürhalten geeignet ist, die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit zu gefährden.“

Diese formal dürftige, aber offene Formulierung bot Hammarskjöld die Möglichkeit zu eigener Interpretation und Ausgestaltung. Dadurch wusste er sich in seinen politischen Entscheidungen die ihm geboten scheinende Souveränität zu schaffen, beispielsweise während der Suezkrise oder auch in der Zeit der Kongokrise. Durch sein resolutes Auftreten etablierte er in seiner Amtszeit eine eigene Handlungsvollmacht. Allein schon damit hat er für die Arbeit der Vereinten Nationen Entscheidendes geleistet, auch wenn ihm diese Freiheit immer wieder streitig gemacht wurde. Der jeweilige Amtsträger ist auch für die Personalentwicklung und die Haushaltspläne zuständig; darüber hinaus repräsentiert er die Vereinten Nationen in der ganzen Welt und kann durch seine Jahresberichte Einfluss auf die Orientierungen der Weltpolitik nehmen, wozu Hammarskjöld sie mehr als einmal auch energisch genutzt hat.

Erster Generalsekretär der Vereinten Nationen wurde der norwegische Diplomat Trygve Lie. Während seiner Amtszeit wurde 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet. Im November 1952 trat Lie zurück, denn er hatte schon zu Beginn des Koreakriegs den Kurs der USA befürwortet und war deshalb zum Feind Stalins geworden, der auf seine Absetzung drängte. Als Lie dann immer mehr auch die Unterstützung enger Mitarbeiter in seiner eigenen Organisation schwinden sah, gab er resigniert auf. Widerstand, Skepsis und Polemik von vielen Seiten prägten schon die Anfangsjahre der UNO und hatten ihn mürbe gemacht. Die Vereinten Nationen haben bis in die Gegenwart mit Anfeindungen und völlig unterschiedlichen Machtinteressen zu kämpfen, zunehmend wieder seit den 90er-Jahren. Es war vor allem Kofi Annan, der sich wie Hammarskjöld in diesem schwierigen Umfeld zu behaupten wusste und so zur weltweiten Anerkennung der UNO wesentlich beigetragen hat. Auch der gegenwärtige Generalsekretär, der Portugiese António Guterrez, genießt international hohes Ansehen.

Die häufige Uneinigkeit im Sicherheitsrat mit dem Vetorecht seiner ständigen Mitglieder und die Blockade von Resolutionen ist eines ihrer Hauptprobleme. Darüber hinaus haben Staaten gelegentlich indirekt ein Vetorecht wahrgenommen, indem sie die finanzielle Abhängigkeit der Weltorganisation ausnutzten, um deren Entscheidungen zu beeinflussen und Druck auszuüben.

Dag Hammarskjöld

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