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Markus Occhio hatte sich hinter einem Blumenkasten versteckt, wo ich ihn – ich betrat um Punkt halb drei die Cafeteria – erst nach mehrmaligem Hin- und Hergehen entdeckte. Wir begrüßten uns und ich setzte mich. Mit seinem verfärbten Bluterguss im Gesicht, der sich ausgedehnt zu haben schien, sah er nun aus wie ein Clown.

»Ich werde Ihnen entgegenkommen«, sagte Occhio leise und drehte den Kopf nach allen Richtungen, um sich zu vergewissern, ob ihn niemand gehört hatte. »Aber«, er räusperte sich und zog die Stirn in Falten, als käme nun etwas Ungeziemendes, »mein Name bleibt tabu?!«.

Ich überging seine Frage: »Vielleicht können Sie Ihre Aussagen etwas ausweiten.« Wieder musste ich gegen das Kratzen im Hals ankämpfen. »Wissen Sie, als Journalist ist man immer sehr dankbar, wenn man genügend ‚Fleisch‘ hat, wie wir es bezeichnen – wie gesagt, dann könnte ich Ihnen auf fünfzehnhundert, eventuell auf mehr aufstocken. Doch es kommt wirklich darauf an, ob sich aus Ihren Informationen etwas Fundiertes destillieren lässt.« Ob dies aber zutreffe, machte ich ihm klar, könne ich erst am Ende beurteilen. Auf einen Hans-Gerd Unstihl könne er sich da ganz verlassen. »Tausend erhalten Sie auf jeden Fall.« Ich legte ihm ein Kuvert mit fünf Hundertmarkscheinen auf den Tisch und sagte leise: »Eine Anzahlung.«

Er schob mir einen Zettel her, auf den er mit Kugelschreiber und in Normschrift geschrieben hatte:

15. September 1996 Markus Occhio

Ich, H. G. Unstihl, Journalist, unterschreibe dafür, dass ich in meinem Harvester-Bericht weder den Namen Markus Occhio nennen noch irgendeinen Hinweis auf seine Familie geben werde.

Ich las, unterschrieb und gab ihm den Zettel zurück. Er erschien mir wertlos, aber ich sagte es ihm nicht. Hastig faltete er das Papierstück zusammen und stopfte es mit dem Umschlag in eine Tasche seines Morgenmantels. Auf seine Frage, was er nun zu tun habe, ob er mir hier in der Cafeteria erzählen solle, was ich wissen wolle, und ob ich dann mitschriebe, fischte ich aus meinem Aktenkoffer ein Diktiergerät und legte es auf den Tisch.

»Ein Diktiergerät. Es hat drei Knöpfe: Hier schalten Sie ein. Weiterdrehen desselben Knopfs bringt mehr Lautstärke beim Abspielen des Bands. Zweiter Knopf: Aufnehmen. Sie drücken ihn und sprechen. Die Schlitze nicht mit der Hand abdecken, weil dahinter das Mikrophon ist. Wollen Sie eine Pause machen, drücken Sie wieder Knopf Zwei. So wechseln sich Aufnahme und Bandstillstand ab. Hier sind zwei Kassetten, die Sie jeweils fünfundvierzig Minuten lang besprechen können. Dreißig Sekunden vor Bandende hören sie einen langen Ton; sobald drei Piepstöne ertönen, ist die Kassette voll.« So schnappe der Schacht auf (ich machte es ihm vor), genau wie bei einem Kassettenrekorder, dann lasse sich das Band einlegen und herausnehmen (auch das führte ich ihm vor). Worauf zu achten ich ihn besonders bat: Er solle deutlich sprechen. Das Gerät arbeite sowohl mit Batterien als auch mit Netzstrom, erklärte ich noch, und suchte nach dem Kabel in meinem Koffer. Es war rot wie das Diktiergerät. »Das brauchen Sie natürlich, falls Sie an der Steckdose arbeiten.« Dann schob ich ihm noch zwei neue Batterien für den Fall über den Tisch, dass die im Gerät eingelegten nicht ausreichten. Ich stand auf, lächelte ihm aufmunternd zu und fragte, ob ich am nächsten Tag wieder kommen und den Bericht abholen könne.

Markus Occhio seufzte und sagte nur: »Natürlich, morgen. Um vier Uhr, wenn es Ihnen recht ist.«

Ich trank meinen Kaffee zu Ende und Occhio holte sich einen zweiten Tee. Er erzählte mir wohl noch eine halbe Stunde lang von seiner Krankheit.

Ich selbst habe Ingenieurwissenschaften studiert, sah aber nach dem Studium meine Aufgabe darin, der Menschheit technische Vorgänge, in Verbindung damit notgedrungen auch Technikgeschichte, zu vermitteln. Mein Podium dafür sind seit langem Fachzeitschriften; darüber hinaus versehe ich einen außerordentlichen Lehrauftrag an der Technischen Hochschule Stuttgart. Bald musste ich einsehen, dass meine sprachlichen Neigungen und mein Ingenieurstudium alleine nicht ausreichten, allen Anforderungen des Journalistenberufs gerecht zu werden. So nahm ich mit fast vierzig Jahren noch die Schur eines Ergänzungsstudiums auf mich, das mich wirklich vorwärts brachte. Vorlesungen und Praktika in Öffentlichkeitsarbeit, an der Hochschule offiziell als Public Relations, kurz: PR, bezeichnet, gingen auch auf die Berichterstattung über Messen, auf Krisen-PR und Sponsoring ein. Als bloßer Textverfasser hat der Journalist von heute ausgedient: Er muss ebenso gut mit Grafik, Design und elektronischer Bildbearbeitung umgehen können. Gerade in diesen modernen Techniken bot mir das anstrengende Studium viel Brauchbares.

Für den BRENNPUNKT verfasse ich regelmäßig technikwissenschaftliche Beiträge. Dass sie einen kriminellen Hintergrund hatten, war immer wieder einmal vorgekommen. Der Chefredakteur war, als die Forstmaschinen-Affäre ruchbar wurde, wieder mit der Bitte an mich heran getreten, in der Angelegenheit zu recherchieren. Die Kernfragen, auf die ich seinem Auftrag zufolge Antworten zu suchen hatte, lauteten:

1 Auf welchem Weg gelangten die Maschinen ins Kriegsgebiet?

2 Wer sind die deutschen Hintermänner?

3 Aufgrund welcher technischen Eigenschaften eignen sich die Maschinen für militärische Einsätze?

Darüber hinaus legte der Chefredakteur Wert auf gutes Bildmaterial.

Da sich das Magazin mit seinen Vergütungen nie geizig zeigte, hatte ich den Auftrag gerne angenommen.

Rechnung ohne Wirt

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