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Am Tag darauf suchte ich Markus Occhio, wie abgemacht, um sechzehn Uhr auf. Da ich mir der Zimmernummer nicht mehr sicher war, erkundigte ich mich an der Pforte danach. Der Mann legte eine klebrige Schneckennudel neben der Computertastatur ab, leckte seine Finger sauber und tippte den Namen ein. Er fuhr mit dem Zeigefinger über den Bildschirm und sagte gelangweilt: »Ja hier, Okzio, Markus, Nummer 216, zweites Geschoss. Dort drüben gibt es einen Fahrstuhl.« Fahrstuhl? fragte ich mich hier zum ersten Mal, woher mochte wohl der Begriff Fahrstuhl stammen? Hatte ich je irgendwo Aufzüge mit Stühlen gesehen?

Hinter mir machte ein Mann einen Satz in den Lift, um nicht von der sich schließenden Tür eingeklemmt zu werden. Ein breitkrempiger Hut, wie sie in diesem Jahr in Mode gekommen waren, bedeckte sein speckiges, vielleicht einmal blondes Haar und seltsamerweise trug er jetzt schon, im Frühherbst, Handschuhe. An seinem Ohrläppchen glänzte ein goldener Ring. Sein Aktenkoffer hätte mein eigener sein können, wenn er nicht braun gewesen wäre; meiner war schwarz. Auf beiden sah ich dasselbe Schildchen an derselben Stelle neben dem Traggriff silbern glänzen: SECURATE. Das S, größer als die restlichen Buchstaben, war bei ihm rot übermalt. Der Mensch verbreitete einen abscheulichen Schweißgeruch. Er stieg mit mir aus dem Lift aus.

Ich klopfte an die Tür mit der Nummer 216, aber auf Occhios »Herein« wartete ich vergeblich. Da auf dem Gang niemand zu sehen war, den ich um Erlaubnis hätte fragen können, drückte ich die Türklinke. Im ersten Moment erkannte ich nichts, denn die Sonne blendete mich und es brauchte einige Augenblicke, bis Einzelheiten im Zimmer Konturen gewannen. Dann fiel mir ein überbordender, auf dem Nachttisch stehender Blumenstrauß auf.

Ich rief gekünstelt: »Guten Tag, Herr Occhio!«

Keine Antwort. Zögernd ging ich zwei, drei Schritte ins Zimmer hinein. Zu meiner Linken, durch die offene Tür hindurch, sah ich vor dem Waschbecken einen Menschen auf dem Boden liegen – Occhio in seinem grünroten Morgenmantel, Glasscherben, die zerborstene Brille daneben. Was mich in diesem Moment bewegte, was mir durch den Kopf ging, kann ich immer noch nicht mit Gewissheit sagen, aber ich erinnere mich, dass ich ins Zimmer hinein und entsetzt am Bett vorbei zum Nachttisch hastete und die Schublade aufriss. Dort lagen die Batterien und eine Kassette. Ich nahm sie an mich, klappte den Aktenkoffer auf und warf alles zusammen hinein. Das Diktiergerät! Wo war das Diktiergerät? Da ich es nirgends entdeckte und nicht auch noch im Schrank wühlen wollte, ging ich mit zögernden Schritten ins Bad. Aus dem Hahn lief Wasser; der wie leblos Hingestreckte lag mit dem Gesicht auf dem Boden. Ich berührte ihn am Arm und fragte: »Herr Occhio? Herr Occhio, fehlt Ihnen etwas?« Keine Antwort. Er blieb reglos liegen und jetzt bemerkte ich die gelbe, abgestandene Gesichtsfarbe. Um Gottes Willen: Er ist tot! Occhio war tot! Mein Kopf war wie ausgehöhlt. Ich fühlte mich an Fäden hängen wie eine Marionette, die irgendjemand hin und her riss und die von oben auf einen unheimlichen Ort hinab starrte. Im Waschbecken lag ein zerbrochenes Trinkglas, über dessen Scherben Wasser aus dem Hahn lief. Ich stürzte aus dem Bad, schrammte am Ausgang mit dem Kopf an einem Hängeregal vorbei, verspürte einen stechenden Schmerz, riss die Zimmertür auf, schlug sie hinter mir zu, als hätte ich etwas verbrochen, und rannte zum Aufzug, in dessen Nähe sich ein Arzt und eine Krankenschwester unterhielten. Weiter hinten zog eine Putzfrau teilnahmslos ihren feuchten Lappen über den nass glänzenden Boden und der Handschuhmann vom Aufzug stand noch mit seinem Koffer herum. Mir fiel auf, wie der Arzt, ein ungewöhnlich hoch gewachsener, hagerer Mensch in weißem Mantel, mich anstierte.

In mehrstöckigen Gebäuden nehme ich sonst grundsätzlich den Aufzug, jetzt aber hastete ich durch das Treppenhaus hinab, an roboterhaft staksenden Menschen vorbei und durch die Pforte hinaus ins Freie.

Es hatte zu regnen begonnen. Hier schüttete es, während weiter hinten die schönste Sonne einen bewaldeten Bergrücken beleuchtete. Auf dem Parkplatz versuchte ich die Tür meines Wagens zu öffnen, bis ich merkte, dass ich im Schloss eines fremden Autos herumstocherte. Als ich meinen Wagen schließlich gefunden hatte, ließ ich mich durchnässt in den Sitz fallen. Ich zitterte an allen Gliedern. War meine Reaktion richtig gewesen? Ich zündete eine Zigarette an. Sie schmeckte wie jene grüne Rankenstängel im Wald, mit denen wir als Halbwüchsige einst unsere ersten Rauchversuche absolvierten und die einen so bitteren, beißenden, furchtbaren Dampf verströmten, dass sie mir diesen Sport eigentlich gleich damals für alle Zeiten hätten vergällen müssen. Sie verdächtigen dich alle, hörte ich mein Gewissen wie einen igendwo hinter mir schwebenden Geist flüstern. Was wirst du tun? Für den langen Arzt wäre ich ein unbekannter Besucher und damit bedeutungslos geblieben, wäre ich jetzt auf Nimmerwiedersehen weg gefahren. Aber wie, wenn Occhio mit jemandem – mit Ursula vielleicht – über mich, über meinen Besuch gestern bei ihm, über unsere Abmachung gesprochen hatte? Oder gar darüber, dass er mich heute wieder erwartete? Was war mit ihm geschehen? Er war doch schon einmal gestürzt, vielleicht war es wieder nur ein Schwächeanfall. Aber, wenn ihn womöglich jemand ermordet hatte? Mit Gift, oder erstochen? War mir die tödliche Wunde, das Blut auf den Bodenfliesen nur deshalb verborgen geblieben, weil ich Occhio nicht umgedreht hatte? Nein, nun steckte ich in einer ganz furchtbaren Sache, man konnte mir Dinge anhängen, mit denen ich nichts zu tun hatte!

Langsam, um mich zu beruhigen, ging ich mit aufgespanntem Regenschirm, obwohl die ganze Welt wieder in das unschuldigste Sonnenlicht getaucht war, zur Pforte zurück, tappte durch Wasserlachen und überlegte, was ich sagen würde, sollte mich jemand nach Markus Occhio fragen. Vielleicht hatte man ihn noch gar nicht entdeckt, vielleicht lag er nur ohnmächtig auf dem Boden. Er konnte auch wieder zu sich gekommen sein und wäre dankbar gewesen, wenn ihm jemand geholfen hätte, aufzustehen. Läge er noch dort, würde ich in den Gang hinaus eilen und einen Pfleger, einen Arzt, irgendjemanden um Hilfe bitten. Ich drückte den quadratischen Knopf am Aufzugsrahmen, um ihn herum leuchtete es grün auf, aber die Tür blieb ewig geschlossen, als sei der Aufzug stecken geblieben. Endlich der verhalten-trockene Gong, die Tür öffnete sich fast lautlos und zwei schweigende Frauen zwängten sich an mir vorbei. Oben trat ich auf den Flur, sah gegenüber ein WC-Schild, ging hinein, wusch mir den Schweiß aus dem Gesicht neben einer im Rollstuhl sitzenden Frau, die umständlich ihr Gebiss säuberte, und dazu schrecklich stöhnte, fuhr mit dem Kamm durch mein verwildert aussehendes Haar. Dabei entdeckte ich die Wunde über der Schläfe, zog ein Papierhandtuch aus dem Spender und tupfte das Blut ab, das mir bis auf den Hemdkragen herunter gelaufen war. Dann ging ich zum Zimmer 216, Gott sei Dank war dieser lange Arzt nirgends, klopfte an. Hatte jemand »Herein« gerufen? Ich trat ein, am Tisch ganz hinten stand eine Frau, die einer anderen gerade einen Löffel zum Mund führte. Entschuldigung, verzeihen Sie. Irritiert schaute ich nochmals auf das Türschild: 316, kein Wunder. Ich vergewisserte mich an den benachbarten Türen: links 315, rechts 317. Ich ging durch das Treppenhaus in den 2. Stock hinab und merkte erst dort, dass ich meinen Regenschirm nicht mehr hatte.

Einen sicheren Schritt vortäuschend und doch fürchtend, meine weichen Knie könnten mich einknicken lassen, visierte ich in der Hoffnung Zimmer 216 an, dort sei jetzt jemand und habe alles schon aufgeklärt. Ich klopfte zögerlich an: Stille. Wieder öffnete ich vorsichtig die Tür, kämpfte mit drei, vier Schritten gegen das entsetzlich gleißende Sonnenlicht an und sah es sofort: Occhio lag unverändert vor dem Waschbecken. Leichengeruch umfing mich, Buchsgeruch. Für mich ist Leichengeruch mit Buchsgeruch verbunden, denn in meiner Kindheit wurden die Särge mit den Toten, die damals bis zur Beerdigung in den Häusern standen, mit Buchszweigen drapiert. Doch mein Verstand sagte mir, das sei dumme Einbildung, weil es nirgends in dem sonst freundlichen Zimmer auch nur einen einzigen Buchszweig gab. Die Blumen in der Vase waren Sonnenblumen und Zinnien und andere, die ich nicht kannte, und sie rochen sicher nicht wie Buchs. Sofort trat ich wieder auf den Gang hinaus, suchte nach einer Tür, auf der ‚Stationsarzt‘, ‚Krankenschwester‘, ‚Zutritt verboten‘ oder Ähnliches stand. Aus einem der Krankenzimmer kam eine Schwester und huschte quer über den Gang; wir vermieden den Zusammenstoß, und sie fragte streng: »Ja?«

Ich stotterte: »Entschuldigung. ... Es ist so ... ich wollte eigentlich schon einmal Herrn Occhio besuchen, aber ich glaube, er hat einen Anfall oder ... ich weiß es nicht. Er liegt auf dem Boden ... er antwortet nicht.«

»Zimmer 216?« vernahm ich ihre männlich tiefe Stimme.

»Ja, 216. Dort, rechts.«

»Mein Gott, Oktschio!« stieß sie aus, drehte sich abrupt um und rannte nach 216.

Ich zwang mich, gemächlich ihren kläppernden Schritten nachzugehen, um mich in keinem Falle verdächtig zu machen. Da stürzte sie schon wieder heraus, verschwand hinter einer der gegenüberliegenden Türen und kurz danach sah ich eine an der Decke hängende Kugel rot blinken. Da war sie wieder, kläpperte wieder in Richtung 216, verlor dabei einen Schuh, bremste, um die umgekehrt da liegende Öffnung mit dem entblößten Fuß irgendwie zu angeln und wieder hinein zu schlüpfen. Eine zweite Schwester zeigte sich auf dem Gang – es war Ursula, Occhios »Augenweide« – , und weiter vorne tauchte der Arzt auf; auch er schoss an mir vorbei in Richtung 216.

Ich blieb einige Schritte vor der Tür stehen, hinter der sie jetzt Occhio wohl erste Hilfe leisteten. An der Wand vor mir hingen blasse Aquarelle, Burgen, Kirchen, durchweg in verkorkster Perspektive dargestellt. Nach einer Weile kamen der Arzt und die Krankenschwestern mit ernsten Mienen heraus. Ursula schlug zu meiner großen Erleichterung die andere Richtung ein.

»Tot?« fragte ich leise durch den vorwurfsvollen Blick der Krankenschwester hindurch, die den Schuh verloren hatte.

»Ja«, antwortete an ihrer Stelle der Arzt und sah mich einen Moment prüfend an. »Sie haben sich an der Schläfe verletzt.«

»Das kommt vor«, antwortete ich und traute mich nicht, nach der Wunde zu tasten. Der Arzt fragte: »Waren Sie nicht schon einmal bei Herrn Occhio, vor einer viertel, halben Stunde?«

»Ja«, würgte ich heraus.

»Gut – dann sollten wir miteinander reden. Kommen Sie doch bitte mit mir.«

Er führte mich in einen nach Medikamenten und Desinfektionsmitteln riechenden Raum, bot mir einen Stuhl an, und ging nochmals hinaus. Von draußen herein hörte ich ihn mit der Krankenschwester reden. Vielleicht gab er ihr Anweisungen, was mit dem Leichnam zu geschehen hatte. Meine Aufregung hatte sich etwas gelegt, denn ich sagte mir: Das Einzige, was in dieser Situation auf deiner Seite angreifbar ist, ist die Sache mit dem Diktiergerät. Markus Occhio hast du nichts getan. Sollte er jetzt nicht mehr leben, wäre es furchtbar, aber mit dir hat das alles nichts zu tun.

Eine Viertelstunde später, die mir wie eine Ewigkeit erschien, kam der Arzt endlich zurück, hinter ihm die Schwester. Sie blieb stehen und mir fiel ihr hartes Gesicht auf. Der Arzt nahm einen Streifen Leukoplast aus einem Schrank, trat zu mir, klebte ihn mir auf die Wunde und sagte: »Wenn Sie erlauben, das kann man ja nicht mitansehen.« Dann ließ er sich auf den Drehstuhl hinter seinem Schreibtisch fallen, schob die auf der Tischplatte herumliegenden Medikamente auf einen Haufen zusammen, atmete tief durch, und sah von seiner beängstigenden Höhe auf mich herab.

»Herr Occhio war schwer krank«, sagte er, »aber er hatte sich hier relativ gut erholt. Sein Sturz vor einigen Tagen ... « Er zögerte, dann fuhr er fort: »Gestern morgen allerdings gab es einige Probleme. Ich bedauere zutiefst, dass er nun so unerwartet verstarb. Sind Sie verwandt mit ihm?«

»Nein, ein Bekannter«, erwiderte ich. »Genau genommen nicht einmal das.«

»Gut, Sie haben ihn besucht. Ich hätte doch sehr gerne gewusst, warum Sie vorhin so hastig sein Zimmer verließen, überstürzt, wie mir vorkam.«

Der Arzt war ein noch junger Mensch, vielleicht fünfundreißig – ich hätte fast sein Vater sein können. Beim Anblick seiner ergrauenden und seltsam wirren Haare dachte ich: Sicher hat er schon viel erlebt, Unglück, Krankheit, Leiden, Tod, Misserfolge in seinem Bemühen, Menschen die Gesundheit, wenigstens ein besseres Leben zurück zu geben. Sein Polizeiton wollte mir nicht recht dazu passen. Seine auf der Tischplatte liegende Hand zitterte.

»Die Situation hat mich«, brachte ich heraus, »wie soll ich es sagen ... verwirrt. Ich wollte Herrn Occhio besuchen. Als ich sein Zimmer zum ersten Mal betrat, lag er so am Boden vor dem Waschbecken, wie wahrscheinlich auch Sie ihn angetroffen haben.«

»Gut, aber warum haben Sie uns Ihre Entdeckung nicht gleich mitgeteilt?«

Ja, warum? Ich sah die Krankenschwester mit einer Gießkanne zu den Blumen am Fenster gehen. Die Kanne schien leer zu sein, es kam nur ein Spritzer Wasser heraus, der die lanzenförmigen, wie zu grünen Kanälen gekrümmten Blätter erreichte und von dort auf den Boden lief.

»Ich kann es Ihnen nicht genau sagen. Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich mich in dieser Art mit einem Menschen konfrontiert sah. Ich befürchtete schon gleich, Herr Occhio sei tot und fühlte mich in Panik. Ich hatte zuerst tatsächlich vor, davonzufahren, irgendwohin. Doch unten auf dem Parkplatz, ich saß bereits im Wagen, plagte mich das Gewissen, denn es hätte ja sein können, dass Herr Occhio in einer Schwäche gestürzt war und dringend Hilfe benötigte. Deshalb überwand ich mich, zurück zu kommen, um mich zu vergewissern, ob ich ihn nicht voreilig alleine gelassen hatte. Den Rest kennen Sie.«

»Gut. Das heißt, Sie waren auch beim ersten Mal nur kurzzeitig im Zimmer?«

Gut! Gut! Merkte der Mann nicht, dass er einen Sprachtick hatte? Gut! Wenn er ihn schon als Intelligenzler nicht selbst bemerkte, dann hätte ihn seine Frau oder sonst eine ihm nahe stehende Person darauf aufmerksam machen können. Unpassender als mit »Gut!« hätte man im Moment keinen Satz einleiten können, denn es war überhaupt nichts gut. Eine seltsame Aggression hatte mich erfasst.

Die Krankenschwester hatte die Kanne unter den Hahn im Waschbecken gestellt; das Wasser lief schon eine ganze Weile über. Abwechselnd blickte sie auf mich und auf den Arzt und übersah dabei völlig ihr sinnloses Tun. Dann drehte sie den Hahn zu und kippte die Kanne zur Henkelseite, um sie teilweise zu entleeren. Platschend schwappte das Wasser über den Beckenrand auf den Boden. Der Arzt drehte sich um und warf ihr einen strafenden Blick zu. Hier ging es um einen Toten und diese Krankenschwester dachte anscheinend an nichts anderes als an Gießkannen.

Was hatte der Arzt gesagt? »Entschuldigen Sie, ich war abwesend. Was meinten Sie?«

»Ob Sie auch beim ersten Mal nur kurzzeitig im Zimmer waren, hatte ich gefragt.«

»Ja, natürlich«, bestätigte ich, »ich rannte, wie ich Ihnen schon erläuterte, panikartig aus dem Zimmer, als ich Herrn Occhio so liegen sah.«

»Verzeihen Sie, wenn ich hartnäckig bohre. Aber Sie wissen ja, heutzutage kann man nicht vorsichtig genug sein ...«

»Ja, ich weiß es. Sie werden mich hoffentlich nicht in irgendeiner Weise verdächtigen.«

»Ich wüsste nicht, warum«, sagte er wenig überzeugend, aber ich gewann aus dieser Bemerkung den mich erleichternden Eindruck, dass er weder etwas von meinem gestrigen Besuch noch von der Übereinkunft zwischen mir und Occhio wusste.

»Gut. Für alle Fälle wäre ich Ihnen dankbar«, sagte der Arzt, »wenn Sie mir Ihre Personalien hier ließen. Es könnte sein, dass wir nochmals ihr Hilfe benötigen.«

Ich zog ein Visitenkärtchen heraus und reichte es ihm hinüber. Wieder fiel mir seine zitternde Hand auf.

»Herr Unstihl«, sagte er, »Journalist?« Er sah mich durchdringend an.

»Ja, Journalist.«

Die Augen hinter seiner randlosen Brille suchten irritiert, wie mir schien, mein Gesicht nach irgendetwas ab. Vielleicht kannte er mich.

»Dürfte ich auch Ihren Namen erfahren?«

»Natürlich: Doktor Mein-Stilling. Ich bin Oberarzt.« Ich notierte den Namen.

In diesem Augenblick wurde die Tür aufgerissen und ein älterer Arzt in weißem Mantel stürzte herein, entschuldigte sich atemlos und stieß heraus: »Könntest du ganz schnell kommen – es nimmt kein Ende! Ich bin hinten im Abstellraum.« Der Alte hastete wieder hinaus.

»Gut, Herr Unstihl«, sagte Dr. Mein-Stilling im Aufstehen zu mir, »ich danke Ihnen. Auf Wiedersehen.«

Wie nie zuvor sehnte ich mich danach, an die frische Luft zu kommen, das Zimmer, den Krankenhausmief, das Gebäude hinter mich zu bringen. Als ich auf den Gang trat, schoben Pfleger ein Krankenbett vorbei, auf dem eine mit einem weißen Laken zugedeckte Gestalt lag. Dich plagen keine Sorgen mehr, Markus Occhio, dachte ich. Da die Pfleger mit der Leiche auf den Lift zusteuerten, bog ich wieder ins Treppenhaus ab – ich wollte nicht zusammen mit einem Toten im engen Aufzug stehen.

An der Klinikpforte bat ich um die Telefonnummer von Frau Occhio. Der Schneckennudelmann behauptete, er kenne sie nicht. Dabei fiel mir ein, dass meine Frage überflüssig gewesen war, denn die Nummer stand bereits in meinem Terminkalender.

Rechnung ohne Wirt

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