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Der Sparkassendirektor und seine schlüpfrigen Aktien
ОглавлениеDr. Hoffmann ist schon lange außer Diensten. Es ist anzunehmen, dass ihm heutzutage nicht die Nazis, sondern die neoliberalen Seilschaften das Arbeiten unmöglich machen würden. So mancher Sparkassenfunktionär träumt nämlich heutzutage davon, seine regionale Sparbüchse zum „Global Player“ aufzupusten.
So auch Frerich Eilts, ehemaliger Direktor der Flensburger Stadtparkasse, die im Jahre 2008 nach 189-jährigem Bestehen ihr Leben aushauchte.9 Herr Eilts hatte die Öffentlichkeit beeindruckt mit einem schwindelerregenden Wachstum der Flensburger Sparkasse. So war auch nicht recht zu verstehen, dass im Februar 2008 der Flensburger Oberbürgermeister an die Öffentlichkeit trat und die rasche Fusion der Flensburger Sparkasse mit der Nord-Ostsee Sparkasse, kurz: Nospa, bekanntgab. Erst mit der Zeit kam in kleinen Häppchen ans Tageslicht, dass die Flensburger Stadtsparkasse vollständig pleite war und durch eine Notoperation in der Nospa aufgehen musste, um die Einlagen der Kunden zu retten.
Direktor Eilts hatte seine Sparkasse schlicht zweckentfremdet. Anstatt solide die Einlagen seiner Kunden in den regionalen Geldkreislauf einzuspeisen und in kleinen Portionen zu streuen, hatte er Großkredite auch außerhalb der Region vergeben und damit ein so genanntes „Klumpenrisiko“ auf die Schultern der Bank geladen. Soll heißen: er hatte das Geld an einige wenige Kunden gegeben. Wenn die dann ins Straucheln kommen, strauchelt sofort auch die Kredit gebende Bank. Eilts hatte zudem weit mehr Geld verliehen, als die Bank überhaupt an Einlagen hatte. Das musste er von außen holen. Alles Dinge, die für eine Sparkasse grundsätzlich tabu sind.
Und an dieser Stelle muss man leider sagen: alle diese Verstöße gegen die guten Sitten öffentlicher Geldbewirtschaftung sind nur möglich, wenn die Öffentlichkeit schläft. Wenn die Aufsichtsorgane aus Bequemlichkeit alles abnicken. Warum hatte die Stadtregierung von Flensburg als Vertreter der Flensburger Bürgerschaft, denen die Sparkasse ja schließlich gehört, kein Veto eingelegt, als Eilts einen Megakredit an den Erotikkonzern Beate Uhse auf den Weg brachte? Als Sicherheit für die Kredite bot der Konzern nur ein Aktienpaket an, das sich in den Händen des Besitzers Ulrich Rotermund befand und das nie zuvor den Crashtest an der Börse absolviert hatte. Als Rotermund dann ein Aktienpaket auf den Markt warf, stürzte der Kurs der Erotik-Aktie ins Bodenlose von 200 Euro auf 35 Cent.
Erst nachdem die Flensburger Stadtsparkasse in der Nospa aufgegangen war, erfuhr die Öffentlichkeit Scheibchen für Scheibchen, dass die Flensburger Sparkasse einen gigantischen Schuldenberg von 181 Millionen Euro in die Ehe mit der Nospa eingebracht hatte. Nun geriet auch die Nospa in Schieflage. Das Flensburger Stadtparlament, in das nach den Kommunalwahlen eine basisorientierte Bürgerliste „Wir-in-Flensburg“ als stärkste Fraktion eingezogen war, setzte keinen parlamentarischen Untersuchungsausschuss ein, sondern lediglich eine „Arbeitsgruppe“ unter Vorsitz des frisch gewählten WIF-Stadtpräsidenten Christian Dewanger. Die AG hatte keine Befugnisse, Akteneinsicht einzufordern oder Akteure des Skandals zum Erscheinen vor der Arbeitsgruppe zu zwingen.
Unglaublich: gewählte Vertreter der Flensburger Bürgerschaft, die die legitimen Eigentümer der Sparkasse sind, dürfen keinen Einblick nehmen in die Akten ihrer eigenen Firma!
Den Mitgliedern der Arbeitsgruppe blieb nur übrig, jenen Personen zu danken, die freiwillig zu erscheinen geruhten. Die Amateurpolitiker ließen sich, auf Deutsch gesagt, einseifen. Der Abschlussbericht bringt dafür Verständnis auf, dass Sparkassendirektor Eilts und seine Mitstreiter sich von der Börseneuphorie mitreißen ließen und findet lobende Worte für Oberbürgermeister Tscheuschner, der erst im Amt war, als das Kind schon in den Brunnen gefallen war, nämlich im Jahre 2005. Kein Wort darüber, dass Tscheuschner dann noch gute vier Jahre die heranreifende Erkenntnis, dass die Flensburger Sparkasse gerade untergeht, für sich behalten und die Motive für die Fusion allein mit Synergie-Effekten begründet hat. Die Arbeitsgruppe kam zu folgendem Urteil: „Jedenfalls waren die damaligen Geschäfte mit dem herkömmlichen Geschäft einer Sparkasse, die für die Kreditversorgung des regionalen Mittelstands sorgen soll, allenfalls teilweise zu vereinbaren.“10
Ich habe diese Posse aus dem hohen Norden deswegen so ausführlich geschildert, weil man hier sehen kann, wie weit sich Sparkassenchefs von den Grundsätzen der öffentlich-rechtlichen Geldwirtschaft entfernt haben; sich quasi nur noch als Artgenossen der Ackermann, Fitschen und Co. von der Deutschen Bank wähnen. Und wie ihnen dieser Größenwahn und Verrat an der Sparkassenidee leicht gemacht wird durch eine Öffentlichkeit, die aufgrund jahrzehntelanger Gehirnwäsche längst vergessen hat, wozu die deutsche Dreiteilung der Wirtschaft eigentlich gut ist. Die Ratsmitglieder aus der Sparkassen-Arbeitsgruppe sind schlicht zu gutmütig, um ihre Bürgerrechte mit einem energischen Faustschlag auf den Tisch zu verteidigen.
Die wackeren Bürgersleut‘ können sich einfach nicht vorstellen, wie abgebrüht und skrupellos die Gegenseite zuschlagen kann. Wie strategisch hier vorgegangen wird: getrennt marschieren, vereint zuschlagen. Das werde ich jetzt in einem weit größer dimensionierten Maßstab aufzeigen.