Читать книгу Erkenne dein wahres Selbst und lebe dein lichtvolles Potential! - Hermine Merkl - Страница 5

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Einführung

„Erst wenn unser normaler Alltag nicht mehr normal ist, merken wir, wie wertvoll ein normaler Alltag ist.“ – Autor Meerweh1

„Corona“ – Ist es wirklich dieser kleine Virus, der uns derzeit so sehr beschäftigt, oder hat die Situation, in der wir uns weltweit alle miteinander befinden, nicht einen ganz anderen, viel tieferen Ursprung?

Unser aller Leben ändert sich gerade gravierend. Wir sehen uns vor Herausforderungen gestellt, deren Ausmaße wir noch gar nicht abschätzen können. Das Einzige, was derzeit klar ist, ist, dass wir allesamt in eine eklatante Krise geraten sind, aus der wir nur mit vereinten Kräften wieder herausfinden können. Wenn ich „vereinte Kräfte“ sage, beabsichtige ich damit jedoch keinen Aufruf zu einer Demonstration. Das ist nicht mein Weg. Demonstrationen dienen zwar immer wieder mal der Bewusstwerdung, dass es zu all den Maßnahmen von staatlicher Seite her auch massive Gegenstimmen gibt. So gesehen hat eine Demonstration durchaus ihre Berechtigung, solange sie friedlich verläuft. Doch ich will an dieser Stelle mit Ihnen nicht über den Sinn von Demonstrationen reden, sondern verfolge ein ganz anderes Ziel. Nach meinem Dafürhalten kann eine Veränderung, die wir im Außen so dringend bräuchten, nur dann nachhaltig, zielführend und sinnvoll sein, wenn die Veränderung zunächst in uns selbst geschieht. Was ist damit gemeint?

Erst wenn uns bewusstwird, dass wir uns durch unsere eigenen Gedanken und Handlungen in genau die Situation gebracht haben, in der wir heute sind, und dass JEDER von uns – ganz egal, ob uns dies gefällt oder nicht – seinen Beitrag dazu geleistet hat, kann durch den Prozess der Bewusstwerdung unseres Denkens und Handelns sowohl in uns als auch im Außen eine Veränderung zum Positiven hin geschehen.

Ich kann Ihre anfängliche Irritation, Skepsis, vielleicht sogar Verärgerung über meine Worte sehr gut nachvollziehen und verstehen. Schließlich ging es mir vor ein paar Jahren genauso, als mir bewusstwerden sollte, dass ich für alles, was mir widerfahren war, niemanden im Außen verantwortlich machen konnte, sondern dass es mein eigenes Denken und Handeln waren, die mich in diese Situation gebracht hatten, die ich in meinem ersten Buch Meine Seele will endlich fliegen. Raus aus der Ohnmacht – rein in die Schöpferkraft! bereits thematisiert habe. Ich will Ihnen meine Geschichte nicht noch einmal erzählen, sondern diesmal vielmehr darauf eingehen, warum in meinem Leben Krise und Krankheit unausweichlich waren. Zwar brachten sie mein komplettes Leben durcheinander, sodass von dem „Puzzle“ („Mosaik“) meines Lebens kein „Puzzle-Steinchen“ („Mosaik-Steinchen“) mehr auf dem anderen blieb, doch war diese Erfahrung sehr, sehr wichtig für mich. Hat sie mich letztlich doch zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Die Person, die ich damals war, gibt es nicht mehr. Dieses „alte Kleid“ habe ich inzwischen abgelegt. Dabei ging es mir ähnlich wie den Tieren (Schlangen, Echsen …), die sich ebenfalls im Laufe der Zeit immer wieder einmal häuten. Häuten warum? Häuten wozu? – Um all das Alte, das nicht mehr passend ist, abzustreifen. Es abzulegen.

Auch mir passte das „Korsett der Vergangenheit“ nicht mehr, in dem ich 55 Jahre gelebt und – so gut ich konnte – funktioniert hatte. Zwar war ich mir damals noch nicht bewusst, dass mich Krankheit und Krise durch einen so lebensverändernden Prozess führen sollten, doch heute kann ich sagen, dass ich inzwischen froh bin, dass die Dinge waren, wie sie waren, weil sie mich unwahrscheinlich Vieles gelehrt haben. Wenn ich mein Bewusstsein von damals und heute vergleiche, dann liegen da Welten dazwischen. Unfassbar, was mit uns geschieht, wenn wir uns einverstanden damit zeigen, das Alte, das Vergangene loszulassen, damit etwas Neues entstehen kann.

Loslassen wurde für mich zu einer Pflicht. Egal, ob dies Überzeugungen, Glaubenssätze über mich, andere Menschen, meine Arbeit sowie mein Denken über Gott und die Welt waren. Kommen wir dieser „Pflicht“ uns selbst gegenüber nicht nach, bleiben wir ewig in den alten erlernten Mustern unserer Gedanken und Verhaltensweisen aus Kindertagen gefangen, die uns jedoch nicht länger guttun, denn sie alle sind Muster, die uns begrenzen. Gedanken, die uns ohnmächtig, klein und unscheinbar halten. Die uns daran hindern, unser wahres Potential zu erkennen und dieses bewusst zu leben.

Wer meine ersten beiden Bücher gelesen hat, der weiß, durch welche Prozesse ich in den letzten Jahren geführt wurde. Und ich darf an dieser Stelle tatsächlich von „geführt“ sprechen, denn es war Gott, der mich durch diese ganze Zeit intensiv begleitet hat. Er hat mich so vieles gelehrt, wofür ich ihm unendlich dankbar bin. Und wenn ich eines mit absoluter Gewissheit sagen kann, dann ist es dies: Gott ist nicht nur für mich da. Er ist für uns alle da und wünscht sich nichts mehr, als dass wir wieder mehr in Kontakt mit ihm kommen. Dass wir uns seiner wieder bewusstwerden. Ihn wieder mehr zu einem festen Bestandteil unseres Lebens machen, denn alles, was sich uns an Heilung und positiver Veränderung im Leben zeigt, haben wir ausschließlich ihm zu verdanken.

Es gibt zwar viele Menschen, die glauben, dass Krise und Krankheit oder gar der Krieg ebenfalls von Gott gemacht sind, weil er zulässt, dass uns derartige Schicksalsschläge ereilen. Doch sind sie wirklich von Gott gemacht? – NEIN! – NEIN! NEIN! NEIN! – Sie sind allesamt von uns selbst gemacht. Zwar gab es bereits zu allen Zeiten immer wieder Menschen, die behaupteten, dass sie selbst Kriege im Namen Gottes führten, um das scheinbar „Böse“ aus der Welt zu verbannen oder um diese Macht zumindest zu schwächen. Doch stimmt das? Hat Gott ihnen tatsächlich den Auftrag dazu erteilt? Meine Antwort darauf ist ein klares „NEIN“.

Wir leben zwar in einer Welt der Dualität, in der es neben „schwarz“ auch „weiß“ und neben dem „Frieden“ folglich auch den „Krieg“ gibt. Doch ist es Gottes Absicht, uns bewusst in einen Zustand des Krieges zu führen, der letztlich alles zerstört, was Gott erschaffen hat? Ich glaube, Sie stimmen mir hier zu und sagen selbst ebenfalls beherzt „NEIN“, denn das kann nicht sein. Das würde ja bedeuten, dass es neben dem Gott, der der Schöpfer der Welt ist, auch einen Gott geben muss, der das, was er erschaffen hat, willentlich auch wieder zerstört. Glauben Sie das? Glauben Sie das wirklich? – Meiner Meinung nach kann dies definitiv nicht sein, denn das ergibt überhaupt keinen Sinn.

Zwar lässt Gott es zu, dass es in diesem „Welten-Theater“ neben dem „Guten“ auch das sogenannte „Böse“, das „Negative“ gibt. Doch warum? – Damit wir an all diesen negativen Beispielen lernen können, was uns nicht wirklich guttut. Auf diese Art will er uns helfen, zu erkennen, was es zu meiden gilt, denn indem wir die Auswirkungen des Negativen schmerzhaft erleben, wird es indirekt durch jeden einzelnen von uns so in Schach gehalten, dass es nicht zu mächtig wird oder eines Tages gar die Überhand bekommt. Gott hält uns sozusagen mit beidem, dem Guten wie dem Schlechten, einen Spiegel vor, in den wir schauen können, um festzustellen, ob uns das, was wir darin sehen, gefällt.

In Wirklichkeit reicht Gott jedem einzelnen von uns seine Hand, wie wir dies am Schönsten in dem Fresko „Die Erschaffung Adams“ von Michelangelo Buonarroti sehen können, das wir in der Sixtinischen Kapelle in Rom bewundern können. Doch ob wir diese Hand ergreifen, darüber entscheidet letztlich jeder von uns selbst. Hier können uns weder Vater noch Mutter, noch Partner/Partnerin, noch Freund/Freundin helfen. Es ist vielmehr eine Entscheidung, die jeder für sich selbst treffen muss, denn sie muss aus dem Herzen kommen. Eine Entscheidung für Gott kann keine halbe Sache sein. So wie er jeden von uns bedingungslos liebt, sollten auch wir ihn lieben, ganz egal, wie sich uns die Dinge im Außen zeigen.

Für Gott gibt es kein „Jein“. Soll heißen: wir können Gott nicht halbherzig in unser Leben einladen und dann darauf hoffen, dass Gott auch weiterhin all das Gute in unserem Leben bewirkt. So wie das „Ja“ zu Gott seine Konsequenzen hat und unser Leben beeinflusst, so tut dies auch das „Nein“. Doch Gott liebt jedes seiner Geschöpfe so sehr, dass er unsere Entscheidung akzeptiert. Zwar wünscht auch er sich ein Leben an unserer Seite. Doch selbst dann, wenn wir uns aus welchen Gründen auch immer gegen ihn entscheiden, wird er uns dennoch lieben, da wir seine Geschöpfe sind. Interessant sind für mich vielmehr die Fragen: Warum treten so viele Menschen aus der Kirche aus? Warum tun sich so viele Menschen schwer, überhaupt an die Existenz eines Gottes zu glauben? Warum meiden viele Menschen Gott? Wie viele von uns wagen es nicht, den Namen „Gott“ laut auszusprechen, geschweige denn, sich zu ihm zu bekennen?

Ich frage mich, was ist da irgendwann passiert, dass das so ist? Er ist immerhin unser himmlischer Vater. Auch wenn es manche Menschen nicht glauben: Er ist die Quelle allen Seins und lebt in jedem Einzelnen von uns. Wir können Gott nicht leugnen. Aus menschlicher Sicht ja. Da mag uns unser Ego einreden, dass es Gott nicht gibt, weil wir noch keine reale Erfahrung mit ihm gemacht haben, doch wenn wir unser Herz und unsere Seele fragen, fällt uns zum Glück die einzig richtige Antwort irgendwann wieder ein.

Dazu gibt es sogar eine wunderschöne Geschichte, die ich an dieser Stelle sehr gerne mit Ihnen teilen will. Wer mein erstes Buch gelesen hat, der kennt diese kleine Geschichte bereits, doch ich finde, dass sie auch in diesem Buch Erwähnung finden sollte. Gefunden habe ich die Geschichte „Das Versteck der Weisheit“2 im Internet.

Das Versteck der Weisheit

Vor langer Zeit überlegten die Götter, dass es sehr schlecht wäre, wenn die Menschen die Weisheit des Universums finden würden, bevor sie tatsächlich reif genug dafür wären. Also entschieden die Götter, die Weisheit des Universums so lange an einem Ort zu verstecken, wo die Menschen sie so lange nicht finden würden, bis sie reif genug sein würden.

Einer der Götter schlug vor, die Weisheit auf dem höchsten Berg der Erde zu verstecken. Aber schnell erkannten die Götter, dass der Mensch bald alle Berge erklimmen würde und die Weisheit dort nicht sicher genug versteckt wäre. Ein anderer schlug vor, die Weisheit an der tiefsten Stelle im Meer zu verstecken. Aber auch dort sahen die Götter die Gefahr, dass die Menschen die Weisheit zu früh finden würden.

Dann äußerte der weiseste aller Götter seinen Vorschlag: „Ich weiß, was zu tun ist. Lasst uns die Weisheit des Universums im Menschen selbst verstecken. Er wird dort erst dann danach suchen, wenn er reif genug ist, denn er muss dazu den Weg in sein Inneres gehen.“

Die anderen Götter waren von diesem Vorschlag begeistert und so versteckten sie die Weisheit des Universums im Menschen selbst. – Verfasser: Unbekannt

Vielleicht ist dies für manche nicht nachvollziehbar oder nur eine Geschichte, die man kleinen Kindern erzählt. Ich selbst konnte jedoch die Erfahrung machen, dass die Aussage dieser Geschichte die Wahrheit ist, denn ich habe Gott tatsächlich in mir gefunden. Zu diesem Zeitpunkt kannte ich die Geschichte noch nicht einmal. Soll heißen: Die Antwort für das, was ich zuerst in meinem Inneren, also tief in meinem Herzen wahrnehmen und fühlen konnte, erhielt ich Monate später durch diese Geschichte. Sie war für mich die Bestätigung, dass Gott tatsächlich in jedem Einzelnen von uns wohnt, denn jetzt war ich mir sicher, dass ich mich auch wirklich auf mein eigenes Fühlen und Wahrnehmen von Gott verlassen kann, weil ich ihn zuvor bereits so deutlich spüren konnte …

Aufgrund meiner persönlichen Geschichte habe ich für mich beschlossen, dass ich mich nicht mehr länger von der Welt im Außen täuschen lassen und blind darauf vertrauen will, was mir andere sagen. Ich glaube nicht mehr an das, was sie für richtig und wichtig erachten, sondern vertraue nur noch auf das, was mir die Stimme meines Herzens sagt.

Ich habe schon viel zu lange „blind, taub und brav“ vor mich hingelebt, anstatt der einzigartigen Verbindung zu vertrauen, die ich als kleines Kind in mir noch gespürt und wahrgenommen hatte, dann aber von Lebensjahr zu Lebensjahr immer mehr aus den Augen verlor, weil ich mich von so viel anderen Dingen gefangen nehmen und auch täuschen ließ. Als kleines Kind (bis etwa zum vierten Lebensjahr) war die Welt noch in Ordnung. Damals konnte ich noch an die Engel und an Gott glauben. Erst durch die Erfahrungen, die ich im Verlauf meines Lebens machen sollte, stellte ich Gott immer mehr in Frage.

Heute weiß ich, dass ich die ganze Zeit über mit einem gänzlich falschen Blick auf Gott und auf das Leben geschaut hatte. Statt mir den Gott meiner frühen Kindheit in Erinnerung zu behalten, in der für mich das Leben noch leicht und unbeschwert war, lernte ich spätestens ab Eintritt in die Schule, aufgrund eigener Erfahrungen sowie der Erzählungen der Erwachsenen, dass das Leben nicht nur schön ist, sondern dass es uns vieles abverlangt und uns täglich aufs Neue fordert. Viele Geschichten der Erwachsenen, die ich hörte, waren oft so voller Schwere, Kummer, Leid, Sorgen und Angst, dass ich – ohne nachzufragen warum das so ist – ihren Worten Glauben schenkte. Und so lernte ich, dass das Leben zwar hin und wieder auch Spaß machen kann und Freude bringt (zum Beispiel an Geburtstagen oder an Festtagen), doch dass es größtenteils Mühsal, Plackerei und Arbeit bedeutet. Und das so lange, bis uns eines Tages der Tod von diesem irdischen Dasein wieder befreit.

Wenn ich das alles mit meinem Wissen von heute so niederschreibe, dann erschrecke ich förmlich über die Wahl meiner Worte, die ich zur Beschreibung dessen verwende, was sich mir meiner Erinnerung nach als Kind und Teenager vom Leben zeigte. Allein wenn ich mich in diese wenigen Worte einfühle, dann kann ich die Ohnmacht, den ganzen Kummer, das Leid, das sie in sich tragen, wahrnehmen. Dann sitze ich quasi mittendrin in diesem Erleben und spüre den Druck und die Schwere dieses ganzen emotionalen Ballasts regelrecht auf meinen Schultern sitzen. Dann fällt mir sogar das Atmen schwer.

Was ich als Kind und Jugendliche diesen ganzen Erzählungen entnahm, war, dass das Leben definitiv kein Honig-Schlecken ist, sondern im Grunde genommen nur ein Ziel kennt: die Arbeit. Zwischendurch versuchen die Menschen zwar, sich mit Essen, Kleidung, Urlaubsreisen, Medien etc. etwas Erleichterung von ihrer Situation zu verschaffen, doch sobald dieses „Unterhaltungsprogramm“, das ihrer Ablenkung dienen soll, endet, hat sich der Mensch wieder dem Ernst des Lebens zuzuwenden, denn schließlich kommen nur die Guten und Fleißigen ins Himmelreich. Für all die Müßiggänger und vom Weg abgekommenen hat Gott ja angeblich das Fegefeuer bzw. die Hölle vorgesehen.

Diese Bilder, dass das Leben so sein soll, ängstigten und erschreckten mich sehr. Und da ich sowohl meine Eltern als auch die anderen Menschen überwiegend nur bei irgendeiner Arbeit sah, festigte sich in mir das Bild, dass das Leben anstrengend ist. Auch in der Schule lernten wir Kinder von Anfang an, dass man nur dann mit Fleiß-Bildchen und guten Noten belohnt wird, wenn man als Schüler entsprechend fleißig ist und gute Ergebnisse erzielt. Alle anderen hingegen wurden getadelt, zählten als dumm und faul, oder mussten sich sogar anhören: „Was mag aus dir wohl mal werden?“ Selbst sonntags setzte der Geistliche von der Kanzel herab meistens noch ein „Krönchen“ obendrauf und predigte mit gebärdenvoller Sprache von Kummer und Leid, das die Menschheit zu ertragen hat, weil die Welt so schlecht ist, dass es der Mensch gar nicht anders verdient. „Tut Buße! Beichtet! Bekennt eure Sünden! …“

Worte, die für einen jungen Menschen, der hochsensibel ist und sich alles sehr zu Herzen nimmt, alles andere als einladend sind, um mit Freude den Gottesdiensten beizuwohnen. Diese Predigten haben mich jedes Mal extrem belastet, denn da wurde im Grunde genommen eigentlich nur Negatives thematisiert. Doch wie bitte kann man lernen, sich des Lebens zu erfreuen, wenn man von den verschiedensten Seiten her mit so viel Pessimismus und Negativität konfrontiert wird?

Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass sich erst mit der ersten Generation neuer Geistlicher (damals war ich bereits zwölf Jahre alt) die Wahl ihrer Worte zum Positiven hin veränderte. Endlich wurde nicht mehr nur über die Schlechtheit der Menschheit monologisiert, sondern die jungen Theologen bemühten sich, mit der Gemeinde mehr in Kontakt zu treten. Was mir dabei besonders auffiel, war, dass diese Priester interessanterweise der Kanzel nicht mehr bedurften. Was für eine schöne Entwicklung, die ich als sehr angenehm empfand. Endlich wurde nicht mehr mit weit ausladenden Gesten von oben herab zur Gemeinde gesprochen, sondern vielmehr ein Kontakt auf Augenhöhe zu den Gottesdienstbesuchern gesucht. Doch trotz dieser positiven Veränderung hatten sich die Erlebnisse der früheren Jahre bereits so sehr in meinem Bewusstsein eingeprägt, dass ich Schwierigkeiten hatte, mein ursprünglich erlerntes Bild von Gott zu revidieren. Zwar habe ich es immer wieder versucht, doch es sollte mir nicht wirklich gelingen. Viel zu sehr hatte sich in mir bereits der Gedanke festgesetzt, dass Gott für uns Menschen unnahbar ist, dass er mit uns genauso hadert und schimpft, wie es die Geistlichen als die sogenannten Vertreter Gottes hier auf Erden tun, und dass er uns einst richten wird.

Ich war so eingeschüchtert von diesen ganzen Worten, dass ich davon überzeugt war, dass der Mensch schlecht ist und im Verlauf seines Lebens im „Büßergewand“ sein Dasein fristen muss, um sich bei Gott auf diese Art den Nachlass seiner Sünden zu verdienen. Tatsächlich war ich so naiv zu glauben, dass ihre Worte die Wahrheit sind. Zu sehr hatten sich mir diese Botschaften bereits in jede Zelle meines Körpers und Geistes eingebrannt. Doch statt selbst nach dem wahren Gott zu suchen, übernahm ich – brav wie ich war – die Bilder der Erwachsenen, mit denen ich aufgewachsen war. Diese Art zu denken war aber alles andere als gesund für mich. Zudem war mir nicht klar, dass ich mich aufgrund dieser pessimistischen Sichtweise auf Gott so schwertat, in Gott überhaupt einen liebenden Gott zu sehen. Einen Gott, der es gut mit uns meint. Versuchte ich dann noch in der Bibel zu lesen (Altes Testament), stolperte ich über noch mehr Geschichten, die mir Gott als den zürnenden Gott zeigten, aber leider nicht als den liebenden. Warum ist das so?

Aufgrund all dieser Erlebnisse und Erfahrungen begann ich immer mehr daran zu zweifeln, ob es diesen wohlwollenden Gott denn überhaupt gibt, denn auch angesichts so mancher Ungerechtigkeit, die ich sowohl in meiner kleinen als auch in der großen Welt wahrnahm, bestätigte sich mir vielmehr der Glaube, dass Gott tatsächlich eines Tages den Richtspruch über seine Kinder verhängen wird, die gegen ihn und seine Gebote verstoßen und gesündigt haben. Was in meiner Phantasie sehr stark lebte und mich unwahrscheinlich ängstigte, waren die Bilder vom Höllensturz und dem Jüngsten Gericht.

Ich kann mich noch gut an ein Buch über Heilige erinnern, das ich zusammen mit meinem Bruder öfter angeschaut hatte. Neben den Geschichten über die Heiligen selbst gab es ein paar Bilder, die einen solchen Höllen-Sturz der Menschen zeigten. Bilder, die uns einerseits fesselten, uns andererseits aber auch eine extreme Angst einflößten, weil wir nicht wussten, ob es diesen Gerichtstag Gottes jemals geben wird und wann dieser sein wird.

Wundert es da, wenn Menschen, die sensibel sind und die Ungerechtigkeiten der Welt extrem stark empfinden und sich noch dazu die Thematik um den Höllensturz des Menschen sehr stark zu Herzen nehmen, die Existenz eines liebenden Gottes in Frage stellen, weil sie in all dem, was sie sehen und erleben, keinen liebenden Gott erkennen können? Wer fängt diese Menschen auf? Wer zeigt ihnen die Wahrheit. Die richtige Wahrheit, damit sie auch wirklich die richtigen Bilder über Gott in ihren Herzen tragen können?

Nimmt im Leben dieser Menschen dann noch das Schicksal mit Krise, Krankheit etc. seinen Lauf und konfrontiert sie mit den verschiedensten Herausforderungen, ist es oftmals nicht mehr verwunderlich, wenn sie von ihrem Glauben her mehr abfallen, anstatt sich auf diesen zu besinnen. Wie soll man denn überhaupt eine gute Beziehung zu Gott aufbauen, wenn der Grundstein für eine positive und damit auch gesunde Beziehung zu ihm nicht von Anfang an gelegt wird?

Als Jugendliche haben mich die ganzen Erlebnisse sehr beschäftigt, doch wusste ich nicht, wem ich mich diesbezüglich anvertrauen sollte, weil meine Art, die Dinge wahrzunehmen, eine ganz andere war, als ich sie in meinem Umfeld beobachten konnte. Zwar hatte ich viele Fragen, doch stellte ich sie nicht, weil ich Angst vor den Reaktionen derer hatte, die so gottesfürchtig lebten und für die scheinbar alles so normal war. Folglich dachte ich, dass der Fehler bei mir liegen muss und ich ein schlechter Mensch bin, weil ich so denke, obwohl ich in einem sehr christlichen Haushalt aufgewachsen bin. Auch der Religionsunterricht half mir nicht weiter, einen besseren Zugang zu Gott zu finden und mein Gottesbild zu klären. Noch heute frage ich mich: Warum werden Kinder mit Angst erzogen. Warum wurde ihnen von Seiten der Kirche das Bild eines strafenden Gottes anerzogen? Warum wurde es in der Bibel versäumt, den Menschen mehr über den liebenden Gott zu erzählen als über den Gott, der angeblich Opfergaben verlangt, etc. – Fragen über Fragen. Wie geht es Ihnen damit?

Mit 14/15/16 Jahren hatte ich so viele Fragen im Hinblick auf den Sinn meines Lebens im Kopf, dass mich diese ganzen Fragen vergleichbar einem viel zu schweren Rucksack niederdrückten. Doch wem sollte ich sie stellen? Wem mich anvertrauen? Heute weiß ich, dass ich bereits zu dieser Zeit Anzeichen einer Depression in mir trug, die jedoch von niemandem zur Kenntnis genommen wurden. Heute weiß ich, dass es auch daran lag, dass ich auf Seelenebene tiefe Verletzungen in mir trug, weil ich mich als Kind und Teenager viel zu wenig wahrgenommen, gesehen oder gehört fühlte. Mich beschäftigten so viele Dinge, die ich weder mit meinen damaligen Freundinnen noch mit meiner Familie teilen konnte, weil ich immer das Gefühl hatte, irgendwie leben sie und ich in völlig unterschiedlichen Welten. Das, was sie interessiert, das interessiert mich nicht wirklich. Und das, was mich interessiert, findet bei ihnen keinen Gefallen. Oft kam ich mir vor, als wäre ich von einem anderen Stern heruntergefallen und mitten unter Menschen gelandet, mit denen ich im Grunde genommen keine wirklichen Gemeinsamkeiten habe. Dieses Gefühl von nicht wirklich zu ihnen zu gehören, belastete mich sehr. Der einzige Rückhalt, der sich mir zu dieser Zeit bot, war bereits damals meine Liebe zu den Büchern. Zum Glück konnte ich mir in der Stadtbibliothek unserer Kleinstadt Bücher von R. M. Rilke und Hermann Hesse etc. ausleihen, die ich damals regelrecht verschlang. Irgendwann stellte ich dann fest, dass mir die Bücher wichtiger waren als die Menschen, weil ich dadurch zumindest teilweise Antworten auf manche meiner Fragen bekam.

Eine ungesunde Angewohnheit, die ich mir dadurch jedoch zu eigen machte, war, mich immer mehr von den anderen (sowohl von der Familie als auch von Freunden) zurückzuziehen und mich stattdessen in der Literatur zu vergraben, um dort mit mir und meinen Gedanken alleine zu sein. Ein Vorteil, den das Ganze mit sich brachte, war, dass ich dort ungestört war und durch nichts und niemanden verletzt werden konnte. Ein Nachteil: Dass ich mich zusehends selbst von den anderen immer mehr isolierte. Nach und nach trennten sich so die Wege zwischen meinen Freundinnen und mir, weil unsere Interessen immer stärker auseinandertrifteten. Schon bald hatten wir immer weniger Gemeinsames, das wir miteinander hätten teilen können. Doch ich war damals so sehr davon überzeugt, dass für mich alles besser und leichter wird, wenn ich meinen Weg gehe, auch auf die Gefahr hin, dadurch für die anderen nicht mehr interessant und attraktiv genug zu sein. Ich folgte einfach meinem Gefühl, das mir sagte: „Konzentriere dich mehr auf das Buch.“

Natürlich verschloss ich mich auf diese Art und Weise sowohl den Gleichaltrigen als auch den Erwachsenen gegenüber immer mehr. Zudem redete ich mir ein, dass ich mit dem, was mich beschäftigt, ohnedies keine Beachtung finden würde, geschweige denn verstanden werde. Dass ich mit meinem Verhalten nicht lernte, mich mit anderen über meine Gedanken und Gefühle zu unterhalten, das kam mir damals gar nicht in den Sinn. Mein „Rettungsanker“ durch die Zeit meiner Jugend waren die Bücher. Sie waren das einzige für mich, indem ich Halt finden konnte. Und so gewöhnte ich es mir immer mehr an, die Dinge mit mir alleine auszumachen, und nutzte das Buch als den mir wichtigsten Ratgeber.

Was mir bei alledem nicht bewusst war, war, dass dies nur so lange gut funktionierte, solange in der Welt um mich her alles in Ordnung war. Doch war dies nicht der Fall, und ich hatte das Gefühl, dass ich mit den Anforderungen durch Schule, Familie etc. nicht mehr klarkomme, dann fühlte ich mich oft auch von den Büchern im Stich gelassen, weil sie mir für die aktuelle Situation, in der ich gerade Hilfe und Unterstützung gebraucht hätte, keine unmittelbaren Helfer waren. Nicht besonders geschickt gemacht. Ich weiß. Doch damals wusste ich von all den Auswirkungen unseres Denkens, unserer Worte und unseres Verhaltens auf Körper, Geist und Seele noch nichts. Das sollte ich alles erst nach meinem fünfundfünfzigsten Lebensjahr lernen.

Mein Leben änderte sich erst, als ich mit zwanzig Jahren zum Studium in die Großstadt kam. Nach und nach wurde vieles anders, nachdem ich beschlossen hatte, dass ich jetzt die Chancen nutzen will, die mir das Leben bot. Von daher versuchte ich, wieder offener zu werden und auch mal aus mir selbst heraus auf andere Menschen zuzugehen. Was mir dabei half, war, dass es den anderen Studenten letztlich genauso ging wie mir. Auch sie mussten lernen, mit der neuen Situation umzugehen. Hatten mitunter die gleichen Anfangsschwierigkeiten wie ich, um auf Anhieb den richten Hörsaal oder Seminarraum zu finden, so dass sich auf den Wegen dorthin immer wieder nette Gespräche ergaben, die mir guttaten und mir halfen, dieser neuen Phase meines Lebens optimistischer entgegenzusehen. Zwar fühlte ich mich zu manchen Zeiten schon noch ziemlich allein, doch das war gut, denn es zwang mich, mir zu überlegen, wie es weitergehen soll. Und so öffnete ich nach und nach immer mehr die Türen, hinter denen ich mich in den letzten Jahren viel zu sehr verschanzt hatte. Mit der Zeit blühten so neue Bekanntschaften und Freundschaften auf.

Zwar war ich mir bewusst, dass ich viel Zeit für mich und das Studium brauche, doch irgendwie fiel mir in den kommenden Jahren das Leben zum ersten Mal leichter und fühlte sich immer öfter sogar richtiggehend gut an. So bekamen die Dinge um mich her langsam ein völlig anderes Gesicht und veränderten damit auch mich. Soll heißen: Sowohl mein Blick auf die Welt als auch meine Interessen veränderten sich. Da ich das Glück hatte, durch meinen damaligen Freund ein Zimmer im Studentenwohnheim zu bekommen, lernte ich auch dort jede Menge anderer Menschen kennen. Menschen, die aufgrund ihrer Erziehung mitunter schon ganz anders lebten und dachten als ich. Ihre Sicht auf die Welt, ihre Gedanken und Lebenseinstellungen waren äußerst interessant für mich, kannte ich doch vieles davon nicht. So erweiterte sich nach und nach meine kleine Welt. Und neugierig und aufgeschlossen, wie ich war, schaute ich mir diese andere Art des In-der-Welt-Seins mit großen Augen an und erweiterte so – wo auch immer ich nur konnte – meinen eigenen Horizont.

Außerdem konnte ich mit Hilfe dieser neuen Bekanntschaften und Freundschaften so manche Verhaltensweise, die ich mir im Laufe der Zeit angewöhnt hatte, dahingehend prüfen, ob sie mir denn überhaupt guttut. Wenn nicht, war es an mir, sie jetzt zu korrigieren, wenn mir das Neue als besser und attraktiver erschien. Die Zeit des Studiums brachte mir somit nicht nur das nötige Fachwissen, das ich später einmal für meinen Beruf brauchen sollte, viel spannender waren für mich der Kontakt und das „Studium“ anderer Menschen. Was mich faszinierte, waren ihre Wesensart, ihr Denken, ihre Art zu Sein. Wie ein Schwamm saugte ich alles auf, was ich lernen konnte. Mich dürstete förmlich danach, zu erfahren, auf welche Art und Weise wir noch so alles in der Welt sein können als mir dies mein Elternhaus und die Schule bisher vermitteln konnten. Und so – eingenommen von diesem neuen Leben – veränderten sich im Lauf der Zeit immer mehr auch meine persönlichen Interessen.

Das „Welten-Theater“, die verschiedenen „Schaubühnen des Lebens“, hatten mich in der Hand und ermöglichten es mir, mich weiterzuentwickeln, wofür ich sehr, sehr dankbar bin. Denn wäre ich nach wie vor die Alte geblieben, wer weiß, ob es mich dann noch gäbe, denn die Einsamkeit bringt einem erst so richtig die ganzen Schattenseiten des eigenen Lebens ans Licht und konfrontiert uns mitunter auch sehr stark mit den Themen von Leben und Tod. Doch die traurige Phase meiner Jugendzeit hatte ich zum Glück mithilfe der neuen Beziehungen überwunden. – War ich froh!

Jetzt hatte ich vielmehr die Chance, noch ganz andere Seiten des Menschseins zu entdecken. Mehr oder weniger bewusst halfen mir die anderen dabei. Doch im Grunde lernten wir alle voneinander, was ja auch die tiefere Bedeutung jeglicher Beziehungen ist. Zwischen meinem zwanzigsten und achtundzwanzigsten Lebensjahr erlebte ich so meine erste kleine „Hoch-Zeit“ (ich habe das Wort ganz bewusst so geschrieben, weil ich ja nicht verheiratet, aber dennoch in einer sehr schönen Beziehung war, die mir sehr viel bedeutet hat). Leider sollte dieses Glück nicht von Dauer sein. Das Schicksal hatte anderes mit uns vor. Ein entsetzlicher Trennungsschmerz für mich, doch das Leben wollte weitergehen. Um im Schmerz nicht unterzugehen, konzentrierte ich mich auf meinen Beruf. Hatte ich doch schon früh gelernt: Arbeit tut gut. Und ja, es hat funktioniert. Was mir ebenfalls dabei half, war, dass ich – beruflich bedingt – innerhalb weniger Jahre mehrfach den Wohnort wechselte.

Mit zweiunddreißig Jahren lernte ich dann meinen Mann kennen. Und wie könnte es auch anders sein: Es folgten vier wunderschöne Jahre, die im Ergebnis dazu führten, dass wir heirateten. Was wir jedoch nicht geplant hatten, war, dass ich im Januar unseres Hochzeitsjahres an Krebs (Hodgkin) erkranken sollte. Zu meinem Glück wurde dieser jedoch in einer so frühen Phase festgestellt, dass ich mich – was die Behandlung betraf – gegen eine Chemo-, dafür für eine Bestrahlungstherapie entschied. So konnte ich – wenn ich’s genau nehme – an meinem Hochzeitstag gleich zwei „Feste“ feiern. Sowohl den Sieg über die Krankheit als auch den eigentlichen Grund, weswegen wir zu diesem Fest zusammengekommen waren. Auch wenn es zwischenzeitlich diese etwas kritische Phase mit zunächst ungewissem Ausgang gab, meinte es das Leben dennoch gut mit uns.

Trotz der Diagnose Krebs änderte sich im Grunde genommen nicht allzu viel in meinem Leben. Sie führte zwar dazu, dass ich kurzfristig mal innehielt. Nachdenklicher wurde. Über das Leben noch einmal ganz anders reflektierte. Mir viele gute Vorsätze überlegte … Doch sobald ich wieder gesundet war, standen wieder die anderen Bedürfnisse einer Partnerschaft, die gelebt sein will, sowie mein Beruf im Vordergrund. Wenn ich es mir genau betrachte, ging das Leben da weiter, wo es eineinhalb Jahre zuvor bedingt durch die Diagnose und die Zeit der Behandlung stehen geblieben war. Eh ich mich versah, blieben die guten Vorsätze gute Vorsätze, und ich war wieder in den alten Gewohnheiten und Mustern drin, die ich mir über all die Jahre hinweg angewöhnt hatte.

Zudem gab es noch so viel anderes, was mir zu dieser Zeit wichtig war. Kaum gesundet, fing ich ein gutes Jahr später an, mich beruflich weiterzuentwickeln und in neue zusätzliche Aufgabenbereiche hineinzuwachsen. Arbeit sah ich als die beste Ablenkung an, um wieder auf andere Gedanken zu kommen und um möglichst gut am sogenannten „normalen“ Leben wieder teilhaben zu können. So drängte ich die Erinnerung an die Krankheit immer weiter zurück und lebte von einem Tag auf den anderen bis circa zu meinem 48. Lebensjahr. Hatte lange Zeit ein schönes, angenehmes und erfülltes Privatleben und beruflich jede Menge zu tun, sodass meine Tage bestens ausgefüllt waren. Doch es war in Ordnung, so wie es war. Schließlich hatte ich es mir ja selbst so ausgesucht. Ich wollte es ja gar nicht anders haben. Und die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen sowie mit den Referendaren tat mir gut. So etwas wie Langeweile kannte ich nicht. Schließlich gab es immer etwas zu tun.

2007/08 hatte ich dann das nächste Etappenziel meiner beruflichen Laufbahn erreicht und wurde zur Konrektorin an einer Staatlichen Realschule ernannt. Doch was mir persönlich zur Freude gereichen sollte, machte andere weniger glücklich. Allen voran meinen Mann, der zwar bis dahin meine berufliche Laufbahn guthieß, doch kaum hatte ich die Stelle angetreten, konnte er sich mit mir darüber nicht mehr wirklich freuen. Zwar akzeptierte er meine Entscheidung, doch irgendwie begann sich zwischen uns zwar ganz langsam, dafür aber stetig, das Klima zu verändern. Zwar hoffte ich, dass sich das mit der Zeit wieder legen wird, doch in Wahrheit entwickelten sich unsere Wege ab diesem Zeitpunkt bereits immer mehr auseinander. Ich hoffte zwar, dass sich das Blatt irgendwann wieder wenden würde. Dass sich das Ganze im Laufe der Zeit wieder einspielen kann. Doch letztendlich war ich so sehr auf mein neues Arbeitsfeld, meine drei Deutschklassen, den Wechsel an eine neue Schule sowie alles andere fixiert, dass mir viel zu wenig auffiel, wie sich in unserer Beziehung die Vorzeichen immer mehr von Dur nach Moll hinbewegten.

Unser wohl größtes Problem war, dass wir beide – harmoniebedürftig wie wir sind – das Streiten sowie das Ausdiskutieren von Problemen nicht wirklich gelernt hatten. Nach außen hin schien vieles in Ordnung zu sein, doch tief in uns selbst fanden bereits Veränderungsprozesse statt, die wir anfangs lange Zeit noch verdrängten, die letztendlich aber nicht mehr abzuwenden waren. Leider dauerte die Phase des Nichtwahrhabenwollens und des Nichthinschauens auf Themen, die der Klärung bedürfen, viel zu lange, sodass es letztlich noch anderer Hinweise bedurfte, um uns laut und deutlich zu sagen: „Seht ihr denn beide nicht, dass hier etwas nicht mehr stimmt?“ – Während mein Mann immer mehr dem Schweigen und dem persönlichen Rückzug verfiel, versteckte ich mich immer noch mehr in meiner Arbeit, bis mein Körper sich wieder einmal auf seine Art meldete und sagte: „Es reicht!“ – Doch reichte es wirklich? – Wurde ich durch weitere gesundheitliche Herausforderungen wirklich klüger? – NEIN!

Zwar schaltete ich vorübergehend wieder einmal einen Gang zurück, doch hatte ich nicht wirklich pausiert oder gar über einen längeren Zeitraum hinweg ein anderes Fahrtempo gewählt. Bereits nach kurzer Zeit fuhr ich wieder – um es mit einem Bild zu sagen – mit mehr als 200 km/h auf der Überholspur der Autobahn dahin und gab Gas, um mein Berufsziel zu erreichen, das ich mir gesetzt hatte. Auch wenn mein Auto (sprich mein Körper) etlichen Schaden erlitten hatte, trieb es mich, solange der Motor (mein Herz) lief, auch weiterhin dazu an, mit all dem weiterzumachen, was ich begonnen hatte. Aufgeben war für mich KEINE Option.

2011/12 war es dann so weit. Und obwohl ich zwischenzeitlich im wahrsten Sinne des Wortes sehr viele Federn gelassen hatte, freute ich mich auf meine Ernennung zur Realschuldirektorin. Das bedeutete zwar wieder einen Wechsel der Schule mit Hineinwachsen in ein neues Kollegium mit rund 55 Kollegen und circa 600 Schülern, sowie die erneute Übernahme eines mir noch weitgehend unbekannten Aufgabenbereichs. Doch ich war am Ziel meiner Träume. Zumindest meiner beruflichen Träume, denn privat sah es immer weniger rosig aus. Irgendwie sollte es sein, dass unsere Ehe in den Jahren zwischen 2007 und 2013 vor der größten Prüfung stand, die wir leider beide – jeder auf seine Art – nicht bestehen sollten. Der Traum unseres gemeinsamen Glücks war vorbei. 2014 wurde die Trennung dann auch offiziell vollzogen.

Wie es das Schicksal wollte, hatte ich beruflich alles erreicht, doch privat alles verloren. Leider erschien mir die Arbeit zu dieser Zeit wichtiger als das private Glück. Der Ehrgeiz, der mich beruflich gepackt hatte, trieb sein Spiel mit mir, doch da ich keine Spieler-Natur bin, musste ich lernen: Voller Einsatz – jedoch „verspieltes Glück“!

Persönlich sollte ich mit dieser Niederlage einer Trennung jedoch noch nicht am Ende meiner Prüfungen für dieses Leben angekommen sein, denn kaum, dass ich einigermaßen wieder Luft holen konnte, sah ich mich der nächsten „Pech-Strähne“ gegenüber. Ein gutes Jahr nach der Trennung von meinem Mann verliebte ich mich wieder. Doch war diese Liebe – so wie es sich mir im Nachhinein herausgestellt hatte – zum einen nur sehr einseitig sowie nur von sehr kurzer Dauer und endete alles andere als schön. Näher will ich jedoch auf diese Geschichte nicht noch einmal eingehen. Wer sich mehr für die ganzen Herausforderungen interessiert, die mir zwischen 2007 und 2016 widerfahren sind, dem empfehle ich mein erstes Buch Meine Seele will endlich wieder fliegen. Raus aus der Ohnmacht – rein in die Schöpferkraft! Dort gehe ich auf vieles näher ein, um zu erklären, was mich letztendlich 2016 im Alter von 55 Jahren gänzlich aus meinem Leben geworfen hat, so dass ich 2017 sowohl meinem bisherigen privaten wie beruflichen Leben ein Ende zu setzen hatte.

Heute, fünf Jahre später, bin ich im Frieden mit allem, was war, doch bis ich dahin kam, war es ein sehr, sehr langer Prozess und mitunter eine sehr harte, aber auch eine sehr aufschlussreiche und interessante Zeit. Und zum Glück hatte ich den allerbesten Wegbegleiter, den ich mir nur vorstellen kann. Obwohl ich in meiner Jugendzeit mit Gott so sehr haderte und ihn gut dreißig Jahre lang ziemlich vernachlässigt hatte, weil mir alles andere im Leben wichtiger erschien, war er in diesen letzten Jahren die ganze Zeit über für mich da und half mir, wieder Land unter den Füßen zu gewinnen, so dass ich heute wieder besseren Zeiten entgegensehen darf. Zudem half er mir, mein Bild, das ich von ihm hatte, vollständig zu revidieren. War ich als Kind so eingeschüchtert und von Angst erfüllt, dass ich in ihm nur den strengen himmlischen Vater sehen konnte, der über die Menschheit eines Tages zu Gericht sitzen wird, so durfte ich ihn in all den letzten Jahren als den erkennen, der er in Wahrheit ist. BEDINGUNGSLOSE LIEBE!

Wie schade, dass wir es als Kinder anders vermittelt bekamen. Doch darüber zu urteilen, steht mir nicht zu. Es war, wie es war. Vergangen ist vergangen. Und da nichts im Leben umsonst geschieht, muss auf einer höheren Ebene auch dies seinen Sinn in meinem Leben gehabt haben, sonst hätte ich es so ja nicht erlebt.

Gott half mir nicht nur dabei, wieder auf die Füße zu kommen und wesentliche Entscheidungen für mich und mein weiteres Leben zu treffen. Er half mir auch, alles, was sich bislang in meinem Leben zugetragen hatte, um ein Vielfaches besser zu verstehen und klärte mich darüber auf, dass ich selbst es war, die sich durch die Art zu denken, zu fühlen und zu handeln die ganzen „Stolperfallen“ selbst im Leben manifestiert hatte. Jetzt war es für mich an der Zeit, dass ich erkennen sollte, warum ich diese ganzen Erfahrungen zu machen hatte. Die Lebensmitte ist die beste Zeit dafür, um Rückschau zu halten auf das, was bisher im Leben gut lief, aber auch, um verstehen zu lernen, was dringend einer Veränderung bedarf, damit ich mir für mein weiteres Leben eine bessere und vor allem eine gesündere Ausgangsposition erschaffen kann.

Was ich dabei als allererstes zu lernen hatte, war, dass ich im Außen niemanden für meine Situation und meine Probleme verantwortlich machen kann, sondern dass alles, was war, letztlich in mir selbst begründet liegt. Wir sollten von daher in diesen entscheidenden Umbruchphasen unseres Lebens vermehrt innehalten und uns darüber bewusstwerden, was bislang gut, was aber auch weniger gut lief und worin vor allem unser Scheitern begründet liegt. Ich staunte nicht schlecht, als ich dies zum ersten Mal hörte, weil ich zunächst gar nicht verstehen konnte, wie sich dies zugetragen haben soll, doch Gott erklärte es mir liebevoll.

Dabei zeigte er mir auf, dass ich mir den Großteil meiner Probleme bereits als Kind und als Teenager selbst ins Leben zog. Aufgrund meines für mich dramatischen Starts in dieses Leben hatte ich von Anfang an keine gute Beziehung zu meiner Mutter, die sich wie ein roter Faden durch mein gesamtes Leben zog. Diese Beziehungsstörung führte letztlich dazu, dass ich mich von ihr nicht wahrgenommen, gesehen, gehört, wertgeschätzt, geliebt etc. fühlte. Aufgrund dieser Gedanken und Gefühle, die ich in mir trug, sowie meines Verletztseins darüber, erschuf ich mir damit jedoch immer und immer wieder neue Situationen, die mir von Mal zu Mal die Welt dieser negativen Gedanken und Gefühle bestätigten. Doch statt meine Probleme im Außen zu klären, zog ich mich immer mehr in meine eigene kleine Welt des verletzten Kindes zurück und schmollte dort vor mich hin, weil ich nicht gelernt hatte, wie ich sonst mit diesen ganzen Gedanken und Gefühlen umgehen kann. Jahrelang sah ich dabei mit einem beleidigten und neidvollen Blick auf die Beziehung der anderen Familienmitglieder zueinander. Als ich dann noch in die Pubertät kam und mich mit Schule, Pubertätskrise und Mutterkrise heillos überfordert sah, führte dies letztlich dann dazu, dass ich mich der Welt im Außen immer noch mehr verschloss, als ich das bisher schon getan hatte. Doch gerade dieses Rückzugsverhalten sowie der damit im Zusammenhang stehende mangelnde Kontakt zu den anderen führte dazu, dass ich – was mein Denken und Fühlen anging – gar keine ausreichenden Korrekturen mehr durch andere erfuhr. Da ich mich zudem von allen nur noch im Stich gelassen fühlte, beschloss ich fortan, die Dinge ganz mit mir alleine auszumachen und mich gar niemandem mehr anzuvertrauen. Kein guter Vorsatz, denn damit konnten sich erst recht all die negativen Gedankenmuster, Glaubenssätze und Verhaltensweisen in meinem Bewusstsein festigen, die für mich alles andere als gesund waren. Dies wirkte sich über kurz oder lang dann natürlich auch auf alle meine Beziehungen aus, egal ob zu den anderen Familienmitgliedern oder Freunden/Freundinnen aus der Jugendzeit.

In meinen beiden ersten Büchern habe ich anhand des Stufenmodells der psychosozialen Entwicklung, das von Erik H. Erikson und seiner Frau entwickelt wurde, bereits thematisiert, dass unser Leben in verschiedenen Phasen verläuft, und dass wir, wenn wir eine dieser Phasen zu gegebener Zeit NICHT ausreichend gelebt und uns damit weiterentwickelt haben, wir diese Phase zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal zu durchleben haben, um jetzt das Versäumte nachzuholen und es in unser Bewusstsein zu integrieren.

In Kurzform gesagt bedeutete dies für mich, dass ich jetzt, in der Mitte des Lebens, genau dieses Versäumte nachzuholen hatte, weil ich mich aufgrund der neuen Herausforderungen, die sich mir in diesem Lebensabschnitt sowohl privat als auch beruflich zeigten, wieder in meinen alten Verhaltensweisen und Denkmustern verloren hatte, denn auch jetzt hatte ich gefühltermaßen niemanden an meiner Seite, dem ich mich hätte anvertrauen können. Wieder war ich eine Gefangene meiner Selbst geworden und hatte mich erneut entschieden, die Dinge mit mir alleine auszumachen, was mich natürlich gleich doppelt und dreifach unter Stress setzte, weil ich durch all das, was sich in den Jahren ab 2007 zutrug, nur noch heillos überfordert sah.

Erst jetzt in den letzten Jahren sollte ich lernen, dass es genau diese Übermacht an negativen Gedanken sowie die Unterdrückung meiner Gefühle waren, die ich schon aus der Zeit meiner Pubertät kannte, die es mir schon damals schwer machten, meinem Leben überhaupt etwas Schönes abgewinnen zu können. Vierzig Jahre später holte mich somit erneut ein, was ich in der Zeit der Pubertät nicht ins Leben integriert hatte. Hatte ich als Kind die Pubertät unzureichend gelebt, so hatte ich jetzt diese Phase der Rebellion gegen Gott und all die Menschen, die mich meines Dafürhaltens nach alleingelassen hatten, nachzuholen. Hätte ich damals als Jugendliche von meiner Umwelt mehr Aufmerksamkeit, Zuwendung und damit auch Unterstützung bekommen, wäre manches vielleicht anders gekommen. Doch wer weiß. Es war, wie es war.

Heute trauere ich dem Ganzen nicht mehr nach, denn inzwischen habe ich gelernt, dass dies alles nicht von ungefähr geschah, sondern dass es der Wunsch meiner Seele war, durch diese ganzen Lernprozesse so zu gehen, wie sich mir das Ganze zeigen sollte, um heute genau die Person sein zu können, die ich inzwischen bin. Wäre mir dies alles nicht „passiert“, hätte ich unter Umständen vielleicht ein leichteres und kurzfristig schöneres Teenager-Leben gehabt, doch hätte ich dann all das gelernt, was ich inzwischen weiß? – Mit Sicherheit NEIN.

Was mir Gott noch erklärt hat, war: Unser menschliches Ego hat ganz bestimmte Bedürfnisse, die erfüllt sein wollen, damit wir uns wohlfühlen und das Gefühl haben, dass unser Leben gelingt. Wird das eine oder andere dieser Bedürfnisse nicht bzw. zu wenig erfüllt, dann geschieht dies nicht, um uns zu bestrafen, sondern dann stehen Lernaufgaben an, die wir uns selbst als Seele für dieses Leben ausgesucht haben, um auf unserem spirituellen Weg – dem Weg der Seele – zu reifen und zu wachsen. Was es hier zu verstehen gilt, ist: Im Grunde genommen gibt es NICHTS, was umsonst geschieht. Alles, was passiert, hat in Wirklichkeit einen tieferen Sinn. Gemeinsam mit dem Unterbewusstsein führt uns unsere Seele immer wieder einmal in die verschiedensten Lernbereiche hinein, die uns zum Innehalten und Nachdenken bringen sollen, damit unsere Seele wieder etwas Neues lernen kann.

Ob uns diese Herausforderungen im Alltag immer so gefallen, sei dahingestellt, denn neben bestimmten Menschen und den diversen Herausforderungen des Alltags gehören auch Krankheiten und Krisen dazu. Doch sind wir nicht in dieses Leben gekommen, um es ausschließlich nur schön zu haben und gemütlich vor uns hinzuleben. Wir sind hier, weil unsere Seele beschlossen hat, dass sie genau diese Erfahrungen machen will, die sich uns als sogenannte „Hausaufgaben bzw. Prüfungen“ zeigen. Haben wir letztlich die Prüfungen erfolgreich absolviert und die dazugehörigen Lektionen gelernt und dabei erkannt, was das Lernthema für uns war, dann fällt uns auf, dass wir im Falle der Wiederholung einer bestimmten Situation, die uns bislang gefordert hat, viel ruhiger reagieren. Wir merken es daran, dass uns bestimmte Personen, die für uns zum Erlernen der Aufgabe wichtige Spiegelpartner sind, nicht mehr triggern, und dass wir auf bestimmte Sachverhalte viel gelassener, ja sogar neutral reagieren. Ab dann braucht uns unser Gegenüber ein bestimmtes Verhalten nicht mehr zu spiegeln, was das menschliche Miteinander – egal ob beruflich oder privat – um ein Vielfaches angenehmer und leichter macht. Mitunter kann es sogar so weit kommen, dass sich die Beziehung vollkommen zum Positiven hin wandelt, was natürlich der schönste Lerneffekt von dem Ganzen ist.

Nur schade und traurig, dass uns keiner früh genug verrät, dass das „Spiel des Lebens“ so und nicht anders funktioniert. – Wie gut, dass sich uns die Wahrheit inzwischen immer mehr zeigt, so dass wir immer besser verstehen, dass wir letzten Endes dann doch wieder als Gewinner aus den Herausforderungen des Lebens hervorgehen können. Vorausgesetzt, wir haben gelernt, alle Situationen des Lebens so anzunehmen, wie sie sind, die Dinge gelassener zu nehmen, zu akzeptieren, dass es gerade ist, wie es ist, mit Zuversicht und Optimismus auf das Ganze zu reagieren, dabei lösungsorientiert zu denken und bewusst damit umzugehen.

1 Quellenangabe: Meerweh. VisualStatements. Abrufdatum 15.07.2021, von https://www.visualstatements.net/visuals/visualstatements/erst-wenn-unser-normaler-alltag-nicht-mehr-normal-ist-merken-wir-wie-wertvoll-ein-normaler-alltag-eigentlich-ist-autor-meerweh/

2 Quellenangabe: Das Versteck der Weisheit – eine kluge Geschichte. Abrufdatum 06.01.2021, von https://www.lichtkreis.at/gedankenwelten/weise-geschichten/versteck der weisheit/

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