Читать книгу Herzensöffnung (3): Später - Hero Leander - Страница 5
Rückblick
ОглавлениеNun sind schon zehn Jahre ins Land gegangen, seit die umfangreichen Baumaßnahmen in Håp Land begonnen haben. Alle Ferienhäuser sind inzwischen in den Besitz der Dorfbewohner übergegangen. Dadurch hat sich bei vielen Menschen im Dorf die Lebensqualität erheblich verbessert. Auch das Gesamtbild des Dorfes veränderte sich durch die vierzig neu gebauten Ferienhäuser. Inzwischen leben hier viel mehr Menschen. Zu den 270 Einwohnern von Håp Land zählt man nun ständig etwa 120 Touristen im Dorf und ebenso viele noch einmal im Hotel Snowdrop, welches nah am Fjord steht. Dadurch rentieren sich zusätzlich zur Bäckerei auch ein Lebensmittelgeschäft und ein Souvenirladen. Ebenso bieten zwei Bootsunternehmen Fjordrundfahrten und Hochseeangeln an. Dazu kommt eine Fahrradreparaturwerkstatt und -ausleihstation. So hat der aufblühende Tourismus das ganze Dorf und auch dessen Einwohner verändert. Das Erlebnisbad am Hotel Snowdrop zieht zusätzlich aus der weiteren Umgebung Touristen und Bewohner an. So ist aus dem einst verschlafenen, kaum bekannten Dorf ein attraktiver Ort geworden, den viele Besucher weiterempfehlen. Die Alten in Håp Land vermissen manchmal die absolute Ruhe, die hier einst herrschte. Dafür ist aber Wohlstand im Dorf eingezogen.
Seit 2008 ist Olaf Jansen Bürgermeister in Håp Land. Als der alte Bürgermeister Björn Nansen plötzlich verstarb, wurde er mit großer Mehrheit gewählt. Die Bewohner von Håp Land setzten ihr Vertrauen in ihn, weil er den Bau der Ferienhäuser so vorbildlich organisiert hatte und sich auch zusammen mit Andrea Aglund für das friedliche Nebeneinander zwischen Touristen und Einheimischen aktiv einsetzte. Viele der alteingesessenen Einwohner im Dorf bewunderten Olaf, wie er ständig mit seinen Aufgaben wuchs. Als er im Jahr 2001 mit der Organisation des Ferienhausbaus begonnen hatte, trauten ihm die meisten dies gar nicht zu. Damals glaubten viele, dass er diese Arbeit nur der Freundschaft zu Maria Kosch und ihrem Mann verdankte. Inzwischen denkt keiner mehr so. Mit seiner Fahrradwerkstatt und -ausleihstation hat er einen Service ins Dorf gebracht, welchen immer mehr Dorfbewohner in Anspruch nehmen. Besonders die Kinder des Dorfes lieben ihn, weil er nicht nur ihre Fahrräder repariert, sondern ihnen auch zeigt, wie man viele Reparaturen selbst machen kann.
Die Bäckerei von Mike und Wenke Schulze hat sich zu einer im großen Umkreis bekannten Bäckerei und Konditorei entwickelt. Mike und Wenke haben 2003 geheiratet, seitdem hat Mike Schulze den Handwerksbetrieb als Meister übernommen und bildet seit 2005 auch Lehrlinge aus. Das ursprüngliche Bäckereigebäude haben sie inzwischen erweitern müssen und beschäftigen jetzt elf Angestellte, die alle in Håp Land wohnten oder hierher umgezogen sind. Zu dem Bäckerladen im Dorf gehören mittlerweile auch noch zwei Verkaufswagen, die in den umliegenden Dörfern Backwaren und ein begrenztes Lebensmittelsortiment anbieten. Diese zusätzlichen Waren beziehen sie aus dem Lebensmittelgeschäft, welches seit 2002 in Håp Land ansässig ist. So haben viele im Dorf gelernt, miteinander zu arbeiten. Noch vor zehn Jahren hat es das nicht gegeben. Damals hat jede Familie eher für sich gelebt; verwandtschaftliche Bindungen ausgenommen.
Durch all diese Veränderungen ist in Håp Land ein unübersehbarer Optimismus eingezogen, der inzwischen andere Gemeinden zu eigenen Initiativen ermuntert hat. Diesen schnellen Aufschwung hat Håp Land zum großen Teil einer fairen Hilfe der deutschen KOSCH-GmbH bei der Finanzierung zu verdanken. Diese hat nun im Gegenzug ein wunderbares Urlaubsziel für ihre Belegschaft anzubieten. So entstand aus einer anfänglichen Idee von Wolfram Kosch eine Symbiose im Kleinen zwischen den Einwohnern des Dorfes und im Großen zwischen der KOSCH-GmbH und dem Ort Håp Land. Selbst das einst von den Bewohnern des Dorfes stark abgelehnte Hotel Snowdrop ist nun in den ganzen Touristenbetrieb von Håp Land mit eingebunden. Seit der Eröffnung des Erlebnisbades mit den vorteilhaften Eintrittspreisen für Einheimische lieben sie auch die Anwesenheit des Hotels. Vor zehn Jahren konnten die meisten in Håp Land nicht schwimmen. Jetzt gibt es kaum noch Bewohner des Dorfes, die nicht schwimmen können. Nur einige der Älteren halten vom Baden im Freizeitbad immer noch nichts.
Inzwischen ist das Hotel auch noch anders mit dem Dorf verwachsen, seit immer mehr Einwohner von Håp Land im Hotel Snowdrop arbeiten. Auch das war vor zehn Jahren noch nicht so. Zusätzlich wird das Hotel vom Dorf aus mit frischen Backwaren aus der Bäckerei und Konditorei beliefert. Ebenso kauft das Hotel seinen Bedarf an Eiern im Lebensmittelladen des Dorfes ein. Wobei dieses Geschäft nur Eier von den Hühnern der Dorfbewohner aufkauft und verkauft. So wächst auch das Hotel immer mehr mit dem Dorf und seinen Bewohnern zusammen.
Als das Hotel vor dreißig Jahren gebaut wurde, hatten die Dorfbewohner heftig dagegen protestiert, aber der „Betonklotz“ wurde trotzdem gebaut. Deshalb war ihnen dieser Schandfleck in der Natur immer ein Dorn im Auge. Es war für sie Ehrensache, dass keiner in diesem aufgezwungenen Bauwerk, der ihre dörfliche Idylle störte, arbeitete. Diesen Widerstand hat erst der neue Hoteldirektor Sven Aglund abgebaut. Er arbeitete von Anfang an in der Rezeption und hat vor zehn Jahren die Direktorin des Hotels abgelöst, als dieser Unterschlagungen nachgewiesen wurden. Sven hatte seine Frau vor elf Jahren unter den Bewohnern von Håp Land gefunden. Nach seiner Heirat wurde er durch den Umzug ins Dorf zum ersten Dorfbewohner, der im Hotel arbeitete. Damals war er noch Leiter der Rezeption. Von da an hat Sven dafür gesorgt, dass alle freien Stellen für ungelernte Arbeitskräfte mit Bewohnern aus seinem Dorf besetzt wurden. Auch bot das Hotel, seit er Direktor war, Lehrstellen im Hotelgewerbe an, welche wieder teilweise von der Jugend des Dorfes genutzt wurden. Damit hat er das Hotel in das Dorf eingegliedert. In den letzten drei Jahren bekam er vom neuen Bürgermeister zusätzliche Unterstützung dafür. Das wunderte auch niemanden, denn die Familien von Sven Aglund und Olaf Jansen sind seit vielen Jahren eng befreundet.
Seit dem Jahr 2002 mietet sich die KOSCH-GmbH im Juli mit jeweils vierzehn Kindern und zwei Betreuern pro Ferienhaus in einigen Ferienhäusern in Håp Land ein. Es sind Kinder der Sonnenberger Firmenbelegschaft, die hier zwei Wochen ihrer Ferien mit den einheimischen Kindern zusammen verbringen. Anschließend organisiert die Firma im Gegenzug zwei Wochen Ferienlager für die Håp Länder Kinder in Sonnenberg zusammen mit den hier ansässigen Kindern. So entstehen immer mehr Freundschaften zwischen den norwegischen und deutschen Kindern in diesen gemeinsamen vier Wochen. Während dieser Zeit werden die Kinder in Håp Land sowie in Sonnenberg immer von norwegischen und deutschen Erwachsenen gemeinsam betreut, wobei die beiden Schwestern Maria Kosch und Andrea Aglund eine leitende Rolle dabei einnehmen. Anfangs waren es kaum zwanzig Sonnenberger Kinder, die nach Håp Land fuhren. Inzwischen sind es über fünfzig Kinder, die jedes Jahr in dem südnorwegischen Dorf „Kinderurlaub“ machen.
Wolfram Kosch hat seiner Familie in den vergangenen zehn Jahren den „Rest der Welt“ gezeigt. Sie flogen jedes Jahr im Winter oder während der Osterferien an einen anderen Ort. So lernten Maria und die Kinder Los Angeles, Moskau und London kennen, aber auch die Ruinen der Inkastadt Machu Picchu oder die Maya-Pyramiden in Chichen Itza und Tikal. Selbst Asien, Afrika und Hawaii haben sie in dieser Zeit kennengelernt.
Mit dem Eintritt Mikes in die Bäckerei und der von ihm ausgelösten Expansion ist auch das Ansehen von Wenke, ihren Kindern und ihrer Mutter im Dorf gestiegen. Schließlich ist seit dieser Zeit die Bäckerei nach dem Hotel der größte Arbeitgeber in Håp Land.
Am Pfingstsonnabend 2003 heirateten Mike und Wenke. Zu diesem Anlass waren auch Wolfram, Maria und ihre Kinder eingeladen. Als zusätzliches Hochzeitsgeschenk brachte Wolfram nicht nur Michael, sondern zum ersten Mal auch Manuela aus Mikes erster Ehe mit nach Håp Land. Die kleine Manuela sah ihren Vater dadurch zum ersten Mal, denn sie war erst zwei Monate alt, als Mike von seiner geschiedenen Frau aus dem Schwarzwald weggezogen war. Jetzt aber, mit zwei Jahren, konnte Mike einen regelmäßigen Kontakt zu seiner kleinen Tochter aufbauen, so wie es in der Vereinbarung mit seiner geschiedenen Frau geregelt war.
Als Hochzeitsgeschenk luden Maria und Wolfram die neue Familie Schulze für eine Woche zu sich nach Sonnenberg ein. Zwei Tage nach der Hochzeit flogen die Familien Kosch und Schulze zusammen mit dem Firmenjet nach Uelzen. Unterwegs erklärte Wolfram den frischgebackenen Eheleuten, wie er zu der KOSCH-GmbH steht. Besonders Mike war verblüfft darüber, dass Wolfram sein ehemaliger großer Chef gewesen war. Wenke begriff die Tragweite dieser Eröffnung erst beim Anblick der Villa in Sonnenberg. Nun bat Maria beide und auch ihre Söhne, dass sie dieses Wissen unbedingt für sich behalten sollten, damit es in Sonnenberg und auch in Håp Land niemand erfuhr. Sie wollten auch weiterhin in beiden Orten von den Einwohnern als ganz normale Menschen behandelt werden.
Am 15. Juni schaffte Mike seine beiden Kinder aus erster Ehe zurück nach Lahrsheim, wo seine geschiedene Frau lebte. Mit dem Firmenjet der KOSCH-GmbH war das kein Problem. Vom Flugplatz in Offenburg waren es nur noch fünfzehn Kilometer bis Lahrsheim. Während er seine beiden Kinder zurückbrachte, lernte Wenke mit ihren Söhnen Offenburg kennen. Maria und Wolfram begleiteten sie mit ihren Kindern. Als Mike mit dem Taxi wieder zurückkam, flogen sie alle zusammen nach Hamburg, von wo aus Schulzens mit der Linienmaschine weiter nach Bergen flogen. Dort konnten sie dann mit dem Urlauber-Zubringerbus des Hotels bequem bis nach Håp Land fahren. Koschs kehrten mit dem Firmenjet nach Uelzen zurück und fuhren von dort mit dem Auto nach Sonnenberg.
Maria und ihre Kinder begleiteten jedes Jahr im Juli die Belegschaftskinder nach Håp Land. So besuchten sie im Sommer immer ihre Eltern in Håp Land und flogen dann mit den Ferienlagerkindern zurück nach Sonnenberg. Auf diese Weise konnten sie während der Reise von Deutschland nach Norwegen und zurück zusätzlich die Betreuer unterstützen. Wolfram begleitete die Reisenden oft, konnte aber stets nur kurz in Håp Land bleiben.
Im August 2005 kamen auch Andrea und Sven, Ivonne und Olaf sowie Wenke und Mike nach Sonnenberg. Wolfram und Maria hatten beschlossen, alle drei Jahre mit ihren Freunden in Sonnenberg zwei Wochen Urlaub zu machen.
Ab und zu besuchten Wolfram und Maria ihre Verwandten in Leipzig. Annefrieds Vater war als Deutscher während des Krieges in Norwegen gewesen und hatte ihre Mutter sehr geliebt. Kurz vor Kriegsende waren die beiden für immer getrennt worden. Maria und ihre Mutter suchten ihn 2001 und fanden sein Grab und seine Tochter aus erster Ehe. So lernten sie Sigrid, ihre Tochter Angelika und deren Familie kennen. Maria besuchte sie mit ihrer Familie, und wenn möglich mit ihren Eltern, in größeren Abständen.
Im Januar 2006 verstarb Annefrieds Halbschwester Sigrid. Der Kontakt zwischen Maria und ihrer Cousine Angelika blieb trotzdem.
Im Oktober 2009 starb Marias Vater an einer schweren Krankheit. Er wäre zwei Monate später siebzig Jahre alt geworden. Trotz des traurigen Anlasses war es für Marias Mutter eine Entlastung, denn sie hatte ihn über zwei Jahre aufopferungsvoll gepflegt. Annefried Lizell zog auf Anraten ihrer beiden Töchter im darauffolgenden Jahr bei ihrer Tochter Andrea und ihrem Schwiegersohn Sven ein und verkaufte das Haus. So konnte sie sich um ihren Enkel Uwe kümmern, wenn es notwendig war. Sie half auch Andrea bei ihrer Büroarbeit, wenn diese Hilfe brauchte.
Im April 2010 holte Maria ihre Mutter für sechs Wochen nach Sonnenberg, um Julias und Marias Geburtstag mitzufeiern. Hier konnte sie am Leben von Maria, Wolfram und ihren vier Kindern teilnehmen. Nach dem Muttertag, den sie gemeinsam feierten, flog sie zurück nach Håp Land.
Im Februar 2010 feierten Maria und Wolfram den zehnten Jahrestag ihres Kennenlernens und Marias Rettung. Dabei erinnerten sie sich sehr lebhaft noch einmal an die Anfangszeit ihrer Beziehung mit allen Höhen und Tiefen. Dieses Jubiläum feierten sie in Håp Land zusammen mit all ihren Freunden.
Gegen Ende des Jahres, am 21. Dezember 2010, flogen Koschs nach Håp Land und feierten zusammen mit Andrea und Sven ihren gemeinsamen zehnten Hochzeitstag, ihre Rosenhochzeit. Für Wolfram war die standesamtliche Trauung die eigentliche Hochzeit. Die kirchliche Trauung war für ihn eher eine Formsache gewesen, auf die er sich mehr wegen seiner Frau eingelassen hatte. Deshalb begingen sie ihren Hochzeitstag immer am 21. Dezember, am Tag der Wintersonnenwende. Zu ihrer Rosenhochzeit mieteten sie im Sovende Elg den kleinen, abgetrennten Saal und feierten dort mit ihren Eltern und Freunden zusammen ihr Jubiläum.