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1. Håp Land – Omas 66. Geburtstag
ОглавлениеÜber den Jahreswechsel waren Wolfram und Maria mit ihren Kindern wie immer in Håp Land. 2011 blieben sie bis zum Geburtstag von Marias Mutter am 5. Januar. In diesem Jahr wurde sie 66 Jahre alt. Als sie bei Kaffee, Kakao und Kuchen saßen, erinnerten sie sich an die vergangenen Zeiten. Dabei gedachten sie des Vaters von Maria und Andrea, der nun schon über ein Jahr nicht mehr unter ihnen weilte. Auf seinem Platz stand jetzt eine Kerze. So war er virtuell anwesend. Wolfram erzählte davon, wie seine Tante Elfriede mit dem Tod umgegangen war. Für sie war es nur ein Überwechseln in eine andere Existenzebene. Diese Ansicht hatte Wolfram schon damals gefallen. Die Trauer um den Verstorbenen wurde dadurch nicht so schmerzhaft. Und so wünschten sie alle im Stillen Kjeld alles Gute in der Welt, in der er sich jetzt aufhielt.
Dann erinnerte sich Marias Mutter mit einem Schmunzeln an die Zeit, als Pappa Wolfram ständig bedrängte, wann er nun Maria heiraten würde. „Könnt ihr euch noch entsinnen, wie er mich aus dem Haus werfen wollte, als ich nach Weihnachten 2000 zu ihm sagte, dass ich Maria nicht mehr heiraten könne? Er beruhigte sich erst, als Maria ihn überzeugte, dass wir schon eine Woche vorher geheiratet hatten“, erinnerte Wolfram.
„Dieses Problem hatte ich nicht“, sagte Sven.
„Ja!“, ergänzte ihn seine Schwiegermutter. „Du warst ihm von Anfang an sympathisch. Das hätte sich aber ganz schnell geändert, wenn er mehr über euren Urlaub in Sonnenberg gewusst hätte.“
Andrea und Sven blickten sich vielsagend an und schmunzelten.
Annefried erzählte weiter zu Wolfram gewandt: „Ich kann mich auch noch gut daran erinnern, als du mit Maria das erste Mal unser Haus betreten und ihm Minuten später so massiv widersprochen hast, dass ihm die Worte fehlten. Dieser Widerspruch hat ihm damals fast die Luft genommen. Es war das erste Mal, dass ihm in seinem Haus jemand widersprochen hatte. Aber im Großen und Ganzen war er kein schlechter Mensch. Er hat dich, Maria, trotz deiner Fehler und der Kinder genauso geliebt wie Andrea. Nur zeigen konnte er das nicht. Pappa war stur und einsichtig zugleich. Er war mir ein guter Mann und ich habe ihm nur einmal wirklich widersprochen, als er dich, Maria, nicht nach Sonnenberg zu deinem Wolfram fahren lassen wollte. Erinnerst du dich?“
Aus Marias Gesicht verschwand sofort das Lachen, als sie nickte. Ihre Mutter wusste bis zum heutigen Tag nicht genau, was sich damals in Maria abgespielt hatte. Und das war auch besser so, dachte Maria.
Nun erinnerte Wolfram an den ersten Besuch seiner Schwiegereltern in Sonnenberg. „Wisst ihr noch, wie entgeistert Pappa geguckt hat, als ich ihm sagte, dass die KOSCH-GmbH unserer Familie gehört?“
„Wir haben sicher auch nicht besser ausgesehen“, sagte Sven und sah dabei seine Frau an. „Wenn ich da an den Stress mit der Kette kurz vorher denke“, warf er zusätzlich ein.
Wolfram schmunzelte. „Ja, ja. So hatte jeder seine Sorgen. Aber glaubt nicht, dass ich keine hatte. Ich habe mir tagelang den Kopf zerbrochen, wie ich euch das mit der Firma schonend beibringe. Erst musste ich Maria einweihen. Das war schon ein riesiges Problem, weil ich ihr ja ein Dreivierteljahr den einfachen Angestellten vorgespielt hatte. Glaubt mir, das war damals gar nicht so leicht. Am einfachsten war es bei unseren Kindern.“
Eva und Laura sahen sich an und zuckten mit den Schultern. Julia konnte sich daran nicht mehr erinnern und Wolfram Junior hatte damals noch gar nicht gelebt. Für ihn waren all diese Erinnerungen an die Vergangenheit eher langweilig.
So war dieser Geburtstag von Mamma voller Erinnerungen an vergangene Zeiten; an gute und weniger gute Erlebnisse. Annefried tauchte noch einmal richtig ein in die Zeit mit ihrem Mann. Als der Tag zu Ende ging, waren alle mehr oder weniger voller Erlebnisse an vergangene Zeiten. Mit diesen vielen Erinnerungen im Herzen gingen sie zu Bett.
Am nächsten Tag besuchten Maria und Wolfram die Familie Jansen. Olaf wollte unbedingt noch mit Wolfram sprechen, bevor sie am Sonnabend wieder zurück nach Sonnenberg flogen.
Er überfiel Wolfram gleich, als sie eintraten. „Habt ihr unser Jubiläumsfest Zehn Jahre Urlauberdorf in eurem Kalender eingeplant? Ihr kommt doch am 30. April nach Håp Land?“
„Gut, dass du noch einmal davon sprichst, Olaf. Was hast du denn an diesem Wochenende vor?“, fragte Wolfram.
„Ich will das ganz groß aufziehen“, begann Olaf begeistert. „Karussells müssen her und auch das norwegische Fernsehen. Kannst du eventuell auch ein deutsches Fernsehteam mobilisieren?“
Wolfram wiegte den Kopf. „Deutsches Fernsehen? Das halte ich für keine gute Idee. Du weißt ja, warum wir nicht auffallen wollen. Schon bei dem norwegischen Fernsehen habe ich eine Bitte. Unsere Namen sollten nicht erwähnt werden.“
„Weshalb? Es ist doch dein Verdienst, dass alles so gekommen ist. Warum willst du dich nicht ehren lassen?“
„Olaf, bitte nicht. Du weißt ja nicht, was du damit auslösen würdest. Unser Inkognito-Leben wäre dahin. Wir könnten uns weder hier noch bei uns in Sonnenberg so offen zeigen wie bis jetzt. Ständig wären Reporter hinter uns her und die einfachen Menschen würden uns aus dem Weg gehen. Bitte versprich mir, dass wir nicht genannt werden und auch nicht vor die Kamera müssen. Auch alle anderen, die vielleicht interviewt werden, sollen uns einfach weglassen. Olaf! Das ist mir sehr wichtig!“
„Gut! Wenn du das so willst, dann verspreche ich es dir. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass es wirklich so ist, wie du befürchtest.“
Wolfram lächelte und meinte: „Das glaube ich dir gern. Du hattest noch nie so ein Problem. Ich bin damit aufgewachsen. Anfangs habe ich mich in den Millionärskreisen bewegt. Das ist kein Leben in dieser abgehobenen Gesellschaft. Man ist vom einfachen Volk wie abgeschnitten. Wünsch dir nie so ein Leben. Es sieht wirklich nur von außen toll aus. Stehst du mittendrin, dann hast du bald Sehnsucht nach den einfachen Menschen, die dich nun meiden oder dir mit Ehrfurcht begegnen. Wahre Freunde findest du auch nicht mehr, denn in diesen gehobenen Kreisen geht es nur ums Geld. Dabei ist das so unwichtig. Richtig leben kann man nur, wenn man völlig frei von Medienrummel und Reporternachstellungen leben kann, wenn man einfach ein Niemand ist. Natürlich vorausgesetzt, dass man keine wirklichen Geldprobleme hat. Ich meine, wenn das Einkommen ausreicht, um ein ganz normales Leben zu führen.“
„Vielleicht hast du recht“, antwortete Olaf nachdenklich.
Maria und Ivonne tauschten in der Zeit Informationen über ihre Kinder aus. Olafs Frau war ganz stolz auf Gerdas Freund Lars. „Haben Eva und Laura noch keinen Freund?“, fragte Ivonne.
Maria antwortete: „Laura schon ab und zu, aber das ist nie etwas Ernstes. Eva hingegen ist wie ich. Sie nimmt sich Zeit. In ihrem Leben haben Jungs noch keinen hohen Stellenwert.“
Da kicherte Ivonne und meinte: „Du hast dich von den Jungs ferngehalten? Das habe ich aber irgendwie anders in Erinnerung.“
Da ihre Kinder nicht hier waren, konnte Maria offen reden. „Ivonne! Eva ist erst siebzehn Jahre alt. Ich war damals dreiundzwanzig, als sie geboren wurde. Das ist doch wohl ein Unterschied!“
„Das stimmt schon, aber bist du mit siebzehn den Jungs aus dem Weg gegangen?“
„Nicht unbedingt, aber irgendwie waren wir damals schüchterner als die Jugend heute. Du nicht?“
Ivonne erwiderte: „Ich war achtundzwanzig, als Gerda zur Welt kam. Mehr muss ich da wohl nicht sagen.“
Maria sagte abschließend: „Siehst du, genau das meine ich. Eva ist eben noch so wie wir. Laura und Gerda gehen mehr mit der heutigen Zeit mit.“
Nun setzten sich die Freunde an den Tisch, den Ivonne mit Marias Hilfe gedeckt hatte. Ivonne hatte extra Kuchen gebacken. Am Kaffeetisch verfielen sie wie am Vortag in die alten Zeiten, als ihre Kinder noch klein waren und sie Wolfram kennenlernten. Olaf hingegen bedankte sich bei ihm für seine Initiative, die das Dorf so zu Wohlstand gebracht hatte.
„Weißt du, Olaf, was wirklich glücklich macht?“ Er schüttelte den Kopf und Wolfram sprach weiter: „Wenn man anderen helfen kann, glücklich zu werden. Geld allein macht sicher zufrieden, aber nicht wirklich glücklich. Wenn man aber mit dem Geld, das man übrig hat, anderen dauerhaft helfen kann, dann hat man selbst ein wunderbares Glücksgefühl. Am schönsten ist es, wenn die anderen gar nicht wissen, woher die Hilfe kommt. So kann man sich mitten unter sie setzen und sich gemeinsam mit ihnen freuen. Das ist wahres Glück! Sobald sie aber wissen, woher die Hilfe kommt, heben sie dich auf ein Podest, von dem du nie wieder herunterkommst. Und dann hast du die Situation, von der ich vorhin gesprochen habe.“
„Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr beginne ich dich zu verstehen. Trotzdem, so ein paar Millionen im Rücken würden mich nicht stören“, meinte Olaf lächelnd. Nun musste auch Wolfram lächeln, denn das verstand er.
Jetzt fragte Ivonne: „Jedes Mal, wenn ihr hier seid, geht ihr runter an den Fjord. Dabei gibt es doch dort gar nichts zu sehen. Hat das eine besondere Bedeutung?“
Maria und Wolfram sahen sich an. Den Grund konnten Olaf und Ivonne ja nicht wissen. So klärte Maria sie auf: „Die Brücke über dem Millstream kurz vorm Fjord ist dabei unser Ziel. Ohne sie hätten wir uns wahrscheinlich nie kennengelernt. Hier sind wir uns zum ersten Mal eher zufällig begegnet. Erinnert ihr euch, als Wolfram mich damals im Februar das erste Mal nach Hause brachte? Ich war in den Millstream gestürzt und Wolfram hatte mich herausgezogen. Das war, wenn man es genau nimmt, der Grundstein unserer späteren Ehe, das war unsere erste Begegnung. Wenn wir unsere Brücke besuchen, dann erinnern wir uns daran, wie viel Freude und auch Leid sie mit uns geteilt hat. Als mein Vater mich und die Kinder nicht zu Wolfram fahren lassen wollte, war diese, unsere Brücke mein einziger Freund, dem ich mein Herz ausschütten konnte. Ja, diese Brücke hat auch sehr viel von meinem Leid erfahren. Zum Glück liegt das alles schon weit in der Vergangenheit.“
Ivonne begriff jetzt noch einmal so richtig, wie sehr Maria in der Zeit vor Wolfram gelitten hatte. Sie nahm sich vor, dieses Thema nie wieder anzuschneiden.
Maria sah an Ivonnes Blick, was sie bewegte. Deshalb sagte sie: „Ihr wart damals meine besten Freunde, die Einzigen, die zu mir und meinen Kindern gehalten haben, als das ganze Dorf gegen uns war. Das werde ich nie vergessen.“
Ivonne war gerührt. Sie antwortete: „Du warst uns von Anfang an sympathisch, als wir neben euch in das Haus von Olafs verstorbenen Großeltern einzogen. Auch Olaf fand dich liebenswert, trotz deiner zweiten Schwangerschaft. Damals musste ich ihn immer mal freundschaftlich daran erinnern, dass er mit mir verheiratet ist.“
Maria blickte ganz verwundert zu Olaf, der jetzt etwas verlegen wurde. „Kann man denn nicht einen anderen Menschen sympathisch finden, ohne dass gleich alle verrücktspielen?“, verteidigte sich Olaf.
Da ergriff Wolfram das Wort: „Lass dich nicht ärgern. Ich habe solche Ermahnungen auch schon von Maria bekommen, als ich damals bei unserer Hochzeitsfeier und auch während eures Urlaubs in Sonnenberg Ivonne bewunderte. Dabei denke ich nicht, dass sie Grund dafür hatte. Unsere Frauen passen eben auf uns auf. Vielleicht würde ich das sogar vermissen, wenn sie es nicht täten. Ist es nicht ein Zeichen ihrer Liebe?“
„Da könntest du recht haben“, bestätigte Olaf lachend.
Am späten Nachmittag verließen Wolfram und Maria ihre Freunde wieder und saßen pünktlich bei Andrea am Abendbrottisch.
„Hast du gewusst, dass Olaf das zehnjährige Jubiläum des Urlauberdorfs groß feiern will?“, fragte Maria ihre Schwester.
Andrea lächelte und sagte: „Ich bin doch selbst halb Bürgermeisterin. Zumal ich Olafs Idee gut finde. Das zieht noch mehr Touristen an und belebt unser Dorf.“
„Bitte achte auch du darauf, dass unser Name da nicht mit reingezogen wird. Du weißt ja, was für uns davon abhängt.“
Ihre Schwester nickte verständnisvoll.
Am letzten Nachmittag in Håp Land besuchten sie auch Mike und Wenke. Wolfram und Maria hatten Michael und Manuela, Mikes Kinder aus erster Ehe, aus Deutschland mitgebracht und mussten sie am nächsten Tag auch wieder mit zurück nehmen.
Zu Schulzens wollten Koschs Kinder merkwürdigerweise immer mit. Wolfram und Maria lächelten heimlich darüber, aber ließen sich nichts anmerken. Hier warteten drei Jungs und ein Mädchen im fast gleichen Alter. Alle acht unternahmen viel gemeinsam, wenn sie in Håp Land waren. Selbstverständlich besuchten die Großen auch immer die sonnabendliche Disko im Sovende Elg.
Jetzt waren die sechs Größeren im Zimmer von Knut und Arne. Da meinte Laura: „Michael, wie wäre es denn, wenn ihr noch ein paar Tage bei uns in Sonnenberg bleiben würdet. Dann könnten wir auch morgen Abend bei uns zusammen zur Disko gehen.“
Michael überlegte. „Ich weiß nicht, ob das geht. Bei mir ist das kein Problem, aber Manuela ist erst neun. Ob meine Eltern da auch Ja sagen?“
Michael ging in das Besucherzimmer, in dem Manuela immer schlief, wenn sie bei ihrem Vati in Håp Land waren. Hier fragte er seine Schwester, was sie von ein paar zusätzlichen Tagen in Sonnenberg halte. Manuela meinte: „Wenn Mutti und Vati nichts dagegen haben, dann will ich auch.“ Dabei sah sie Wolfram Junior mit einem merkwürdigen Blick an.
Nun ging Laura zu ihren Eltern und überbrachte ihre Idee. Wolfram fragte Mike: „Hast du etwas dagegen, wenn die beiden noch ein paar Tage bei uns bleiben? Sie haben doch noch eine Woche Ferien und es ist der Wunsch unserer Kinder.“
Mike sah seine Wenke fragend an, doch sie sagte: „Das muss deine Geschiedene entscheiden.“
„Am besten, ich rufe sie gleich mal an“, sagte Mike.
Da kam Wolfram eine Idee: „Vielleicht ist es besser, wenn Michael selbst anruft. Er wird schließlich in einem Monat siebzehn.“
„Stimmt! Er kommt mit seiner Mutter sicher besser zurecht als ich.“ Michael war auch schnell überzeugt und überredete seine Mutter nach einer Weile am Telefon. Somit war es beschlossen, dass Michael und Manuela noch ein paar Tage bei Wolfram und Maria in Sonnenberg blieben.
Knut und Arne beneideten Michael etwas. „Da habt ihr’s ja gut. So ein paar Tage Sonnenberg zusätzlich würde ich auch gern machen“, sagte Knut.
Dazu meinte Arne: „Wie soll denn das gehen? Wir müssen doch in die Schule und Vati und Mutti müssen wir auch helfen. Und was würde deine Nina sagen?“
„Wer ist Nina? Ist das deine Freundin?“, fragte Laura neugierig. „Hm! Arne, du hast recht. Das würde gar nicht gehen“, bestätigte Knut jetzt seinem Bruder und schüttelte leicht den Kopf.
„Ist deine Freundin hier aus dem Dorf?“, wollte Laura weiter wissen. „Nein“, antwortete er zögernd. „Sie ist aus Bergen und lernt mit mir zusammen Bäcker und Konditor.“
„Lernen wir sie auch mal kennen?“
„Sie war doch zur Silvesterfeier mit im Hotel“, klärte Arne Laura auf. „Ich habe niemanden gesehen“, meinte nun Julia.
„Sie war mit ihren Eltern hier und die wissen von mir noch nichts. Deshalb konnte ich nur ab und zu mit ihr tanzen. Und ihr? Habt ihr denn schon Freunde?“
Die drei Schwestern zuckten mit den Schultern.
„Laura, du auch nicht?“, wollte Knut jetzt wissen, denn das konnte er sich einfach nicht vorstellen.
„Na ja, so einen richtigen Freund nicht. Das sind immer nur QuÜPs.“
„QuÜPs? Was ist denn das?“
„Quartalüberbrückungspartner!“
„Was es bei euch alles gibt.“ Knut schüttelte schmunzelnd mit dem Kopf.
„Das ist Lauras Privatsprache“, meinte Eva lachend. „In Sonnenberg versteht das auch niemand.“
Auf dem Heimweg war Eva sehr schweigsam. Besonders Laura fiel das auf. „Hast du irgendwas?“ Eva schüttelte den Kopf. Laura überlegte eine ganze Weile, fand aber nichts, was Eva bedrücken könnte.
Nach dem Abendbrot drängelte Laura ihre große Schwester, noch etwas durchs Dorf zu spazieren. Nach einer Weile gab Eva nach und sie sagten ihren Eltern Bescheid, dass sie noch mal weg wollten.
Draußen, als sie allein waren, fragte Laura: „Eva, was ist mit dir? Du bist so verändert, seit wir bei Schulzens waren.“
„Ach, nichts weiter“, antwortete sie.
„Eva! Ich bin deine Schwester! Wir haben uns doch immer alles gesagt. Mit dir ist doch etwas.“
„Es ist nur wegen Knut.“
„Hat er dir irgendetwas getan?“, fragte Laura.
„Nein. Er kann ja gar nichts dafür, aber … ich mag ihn einfach. Aber jetzt, wenn er eine Freundin hat …“
„Eva! Hast du dich etwa in ihn verliebt?“
„Ein bisschen.“
„Und er?“
„Ach, Laura. Er weiß ja gar nichts davon.“
Spontan umarmte Laura ihre Schwester. „Arme Eva. Warum nimmst du dir aber auch alles so zu Herzen?“
So standen sie eine Weile zwischen dem Dorf und der Fernstraße. Da kam Laura auf eine Idee. „Lass uns zum Millstream gehen. Mutti und Vati sind auch immer zu dieser Brücke über den Millstream gegangen, wenn sie Sorgen hatten.“
Als sie auf der Brücke ankamen, fing Laura wieder an. „Mit Knut wäre das nie gut gegangen, Eva. Er wohnt hier und wir in Sonnenberg.“
„Mutti hat mit uns auch hier gewohnt und Vati hat sie gefunden.“
„Ja, aber damals war die Situation doch ganz anders. Mutti hatte keine Arbeit. Knut lernt hier und wird einmal die Bäckerei übernehmen. Du aber willst nach dem Abitur studieren. Glaubst du wirklich, dass ihr dann noch zusammengepasst hättet? Vati hat einmal gesagt, dass ein Partner immer das gleiche Niveau wie man selbst haben sollte.“
Eva entgegnete: „Und wie ist das bei Vati und Mutti? Vati hat doch auch studiert und Mutti nicht.“
„Aber das lag doch daran, dass Opa zu wenig verdiente. Sonst hätten Mutti und Tante Andrea sicher auch studiert.“
„Ja, vielleicht. Du hast ja recht, aber ich kann doch nichts dafür, wenn mir Knut gefällt.“
„Ach, Eva. Ich würde dir so gern helfen, wenn ich könnte. – Was finden Mutti und Vati eigentlich an dieser Brücke?“
„Ich weiß auch nicht. Vielleicht gefällt sie ihnen deshalb, weil man hier allein sein kann“, antwortete Eva.
„Komm, wir gehen wieder zurück“, schlug Laura vor.