Читать книгу 2 - Хидео Ёкояма - Страница 7

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Am Abend fuhr Futawatari ein zweites Mal zu Osakabes Haus, aber er war noch nicht zurück.

Auch seine Frau war aus, das Haus lag still da. Futawatari fand nicht weit entfernt einen Park mit Schaukeln und einer Rutsche und entschloss sich, zu warten. Er konnte keine Kinder entdecken, keine jungen Mütter, die nach ihnen riefen. Die ganze Umgebung fühlte sich alt an.

Oguros Drohung stand nicht länger unausgesprochen im Raum. Er hatte die Faust auf den Schreibtisch niederdonnern lassen, als er erfuhr, dass Futawatari Osakabe noch nicht hatte stellen können. Auf dem Tisch hatte ein Stapel frisch gedruckter Visitenkarten gelegen, Kudos Name und daneben der Titel, Vorstandsvorsitzender. Shirota war in die Druckerei gelaufen und hatte sie abgefangen, bevor sie zur Kommunalen Sicherheit ausgeliefert wurden.

Kudo schien von dem Problem noch nicht unterrichtet zu sein.

Hören Sie zu, es ist mir egal, wie Sie es anstellen. Sie schnappen ihn sich, heute noch, und Sie befehlen ihm, den Posten zu räumen.

Futawatari sah auf seine Uhr. Kurz nach halb sechs, Zeit für einen nächsten Versuch. Er sprang auf die Füße und ging wieder zurück. Es wurde schon dunkel, aber in keinem der zwei Stockwerke brannte Licht.

Dass Osakabe nicht in seinem Büro war, wusste er schon; er hatte mehrmals in der Stiftung angerufen, während er im Park auf und ab ging – Anrufe, die ihm nichts eingebracht hatten außer Miyagis wiederholten Entschuldigungen.

Dann eben später noch mal.

Er wandte sich zum Gehen.

»Kann ich Ihnen behilflich sein?«

Er drehte sich um und erblickte eine Dame um die sechzig, die mit einer Einkaufstasche in der Hand um die Ecke kam. Ihr Auftreten hatte etwas Würdevoll-Bescheidenes, das er wiedererkannte. Viele Polizeibeamte hatten Ehefrauen, die mit jeder Beförderung ihrer Männer anmaßender wurden. Die durchgängige Zurückhaltung von Osakabes Frau war in diesem Zusammenhang oft gerühmt worden. Futawatari war ihr einmal vorgestellt worden, bei einem Umtrunk anlässlich Osakabes Abschied von der Polizei und zur Feier der neuen Aufgaben, die ihn erwarteten. Anscheinend erinnerte sie sich an ihn.

»Sie sind in der Verwaltungsabteilung, nicht wahr?« Unaufdringlich musterte sie sein Gesicht. »Kommen Sie doch herein und warten dort auf ihn. Mein Mann ist sicher bald zurück.«

»Danke, aber es ist nichts Dringendes. Ich kann später wiederkommen.«

»Keine solchen Förmlichkeiten. Sonst schimpft er bloß mit mir«, beharrte sie. Futawatari überlegte kurz, ob sie das ernst meinen konnte, ob Osakabe ihr wirklich Vorhaltungen machen würde.

Warum nicht? Ich habe schließlich nichts zu verbergen.

Futawatari nannte seinen Namen und Dienstgrad und verneigte sich vorschriftsmäßig. Er übertrat die Schwelle mit einem Gefühl, als beträte er eine feindliche Festung. Osakabes Frau führte ihn in einen Tatami-Raum mit einem shintōistischen Hausaltar. Auf einem Streifen geweihten Papiers stand der Name der lokalen Gottheit zu lesen, die hier verehrt wurde. Der Altar war liebevoll gepflegt, das schlichte Holz makellos und mit frischen, leuchtenden Zweigen geschmückt. Auf einer breiten Holztafel über der Tür prangte in kalligrafisch gestalteten Schriftzeichen der Spruch: »Gedenkt auch in Friedenszeiten des Krieges.« Ein Bilderrahmen an der Wand heischte Respekt für die Gebote der Polizeiarbeit: »1. Diene mit Stolz und Demut.«

Es konnte keinen Zweifel geben, Osakabe war Polizeibeamter durch und durch.

Auf dem kleinen Schreibtisch an der Wand stand ein Telefon, ganz simpel, ohne Zugeständnisse an die neumodische Technik. Der helle Fleck daneben, wo die Sonne das Holz nicht nachgedunkelt hatte, musste der ehemalige Platz des Diensttelefons sein. Futawatari versuchte sich vorzustellen, wie oft der Apparat Osakabe im Zuge einer Ermittlung wohl herausgeklingelt haben mochte.

Er seufzte leise.

Osakabes Frau hatte sich nicht wieder blicken lassen, seit sie ihm seinen Tee gebracht hatte. Unter normalen Umständen hätte man dieses Verhalten als kühl empfinden können, aber in seiner jetzigen Verfassung war er geradezu dankbar dafür. Während Osakabes aktiver Dienstzeit musste sie Besucher aller Art empfangen haben. Sie hatte sicher sofort gemerkt, dass dies keine Höflichkeitsaufwartung war.

Wie gehe ich es am besten an?

Futawatari hatte fast eine halbe Stunde dagesessen und kontrolliert ein- und ausgeatmet, als er draußen eine Autotür zuklappen hörte. Wie aufs Stichwort kam Osakabes Frau ins Zimmer und teilte ihm mit, dass ihr Mann heimgekommen war. Futawatari straffte den Rücken und schloss die Knie zu der vorgeschriebenen Sitzhaltung.

Jetzt nicht kneifen.

Aber Osakabe kam nicht. Stattdessen erschien wieder seine Frau.

»Entschuldigen Sie, ich glaube, er macht irgendetwas am Auto.«

Sie reckte den Hals und sah über eine der Hecken. Futawatari erhob sich und spähte ebenfalls hinaus. Auf dem Weg, von den Zweigen nur halb verdeckt, stand Michio Osakabe. Die kantigen Züge, die tief liegenden Augen, das strenge Profil – der Ausdruck war genau der, den er kannte: emotionslos, ein Zwischending zwischen Lächeln und Stirnrunzeln. Futawatari wich unwillkürlich einen Schritt zurück.

Es war, als stünde vor ihm ein Raubtier.

Osakabe erteilte Anweisungen an seinen Fahrer, von dem nur das grau melierte Haar zu sehen war. Nach den Geräuschen zu urteilen, wechselten sie die Reifen.

Verdammt.

Es ging nicht an, dass er noch länger hier drinsaß und wartete; nun, da er wusste, dass Osakabe draußen war, wäre es unhöflich von ihm, im Besuchsraum zu bleiben und Tee zu trinken. Er neigte den Kopf vor Osakabes Frau und ging zur Haustür – das Willensduell, so befürchtete er, hatte er schon jetzt verloren. Am Ende des Flurs bemerkte er in einem abgedunkelten Zimmer eine Ansammlung traditionell verpackter Hochzeitsgeschenke. Das konnte nur eines bedeuten: Osakabes jüngste Tochter heiratete. Das hieß, er musste dafür sorgen, dass die Polizei ein Geschenk übersandte und die Abteilungsdirektoren Grußworte verfassten, die auf dem Empfang verlesen würden. Ungeachtet der momentanen Situation schweiften seine Gedanken kurzzeitig zu diesen Formfragen ab.

Die schwarze Limousine war mit einem Wagenheber aufgebockt, der Chauffeur setzte gerade einen Schraubenschlüssel an. Osakabe stand wie ein Fels daneben.

Gebieterisch.

Es kam nicht oft vor, dass ein solches Wort so exakt auf einen Menschen passte.

»Ich bin froh, Sie zu treffen, Herr Direktor.«

Futawatari blieb stehen und verbeugte sich aus der Hüfte. Herr Direktor. Er hatte es ganz automatisch gesagt. Alles andere wäre ihm unehrerbietig vorgekommen. Und mit »Herr Vorsitzender« konnte er den Mann schon deshalb nicht ansprechen, weil er das als Bestätigung seiner derzeitigen Position auffassen konnte. Schließlich war Futawatari hier, um seinen Rücktritt zu erzwingen.

Das unbewegte Gesicht wandte sich ihm zu.

»Ich dachte mir schon, dass Sie es sein würden.«

Es war der Ton, den Osakabe ausnahmslos Leuten vorbehielt, die im Rang unter ihm standen. Futawatari war dreißig gewesen, als er sich zum ersten Mal so hatte anreden lassen müssen. An den Respekt gewöhnt, mit dem man ihn in der Verwaltungsabteilung behandelte, hatte er das damals als Schlag ins Gesicht empfunden. Doch was ihn jetzt traf, war weniger der Ton, den er erstmals seit Jahren wieder hörte. Ich dachte mir schon, dass Sie es sein würden. Das waren seine Worte gewesen. Was hatte er sich schon gedacht? Dass die Oberen auf Tauchstation gehen würden. Dass sie Futawatari schicken würden, der in seinem zweiten Jahr als Polizeioberrat aus Osakabes Sicht nicht mehr als ein Küken war.

Er hatte es alles vorhergesehen.

Osakabe kehrte ihm schon wieder den Rücken, wie zum Zeichen, dass die Unterredung beendet war. Der Chauffeur war dabei, die Winterreifen aufzuziehen. Sie würden morgen um sechs Uhr aufbrechen, zu einem Abladeplatz tief in den Bergen, wo noch Schnee lag. Mehr hatte Futawatari den Äußerungen der beiden nicht entnehmen können. Er wusste sich keinen besseren Rat, als einen Schritt zurückzutreten und der Arbeit zuzuschauen. Auf dem Rücksitz des Wagens sah er einen hohen Stapel Straßenkarten. Die Anzahl erschien ihm übertrieben, sie erinnerte ihn an die Wandkarte in Osakabes Büro.

Osakabe wartete, bis die Reifen fertig montiert waren und der Chauffeur sich mit einer tiefen Verneigung von ihm und mit einem höflichen Nicken von Futawatari verabschiedet hatte; erst dann wandte er sich wieder um. Breitbeinig dastehend richtete er den Blick auf Futawatari. Offenbar hatte er nicht die Absicht, ihn ins Haus zu bitten. Also los. Spucken Sie’s aus. Er hätte es ebenso gut laut sagen können.

Das Thema gehörte nicht zwischen Tür und Angel besprochen, aber Futawatari war klar, dass ihm keine Wahl blieb. Er schluckte etwas Speichel und hoffte nur, dass Osakabe es nicht gehört hatte.

»Herr Direktor. Wir müssen die Gründe für Ihre Entscheidung wissen«, sagte er mit zugeschnürter Kehle.

Osakabe schwieg.

»Für Direktor Kudo wird kein Posten verfügbar sein.« Das war eins der Argumente, die er sich zurechtgelegt hatte. Kudo war drei Jahre jünger als Osakabe, und Osakabe hatte ihn stets als seinen Schützling betrachtet.

Immer noch keine erkennbare Reaktion. Die tief liegenden Augen blieben ausdruckslos auf Futawatari geheftet, als versuchte er sich über etwas klar zu werden.

»Herr Direktor, das stellt uns vor echte Probleme.«

»…«

»Es bedeutet einen Gesichtsverlust für die Polizei als Ganzes.« Auch dieses Argument hatte er sich zurechtgelegt. Er zog alle Register.

Osakabes Mund öffnete sich. »Niemand muss sich Sorgen machen.«

»Herr Direktor?«

Futawatari verstand nicht recht, was er meinte, schöpfte aber ein klein wenig Hoffnung.

»Es wird sein, als wäre nie etwas gewesen.«

»Ich …«

»Ich sage Ihnen, es besteht kein Grund zur Aufregung. Wenn das hier erledigt ist, wird es sein, als wäre nie etwas gewesen.« Damit ließ Osakabe ihn stehen.

Die Hoffnung hatte getrogen. Sie war nie real gewesen. Das war alles, was Futawatari begriff. Er eilte Osakabe nach. »Herr Direktor. Warum weigern Sie sich …«

Osakabe drehte sich um, gänzlich ungerührt. »Das braucht euch nicht zu kümmern.«

Die Tür fiel ins Schloss, Futawataris ausgestreckte Hand blieb in der Luft hängen. Das braucht euch nicht zu kümmern. Wen meinte er? Die Verwaltungsabteilung? Die Polizei insgesamt? Für Osakabe war die Polizei wie eine Mutter. Warum sollte er sie sich zum Feind machen wollen?

Das Verandalicht ging aus.

Futawatari fand beim besten Willen nicht den Mut, auf den Klingelknopf zu drücken.

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