Читать книгу Alles beginnt mit der Sehnsucht - Hildegard Aepli - Страница 13
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Wie verhält es sich mit unseren Wünschen? Was geschieht, wenn ich wage, einen Traum zu benennen?
Aus der Kinderzeit ist mir geblieben, dass es unendlich lange dauern kann, bis Wünsche in Erfüllung gehen. Noch schlimmer ist, nicht ganz sicher zu wissen, ob oder wie sie in Erfüllung gehen. Wünschen heißt warten und warten heißt offen lassen, wie sich der Wunsch erfüllt.
Was Kinder mit ihren Wünschen erleben, scheint im Erwachsenenalter nicht anders geworden zu sein. Wer sich auf seine Sehnsucht einlässt, wer einen großen Lebenswunsch äußert, wird augenblicklich aufs Warten und auf die Offenheit der Art der Erfüllung verwiesen. Wer aber will heute warten? Für wen hat Warten einen Wert? Wer mag das Offene, das Nichtwissen darüber, wie sich eine Geschichte entwickeln wird?
Im Jahr 2011 bin ich mit drei Freunden zu Fuß von der Schweiz nach Jerusalem gepilgert. Wir mussten in Amman, fünf Tagesetappen vor dem großen Ziel, auf eine Gruppe von Leuten warten. Wir hatten abgemacht, dass sie uns auf der letzten Wegstrecke begleiten. Das bedeutete für uns drei Wochen warten. Ich erlebte eine schlimme Zeit. Ich hatte keine Lust, so viel Zeit in dieser endlosen Wüstenstadt zu verbringen. Ich hatte kein Bedürfnis, nach sechs Monaten des Pilgerns plötzlich stillzustehen. Ich wollte nur eines: endlich ankommen. Dann merkte ich, dass diese Pause genau mit der Adventszeit zusammenfiel. Das stimmte mich versöhnlich. Adventszeit ist doch gerade die Zeit des Wartens, sagte ich mir. Ich beschloss, jeden Tag einen englischsprachigen Gottesdienst zu besuchen. Hier hörte ich bekannte und weniger bekannte Texte aus dem Buch des Propheten Jesaja. Ich entdeckte, dass ich mich in der Landschaft befand, aus der diese Texte stammen. Die Bilder sprachen zu mir. Ich verstand sie. Sie erfüllen mich noch heute. Ich begann nach und nach diese Zeit zu schätzen. Die Zeit des Wartens wurde zu einer ganz wichtigen Zeit des Pilgerns. Sie hat das gute An- und Heimkommen vorbereitet.
Einen Traum haben und warten können, das sind Geschwister, die zusammengehören. Im Warten geschieht vieles, was zunächst scheinbar nichts mit dem Traum zu tun hat. Es lohnt sich, dranzubleiben, auszuharren und dem, was geschieht, ein großzügiges Vorschussvertrauen zu schenken.
EXPERIMENT
Wie wäre es, wenn ich heute eine Bibel zur Hand nähme? Das Buch Jesaja z.B. befindet sich im Alten Testament bei den Prophetenbüchern. Es spricht in vielen Abschnitten davon, wie Gott die Sehnsucht seines Volkes Israel erfüllt. Es spricht in unglaublich reichen Bildern. Die Sprache ist beeindruckend.
Daraus stammen aus dem 11. Kapitel die Verse 1 bis 9:
Aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Reis hervor, ein junger Trieb aus seinen Wurzeln bringt Frucht. Der Geist des Herrn lässt sich nieder auf ihm: der Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Gottesfurcht. Er richtet nicht nach dem Augenschein und nicht nur nach dem Hörensagen entscheidet er, sondern er richtet die Hilflosen gerecht und entscheidet für die Armen des Landes, wie es recht ist. Er schlägt den Gewalttätigen mit dem Stock seines Wortes und tötet den Schuldigen mit dem Hauch seines Mundes. Gerechtigkeit ist der Gürtel um seine Hüften, Treue der Gürtel um seinen Leib. Dann wohnt der Wolf beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Knabe kann sie hüten. Kuh und Bärin freunden sich an, ihre Jungen liegen beieinander. Der Löwe frisst Stroh wie das Rind. Der Säugling spielt vor dem Schlupfloch der Natter, das Kind streckt seine Hand in die Höhle der Schlange. Man tut nichts Böses mehr und begeht kein Verbrechen auf meinem ganzen heiligen Berg; denn das Land ist erfüllt von der Erkenntnis des Herrn, so wie das Meer mit Wasser gefüllt ist .