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Eine Adelbodner Familie Bescheidene Anfänge

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Als meine Eltern am 28. Oktober 1933 in der alten Dorfkirche von Adelboden ihre Ehe unter Gottes Segen stellten, war es ihnen damit ernst. Sie wollten für ihr gemeinsames Leben auf Gott vertrauen. Noch heute ist an ihrem einfachen Holzhaus der Satz zu lesen: „Wer Gott vertraut, hat wohl gebaut, im Himmel und auf Erden.“

Die jungen Eheleute waren arm und brachten so gut wie nichts mit in die Ehe.

Mein Vater, Wilhelm Wäfler, hatte bis zu seiner Heirat zusammen mit seinem Zwillingsbruder den elterlichen Hof bewirtschaftet. Sein eigener Vater war schon früh, mit 48 Jahren, gestorben. So wurde nichts aus dem Traum des Sohnes, nach der Schulzeit eine handwerkliche Lehre zu ergreifen. Wie gerne wäre er Schreiner oder Zimmermann geworden, denn Holz faszinierte ihn schon immer. Auch Maurer wäre für ihn in Frage gekommen. Doch seine Mutter traf eine andere Entscheidung: „Lohn kann ich dir keinen geben, aber wenn du einmal heiratest, erhältst du einen Teil des Landes.“ Also arbeitete mein Vater bis zu seinem 28. Lebensjahr unentgeltlich zu Hause. Dann wurden die an verschiedenen Orten gelegenen Landstücke auf die beiden Brüder und die acht Jahre jüngere Schwester aufgeteilt. Das Land bot meinen Eltern die nötige Garantie, um Geld von der Bank für den Bau eines einfachen Holzhauses zu erhalten. Es wurde dicht neben der bereits bestehenden Scheune errichtet.

Meine Mutter, Rosina Wäfler, wurde 1909 unter dem Familiennamen Rösti geboren. Sie war die Älteste von sechzehn Kindern. Da es immer wieder schwierig war, eine so große Familie zu ernähren, verließ Rosina schon früh das Elternhaus, um an verschiedenen Orten im Unterland ihre Erfahrungen zu sammeln. Unter anderem verbrachte sie zwei Jahre im Welschland, je ein Jahr in Genf und in Cernier. Sie sprach fließend Französisch. Besonders während ihrer Zeit in Genf litt sie unter so starkem Heimweh, dass sie sich manchmal am Boden wälzte, um den Schmerz zu verarbeiten. Es waren die Berge, die ihr fehlten, und auch ihre Familie. In Genf musste sie während der Mahlzeiten alleine in der Küche bleiben. Wenn dann die Überreste der Speisen aus dem Salon kamen, wurde sie aufgefordert zu essen – aber nur so viel, dass für den nächsten Tag noch übrig bliebe. Dabei kam manchmal von den Köstlichkeiten ohnehin nicht mehr viel zurück. Im ländlichen Cernier fühlte sie sich jedoch wohl und fand dort eine Freundin fürs Leben.

Nach dieser Zeit kam Rosina wieder nach Hause und versuchte, der Mutter in ihrer großen Aufgabe beizustehen. Es dauerte aber nie lange, bis diese zu ihr sagte: „Rösi, such dir doch wieder eine Stelle, deinem Vater wird angst, wenn so viele zu Hause sind“. In Weggis am Vierwaldstättersee erlernte Rosina den Beruf einer Wäscheschneiderin. Die Gegend gefiel ihr außerordentlich gut. Der See und die Berge hatten es ihr angetan. In der praktischen Abschlussprüfung schloss sie als Beste ab. Zurück in Adelboden, wurde sie dann vom Leinenhaus Maertens angestellt, bediente im Laden, nähte aber zur Hauptsache auf Bestellung der einheimischen Kunden und der Gäste. Außerdem konnte sie junge Frauen im Nähen ausbilden.

Auch als verheiratete Frau nahm sie Aufträge entgegen, fertigte Kleidungsstücke an oder nähte Aussteuerwäsche für Bräute. Oft saß sie tagelang an ihrer Tretmaschine – neben all der Hausarbeit, die erledigt werden musste. Es war jedoch keine Arbeit, die großen Gewinn einbrachte. Für ein Herrenhemd mit Kragen schnitt sie am Morgen den Stoff zu nach Muster, nähte dann die Teile zusammen und bis zum Abend waren auch die Knopflöcher in feinster Handarbeit ausgeführt. Für ihr Tagewerk erhielt sie dann gerade einmal zwei Franken fünfzig Rappen. Immer wieder musste sie auch anstelle von Bargeld Naturalien annehmen: Käse, Milch, Eier oder ein Stück Fleisch. Dann entsprach ihr Tageslohn etwa acht Litern Milch oder fünf Kilo Brot.

Nach der Hochzeit meiner Eltern dauerte es keine zwei Jahre, bis aus dem Ehepaar eine Familie wurde. Im Mai 1935 wurde ich geboren, gut ein Jahr später kam mein Bruder Wilhelm Junior, genannt Willi, zur Welt.

Mitten im Heuet, am 30. Juli 1936, hielt er seinen Einzug in der Oey. Die Hausgeburt verlief nicht ohne Schwierigkeiten und zog sich lange hin. Schließlich konnte auch er freudig begrüßt und willkommen geheißen werden. Ein männlicher Stammhalter zählte damals für bäuerliche Verhältnisse fast doppelt so viel. Der Hausarzt riet meinen Eltern jedoch, in Zukunft besser auf weitere Kinder zu verzichten. Das war ein gut gemeinter Ratschlag, allerdings gab er keine konkreten Hinweise, wie dieser zu befolgen sei. Empfängnisregelung und Familienplanung waren damals noch kaum ein Thema.

Willi war ein zartes Kind. Leider konnte ihn Mutter nicht stillen und Geld für Babynahrung war auch keines da. So wandte Rosina alle Künste an, um die Kuhmilch einigermaßen erträglich für ihren Sprössling zu machen. Als die Anfangsschwierigkeiten überwunden waren, entwickelte Willi sich allmählich zu einem gesunden, lebhaften Buben.


Unser Wohnhaus in der Oey heute – nach mehrmaligem Umbau.

Felsig, karg und hoffnungsgrün

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