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Nicht aufgeben

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In den ersten Jahren waren die finanziellen Verhältnisse unserer Familie prekär. Oft sahen meine Eltern mit Bangen den Tagen entgegen, an denen der Pachtzins fällig wurde. Auch die Bank forderte pünktlich ihre Raten. So nutzte mein Vater jede Gelegenheit, um bei Straßenarbeiten, Baustellen, Bachverbauungen oder anderswo zusätzlich etwas zu verdienen. Er trotzte jedem Wetter, war ein beliebter Arbeiter, lernte schnell und begriff Zusammenhänge. Man merkte, dass er sich hier mit genau den Arbeiten beschäftigte, von denen er einst geträumt hatte. Das wirkte sich auch zu Hause positiv aus, indem er fortan sämtliche Reparaturen und kleineren Ausbauten selbst ausführen konnte.

Mein Vater war ein typischer „Rucksäcklibauer“. So nannte man damals alle jene Bergbauern, deren Familien nicht allein vom Ertrag der Landwirtschaft leben konnten. Sobald der Winter vorbei war, packten sie ihre Verpflegung in den Rucksack und nahmen für kürzere oder längere Zeit jede Tätigkeit an, die sich ihnen bot. Natürlich war das nicht immer einfach. Gerade in der Zeit der Rezession in den 1930er-Jahren war es nicht selbstverständlich, eine Anstellung zu finden.

Wenn die Männer im Tal oder auswärts unterwegs waren und Geld verdienten, lag die Hauptverantwortung für den bäuerlichen Betrieb auf den Frauen. Die schwersten Arbeiten wurden auf den Feierabend verlegt oder auf den freien Samstagnachmittag. Der Sonntag war dafür da, um für die kommende Woche aufzutanken und neue Kraft zu schöpfen für Körper und Seele.

Meiner Mutter fiel die Umstellung von der feinen Arbeit am Nähtisch auf das Bauern nicht leicht. So musste sie, die junge Schneiderin, von einem Tag auf den anderen das Melken erlernen. Zu der Zeit betreute Wilhelm während des Winters zusammen mit einigen anderen Männern die Eisbahn des Hotels National und kam deshalb nachts nicht heim. Fast jedes Hotel hatte damals seine eigene Eisbahn. Diese musste bei gewissen Minustemperaturen gespritzt und bei Schneefällen geräumt werden. Natürlich war Mutter sehr aufgeregt, denn von Hand melken will geübt sein. Es braucht nicht nur Kraft in den Händen, sondern auch Geschicklichkeit, eine gewisse Technik und vor allem Ausdauer. Nicht jede Kuh hält still – und schon gar nicht bei einer Anfängerin. Das erfuhr auch Mutter. So konnte es leicht geschehen, dass der Melkstuhl, auf dem sie saß, durch eine ungeschickte Bewegung der Kuh ins Wanken geriet und der Kessel mit der Milch umkippte. Oder Sie musste inkauf nehmen, dass der nasse Schwanz einer Kuh sie mitten ins Gesicht traf. Es verging einige Zeit, bis Rosina auf das gewohnte Quantum Milch kam. Durch Melkfett, das den Kühen an die Euter gestrichen wurde, heilten schließlich auch ihre rissigen Hände wieder.

Während einiger Jahre hatten meine Eltern jedoch noch ganz andere Sorgen mit den Tieren im Stall. Auf unerklärliche Weise und ohne triftigen Grund wurde immer wieder eines der Tiere krank oder verlor eine Kuh ihr Kalb. Der Tierarzt hatte öfter in unserem Stall zu tun. Manchmal blieb nichts anderes übrig, als ein Tier zu schlachten. Das legte sich belastend auf die Gemüter. In diesen harten Jahren musste Mutter oft mit Tränen in den Augen die nötigsten Lebensmittel für den Haushalt beschaffen. Der Krämer schrieb geduldig auf, bis er irgendwann zu seinem Betrag kam. Später, als alles besser wurde, nahm sich Rosina vor: „Gerate nur nie wieder in eine solche Lage.“

Die Schwierigkeiten dauerten einige Jahre und hörten dann plötzlich auf mit einer Kuh namens „Freude“. Sie war durch Kauf in den Stall gekommen und sorgte für gesunden, meist weiblichen Nachwuchs mit großer Milchleistung. Die Nachkommen der „Freude“ waren bei den Viehhändlern sehr begehrt.


Rosina Wäfler-Rösti mit Willi und Hildi (stehend).


Hildis erster Geburtstag am 4. Mai 1936.

Felsig, karg und hoffnungsgrün

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