Читать книгу Der Tanz des Kranichs - Hilmar Fuchs - Страница 11
ОглавлениеIt’s not because I’m old And it’s not what dying does I’ve always liked it slow Slow is in my blood
Leonard Cohen
1.3. Vom Sinn der Langsamkeit
Unsere heutige Welt ähnelt Olympischen Spielen. Schneller, höher und weiter – das scheint das Motto unserer Zeit zu sein. Wer nicht mitkommt, bleibt irgendwann auf der Strecke. Wir folgen nicht mehr den Rhythmen und Zyklen der Natur, aus der wir doch kommen, und verlieren so unsere Verbindung zu unseren Ursprüngen. Wer jedoch ein gesundes, aufrichtiges und erfülltes Leben führen will, der sollte den Rhythmus der Natur studieren und seinen eigenen daran anpassen.
So wird es schon im über zweitausend Jahre alten Huangdi neijing, dem »Buch des Gelben Kaisers zur inneren Medizin« dargestellt, das ein ganzheitliches Dasein des Menschen im Einklang mit der Natur propagiert und noch heute als ein Grundlagenwerk für die chinesische Medizin gilt.
Betrachten wir die Natur und ihre Zyklen, so sehen wir, wie langsam manche Veränderungen vor sich gehen. Im Frühling können wir beobachten, wie ein Samenkorn langsam Wurzeln schlägt und sich so mit »Mutter Erde« verbindet. Und ohne »Vater Himmel« und seinen Regen könnte das Samenkorn nicht wachsen und gedeihen. Und bis aus dem Samen zum Beispiel ein Busch wird, muss einiges an Zeit vergehen. Der Sommer mit seiner Wärme wird den Busch erstarken lassen, im Spätsommer ist sein Wachstum abgeschlossen. Im Herbst ist es Zeit, loszulassen; der Busch verliert seine Blätter und seine Früchte. Es beginnt die Phase der Neuorganisation. Ein Kapitel wird abgeschlossen, bevor ein neues beginnen kann. Die Winterzeit dient der Erholung, der Ruhe, dem Sammeln von Kräften für den nächsten Zyklus.
Es ist heute bekannt, dass es die Qualität von Pflanzen, die als Lebensmittel verwendet werden, mindert, wenn ihr Wachstum mit Kunstdünger und künstlichem Licht beschleunigt wird. Ähnlich unnatürlich ist unser Leben in der immer schneller werdenden »Tretmühle« der modernen Gesellschaft. Wir müssen uns mit immer mehr »Düngemittel« stimulieren, damit wir noch Schritt halten können. Der Preis dafür, dass wir auf diese Weise gegen die Natur handeln, besteht darin, dass unsere Lebenskraft vor der Zeit verbraucht wird und wir schneller altern und anfällig für Krankheiten werden.
Die langsame Ausführung der Techniken im Tai Chi hilft uns, unser Tempo zurückzunehmen, zum Rhythmus der Natur zurückzufinden und auf diese Weise ein gesünderes Leben zu führen.
Tai Chi entspricht den Rhythmen und Zyklen der Natur. Langsam entwickeln sich seine Wirkungen im ganzen Körper, und wir können mit großer Aufmerksamkeit das, was wir tun, wahrnehmen und empfinden. Letzten Endes bedeutet Wahrnehmung nichts anderes als Fühlen, und Tai Chi lehrt uns, uns dessen bewusst zu werden.