Читать книгу Der Tanz des Kranichs - Hilmar Fuchs - Страница 13
2.1. Die Herkunft des Kranichstils
ОглавлениеEine der Quellen der Kranichform des Tai Chi ist die südchinesische Kampfkunst »Weißer Kranich von Fujian«. Mein Lehrer Roland Habersetzer schrieb über diesen Wushu-Stil in seinem Buch über das chinesisch-okinawanische Bubishi:
Die Ahnenfolge der Meister dieses Kampfstils beginnt mit einem Mönch des Shaolinklosters mit Namen Fang Shiyu (oder Fang Houshou), der ein Experte des »Boxens der 18 Punkte« war. Nach der Zerstörung des Klosters von Honan im Jahre 1644 und der darauf folgenden Emigration der überlebenden Mönche fand Fang Shiyu Unterschlupf in einem Kloster in der südchinesischen Provinz Fujian. Dieses Kloster übernahm die Bezeichnung Shaolin. In ganz China gab es solche Ableger des ursprünglichen Shaolinklosters. Hier lebten und wirkten die Erben der Kampftechniken, die seit Bodhidharma entwickelt worden waren, und hier lebte der Widerstand gegen die verhaßte Herrschaft der neuen Mandschu-Dynastie. In einem Nachbardorf des Klosters Yongchun (auf japanisch Eishun), in dem Fang Shiyu Zuflucht gefunden hatte, wuchs die Tochter des Mönches auf, ein Mädchen namens Fang Jin Jang. Er lehrte sie seine Kampftechnik. Aber erst nach dem Tode ihres Vaters schuf Fang Jin Jang die Grundlagen jenes Kampfstils, der als »Weißer Kranich von Fujian« bekannt wurde.
Die Archive der von ihr begründeten Schule berichten, dass Fang Jin Jang eines Tages die Gelegenheit hatte, durch eine Bambushecke hindurch den Kampf zweier Kraniche zu beobachten. Ihr fielen die Präzision der Hiebe, der Ausweichmanöver und des Flügeleinsatzes auf. Plötzlich verspürte sie den Wunsch, die beiden Vögel voneinander zu trennen. Sie nahm einen langen Bambusstock, um sie zu erschrecken. Aber zu ihrer größten Überraschung wich der Vogel, den sie zu treffen versuchte, jedes Mal, wenn sie glaubte, ihn im nächsten Moment mit dem Stock zu berühren, mit einer schnellen und präzisen Bewegung aus und entkam mühelos ihrem Angriff. Er schwang sich schließlich auf, ohne dass sie ihn erreichen konnte. Der Vogel erwies sich als unberührbar! Dies war für die junge Frau eine wahre Offenbarung, und sie begriff auf diese Weise unmittelbar das Prinzip des Weichen und des Harten. Unverzüglich machte sie sich daran, eine Synthese aus den Lehren ihres Vaters und dem von ihr beobachteten Verhalten der Kraniche zu schaffen. Das Ergebnis war ein neuer Kampfstil, der sich schnell einen bedeutenden Ruf in der gesamten Provinz erwarb, wo er unter dem Namen Yongchun Hequan bekannt wurde. Die Tradition der Schule berichtet weiterhin, dass Fang Jin Jang die eigentliche Technik um bestimmte Atemtechniken und moralische Grundsätze erweiterte, um jedem Praktizierenden zu innerer Ausgeglichenheit und zur Harmonie mit den Kräften der Natur zu verhelfen.3