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Kapitel 4
ОглавлениеMicha
»Swift?«
Micha hätte nicht erwartet, dass seine Rückkehr nach Pine Cove noch demütigender werden könnte. Er hatte sich getäuscht.
Nachdem er aus seinem Spielmodus gerissen wurde, sah er sich in der Küche um. Da waren Pops, sein Bruder Rhett, seine Schwester Darcy und Frauen, an die er sich von früher erinnerte. Und da war…
Swift Coal. Verdammt.
Micha hatte sich immer noch nicht so ganz von seiner kurzen Haft, der Gerichtsverhandlung und seiner dämlichen Rückkehr nach Pine Cove erholt. Und da musste ausgerechnet dieser herrliche, perfekte Swift hier auftauchen? Von allen denkbaren Besuchern ausgerechnet er?
Er war immer eine Art Heiliger gewesen – der Starathlet mit den guten Noten und den perfekten Manieren. Genau die Art von Mann, die Micha nie werden würde, so sehr er sich das auch immer gewünscht hatte. Swift und Rhett hatten sich auf der Oberschule angefreundet und waren auch danach in Kontakt geblieben, obwohl sie an unterschiedlichen Colleges studierten. Nach dem Studium ließen sie sich in Pine Cove nieder und wurden allerbeste Freunde.
Micha war damals mitten im Teenageralter und kostete seine pubertäre Libido mit voller Macht aus. Als Swift Coal ständig im Haus auftauchte, um Rhett zu besuchen, fiel Micha in ein Lustkoma, das ihm unmissverständlich klarmachte, dass seine Vermutung richtig und er schwul war.
Sobald Swift den Raum betrat, konnte er keinen klaren Gedanken mehr fassen. Swift hatte goldbraune Haut, sonnengelbe Haare, ausgeprägte Muskeln und ein Lächeln, das Michas Herz und Schwanz gleichermaßen zum Leben erweckte. Er stolperte über seine eigenen Füße, wenn er den gottgleichen Swift nur ansah.
Und jetzt war Swift hier.
Halt. Warum war er eigentlich hier? Während Michas Verstand sich langsam entwirrte, brach die Realität wie eine kalte Dusche über ihn herein.
Imogen saß auf seinem Schoß. Swift war ihr Daddy. Und das hieß, dass ihre Mommy entweder Swifts Frau oder seine Freundin war.
Micha war am Boden zerstört vor Enttäuschung. Es war geradezu lächerlich. Er hatte doch immer gewusst, dass Swift nicht schwul war und auch nicht wundersamerweise bisexuell oder sonst was. Swift würde dem missratenen kleinen Bruder seines besten Freundes nie auch nur einen zweiten Blick gönnen. Es gab nichts, worauf Micha eifersüchtig sein konnte. Er sollte sich darüber freuen, dass Swift glücklich war und eine Familie hatte.
Micha hoffte, dass dieses Gedankenwirrwarr ihm so schnell durch den Kopf geschossen war, wie es sich angefühlt hatte. Sonst hätten ihn die anderen nämlich unangenehm lange angestarrt.
Er wäre beinahe wieder über seine eigenen Füße gestolpert, obwohl er stocksteif im Zimmer stand. Micha schlang sich die Arme um den Leib und hoffte, dass sein Lächeln nicht allzu grimassenhaft aussah. Oh Gott, Swift hatte vermutlich schon gehört, dass der jüngste Perkins jetzt vorbestraft war. Die Demütigung drohte, ihn zu überwältigen.
Swift zog die Augenbrauen hoch und ein leichtes Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. »Micha. Wow. Lange nicht gesehen. Schön, dass du wieder zu Hause bist.«
Micha warf einen Blick auf seinen Bruder. Mit dieser Reaktion hatte er nicht gerechnet. Hatte Rhett seinem Freund von Michas Verhaftung erzählt? Oder hatte er es verschwiegen, weil er sich schämte? Wie auch immer, jedenfalls flippte Swift nicht aus, weil sein kleines Mädchen mit einem Kriminellen gespielt hatte.
»Danke«, sagte Micha mit dem Anflug eines Lächelns. Sein Magen zog sich krampfhaft zusammen und sein Schwanz pochte. Und das alles nur, weil er Swift persönlich gegenüberstand. Micha hielt sich von Facebook und anderen sozialen Medien fern. Sie waren einfach nicht sein Ding. Deshalb hatte er auch schon lange keine Fotos mehr von Swift gesehen und… Verdammt. Swift war noch heißer als früher. Micha fragte sich, ob er immer noch in dem Fitnessstudio als Trainer arbeitete.
Imogen drehte sich zu Swift um und sah ihn mit ihren braunen Augen ernst an. Die musste sie von ihrer Mom haben, denn Swifts Augen waren so blau wie der Himmel.
»Ist Micha auch dein Freund?«, fragte sie ihn.
Swift blinzelte überrascht. Dann lächelte er seiner Tochter zu. »Ja«, antwortete er zu Michas Überraschung.
Ein Anflug von Stolz wärmte Micha das Herz. Dachte Swift wirklich, sie wären nach all den langen Jahren noch Freunde? Sicher, Micha hatte oft mit ihm und Rhett rumgehangen. Aber er war davon ausgegangen, dass sie ihn immer nur als den störenden kleinen Bruder gesehen hatten, der ihnen im Weg war.
Doch dann lächelte ihn Swift an und sein Lächeln war so ehrlich, dass Michas Herz zu flattern anfing. Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal von einem Menschen so angestrahlt worden war, der nicht zu seiner unmittelbaren Adoptivfamilie gehörte. Vielleicht von Brie, wenn er ihr ein Eis spendierte und sich an ihren Lieblingsgeschmack erinnerte. Guter Gott. Er hoffte wirklich, dass es ihr gut ging.
Swift zeigte auf Michas Geschwister. »Erinnerst du dich noch an Onkel Rhett und Tante Darcy? Ich habe sie dir vorhin vorgestellt. Micha ist ihr Bruder, also ist er auch dein Onkel.«
Imogen schnappte nach Luft. Dann drehte sie den Kopf zu Micha um. »Kann ich ihn dann wieder besuchen? Wollen wir wieder zusammen spielen, Onkel Micha?«
Micha war gerührt, wollte aber seine Grenzen nicht überschreiten. »Nun, wenn dein Daddy es erlaubt?«
Für eine Sekunde sahen sich Micha und Swift schweigend an. Es war, als würde ihm ein leichter Stromstoß durch den Körper gejagt, der seine Haut zum Kribbeln brachte. Dann erinnerte er sich ans Luftholen und lächelte Swift verlegen an. Zu seiner Überraschung erwiderte Swift das Lächeln.
»Aber sicher«, sagte Swift und nickte Imogen zu. »Du kannst auch die anderen Kinder besuchen. Jetzt sollten wir allerdings nach Hause fahren. Ich will dir noch dein neues Zimmer zeigen und Oma sagt, dass sie mit dir einkaufen gehen will. Du brauchst einen neuen Schlafanzug. Was meinst du?«
Imogen sah eine ältere Frau an, in der Micha jetzt Swifts Mutter erkannte. Deb. Imogen überlegte kurz und nickte dann. »Okay. Danke sehr, Oma.«
Einen Moment… Neues Zimmer? Das machte doch keinen Sinn. War Swift gerade umgezogen? Oder hatte er sich von Imogens Mutter getrennt und war ausgezogen?
Dafür wirkte er allerdings viel zu fröhlich.
Nicht, dass Micha jemandem eine Scheidung gewünscht hätte. Schon gar nicht einem so netten Mann wie Swift. Micha lächelte, als er sich daran erinnerte, wie fürsorglich Swift früher seine jüngeren Geschwister beschützt hatte, die alle schwul waren. Vermutlich hatte er innerlich immer gehofft, Swift wäre vielleicht auch bi oder so. Ausgeschlossen war das auch jetzt noch nicht. Solange Swift nur glücklich war – wie auch immer –, freute sich Micha für ihn.
Das hieß aber noch lange nicht, dass Swift von seinen Problemen hören musste, falls er noch nichts davon erfahren hatte. Was allerdings an ein Wunder grenzen würde. Am besten war, Micha ging dem Thema einfach aus dem Weg.
»Es war nett, dich wiederzusehen«, sagte er zu Swift. »Und ich habe mich sehr gefreut, dich kennenzulernen, Imogen. Ihr habt bestimmt noch viel vor und ich…«
»Ja, richtig«, sagte Pops und setzte sich auf, als hätte er gerade eine gute Idee gehabt. Sogar Peri, die Schäfchenwolke, hob den Kopf, um Pops zu lauschen. Und so war es dann auch. Pops sah Micha an und schnipste mit den Fingern. »Darcy, haben wir nicht noch die Kisten mit den Kindersachen bei uns auf dem Dachboden?«
Darcy nickte stirnrunzelnd. »Ja, ich glaube schon. Es war einfacher, als sie in unser Haus zu bringen.«
Pops grinste und nickte ebenfalls. »Hervorragend. Micha, könntest du Swift damit helfen?«
Micha zog die Augenbrauen hoch und sah Rhett fragend an.
Er hatte nichts dagegen, Swift zu helfen. Aber was ging hier vor? Rhett war doch Swifts bester Freund, nicht Micha. »Sicher. Aber Rhett…«
»Der muss zu seinen Babys zurück. Stimmt's, Rhett?« Pops schüttelte würdevoll mit dem Kopf. »Louella kann sich doch nicht allein um die beiden Teufelchen kümmern, oder?«
»Oh nein«, stammelte Rhett. »Mein Gott, ich habe komplett die Zeit vergessen. Natürlich nicht!« Er sprang hastig von seinem Stuhl auf.
Rhett hatte Micha schon gestanden, dass er sich immer noch daran gewöhnen müsste, jetzt Vater zu sein. Micha konnte das verstehen, denn Rhett und Louella hatten die Babys erst vor rund einem Monat adoptiert. Sosehr Micha Kinder auch liebte, er war sich nicht sicher, ob er in der Lage wäre, für ein ganzes Leben die Verantwortung für ein Kind übernehmen zu können. Schon gar nicht für zwei. Er konnte sich ja kaum um sich selbst kümmern.
»Bis später dann?«, sagte Rhett, winkte ihnen zu und eilte aus der Küche. Pops warf Micha einen fragenden Blick zu.
»Oh. Ja, äh…«, stammelte Micha. »Natürlich kann ich dir helfen, Swift.« Er meinte es ehrlich. Seine lächerliche Verliebtheit hatte offensichtlich im Laufe der Jahre nicht nachgelassen. Das hieß jedoch noch lange nicht, dass er sich nicht zusammenreißen und wie ein erwachsener Mann aufführen konnte. Wenn Swift Hilfe brauchte, war Micha für ihn da.
»Danke, Junge«, sagte Darcy und gab ihm einen Klaps an den Arm.
Das machte sie schon, seit Micha als verängstigter Zehnjähriger hier angekommen war. Aber es war wohl das erste Mal, dass er nicht zusammenzuckte, wenn sie ihn Junge nannte und dabei – wenn auch nur im Spaß – nach ihm schlug. Es fühlte sich eigentlich recht nett an. Vielleicht fing er ja doch an, die traumatischen Erfahrungen seiner Kindheit langsam zu überwinden.
»Kein Problem«, sagte er und hoffte, seine aufgesetzte Fröhlichkeit hörte sich normal an. »Nach was suchen wir?«
Darcy trommelte mit den Fingern an ihre Kaffeetasse. »Wenn ich mich recht erinnere, nach einer weißen Kiste mit der Aufschrift Peppers Klamotten und einer braunen, auf der Peppers Spielsachen steht. Falls nicht Leon die Kisten gepackt hat. Dann hat er sie vermutlich mit Rätseln aus Dungeons & Dragons beschriftet und Cthulhu stehe euch bei.«
Damit löste sie bei allen lautes Gelächter aus. Swift fragte Imogen, ob sie mit ihrer Oma knuddeln wollte. Deb rutschte so aufgeregt auf ihrem Stuhl hin und her, als hätte sie ihre Enkelin noch nie in den Armen gehalten. Micha machte ihr keine Vorwürfe. Es war besser, seine Liebe zu einem Kind etwas zu überschwänglich zu zeigen, als den Scheck vom Sozialamt in Empfang zu nehmen und sich ansonsten einen Dreck zu scheren.
Er war so begierig darauf gewesen, zu helfen und seinem Pops zu zeigen, dass er ihm dankbar und ein Teamplayer war. Deshalb fielen ihm die Konsequenzen seiner Zusage erst auf, als Swift aufstand und Imogen ihrer Oma übergab.
»Willst du vorausgehen?«, fragte Swift ihn.
Ah. Er würde mit Swift allein sein. Das war so ziemlich das genaue Gegenteil dessen, was Micha beabsichtigt hatte. Doch wenn er jetzt einen Rückzieher machte, würden sie ihn für einen Faulenzer halten, und das war definitiv nicht richtig. Er wollte Pops beweisen, dass er auch eine Hilfe sein konnte, ohne gleich alles zu vermasseln.
Obwohl er das vielleicht eher sich selbst beweisen wollte als Pops.
Wie auch immer. Er durfte sich jetzt jedenfalls nicht blamieren, durfte Seattle nicht erwähnen und auch nicht, dass er dort mit dem Gesetz in Konflikt geraten war. Er musste sich Mühe geben und durfte sich nicht wie ein Idiot aufführen.
Wenn er nur nicht selbst sein größter Feind wäre…
»Oh mein Gott, ein Kätzchen!«, rief er und ging zu der grauen Box, die auf der Kommode stand. Er hatte sie nicht beachtet, als er in die Küche gekommen war. Seine ganze Aufmerksamkeit war auf Swift gerichtet gewesen, den er seit Jahren das erste Mal wiedersah. Micha liebte Katzen und als er das kleine rote Fellknäuel in der Box sitzen sah, hockte er sich vor die Kommode, um es sich durchs Gitter zu betrachten.
Und hätte beinahe ein Auge verloren.
Die Katze fauchte und schlug mit den Krallen nach ihm. Micha konnte gerade noch rechtzeitig ausweichen und zurückspringen. Und zwar direkt in Swifts starke Arme, der ihn auffing und an seine harte Brust drückte.
Micha erstarrte. Miiist, schrie es in ihm, als er vorsichtig den Kopf hob. Swift schaute auf ihn herab und lächelte bedauernd.
»Sorry. Er ist anscheinend nicht ganz ungefährlich.«
Imogen kicherte und wippte auf Debs Schoß auf und ab. »Butter Bee ist lustig!«, rief sie.
Micha wünschte, der Boden möge sich unter ihm auftun und ihn verschlucken. So peinlich ihm die Sache auch war, sein Schwanz scherte sich nicht darum und freute sich über Swifts Berührung. Reiß dich zusammen!, schalt Micha sich und befreite sich aus Swifts Händen.
»Von der Katze fernhalten«, sagte er nickend und salutierte. »Ich merke es mir. Wollen wir jetzt, äh… nach den Sachen suchen?«
Swift strahlte, sah die anderen Anwesenden kurz an und streckte den Arm aus. »Nach dir.«
Das waren die perfekten Manieren, an die Micha sich noch so gut erinnerte. Und ihre Wirkung war noch genauso verheerend wie früher.
Swift war verdammt sexy, aber der Hauptgrund, warum sich Micha in ihn verliebt hatte, waren seine liebenswerte Freundlichkeit und Güte. Sexy konnte jeder sein – beispielsweise auch Dale. Rein objektiv gesehen war dieses Arschloch unglaublich sexy. Aber er war eben auch ein Arschloch und das hatte Micha, der anfangs in ihn vernarrt gewesen war, sehr schnell erkannt. Ein Mann wie Swift – fürsorglich und immer für seine Freunde da – war dagegen heißer als jeder Porno, den Micha sich nur vorstellen konnte.
Es war also nur gut, mit ihm in einen dunklen, engen Raum zu kriechen. Micha musste sich nur zusammenreißen, um sich nicht zu blamieren.
Nicht schon wieder.
»Scheißleben«, murmelte er und ging voraus zum Dachboden.