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Kapitel 5

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Swift

»Die Katze heißt also Butter?«, fragte Micha, während Swift hinter ihm die Treppe ins oberste Stockwerk hinaufstieg.

Swift zuckte lachend mit den Schultern. »Sieht so aus. Keine Ahnung, warum. Als weich und zart kann man das Biest jedenfalls nicht bezeichnen. Es ist genauso gemein, wie es aussieht.« Er zeigte Micha seine Hand, die schon mit etlichen Pflastern verklebt war. Und dabei hatte er den verdammten Kater noch nicht einmal aus der Box gelassen.

Micha blieb oben stehen und wartete darauf, dass Swift ihm nachkam. »Habt ihr ihn gerade erst adoptiert oder was?«

Oh Mist. Micha wusste noch nicht Bescheid. Swift hatte selbst noch nicht ganz verarbeitet, was heute alles passiert war, von den anderen gar nicht zu reden. Er war irgendwie davon ausgegangen, dass Rhett Micha informiert hätte, doch Rhett war in dieser Beziehung zurückhaltend. Er tratschte nicht über fremde Angelegenheiten und hatte es offensichtlich Swift überlassen wollen, Micha in die ganze Geschichte einzuweihen.

»Ja, also…«, sagte er und überlegte, womit er anfangen sollte. Er stemmte die Hände in die Hüften und nickte. »Du warst nicht in der Stadt, deshalb weißt du vermutlich nicht Bescheid. Ich habe erst heute erfahren, dass Imogen meine Tochter ist. Die Katze gehört ihr. Ihre Mom hat Schwierigkeiten, der CPS hat mich angerufen und… nun, hier ist sie.«

Micha sah ihn mit aufgerissenen Augen an. »Meinst du das ernst?«, flüsterte er.

Swift nickte und Micha leckte sich über die Lippen. Swift musste sich zwingen, den Blick abzuwenden.

Früher hatte er damit keine Probleme gehabt, aber damals war Micha auch noch ein Kind gewesen. Guter Gott, nichts daran war auch nur ansatzweise passend – weder das Timing noch die Person noch sonst was. Aber so beharrlich Swift seinem Schwanz auch klarzumachen versuchte, dass jetzt wirklich nicht der passende Zeitpunkt wäre, aufzuwachen und sich zu verknallen – das dämliche Ding wollte nicht auf ihn hören.

Er verlagerte das Gewicht und versuchte unauffällig, seine Jeans zurechtzurücken. Glücklicherweise hatte er sich vorhin noch schnell umgezogen, weil er bei dem Termin mit dem CPS einen guten Eindruck machen wollte. Dadurch waren die kritischen Stellen jetzt stoffbedeckter, als das vorher der Fall gewesen war.

Er gab sich in Gedanken einen Tritt in den Hintern. Vermutlich war er nur erschöpft von der langen Autofahrt und dem Schock. Jedenfalls war jetzt nicht der passende Zeitpunkt, um über einen Mann nachzudenken. Swift hatte seine Bisexualität in der Vergangenheit nicht ausgelebt und wollte auch jetzt nicht damit anfangen. Nicht mit Rhetts jüngerem Bruder und ganz sicher nicht, solange er sich vor allem um Imogen kümmern musste.

Der Gedanke an seine Tochter beruhigte ihn wieder. Sie war seine Priorität. Er durfte sich nicht durch ein schönes Gesicht von seinen Verpflichtungen ablenken lassen.

»Ja«, beantwortete er Michas Frage. »Ich war kurz mit ihrer Mom liiert. Sie ist dann weggezogen und hat mir nicht gesagt, dass sie schwanger war. Das war vor fünf Jahren.«

»Und CPS hat sie ihrer Mom weggenommen?«, hakte Micha nach.

Swift nickte nur. Er wollte nicht in die Details gehen oder schlecht über die Mutter seiner Tochter reden. Es kam ihm falsch vor. »Vorübergehend. Aber ich hoffe, dass wir uns das Sorgerecht teilen können, wenn sie wieder auf die Beine gekommen ist. Ich…« Seine Stimme versagte. Er überdeckte die Gefühle, die so unerwartet in ihm aufwallten, mit einem Lächeln. »Ich wusste nicht, dass ich Vater geworden bin. Aber ich bin mir sicher, dass ich es bleiben möchte.«

Micha überlegte kurz, dann erwiderte er Swifts Lächeln. »Ich wette, du wirst ein wunderbarer Vater sein«, meinte er leise.

Swift lachte unsicher. »Ich weiß nicht. Ich habe eine Heidenangst davor«, gestand er.

Micha zog eine Augenbraue hoch. »Du hast Imogen davor bewahrt, in ein Heim oder zu Pflegeeltern gebracht zu werden, stimmt's?« Swift nickte. »Dann hast du jetzt schon alles richtig gemacht«, beschied ihm Micha, drehte sich auf dem Absatz um und ging zu der Klappe in der Decke, die zum Dachboden führte.

Swift atmete tief durch. Micha hatte recht, es war ein guter Anfang. Das Dumme war nur, dass Swift sich nicht ansatzweise vorstellen konnte, was noch an Problemen auf ihn zukommen würde, und schon gar nicht, wie er sie lösen sollte. Aber jedenfalls wusste Imogen, wo sie heute Nacht schlafen würde und wenn es in Swifts Macht stand, würde sich das auch niemals ändern. Sie musste keine Angst haben.

Im Gegensatz zu Micha, als der noch ein Kind war.

Swift folgte ihm durch den Flur zur Dachluke, wo Micha mittlerweile die Leiter nach unten zog, damit sie auf den Dachboden klettern konnten. »Es ist komisch«, meinte Micha kopfschüttelnd. »Ich habe das seit Jahren nicht mehr gemacht, aber es fühlt sich immer noch an, als wäre es erst gestern gewesen.« Er warf Swift einen Blick zu, als wäre ihm gerade aufgefallen, dass er zu viel gesagt hatte.

Swift wusste, dass Micha vor Jahren nach Seattle gezogen war. Er wusste auch, dass Micha vor einigen Monaten mit Problemen gekämpft hatte. Und jetzt musste Swift sich eingestehen, froh darüber zu sein, dass Micha wieder nach Hause gekommen war. So erwachsen Micha auch geworden war und so hart er wirkte mit seinen Tattoos – da war immer noch diese Zerbrechlichkeit in ihm, sodass Swift ihn am liebsten in die Arme genommen hätte, um ihn vor allem Bösen dieser Welt zu behüten.

Doch das stand ihm nicht zu. Also lächelte er Micha nur an und fasste nach der Leiter. »So ist das mit einem Zuhause«, sagte er zu Micha. »Es wartet immer nur darauf, dass du wieder zurückkommst.«

Micha brummte, aber sein Lächeln erreichte nicht die Augen. Er stieg auf die Leiter und kletterte nach oben.

Swift sah ihm nach und wartete, bis Micha oben angekommen war, bevor er ihm folgte. Er wollte die persönliche Distanz wahren und lieber etwas Abstand halten. Während er die Leiter hochstieg, stellte er sich vor, wie es wohl gewesen sein mochte, so aufzuwachsen wie Micha. Micha war immer allein und auf sich selbst gestellt gewesen. Das hatte sich erst geändert, nachdem die Perkins ihn als Zehnjährigen adoptierten.

Rhett hatte ihm vor Jahren die ganze Geschichte erzählt. Micha war nur wenige Stunden nach seiner Geburt in einer der Nachbarstädte von Pine Cove vor einer Polizeistation ausgesetzt worden. Er war in einen Pullover gewickelt, an dem ein Zettel steckte: Ich heiße Micha. Bitte kümmert euch um mich. Swift hatte das immer entsetzlich gefunden. Wer konnte einem Baby so etwas antun? Später, als er älter wurde, musste er zugeben, dass Michas Mutter vielleicht nur versucht hatte, ihrem Baby eine bessere Chance zu geben, als sie selbst es gekonnt hätte.

Leider hatte Micha mit seinen ersten Pflegefamilien nicht viel Glück gehabt. Rhett kannte die Details nicht und hatte nur wiederholt, was ihnen seine Eltern erzählt hatten. Nämlich, dass manche Leute Pflegekinder nur aufnahmen, um dafür einen Scheck vom Staat zu kassieren.

Gott sei Dank hatten die Perkins ihn gefunden und zu sich geholt. Sie hatten im Laufe der Jahre viele Pflegekinder aufgenommen, aber adoptiert hatten sie nur Rhett und seine Geschwister. Und dann Micha.

Die Kinder, die sonst niemand wollte.

Swift wäre beinahe wieder wütend geworden, als er über Michas Vergangenheit nachdachte. Doch das hätte nichts geändert. Er musste sich auf die Zukunft konzentrieren. Und obwohl er einen mehr als seltsamen und anstrengenden Tag hinter sich hatte, musste er sich eingestehen, dass er sich sehr darüber freute, dass Micha in sein Leben zurückgekehrt war.

Vermutlich bleibt er nicht lange, dachte er traurig, als er den Kopf durch die Dachluke steckte. Micha würde sich bestimmt bald wieder auf den Weg machen, zurück in die Großstadt. Swift wollte die kurze Zeit mit ihm genießen, solange er konnte.

»Imogen hat gerne draußen mit dir gespielt.« Swift stützte sich mit den Ellbogen auf den Rand der Dachluke und sah zu, wie Micha sich durch Kisten mit Weihnachtsschmuck, Kleiderpuppen, Kinderräder und Golfschläger wühlte.

Micha sah ihn mit großen Augen an. »Oh, äh… Ich hoffe, es war dir recht.«

Swift runzelte die Stirn. »Was meinst du damit?«

Micha drehte sich um und fummelte an einer Kiste, die mit Hudsons Zeugnisse beschriftet war. »Ich hätte dich erst um Erlaubnis fragen sollen. Das war gedankenlos von mir.«

Swift blinzelte. »Na ja, ich dachte mir schon, dass es jemand aus deiner Familie ist, der die Schaukel anstößt…«

Micha lächelte traurig. »Dann solltest du dir Augen im Hinterkopf zulegen. Du darfst nicht so vertrauensselig sein. Fremde Gefahr und so.«

Swift knabberte an seiner Unterlippe. »Oh Gott.« Er schlug sich die Hand vors Gesicht. »Ich fange schon an, Mist zu bauen. Ich bin ein Versager.«

Zu seiner Überraschung zog ihm Micha sanft die Hand vom Gesicht. Es war nicht zu glauben, wie leise er sich bewegen konnte. »Nein, das bist du nicht«, sagte Micha und drückte ihm die Hand. »Mist gebaut hättest du nur, wenn du sie an fremde Menschen abgeschoben hättest. Du hättest sie einfach dort lassen können.«

Swift sah ihn entsetzt an. »Niemals.«

Micha blinzelte hektisch und ließ lächelnd Swifts Hand los.

Swift vermisste seine Berührung sofort. Sie hatte ihn getröstet.

»Siehst du?« Micha räusperte sich, stand auf und ging zu den Kisten zurück. »Du machst das schon richtig. Niemand erwartet von dir, dass du jetzt schon alles kannst und weißt.«

Swift seufzte und brachte irgendwie ein Lächeln zustande. Sie sagten ihm alle, dass er es schon schaffen würde. Vielleicht sollte er langsam selbst daran glauben. Er zog sich durch die Luke auf den Dachboden, um Micha bei der Suche zu helfen. »Danke«, sagte er kopfschüttelnd. »Du konntest schon immer gut mit Kindern umgehen. Auch, als du selbst noch ein Kind warst.«

Micha sah ihn verwirrt an. »Wie meinst du das?«

Swift überlegte. Wieso verstand ihn Micha nicht? »Deine Nichten und Neffen. Sie beten dich an. Es war immer, als hättest du Zauberkräfte. Du wusstest, wie man mit ihnen reden muss. Du konntest sie sogar überreden, den Brokkoli zu essen.« Swift pfiff durch die Zähne und schüttelte wieder den Kopf. »Und Carlee? Niemand hat die Gebärdensprache so schnell gelernt wie du. Logan und Nell hatten sich schon Sorgen gemacht, dass Carlee sich ausgeschlossen fühlen würde, aber das war überflüssig. Deinetwegen.«

Micha sah ihn immer seltsamer an. Swift fragte sich schon, ob er etwas Falsches gesagt hatte, doch dann leckte sich Micha über die Lippen und lächelte leicht. »Daran erinnerst du dich noch?«

»Meinst du das ernst? Natürlich erinnere ich mich daran.« Swift lachte. »Glaub mir, du warst ein sehr bemerkenswerter Junge.«

Michas Lächeln wurde verlegen. Er legte sich die Fingerspitzen ans Kinn und zeigte dann mit der flachen Hand auf Swift, der die Geste erkannte. Es war ein Zeichen aus der amerikanischen Gebärdensprache – ASL – und bedeutete Danke.

»Gern geschehen«, sagte Swift leise.

Micha sah ihm in die Augen, räusperte sich dann und rieb sich den Nacken. »Ich habe diese dämlichen Barbies immer noch nicht gefunden.«

»Ich helfe dir suchen.« Swift fing an, die Kisten mit den familiären Erinnerungsstücken der Perkins' zu sondieren.

Er war nicht so geschickt wie Micha, aber dafür ein ganzes Stück größer, sodass er es nur mit etwas Glück vermeiden konnte, ein Loch in die niedrige Decke zu stoßen. Nach einiger Zeit quiekte Micha aufgeregt. Er war innerlich immer noch der süße kleine Junge, an den sich Swift erinnerte, auch wenn er nach außen den Eindruck eines harten Kerls erzeugen wollte.

»Glaubst du, das ist die richtige Kiste?« Micha drehte sich zu ihm um und strahlte ihn glücklich an. Das war schon viel besser als der gehetzte, verschlossene Eindruck, den er vorhin in der Küche gemacht hatte.

Und tatsächlich – Micha hatte die Kiste mit den Kindersachen seiner Nichte Pepper gefunden. Sie enthielt Kleidung, Spielzeug, selbst Decken, Fingerfarben und Locken ihrer Haare.

»Bist du sicher, dass deine Schwester nichts dagegen hat, wenn ich mich an den Sachen bediene?«, fragte Swift.

Micha schnaubte. »Natürlich. Sie ist der unsentimentalste Mensch, den ich kenne. Leon musste sie erst überreden, die Sachen aufzuheben für den Fall, dass Rhett oder Hudson irgendwann Töchter bekommen. Oder Enkel vermutlich.«

»Oder für dich«, meinte Swift. Micha blinzelte ihn verwirrt an, was Swift nicht recht verstehen konnte. »Für den Fall, dass du Kinder bekommst«, erklärte er. »Sorry. Ich dachte nur, dass du dir bestimmt auch Kinder wünschst, weil du so gut mit ihnen umgehen kannst. Aber das ist, äh… wahrscheinlich nicht jedermanns Sache.«

Warum kam er sich nur vor, als wäre er gerade ins Fettnäpfchen getreten?

Micha machte ein trauriges Gesicht. »Ich glaube nicht, dass ich jemals Vater werde«, meinte er und hob eine der Kisten hoch. Sie musste schwerer sein, als er erwartet hatte, denn sie glitt ihm sofort wieder aus den Händen. Swift streckte sofort die Hände aus und griff zu, ohne lange darüber nachzudenken.

Und plötzlich war Michas Gesicht nur noch Zentimeter von seinem entfernt und ihre Hände berührten sich.

Sie starrten sich an. Dann lachte Micha verlegen und trat einen Schritt zurück. »Danke«, murmelte er.

Swift schaute auf die Kiste. Er wollte nicht aufdringlich sein, fragte sich aber, warum Micha glaubte, nie Vater zu werden. Swift packte die Kiste fester und überlegte, wie er Micha danach fragen könnte, ohne ihn noch mehr aufzuregen.

Dann drehte Micha sich um und suchte nach der zweiten Kiste. Swift hatte seine Chance verpasst. Micha fand die Kiste, hob sie hoch und sah Swift mit einem traurigen Lächeln an.

»Das war's. Wollen wir wieder nach unten gehen?«

Swift zögerte. Die Antwort war natürlich Ja, aber seine Füße wollten sich nicht bewegen. Warum musste dieser Augenblick schon zu Ende sein?

»Ja, das war's. Bleibst du länger in der Stadt?«

Die Frage brachte Micha aus dem Konzept. »Äh, ja. Ich weiß noch nicht genau, was ich machen werde. Aber ich will mir einen Job suchen und eine Weile bleiben.«

Swift grinste. »Prima! Ich dachte mir, wir könnten uns vielleicht treffen und über… Kinderkram reden. Falls du Lust hast?«

Er kam sich ziemlich dämlich vor, als Micha ihm einen verwirrten Blick zuwarf. »Ich helfe dir natürlich gern«, sagte Micha bedächtig. »Wenn ich es kann. Aber Rhett, Logan oder Darcy… Die haben alle eigene Kinder.«

Hmm. Swift wusste auch nicht so recht, warum er sich lieber von Micha helfen lassen wollte. Vielleicht wollte er nur eine alte Freundschaft auffrischen. Aber das war idiotisch. Micha war viel jünger als er. Micha würde sein Leben genießen wollen, würde ausgehen und sich amüsieren wollen. Swift durfte nicht vergessen, dass nicht jeder so extrovertiert war wie er selbst, der jede Zufallsbekanntschaft sofort auf seine Freundesliste bei Facebook setzte.

»Ja, da hast du recht«, meinte er lachend. »Ich will wohl nur ein guter Vater werden. Aber… jetzt, wo du wieder in der Stadt bist, kannst du uns jederzeit besuchen. Wenn du willst.«

Er ging zu der Luke, um seine Kiste nach unten zu bringen.

»Aber…«

Swift drehte sich wieder um, als er Michas Stimme hörte. Micha sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. Er wirkte unschlüssig.

»Alles in Ordnung?«

Micha setzte seine Kiste auf der Hüfte ab. Sein Mund öffnete sich und schloss sich wieder. Seine Augen glänzten glasig.

Mist. Dieses Mal schien Swift das Fettnäpfchen voll getroffen zu haben.

»Was ist denn los, Micha?«

»Du lädst mich zu dir ein?«, platzte Micha heraus, wurde rot und schniefte. »Warum willst du meinen Rat? Ich bin ein Versager. Ich baue nur Mist. Rhett muss dir doch alles erzählt haben.«

Swifts Herz zog sich zusammen. Vorsichtig stellte er die Kiste ab und ging auf Micha zu. Micha stellte seine Kiste ebenfalls ab, ohne Swift dabei aus den Augen zu lassen. Swift legte ihm die Hände auf die Schultern. Micha sah ihn mit seinen glänzenden braunen Augen an.

»Wenn ich kein Versager bin, bist du auch keiner. Okay?«, sagte Swift.

Micha schluckte und zog eine Grimasse. »Swift, ich… ich bin verhaftet worden.«

Swift zog die Augenbrauen hoch. »Ja«, sagte er bedächtig. »Aber Rhett meinte, es wäre ein Missverständnis gewesen. Du wusstest nicht, was dieser Kerl plante. Er hat dich ausgetrickst und da reingezogen.«

Micha blinzelte einige Male. »Das wusstest du alles schon?«

Swift rieb ihm mit den Daumen über die Schultern. »Ja. Und es tut mir leid, dass dir das passiert ist. Aber ich verstehe es. Wir vertrauen dir immer noch. Ich beurteile die Menschen danach, was sie hier und jetzt tun.« Er lächelte. »Und ich habe einen Mann erlebt, der liebevoll und geduldig zu dem Kind war, das heute der wichtigste Mensch in meinem Leben geworden ist. Ja. Du kannst mich und Imogen jederzeit besuchen. Sie hat gerade viel Aufregung in ihrem Leben gehabt und ich bin mir sicher, sie wird sich über ein bekanntes Gesicht freuen.«

Micha rieb sich nickend die Augen. Swift trat zur Seite, bevor es noch peinlicher wurde. Es hatte sich so richtig angefühlt, Micha an den Schultern zu halten.

Hoffentlich behielt er recht. Micha lächelte ihm verhalten zu. »Vielen Dank.«

»Kein Problem«, versicherte ihm Swift. Es war schön, mit Micha so offen reden zu können. Er hielt offensichtlich noch viel Schmerz in sich zurück, aber seine Abwehrhaltung ließ langsam nach. »Wollen wir Imogen suchen?«

Michas Gesicht hellte sich auf. Es war herzerwärmend.

»Ja«, sagte er und hob seine Kiste wieder auf. »Sie wird sich über ihre neuen Sachen so freuen!« Micha machte eine Pause und sah sich auf dem Dachboden um. »Ich weiß, Darcy hat gesagt, du könntest dir Peppers Sachen nehmen, aber… Imogen liebt Piraten und Entdeckungen und Raumschiffe und so. Wollen wir noch nach den Kisten von Charles suchen? Dass sie ein Mädchen ist, heißt noch lange nicht, dass sie keine Dinosaurier mag.«

Swift atmete auf. »Wow«, sagte er und fühlte wieder den Kloß im Hals. »Du kennst sie schon besser als ich. Mein Gott.«

»Sorry«, entschuldigte sich Micha hastig.

»Du musst dich nicht entschuldigen«, sagte Swift und blies die Backen auf. »Ich habe mir seit heute Morgen schon Dutzende Male gesagt, es gäbe keinen Grund zur Panik und ich müsste nur einen Schritt nach dem anderen machen. Aber ich bin es gewohnt, alles genau zu planen. Alles! Es dauert immer einige Zeit, bis ich mich an eine neue Situation gewöhnt habe. Und diese Zeit habe ich jetzt nicht. Imogen ist hier. Jetzt. Und sie braucht mich.«

Micha lächelte mitfühlend. »Würde es dir helfen, wenn ich dir sage, dass du das prima machst? Und…« Er biss sich auf die Lippen. »… wenn ich dir irgendwie helfen kann, wäre mir das eine Ehre. Ich habe momentan noch keinen Job und falls du einen Babysitter brauchst, dann… Nun, dann springe ich gerne ein.«

Eine merkwürdige Wärme breitete sich in Swifts Magen aus. Wie Micha ihn ansah… Er war nicht sicher, wie er Michas Blick interpretieren sollte, aber sein Herz schlug schon wieder diese kleinen Purzelbäume.

»Danke«, sagte er aufrichtig. »Ich glaube, auf dieses Angebot komme ich noch zurück.«

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