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April 1967 Langley, Virginia
ОглавлениеDer stellvertretende CIA-Direktor Summers war erfreut. Er hatte soeben einen Bericht über Vietnam im „Geographic-Magazine“ gefunden. Es war nicht die Art des Berichts gewesen, der ihm solche Freude bereitet hatte, auch nicht die zugegeben guten Fotos, sondern es war der Name der jungen Reporterin: Jane Mulwray. Sie war ein K-Programm und galt den Akten nach als unkontrollierbar, aufsässig und widerspenstig. Eigentlich war sie aufgrund mangelnder Eignung zur Abschaltung vorgesehen gewesen. Das hatte wohl nicht geklappt. Stattdessen war dieses abgängige K-Programm in Vietnam aufgetaucht. Eines der verlorenen K-Programme wiederzufinden, würde seiner Karriere mächtigen Vorschub leisten. Dadurch ergaben sich völlig neue Möglichkeiten, warum sollte er nicht von den Fehlern der anderen profitieren. Sein Finger drückte auf die Gegensprechanlage zu seinem Vorzimmer:
„Betty, bestellen Sie Agent Julius in einer halben Stunde in mein Büro.“
***
Sergeant Trevor Jones warf die zum dritten Mal ausgegangene Camel aus dem Hubschrauber. Seine Laune war auf dem Nullpunkt angekommen. Er hatte keine Ahnung, womit er seinen Boss diesmal verärgert hatte, dass er ihm diesen Job aufgebrummt hatte: irgend so eine überspannte Reportertussi aus der Gegend von Van T‘rac abholen. Jane Mulwray – die Frau war nicht mal eine offizielle Armeereporterin! Vermutlich eine dieser Weltverbesserer, die nicht mal im Ansatz eine Ahnung von dem hatten, was hier vorging. Wie solche Reportagen aussahen, konnte sich Sergeant Jones gut vorstellen, es gab ja genug Fernsehberichte, die Leute wie ihn als brutale Mörder darstellten. Sein Leutnant hatte keine klaren Befehle ausgegeben. War die Frau jetzt zu verhaften? War er eine Art Geleitschutz? Die Frau sollte offenbar schnellstmöglich aus der heißen Zone. Vermutlich war diese Jane Mulwray verrückt. Verrückt oder naiv. Als Frau an die vorderste Front zu gehen, dazu musste sie einfach verrückt sein. Vielleicht hatte ihr Daddy ja Einfluss? Mist. Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um. Klare Regel.
Die Chinook würde noch etwa eine halbe Stunde brauchen. Er war heilfroh, wenn der Ritt endlich vorbei war. Sie flogen etwa hundert Meter über dem Boden. Außer ihm und dem Piloten waren noch ein Mitglied der Special-Forces, ein paar Frischlinge und jede Menge Material an Bord. Es war ein Transportflug, aber das schien den Kerl von den Special-Forces nicht zu stören. Er nahm den Spitznamen des Helikopters „Guns-a-go-go“ wörtlich, hatte die M60 im Anschlag und ballerte auf alles, was sich unter ihnen bewegte. Dabei kreischte er begeistert auf und führte mit dem Geschütz eine Art Fruchtbarkeitstanz auf. Der Kerl war völlig irre. Die Rekruten bekamen Panik. Es half nichts, Jones musste eingreifen. Er schnippte die Zigarettenkippe weg, zog die 45er, spannte den Hahn und hielt sie dem Special-Force-Irren an die Schläfe. Dann fuhr er mit der linken Hand über seinen Hals und sagte tonlos:
„Hör auf.“
Es war einfach zu laut. Der Soldat brauchte eine Sekunde, um zu begreifen, dass Sergeant Jones es wirklich ernst meinte. Hass glomm in seinen Augen auf, dann sah er die MP-Binde des Sergeanten und ließ die Waffe sinken. Einer der Rekruten schaute Jones wie ein dankbarer Hundewelpe an. Fuck, so was konnte Jones nicht leiden. Die Chinook flog weiterhin tief über die endlosen Reisfelder. Toller Job.
Als die Chinook in Van T’rac landete, sprang der Special-Force-Mann raus und baute sich vor Jones auf. Er hatte etwas von einem lauernden Schwein, die Hand am Messer. Jones grinste bei der Steilvorlage. Der Typ nahm ihn augenscheinlich nicht für voll. Zeit für eine kleine Lektion, dass man einen MP nicht ungestraft reizen sollte. Er „stolperte“ und pflanzte dem Irren seine Faust auf die Nase. Diese knackte tatsächlich so laut, dass man es trotz der laufenden Rotoren hören konnte. Gut, der Stiefeltritt ins Gemächt war etwas viel, aber er hatte förmlich darum gebettelt.
Der diensthabende Sergeant Miller ließ den zusammengesackten Soldaten zum Sanitätszelt bringen. Jones wusste, dass er sich vermutlich einen Feind fürs Leben geschaffen hatte, aber das war ihm egal. Von Miller erhielt er die unerfreuliche Neuigkeit, dass Miss Mulwray und ihr Fotografenfreund Billy Henderson mit einem Platoon der 11. Infanterie unterwegs waren. Eigentlich hätten die Jungs längst zurück sein sollen, aber es hatte irgendeinen Vorfall dort oben gegeben und jetzt suchten sie seit Tagen nach der vollkommen durchgedrehten Frau. Diese Hippiemädchen sollten doch vielleicht besser nach San Francisco gehen als hierher. Es stand Miller deutlich ins Gesicht geschrieben, was er von der ganzen Sache hielt. Jones’ Begeisterung schlug fast Purzelbäume. Hatte die Frau eigentlich nur solch großartige Ideen?
Zum Glück fand er Leutnant Tommy Hughes, einen Hubschrauberpiloten, der ihm seit seinem letzten Besuch in Saigon noch was schuldig war. Es fehlte noch, durch den Dschungel zu rennen und nach einer durchgekrachten Braut zu suchen. Das Einzige, was man dort finden konnte, war „Charlie“ und seine Fallen.
Hughes’ Bell ratterte seit einer Stunde über endlose Grünflächen und namenlose Dörfer, als sie etwa dreißig Meter unter sich Geschützfeuer hörten. Sergeant Jones machte Hughes ein Zeichen, weiter runterzugehen. Auf einer Lichtung sah er kurz eine kleine Gestalt in US-Uniform, kein Helm. Sie rannte taumelnd durch das hohe Gras und verschwand im Dschungel. Wer schoss? Er kniff die Augen zusammen, um besser zu sehen. Verdammt! Die Jungs von der 11. Infanterie-Brigade machten Jagd auf die Gestalt. Jones nahm sich ein M16 und deutete Hughes an, noch tiefer zu gehen. Der sah jetzt ernsthaft unglücklich aus. In zwei Metern Höhe sprang Jones. Irgendwie war ihm klar, dass die 11. Infanterie Jagd auf Jane Mulwray machte, und das bereitete ihm Sorgen.
Wenn du im vietnamesischen Dschungel bist, ist alles anders. Alles tropft, es riecht seltsam und es ist irgendwie stiller.
Der Sergeant schob sich unter ein Gebüsch und wartete. Holz brach, keuchender Atem vor ihm. Jones sprang auf und legte seinen Arm um den Hals der Gestalt: klein, weiblich, europäische Gesichtszüge, höchstwahrscheinlich Jane Mulwray. Sie schaute ihn an und er wusste sofort, dass diese Frau ihn gar nicht wahrnahm. Ihre aufgerissenen Augen spiegelten pure Panik wider, reinen Überlebensmodus, Flucht.
„Lady, alles ist gut, Sie sind sicher.“ Er presste sie an sich. Es war Blut auf ihrem Gesicht. Scheinbar nicht von ihr, sonst wäre sie vermutlich nicht so weit gekommen. Mist, das sah sogar nach Hirnmasse aus. War neben ihr jemandem der Schädel weggeblasen worden? Sie wehrte sich vergebens gegen ihn. Sie hatte keine Kraft, schien völlig ausgelaugt. Er konnte die Worte nicht verstehen, die sie stammelte. Was zur Hölle war hier los?
Drei GI’s brachen zwischen den Pflanzen durch, der eine mit einer M16, die beiden anderen mit einer Machete. Beide hatten Mord im Blick, sie wollten diese Frau töten. Jones richtete mit links sein M16 auf die beiden. Fuck, keine gute Schussposition.
„Sergeant Jones, Militärpolizei. Hört auf!“
Der Typ mit der Machete stierte ihn an, als ob er vom Mars kommt. Sein Kumpan kicherte und sagte:
„Komm, Sergeant, gib uns die Mistschlampe. Sie hat einen Offizier angegriffen und mit Charlie gemeinsame Sache gemacht. Wir müssen sie bestrafen.“
Jones ließ die Frau auf den Dschungelboden gleiten.
„NEIN, die Frau ist meine Gefangene!“
„Oh, Sergeant … Komm schon, du darfst auch als Erster.“ Der Kerl mit der M16 machte eindeutige Bewegungen.
Jane sah das Messer, das er hinter dem Rücken verbarg. Sie hatte gesehen, wozu diese Kerle fähig waren. Dieser Sergeant Jones konnte es nicht bemerken, sie musste handeln oder es würde zu spät sein.
Sie spürte die Feuchtigkeit der Blätter nicht, als sie auf die Soldaten zustürzte. Dem rechten Typen hämmerte sie ihre Faust auf die Nase. Sie realisierte weder das Blut noch das Knacken. Der Angriff war erst mal gestoppt, weil der Mann damit beschäftigt war, sich die Nase festzuhalten. Den anderen holte sie mit einem sauberen Kick von den Füßen. Sie hatte keine Zeit mehr, sich weiter um ihn zu kümmern, denn sie sah, wie der dritte Kerl Anstalten machte, den Sergeanten mit dem Messer anzugreifen.
Jones war völlig perplex über ihren plötzlichen Angriff. Als er überrascht herumwirbelte, sah er gerade noch, wie sein „Job“ mit einem sauberen Roundkick zwei Soldaten auf den Boden schickte. Dann erst realisierte er die Gefahr, in der er schwebte. Der GI stand mit dem Messer in der Hand vor ihm und stach von unten in Richtung seines Bauches. Scheiße, das passt nicht mehr, ging es ihm durch den Kopf. Er würde den Stich nicht abwehren können. Aus, das Heimticket, war sein nächster Gedanke, als Jane mit beiden Füßen voran in den Brustkorb des Mannes einschlug, wie ein verfluchter Marinetorpedo. Der Typ krachte nach hinten über, Jane sprang auf seinen Brustkorb und bearbeitete sein Gesicht mit eins, zwei, drei, vier, fünf beidhändigen schnellen Faustschlägen. Das war eindeutig eine asiatische Kampfart.
„Das reicht! Aufhören!“ Mist, sie hörte nicht auf. Sie würde den Kerl umbringen. Nicht, dass er es bedauern würde. Sergeant Trevor Jones, von vielen Tank genannt, zog sie von dem Soldaten runter, der Uniformstoff ihrer Jacke riss auf, so tobte sie. „Schsch…, Mädchen. Alles ist gut, niemand tut dir was“, flüsterte er in ihr Ohr, während er sie fest gepackt hielt.
Sie sackte zusammen und verlor fast augenblicklich das Bewusstsein. Was zur Hölle war hier vorgefallen? Er hatte noch nie eine Frau so kämpfen sehen. Er würde sie auch nie wieder als Reporter-Tussie titulieren, schwor er sich. Sie hatte ihm gerade den Arsch gerettet.
Im Lazarett von Saigon stellten sie dutzende Prellungen, Schürfwunden und leichte Verbrennungen fest. Jane Mulwray hatte eine ziemliche Menge Amphetamine genommen. So ein Zeug, das die Soldaten oft dabeihatten, um die Müdigkeit zu unterdrücken. Vermutlich hatte sie mehrere Tage nicht geschlafen. Dass sie im Dschungel nicht schlafen wollte, konnte Jones nur zu gut verstehen. Die Nacht gehört Charlie. Vor allem in der Gegend, wo er sie aufgetrieben hatte. Ein Wunder, dass sie bei der ganzen Aktion nicht draufgegangen war. Er hatte versucht, herauszufinden, was sich abgespielt hatte, bevor ihm Miss Mulwray mehr oder weniger in die Arme gestolpert war. Es hatte einen Einsatz gegeben. Im Dorf hatte man angeblich Kämpfer des Vietcong versteckt. Die Lage war außer Kontrolle geraten. Miss Mulwray war mit einem zweiten Fotografen dort gewesen. Der Mann war im Kampfgetümmel scheinbar erwischt worden. Man hatte ihn bereits ausgeflogen, in einem Leichensack, wie der Kommandant versicherte. Eine der Kameras, die Miss Mulwray dabeihatte, wies ein Einschussloch in der Linse auf. Er hatte den Film entwickeln lassen. Die Bilder zeigten tatsächlich einen Strafeinsatz. Die Soldaten hatten selbst Kinder und Hühner nicht verschont. Wenn diese Fotos an die Öffentlichkeit geraten würden, bekäme der gesamte Zug eine Anklage wegen Kriegsverbrechen. Die Sache war vermutlich ganz einfach. Jemand hatte den Fotografen, vermutlich Henderson, erschossen, während er die Bilder machte. Mulwray war abgehauen. Es sprach für ihre außerordentlichen Überlebensreflexe, wenn sie diese Jagd ein paar Tage durchgehalten hatte.
Sein Vorgesetzter äußerte sich immer noch nicht, ob die Lady jetzt zu verhaften war oder nicht.
„Bleiben Sie da, bis sie aufwacht.“
Das hatte Jones getan. Vier Tage lang.
***
Langsam erwachte Janes Geist aus der Tiefe der Bewusstlosigkeit. Es war kein gnädiger Zustand gewesen, eher ein ziemlich lang andauernder Albtraum. Immer wieder hatte sie die Bilder vor Augen gehabt. Den Befehl von Ltd. Hunter in den Ohren, der nur den Gedanken an die nächste Belobigung wegen seines tollen Body-Counts im Kopf hatte. Er war einer dieser Männer, die aufgrund ihrer Gewalttätigkeit vermutlich zu Hause im Knast gelandet wären. Hier konnte er seine Gelüste frei austoben und bekam obendrein eine Belobigung. So etwas wie Kontrolle schien es nicht zu geben. Wer in seiner Gruppe überleben wollte, stellte besser keine Fragen und versuchte, sein Gewissen so bald wie möglich abzustellen.
Fassungslos hatten sie und Billy gesehen, wie die Männer losgingen und alles umbrachten, was ihnen ins Blickfeld kam. Frauen, Kinder, Babys, selbst die Haustiere, wirklich alles. Sie fotografierten. Wie man in einem solchen Moment Bilder machen konnte, das hatte sie in den Monaten gelernt, die sie jetzt hier waren. Sie hielt einen Moment inne, als sie den Scharfschützen sah. Der Mann beteiligte sich nicht an dem Massaker. Ganz kühl zielte er in ihre Richtung. Sie drehte sich um, blickte hinter sich in der Erwartung, dass jemand hinter ihr und Billy sein musste. Nein, niemand da. Ihr Gehirn realisierte gerade, dass sie beide das Ziel waren, da kippte Billy schon nach hinten weg. Kein Schrei. Kein Knall. Blut schoss aus seinem Auge, durch das die Kugel in seinen Schädel eingedrungen war. Entsetzen auf seinem Gesicht. Sie blickte zu dem Schützen, der hatte das Gewehr noch im Anschlag. Sie würde die nächste sein. Ihr Überlebensinstinkt übernahm die Kontrolle. Sie entriss Billy die zerschossene Kamera und rannte. Der Dschungel verschluckte sie schnell. Nicht auf den Wegen laufen. Sie würden sie verfolgen, bestimmt. Der Rest war ein Inferno aus nassem Blattwerk, nassem Boden, glitschigen Wurzeln. Sie glitt auf dem schlammigen Untergrund aus, rappelte sich hoch, rannte weiter, tiefer ins Unterholz. Sie hörte Stimmen hinter sich, sie riefen nach ihr.
Jane lief immer weiter in den Dschungel. Sie hatte vollständig die Orientierung verloren. Irgendwann kroch sie erschöpft unter tiefes Blattwerk. Es wurde dunkel. Im Dunkeln würden die Männer nicht weiter suchen. So hoffte sie zumindest.
Sie wusste nicht mehr, ob sie geschlafen hatte und, wenn ja, wie lange. Sie fand noch einige Kekse aus der Armeeverpflegung in den Taschen ihres Overalls. Die Dinger waren so hart, dass sie selbst in der feuchten Schwüle noch nicht aufgeweicht waren. Gierig verschlang sie das trockene Zeug. Ihre Wasserration ging drauf, um es runterzuwürgen. Sie verlor das Zeitgefühl. Sie hatte Angst vor jedem Knacken. Meist war sie es selbst, aber sie erwartete jedes Mal, in das Gesicht eines Soldaten oder eines Vietcong zu blicken. Ihre Kleidung war vollkommen durchnässt, verdreckt und zerrissen. Ihr tat jeder Knochen einzeln weh, aber es half nichts, sie musste weiter. Irgendwann wurde es heller, der Wald weniger dicht. Sie hörte das Geräusch eines Hubschraubers. Eine Bell ratterte tief über Wipfel. Vielleicht hatte sie Glück und das war die Rettung, vielleicht auch nicht.
Sie stolperte aus dem Dickicht, als sie die Soldaten der 11. Infanterie erblickte. Sie sah das dreckige Grinsen in ihren Gesichtern. Sie hatte das Sirren der Kugeln gehört, dann war sie gerannt.
Jetzt nahm sie den stechenden Geruch von Desinfektionsmitteln wahr. Sie spürte ein dünnes, glattes Laken auf ihrem Körper. Sie war in einem Krankenhaus. Dann hatten die Kerle sie wohl nicht erwischt. Sie entschloss sich, die Augen zu öffnen. Ein Mann lehnte an der Wand und blickte aus dem Fenster. Er trug Uniform und eine Binde am Arm, die ihn als Militärpolizisten auswies. Ja, der Militärpolizist, sie erinnerte sich vage an ihn. War er es gewesen, der sie rausgebracht hatte? Er schien darauf gewartet zu haben, dass sie aufwachte, denn er drehte sich in diesem Moment um. Sie musterte ihn eingehend. Er war sehr groß, schlank, sehnig. Dunkle Haare, sonnengegerbtes, offenes Gesicht, dunkelbraune Augen. Sehr schöne Augen. Er sah überhaupt ziemlich gut aus.
„Wer sind Sie und wo bin ich?“
„Sergeant Trevor Jones, Militärpolizei Saigon. Ich habe Sie gefunden und ins Krankenhaus gebracht. Mein Gott, Lady, in was für eine Scheiße sind Sie da geraten?“
Als er sich vorstellte, bemerkte sie, dass ihr auch seine Stimme gefiel. Etwas rauchig, überraschend dunkel, von seiner Aussprache her tippte sie auf Mittelwesten. Irgendwie hatte sie das Gefühl, diesem Mann vertrauen zu können.
Die fürchterlichen Ereignisse der letzten Tage sprudelten nur so aus ihr heraus. Er unterbrach sie nur zweimal. Einmal, um zu fragen, ob sie ganz sicher war, dass die eigenen Leute ihren Begleiter, diesen Henderson erschossen hatten. Das zweite Mal wollte er wissen, in welcher Beziehung sie zu ihm gestanden hatte.
Ja, sie war ganz sicher, dass der Scharfschütze zum Platoon gehört hatte. Das Gesicht hatte sie leider nicht erkannt. Er hatte es mit Tarnfarbe beschmiert.
Ihre Beziehung zu Billy Henderson? Sie blieb einen Moment stumm. Sie hatte Billy vor knapp einem Jahr auf einer Party kennengelernt und sich Hals über Kopf in diesen Abenteurer verliebt. Kriegsberichterstatter, wow, das klang aufregend. Sie schmiss das College und kam mit ihm nach Vietnam. Ja, es war aufregend und ihr gefiel das Spiel mit der Gefahr. Die Sache mit Billy stellte sich allerdings als Strohfeuer heraus. Er war nicht der Typ für eine feste Beziehung. Dennoch hatte er ihre Arbeit geschätzt und sie unterstützt, wo er konnte. So waren sie Freunde geblieben. Vermutlich wäre diese Story zu kompliziert für einen Militärpolizisten.
„Wir waren Kollegen.“ Sie beobachtete, wie er sich Notizen machte. „Sergeant Jones? Wie bin ich hergekommen?“„Gute Frage, Miss Mulwray. Ich hatte den Befehl, Sie dort abzuholen.“
„Weshalb?“
„Ich weiß es nicht. Mein Vorgesetzter diskutiert seine Befehle nicht mit uns. Sie können ihn selbst fragen, sobald Sie entlassen werden. Eine Frage: Wo haben Sie so kämpfen gelernt? Sie haben drei Männer im Alleingang erledigt.“
Jane schaute ihn irritiert an. Wovon redete der Mann? Tank sah das Unverständnis in ihrem Gesicht. Offenbar erinnerte sie sich nicht daran. Sehr seltsam. „Okay. Es geht mich auch nichts an. Wollen wir los?“
Jane nickte. Sie wollte sobald wie möglich hier raus. Sie musste die Bilder entwickeln lassen, diese Kerle durften nicht davonkommen. Sie musste Billys Verbleib klären und …
Es schien, als könne Sergeant Jones ihre Gedanken lesen.
„Geht nicht. Ich hatte den Auftrag, das Material zu beschlagnahmen.“ Er hielt ihr eine Tasche hin. „Ziehen Sie sich was an, wir sollten los.“
„Bin ich jetzt verhaftet?“
Er sah sie von der Seite an, um seinen Mund spielte ein leichtes Grinsen, wobei seine Augen ernst blieben.
„Von mir jedenfalls nicht.“
Sie nahm die Tasche. „Es reicht, wenn Sie sich umdrehen, Sergeant.“
Als er realisierte, was sie meinte, lief eine leichte Röte über sein Gesicht und er drehte sich hastig wieder zum Fenster. Sie musste unwillkürlich schmunzeln, als sie sich des Krankenhaushemdchens entledigte und in T-Shirt und Armee-Uniform schlüpfte.
***