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ОглавлениеDer Lockbock von Lamplmoos
Von meinem ersten Rehbock, der als „Lockbock“ in die Geschichte einging, möchte ich nun erzählen. Begonnen hatte alles am 24. Juni 2000, als mein Vater seinen Morgenansitz auf der Hohenauer Kanzel verbrachte. Er sah dort einen drei jährigen Sechser der von einem älteren, weit ausgelegten Bock versprengt wurde. Als ich zwei Tage später wieder ins Revier kam, meinte er zu mir: dass ich mich auf die „Kloane“, und Roland der zu diesem Zeitpunkt auch noch keinen Bock hatte, sich auf die Hohenauer Kanzel setzten sollte.
Besagte Hohenauer Kanzel befand sich unterhalb meiner Position auf der Forstrasse. Also müsste es doch mit dem Teufel zugehen, wenn nicht wenigstens einer von uns zu Schuss kommen würde. So zumindest die Aussage meines Vaters.
Ich bezog also meinen Ansitzplatz, und richtete mich erst einmal „häuslich“ ein. Zeit genug hatte ich ja, denn die Uhr zeigte erst halb Sechs Uhr nachmittags. Nach einem ersten Rundblick, bei dem sich mir aber nichts zeigte, lehnte ich mich gemütlich zurück und steckte mir eine Zigarette an. Ja ja, die Sucht! Ich blickte, mit mir und der restlichen Welt zufrieden, auf die beeindruckenste Naturbühne die man sich nur vorstellen kann. Die Sonne stand noch hoch am Himmel, und keine Wolke trübte diesen schönen Tag. Ich war einfach nur glücklich hier zu sein. Nach einer Weile flog ein Schwarzspecht direkt auf mich zu, und landete keine zehn Meter von mir entfern auf einem Wurzelstock. Schön zu beobachten, in diesem Fall sogar ohne Fernglas, wie flink und geschickt dieser Baumeister des Waldes sich seine Nahrung unter der Baumrinde hervorholt. Keine Minute später gesellten sich noch zwei weitere „Kardinäle“ zu ihm. Ein toller Anblick! Muss wohl irgendwo in der Nähe eine Kirchentagung sein, oder so. Diese drei vertrieben mir in den nächsten Minuten die Zeit. Sodass ich fast eine Gais die bei der Salzlecke stand, übersah.
Madame leckte gierig und nahm anscheinend überhaupt keine Notiz von den drei Spechten oder von mir. Gut so, so konnte ich sie als starke „Schmale“ ansprechen. Also tabu für mich. Keine fünf Minuten später trat oberhalb von mir eine „Rührende“ aus. Ich war gespannt, wie sich die beiden gegeneinander verhielten. Würde die Alte herunter kommen und das Junggemüse vertreiben oder ging die Schmalgais von selber. Nichts dergleichen geschah, sie beachteten sich gar nicht. Schon kurios, unser Rehwild. Meistens verträgt doch eine Führende keine zweite Gais in ihrer Nähe. Und schon gar nicht, wenn nur ein paar Meter zwischen den Beiden liegen. Ein unberechenbares Wild.
Nun gut, es war so wie es war. Mir konnte es nur recht sein. Es gab mehr zu beobachten. Als ich den Beiden so zusah, kam mir ein Satz in den Sinn, den mein Schwager immer zu sagen pflegte: wo eine Gais ist, kann der Bock nicht weit sein! Das waren ja gute Aussichten für mich. Aber noch ließ sich keiner blicken. Nur Geduld, sagte ich mir. Es war noch genug Zeit bis sich die Nacht über mich spannen würde.
Die Zeit verstrich, und die Beiden machten nicht die geringsten Anstalten, dass sie in nächster Zeit ihren Platz verlassen würden. Darum riskierte ich einmal einen Blick in den unter mir liegenden Teil des Schlages. Verdeckt, zwischen hohem Gras und einigen Jungbuchen, blitzte es rot zu mir herauf. Der Bock, schoss es mir ins Hirn. Büchse in die Hand und warten, dass er sich mir präsentieren würde, um ihn anzusprechen. Lange tat er mir nicht den Gefallen. Doch irgendwann musst auch du dich bewegen, sagte ich leise zu mir. Und der lange Erwartete tat mir auch dann den Gefallen. Jetzt, gleich musste es soweit sein, dass ich ihn in seiner vollen Pracht sah. Im Geiste hing das Geweih ja schon längst an der Wand. Aber genau das fehlte ihm. Die dritte Gais stand jetzt am Schlag. Auch eine Führende, wie ich an ihrem prallgefüllten Gesäuge feststellen konnte. Es reicht, hier heroben scheinen wohl nur „Frauen“ zugelassen zu sein.
Mittlerweile, und das ist nicht gelogen, standen gleichzeitig drei Gaissen in meiner unmittelbaren Umgebung. Zusätzlich noch immer die drei Schwarzspechte, die sich auch noch nicht von ihrer Wurzel entfernt hatten. Ganz schön was los dachte ich mir, und beobachtete weiter. Einmal die Beiden oberhalb von mir, dann wieder der Blick nach unten. So ging das Spiel eine ganze Weile. Bis sich auch unten auf einmal zwei Rehe befanden.
Mein erster Gedanke, bitte nicht noch eine Gais! Ich nahm mein Fernglas an die Augen, und da stand…man möchte es fast nicht für möglich halten, ein Bock. Jawohl, ein Bock. Gerade sechs, knapp über die Lauscher hoch, ein passender Abschußbock! Das Glas in die Ecke gestellt, und die Büchse an die Schulter. Doch…, ich war zu klein! Ich musste also aufstehen, und an der Seitenwand anstreichen. Na klasse, hoffentlich hielten die vier Rehe das aus. Denn die Spechte waren zu nah, als dass sie mein Manöver übersehen konnten. Wer hat diese Auflage nur so hoch gezimmert?! Aber zu meinem Erstaunen ging alles gut. Die drei flogen zwar weg, Aber die Rehe nahmen Gottlob keine Notiz davon. Endlich sah ich ihn durchs Zielfernrohr. Aber nur das Haupt! Alles andere war durch hohes Gras verdeckt. Also warten. Und das stehend angestrichen, inmitten der tierischen Beobachtung. Wenn das nur gut geht? Er zog ganz langsam Richtung Wald, und ich sah meine Felle schon wieder davonschwimmen. Da trat er, wie sich im Nachhinein herausstellte, auf einen Baumstumpf. Das Blatt war frei, und schon verließ die Kugel donnernd meinen Lauf.
Vom Bock keine Spur. Ich wusste nicht, hatte ich ihn, oder habe ich ihn gefehlt? Just in diesem Moment sprang ein Reh in etwa dort ab, wo ich hin geschossen hatte. Die Worte in meinem Kopf möchte ich hier nicht niederschreiben. Das wäre nicht ganz jugendfrei. Nach dem ersten Frust, fasste ich dann die ersten klaren Gedanken. Da war doch noch die Gais! Vielleicht war sie es ja die absprang, und mein „Erster“ lag doch auf seiner Decke. Hoffnung keimte in mir auf. Jetzt nur nichts überstürzen. Warten war angesagt. Erstens, weil sich das so gehört, und zweitens, oberhalb von mir standen ja noch immer die Beiden anderen, wie ich soeben bemerkte. Zigarettenpause!
Wie soll man den Zustand beschreiben, wenn man auf seinen ersten Bock geschossen hat und nicht sicher ist, ob er überhaupt die Kugel hat? Ich weiß es nicht. Es war einfach grauenhaft. In mir war eine Unsicherheit, gegen die ich im Moment nicht ankämpfen konnte. Ich zwang mich regelrecht sitzen zu bleiben, um die geforderten 10 Minuten einzuhalten. Jetzt endlich, nach was weiß ich wie langer Zeit, verzogen sich die beiden „Weiber“ endlich. Nun konnte auch ich hinunter steigen, um mich auf den Weg zu machen. Dem Weg, zu meinem hoffentlich „Ersten“!
Mit zittrigen Knien wagte ich mich nun durch einen Dschungel aus verschiedensten Beerenstauden und anderem Gewächs, das dort unten hüfthoch in Gegend herumstand. Die Suche erwies sich nun doch etwas schwieriger als erwartet. Ich war schier der Verzweiflung nahe. Nicht nur, dass ich alle paar Meter irgendwo hängen blieb. Nein, auch den genauen Anschusspunkt hatte ich mittlerweile aus den Augen verloren. Was tun, sprach Zeus? Noch mal nach oben, oder auf gut Glück geradewegs nach unten? Ich entschied mich für letzteres. Natürlich gegen alle gültigen Regeln der Vernunft. Aber wer denkt schon in einer solchen Situation. Ich anscheinend nicht! Zu meinem Glück und zu meiner Verwunderung stand ich nach zirka 70 Meter vor dem schon längst verendeten Bock.
Mein Herz machte Luftsprünge. Ich konnte es gar nicht fassen. Er lag vor mir. Ein braver, dreijähriger Sechser! Es war der Lockbock. Ich brachte die rote Arbeit recht schnell hinter mich, und trug ihn hinunter zur Straße. Erst jetzt packte mich so richtig das berühmt berüchtigte Fieber. Ich hatte mich vor lauter Aufregung regelrecht übergeben müssen. Und trotzdem, ich möchte keinen Augenblick davon missen! Werde ich auch nie, denn die Erinnerung an das Erlebte bleibt in mir lebendig.
Ich richtete meinen Blick noch ein letztes Mal nach oben und dachte daran, dass ich vor ziemlich genau einem Jahr hier meinen ersten Ansitz verbringen durfte. Ein schönes Gefühl! Irgendwie, so konnte ich schon des Öfteren beobachten, schließt sich im Leben immer wieder der berühmte Kreis. Zufall, oder Plan des Lebens?
Wer weiß das schon so genau. Ich jedenfalls nicht. Zurück aber jetzt zu meinen jägerischen Ursprüngen. Eine Woche später saß ich wiederum mit meiner Schwester an. Diesmal aber am Roli-Standl. Mittlerweile auch mit vielen schönen Erinnerungen behaftet. Damals aber noch jungfräulich für mich. Vielleicht, wer weiß, hatte ich diesmal das Glück mit dabei zu sein, wenn sie ein Stück Wild erlegen würde. Es wäre ja das erste Mal für mich, dies mitzuerleben.
Gespannt saß ich nun hier, und genoss die schön langsam auf uns zukommende Abenddämmerung. Mit einem Unterschied. Diesmal achtete ich schon wesentlich mehr darauf, ob nicht irgendwo ein Stück Wild umherschleicht. Aus gutem Grund! Denn dieses Mal hatte ich das Glück, ein Reh das von oben her auf uns zuzog, als Erster wahrzunehmen.
Ich stieß Petra ganz leicht in Rippen, um ihr anzuzeigen, dass dort direkt vor uns gleich eine Gais, als solche konnte ich sie schon ansprechen, auszog. Sie richtete sich, mit dem Gewehr an der Schulter her, und wartete, Ich lehnte mich langsam zurück und hielt vorsichtshalber meine Klappe. Das endlos erscheinende Warten begann. Kann sich die Gais denn nicht ein Wenig beeilen, ging es mir durch den Kopf. Mir ging das alles viel zu langsam! Mittlerweile aber habe ich die Geduld, um solche Situationen erwarten zu können. Aber damals! Es ging aber alles gut. Nach elendig langer Zeit, so wie mir schien, bequemte sich Madame dann doch zu uns. Und Petra nickte mir zu. Also eine Schmale. Jetzt zählt es!
Ich wollte mich gerade wieder auf das Reh konzentrieren, da brach auch schon der Schuss. Ich glaube, mich hob es einen Meter in die Höhe, so hatte ich mich erschreckt. Im Augenwinkel aber erkannte ich, dass die Gais flüchtete. Unsere Blicke trafen fragend aufeinander. Was war passiert? Die Lösung war ganz einfach. Nach genauester Untersuchung des Anschusses, war es mehr ihr als mir klar, „putz g´feiht“. So ein Schei..!
Wir gingen noch einige Male die Fluchtrichtung ab, jedoch, es war nichts zu finden. Dieses Schicksal ereilte uns Beide noch einmal in diesem Jahr. Seitdem unterließ ich es, mit ihr gemeinsam anzusitzen. Trotzdem war es ein sehr lehrreicher Abend für mich. Und ich möchte ihn nicht missen. Ganz im Gegenteil zu meiner Schwester, schätze ich mal.
Der Juni zog ins Land, und damit auch der Beginn der Bockzeit. Aber meinem Schwager, seinem Vater und mir, stand der Sinn nach etwas anderem. Zumindest an diesem Tag. Karli besorgte bei einem Händler einige Forellen, die wir, so zumindest der Plan, bei uns im Revier einsetzen wollten. Wir schnappten uns Schaufel und Spitzhacke und begannen einen kleinen Bach, der durch unser Revier führt, ein wenig aufzustauen. Eine schweißtreibende Arbeit. Schon früher als Kinder bauten wir Staudämme bei uns am See. Und setzten selbstgefangene Frösche und Fische darin ein. Man kann also mit ruhigem Gewissen sagen, wir alle waren Spezialisten. Es sollte, und durfte also nichts schiefgehen.
Nach einem halben Tag voll schlammiger Schufterei, war unser Forellenteich soweit fertiggestellt, dass wir die Fische in Selbigen entließen. Es waren, so meine ich mich zu erinnern, fünfzehn Stück die alle vergnügt in ihrem neuen Zuhause herumschwammen. Stolz auf die getane Arbeit, packten wir unsere Sachen zusammen und machten uns auf den Weg zur Hütte, um uns den Dreck vom Leibe zu waschen.
Nach einer deftigen Jause machten wir uns dann auf den Weg zum Abendansitz. Dieses Mal aber, es war meine Premiere, hockte ich mich alleine hin. Nur so kann man lernen! Und die anderen vielleicht auch was erlegen. Ich entschloss mich für die „Winegger-Kanzel“. Der Name kam daher, weil man direkt auf die Ruine der Burg Wildeneck hinschaut, die nur zirka einhundert Meter entfernt steht. Um sie rankt sich unter anderem die Sage, dass dort noch immer ein Schatz vergraben liegt. Gefunden haben noch keinen.
Das Problem für uns ist, dass direkt hinter der Kanzel der Wanderweg vorbeigeht, der zur Ruine führt. Man sollte also eher in der Früh dort ansitzen, denn am Abend kann es schon mal passieren, dass dort am Wanderweg ein Verkehr herrscht wie auf der Autobahn. Ganze Familien ziehen dann in voller Lautstärke hinter dir vorbei und geben einem nicht die geringste Chance, auch nur irgendetwas in Anblick zu bekommen. Und das alles nur wegen, und das finde ich immer wieder am lustigsten, ein paar Steinen, die völlig durcheinander in der Gegend herumliegen. Nicht das Geringste ist mehr zu erkennen. Alles ist verwachsen. Und die paar Felsbrocken die dort noch herumliegen, können auch nicht mehr als Mauerwerk enttarnt werden. Aber in jedem Reiseführer wird sie voller Stolz erwähnt. Na gut, seht euch nur weiter die Steine an, aber bitte etwas leiser!
An jenem Abend hatte ich Glück, niemand stapfte hinter mir durch. Und so konnte ich die Zeit bis zum Dunkel werden in vollen Zügen genießen. Gesehen hatte ich eine Gais. Aber leider nur ganz kurz. Ansonsten tat sich nicht viel bei mir. Ganz im Gegensatz zu Roland. Er konnte einen Jahrling erlegen. Selbstverständlich wurde dieser dann in der Hütte kräftigst gefeiert.