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Prolog
ОглавлениеAn einem Sommertag kam Alines Mutter zu mir, eine sympathische Frau mittleren Alters. Sie bat mich um Hilfe bei der Erfüllung ihres innigsten Wunsches – für ihre tote Tochter mit einem Buch ein Erinnerungs-Denkmal zu schaffen.
In jenem Sommer lag Alines Sterbetag schon mehr als fünf Jahre zurück, Maries Trauer aber war noch immer groß und zerstörerisch. „Sie starb mit 18; von Geburt an ist sie die andere Hälfte meines Herzens“, sagte sie, als wäre die Tochter noch da.
Ich entschloss mich, über das Leben und Sterben des Mädchens und das Phänomen des unaufhörlichen Trauerns der Mutter zu schreiben. Marie überließ mir ihre minutiösen Aufzeichnungen über den erschreckenden Verlauf der Krankheit und ihr sehr persönliches Tagebuch.
Wir trafen uns etwa ein Jahr lang regelmäßig. Ich lernte ihren Mann und ihre jüngere Tochter kennen, sprach mit Freunden von Aline, las einen Stapel Fachliteratur und informierte mich bei einigen der behandelnden Ärzte und bei Psychologen.Von Anfang an gingen unsere Begegnungen über das reine Erkunden hinaus. Marie sprach später von einer Art Therapie.
Jetzt, acht Jahre nach dem Tod ihrer Tochter, ist sie noch immer nicht frei von Trauer – wie sollte das auch möglich sein? Aber sie ist ihr nicht mehr so erbarmungslos ausgeliefert.
Nun, da das Buch geschrieben ist, widme ich es Aline und ihrer Mutter und allen Menschen, die lernen müssen, mit der Hälfte ihres Herzens zu leben.
Holde-Barbara Ulrich
Berlin, Mai 2013