Читать книгу Theodor Litt: Das Bildungsideal der deutschen Klassik und die moderne Arbeitswelt - Holger-Sven Burckhart - Страница 9

Naturbeherrschung und Naturumgang

Оглавление

Naturwissenschaft und Technik

Man muß die Humanitätsidee in dieser extremen, dieser durch W. v. Humboldt gelehrten und gelebten Gestalt ins Auge fassen, um die Größe der Abweichung zu ermessen, durch die die zweite der oben unterschiedenen geschichtlichen Bewegungen sich von der durch das Humanitätsideal vorgezeichneten Richtung entfernt. Ist diese durch die ausschließliche Zuwendung zum „Menschen“ gekennzeichnet, so hat jene ihre mit gleicher Ausschließlichkeit kanonisierte Leitkraft an der „Sache“1.

Wir müssen, um diesen Satz recht zu verstehen, auf die geistigen Ursprünge der Entwicklungslinie zurückgehen, die wir uns durch die Erfindung Watts repräsentieren ließen. Die Technik, in deren Aufstieg die genannte Erfindung eine der wesentlichsten Etappen bezeichnet, ist bekanntlich mit der neuzeitlichen, der mathematischen Naturwissenschaft durch das Verhältnis der denkbar engsten Solidarität verbunden. Beide wachsen miteinander und durcheinander. Diese Wissenschaft aber bedeutet in ihrer methodischen Vollendung den reinsten Sieg, den die „Sache“ auf dem Boden der Theorie erringen kann.

Was damit gemeint ist, leuchtet ein, wenn wir das Gefüge mathematisch-quantitativer Relationen, zu dem sich die Natur in dieser Wissenschaft entleert und formalisiert, zusammenhalten mit jenem in Qualitätenreichtum und unausdenkbarer Bedeutungsfülle sich ausbreitenden Ganzen, als welches dieselbe Natur das ihr sich öffnende menschliche Gemüt anspricht. Der Mensch muß recht eigentlich seiner selbst und des ihn persönlich mit der Welt Verbindenden vergessen, um, zum abstrakten Subjekt des reinen Denkens entselbstet, die begegnende Wirklichkeit in ein Netz ebenso abstrakter Beziehungen verwandeln zu können. Nun ist dies Hervortreten der „Sache“ zwar, wie wir sehen werden, durchaus nicht eine Vergewaltigung des menschlichen Geistes, bewirkt durch Einbruch eines ihm Äußerlichen und Fremden. Im Gegenteil: das Herausarbeiten dieser „Sache“ gehört zu den größten und bewundernswertesten Taten des Menschengeistes. Allein das ändert nichts an der Tatsache, daß, ist erst einmal das Prinzip dieser Forschung entdeckt und der Weg dieser Forschung betreten, der Fortgang der denkenden Bemühungen sich nicht nach dem freien Ermessen und den spontanen Antrieben der an ihr beteiligten Personen, sondern nach der unausweichlichen Logik der Sache bestimmt, mit der sich der denkende Geist nun einmal eingelassen hat. Es geht am Leitfaden dieser Logik weiter von Entdeckung zu Entdeckung kraft einer inneren Notwendigkeit, die den einzelnen Denker zum Vollstrecker eines durch ihn hindurchlaufenden Gesamtprozesses macht – eines Prozesses, der bei oberflächlicher Betrachtung sich von einem unablenkbaren Naturvorgang kaum zu unterscheiden scheint. Wie sehr hier die „Sache“ die Linie des Fortgangs bestimmt, lehrt die Überlegung, daß, hätte der Tod einen der diesen Fortgang Exekutierenden vor seiner Entdeckertat dahingerafft, ohne Zweifel ein anderer früher oder später den faktisch ihm gutzuschreibenden Fund eingebracht haben würde. Es gibt hier – im Unterschiede etwa von der völlig anders gebauten Bewegung der Kunst – keine unvertretbare Leistung. Es ist, als hole sich die „Sache“ selbst ihre Vollstreckungsorgane je nach Bedarf heran.

Läßt uns die Entwicklung der Naturwissenschaft die Herrschaft der Sache auf dem Boden der Theorie studieren, so wiederholt die Technik dasselbe Schauspiel auf dem Boden der Praxis. Geht es dort kraft einer unausweichlichen Sachlogik weiter von Entdeckung zu Entdeckung, so geht es hier mit der gleichen Notwendigkeit von Erfindung zu Erfindung. Und auch hier ist der einzelne Mensch nicht mehr als der Exekutor einer Leistung, die, wäre er selbst aus irgendeinem Grunde ausgefallen, ein anderer an seiner Stelle ebensogut vollbracht haben würde. Die einzelne Erfindung ist das Sprungbrett, von dem aus die nächste Stufe erschwungen werden kann und soll. Wer faktisch den Sprung tut, ist von der Sache aus gesehen gleichgültig.

Wollen wir das Bewegungsgesetz, das demgemäß der technischen Praxis nicht weniger als der naturwissenschaftlichen Theorie ihren Weg vorzeichnet, mit einem Kunstausdruck benennen, so bietet sich das Wort „Fortschritt“ dar. In der Tat: diese Bewegung schreitet mit der unablenkbaren Stetigkeit fort, die ein uns heute schwer verständlicher Vernunftoptimismus der menschlichen Kultur als Ganzem glaubt nachrühmen zu dürfen.

Schon das bis hierher Erwogene läßt uns ahnen, wie schlecht sich das in dieser Sphäre herrschende Bewegungsgesetz mit den Prinzipien einer „humanen“ Pädagogik verträgt. Wie könnte eine Bildungslehre, die den Wertmaßstab, an dem alle Inhaltlichkeit des Kulturlebens zu messen sei, im Menschen, und nur in ihm, glaubt suchen zu sollen, sich mit einer geistigen Bewegung befreunden, die den Menschen so unerbittlich an das Diktat einer „sachlichen“, einer gegen den Menschen als solchen so gleichgültigen Instanz bindet! Und doch haben wir mit dem Erörterten noch gar nicht den Punkt erreicht, an dem die „Unmenschlichkeit“ der genannten Bewegung in ihrer ganzen Schärfe hervortritt.

Der Umgang mit der Natur

Solange wir nur auf den naturwissenschaftlich forschenden und technisch erfindenden Geist hinblicken, haben wir es mit dem Menschen zu tun, der zwar in seinem geistigen Verhalten der Forderung einer ihm nicht nachgebenden Sache gehorcht, der aber andererseits dieser Sache nicht wie einem undurchsichtigen Fatum ausgeliefert ist, sondern ihr Gefüge kraft selbsterworbener Einsicht durchschaut und, weil solcher Mitwisserschaft gewürdigt, sich noch im Besitz seines personalen Seins fühlen darf. Er wird nicht blind von Station zu Station fortgezogen, sondern bewegt sich sehenden Blicks vom einen zum anderen. Er steht insoweit doch noch über der Sache, die ihn für sich fordert. Allein von dieser relativ günstigen Lage her geht es weiter in solche Lebensverflechtungen hinein, in denen gleichfalls die Sache regiert, aber nun nicht mehr als einsichtig erfaßter logischer Zusammenhang, sondern als einsichtslos hinzunehmende Gängelung des menschlichen Tuns.

Wodurch wird diese Wendung möglich?

In dem Verhältnis von Naturwissenschaft und Technik haben wir eine spezifische Ausgestaltung jenes Grundverhältnisses vor uns, das wir als dasjenige von „Theorie“ und „Praxis“ bezeichnen. Uns Söhnen eines Zeitalters, das sich selbst dasjenige der Technik nennt, ist diese Sonderform so geläufig, ja selbstverständlich geworden, daß wir der Vorstellung zuneigen, es gäbe für den Menschen, der sich mit der ihm begegnenden „Natur“ in ein Verhältnis setzen will – und das muß er schon aus Gründen der Selbsterhaltung –, überhaupt keine andere Weise der Auseinandersetzung als diejenige, die in dem Gefüge Naturwissenschaft–Technik in vorbildlicher Klarheit hervortritt. Wo und wann immer der Mensch sich mit den Stoffen und Kräften der „Natur“ abgebe, da verfahre er – so meint man – nach der Weise des Subjekts, das das ihm begegnende Wirkliche zunächst „theoretisch“ erforscht und dann die Ergebnisse seines Forschens „praktisch“, d. i. technisch, „anwendet“. Sollte diese Vorstellung begründet sein, so gäbe es zwischen dem Verhalten des prähistorischen Menschen, der mit einem Faustkeil seine Schlagkraft steigert, und dem Verhalten des modernen Menschen, der durch Einsatz der Atomkraft ungeheure Apparaturen bewegt, keinen grundsätzlichen Unterschied. Hier wie dort würde „theoretisch“ Erkanntes „praktisch“ verwertet. Es dürfte dann wirklich heißen: „Die Technik ist so alt wie der Mensch.“

Ich glaube, daß mit dieser Angleichung dem Menschen von heute die Möglichkeit genommen würde, sich von Wesen und Tragweite des Schicksals Rechenschaft zu geben, das erst mit dem Aufgang der mathematischen Naturwissenschaft über ihn gekommen ist. Denn durch diese Angleichung wird die radikale Umstrukturierung verschleiert, die dem Verhältnis von Mensch und Natur in dem Augenblick widerfuhr, da der denkende Geist darauf verfiel, das Spiel der natürlichen Kräfte auf ein System mathematischer Relationen zurückzuführen. Die „Sache“, zu der die Natur sich mit dieser Wendung formalisierte, war etwas anderes als die „Natur“, an der das Schauen und Schaffen des Menschen bis dahin sein Gegenglied gehabt hatte. Und die Bemühung um diese Sache war etwas anderes als die Auseinandersetzung mit jener Natur, die dem Menschen bis dahin als Partner gesellt war. Und zwar war es gerade das Verhältnis von „Theorie“ und „Praxis“, an dem sich der Unterschied der vortechnischen und der naturwissenschaftlich-technischen Naturbegegnung am schärfsten ausprägte.

Die Eigenart jener ersteren ist dadurch gekennzeichnet, daß sie von der Sonderung und Verselbständigung der als „Theorie“ und „Praxis“ unterschiedenen Haltungen und Leistungen nichts weiß. Ihr Wesen können wir nur aussprechen, indem wir diese uns so selbstverständliche Sonderung verneinen. Die „Theorie“ des vortechnischen Menschen bildet sich in und mit der „Praxis“, als Moment an der „Praxis“; seine „Praxis“ ist die sich in die Handlung hinein verlängernde „Theorie“. Es gibt keine Theorie, an die sich die Praxis als erst hinterherkommende „Anwendung“ anschlösse; es gibt keine Praxis, der die Theorie als in sich abgeschlossene „Grundlegung“ vorgeschaltet wäre. Beides wächst ineinander und durcheinander.

Ich wüßte, diese in einem theoretische und praktische Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur zu bezeichnen, keinen besseren Ausdruck als das Wort „Umgang“.

Mit diesem Wort ist jene Weise der Verbundenheit bezeichnet, deren Innigkeit der Mensch am eindrucksvollsten in einer bestimmten Dimension seines Lebens und Erlebens erfährt: in der Begegnung mit seinesgleichen. Wer würde es sich einfallen lassen, dasjenige, was den Inhalt dieses Umgangs ausmacht, in ein die Praxis vorgängig begründendes theoretisches Wissen und ein die Theorie hinterher anwendendes praktisches Sichverhalten zu zerlegen! Ist es doch offenkundig, daß hier jede dem Gegenüber näherkommende Einsicht nur erwachsen kann aus den lebendigen Eindrücken, die das Mit- und Füreinandersein den Partnern beschert. Und dieses Mit- und Füreinandersein ist nicht bloß wechselseitige Kenntnisnahme: es ist der Austausch von Wirkungen und Gegenwirkungen, in dessen spannungsreichen Abwandlungen sich das Verhältnis vom Ich und Du erst profiliert. Die Reziprozität dieses Füreinanderseins ist recht eigentlich das Widerspiel zu jener distanzierenden Sonderung, die stattfinden muß, damit das „Subjekt“ ein „Objekt“ zu Gesicht bekomme, das zunächst „theoretisch“ zu bestimmen und dann, nach Maßgabe dieser Bestimmung „praktisch“ zu bearbeiten wäre.

Wie sehr aber die durch diesen Austausch gespendeten Erfahrungen als „lebendige Eindrücke“ charakterisiert zu werden verdienen, dafür spricht vor allem die Eindringlichkeit, mit der die sinnliche Erscheinung der Partner bei dem Zustandekommen dieser Eindrücke mitredet. Das mir begegnende Du stände mir nicht als das Individuum vor Augen, das ich in ihm zu erkennen glaube, wenn es nicht in dieser bestimmten unverwechselbaren Gestalt an meine Sinne appellierte. Diese Gestalt ist wahrlich nicht, wie eine fehlgehende Auslegung uns einreden möchte, ein bloßes „Äußeres“, das das Eigentliche und Wesentliche „hinter“ sich hätte. Sie wirkt auf mich nicht lediglich als Aggregat rein sinnlicher Daten, sondern als „Ausdruck“ eines Mehr-als-Sinnlichen, das in ihm durchscheint. Sie ist mit „Bedeutung“ geladen und „spricht“ mich deshalb auch dann „an“, wenn ihr Träger nicht das Wort an mich richtet. Indem sie sich dergestalt sowohl an mein sinnliches Auffassungsvermögen als auch an mein unsinnliches Deutungsvermögen wendet, gibt sie zu erkennen, daß ich durch den Umgang nicht bloß als denkender Intellekt, sondern in der Totalität meines sinnlich-unsinnlichen Wesens in Anspruch genommen werde. Ich muß als ganzer Mensch ins Spiel treten, wenn mir in dem Eindruck, den ich von meinem Gegenüber empfange, ein ebensolcher ganzer Mensch begegnen soll. In der Sprache der herkömmlichen Psychologie gesprochen: in der verstehenden und deutenden Aufnahme des vom Mitmenschen herkommenden Eindrucks ist nicht weniger mein „Fühlen“ am Werke als mein „Denken“.

So weit der „Umgang“ mit meinesgleichen. Aber geht es denn an, den so gewonnenen Begriff des „Umgangs“ auf das Verhältnis des Menschen zur außermenschlichen Natur zu übertragen? Hier habe ich es doch nicht mit dem „Du“, mit dem prinzipiell gleichgestellten Mitwesen, sondern mit einer Wirklichkeit zu tun, die, weil der personalen Zentrierung entbehrend, mir nicht als ebenbürtiger Partner die Stirne bieten kann! Und doch kann uns nur die Analyse jener vollkommensten Form des Umgangs, die uns die Begegnung mit unseresgleichen beschert, die Augen für jenes Verhältnis zur außermenschlichen Natur öffnen, das der Menschheit in eben dem Maße aus dem Blickfeld zu entschwinden droht, wie sie sich die Natur nur noch als „Objekt“ wissenschaftlicher Erforschung und technischer Bearbeitung zu sichten gewöhnt. Daß der Mensch auch mit dem Außermenschlichen „Umgang“ pflegen kann, das uns zu vergegenwärtigen müssen wir schon auf Gestalten wie den Bauer oder den Handwerker hinblicken, die auch heute noch, obschon dem Geist technischer Rationalisierung in erheblichem Maße verfallen, etwas von der Unmittelbarkeit des Umgangs mit der außermenschlichen Natur am Leben zu erhalten vermocht haben. In dem Verkehr, den sie mit dem Gegenstand ihrer Arbeit unterhalten, können wir in Andeutungen die Charaktere wiederfinden, die in vortechnischen Zeiten dem Verhältnis von Mensch und Natur sein Gepräge gaben.

Wodurch der Umgang mit der äußeren Natur sich dem Umgang mit dem Mitmenschen vergleicht, das ist zunächst die Einheit von „Theorie“ und „Praxis“, die sich auch in ihm verwirklicht. Der Mensch vergewissert sich der Beschaffenheit der ihm begegnenden Dinge und Vorgänge nicht durch abstandhaltende Betrachtung, sondern indem er es mit ihnen aufnimmt, indem er mit ihnen handgemein wird, indem er sie „ausprobiert“. Er macht sich mit ihnen dadurch vertraut, daß er mit ihnen hantiert. Die Eindrücke, die er in dieser Auseinandersetzung empfängt, sind zunächst und vor allem solche, die mit den Sinnen erfaßt sein wollen. Stein, Holz, Metall, Leder, Wolle, Flachs und erst recht der Erdboden und seine Erzeugnisse – sie alle verraten ihr Geheimnis nur dem prüfenden Blick, der tastenden Hand, ja, auch dem Spürsinn des Gehörs, des Geruchs, des Geschmacks. Aber was sie dem mit ihnen Befaßten zu sagen haben, das erschöpft sich nicht in puren Sinnesqualitäten. Auch hier präsentiert sich das den Sinnen Begegnende als mit Bedeutung erfüllt, es gewinnt für den ihm beharrlich Zusetzenden eine „Physiognomie“, es „spricht“ ihn „an“. Es ist eine recht eigentlich „personale“ Verbundenheit, durch die der Mensch sich an den Gegenstand seines Bemühens attachiert. Es schlingt sich das Band der „Sympathie“ zwischen ihm und seinem Gegenüber. Daß hier sowohl die sinnliche Empfänglichkeit als auch die unsinnliche Witterung angesprochen werden, das bedeutet hinwiederum: es ist die ganze Person als leiblich-seelische Einheit, nicht eine vereinzelte und vereinzelnde Sonderfunktion, die ins Spiel treten muß, damit der „Umgang“ die ihm zu entnehmenden Aufschlüsse hergebe.

Dieselbe gleichsam „organische“ Verbundenheit, die sich im Umgang mit den Gegenständen der Bemühung realisiert, kennzeichnet auch das Verhältnis des Menschen sowohl zu den Werkzeugen, durch deren Einsatz er den Umgang vervollkommnet, als auch zu den natürlichen Kräften, die er sich zu Bundesgenossen zu gewinnen weiß. Das Werkzeug, das er sich bereitet, wird verstanden und gehandhabt nicht als äußeres „Ding“, das er als Hilfsmittel der Fertigung heranholt, sondern als Verlängerung und Verstärkung des Organs, durch welches es regiert und erprobt wird. Mensch und Werkzeug wachsen zu einem der Aktion zudrängenden Organismus zusammen. Die natürliche Kraft, mit der der Mensch sich verbündet – sei es nun das Wasser, das Feuer, der Wind –, wird nach Wesen und Wirkungsweise durch dieselbe Hellsichtigkeit leiblich-seelischen Innewerdens erkundet, die auch den Stoff der Arbeit aufschließt, und gemäß den Anweisungen dieses dem Instinkt verwandten Spürsinns bald losgelassen, bald gezügelt, bald stillgelegt. Kurzum: der Mensch, der von der Natur gereichte Stoff und die durch die Natur gelieferte Kraft schließen sich zu einer Lebens- und Wirkenseinheit zusammen, die sich nur dadurch angemessen charakterisieren läßt, daß alle uns Späteren geläufige Aufteilungen und Sonderungen verneint werden.

Es liegt auf der Hand, daß und weshalb eine „Praxis“, die so innig in den Lebensvollzug eingebettet und aus dem Lebensvollzug beseelt ist, die kraft dieser Verwurzelung jede Ablösung von der „Theorie“ ausschließt, dem um die „humane“ Bestimmung des Menschen sich Sorgenden zumindest sehr viel weniger Bedenken einflößt als diejenige, durch die sie abgelöst worden ist. Der „Umgang“ stiftet zwischen dem Menschen und seinem Gegenüber eine Beziehung, die, wie sie auch im einzelnen geartet sei, ihm keinesfalls zumutet, sich zu einer Vielheit gesonderter Einzelfunktionen aufzufächern, und die ihn daher auch nicht der Gefahr aussetzt, durch dieses Gegenüber in seinem personalen Sein überwältigt, erdrückt, ausgelöscht zu werden. Sie läßt wie den Partner in ihm so ihn in dem Partner zu seinem Rechte kommen. Er kann in dem Werk, das er im Einsatz seines totalen Menschentums aus dem naturgegebenen Stoff hervorwachsen sieht, sich selbst, d. i. seine Sachkenntnis, Geschicklichkeit, Erfindsamkeit, wiederfinden. Er wird durch das Geschaffene in dem, was er selbst ist, nicht verleugnet oder verdrängt, sondern bestätigt.

[…]

Fünftes Kapitel

Theodor Litt: Das Bildungsideal der deutschen Klassik und die moderne Arbeitswelt

Подняться наверх