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1. Auf Gott hoffen – Wie vernünftig ist das?
Оглавление»Persönlich glaube ich, dass zumindest die Hoffnung auf Gott rational gerechtfertigt werden kann.«2 Mit diesem Satz endet ein überaus scharfsinniges Buch, das den Titel trägt »Die Unverzichtbarkeit natürlicher Theologie«. Der Satz beschreibt exakt, worum es im vorliegenden Buch gehen soll. Wir wollen eine komplexe Argumentation entfalten, wonach es im Vergleich mit der heute vorherrschenden naturalistischen Sicht auf die Welt und unser Leben keineswegs unvernünftig ist, auf Gott zu hoffen. Der Vergleich mit dem Naturalismus ist entscheidend, ist doch der Naturalismus heutzutage der gewichtigste Widersacher eines Gottesglaubens. Deshalb tut man gut daran, Argumente zugunsten des Theismus wesentlich dialektisch anzulegen: Schwierigkeiten des Naturalismus sind in Stärken des Theismus umzumünzen.
Dieses Buch offeriert einen Versuch über rationale Theologie. Theologie verdient nur dann rational genannt zu werden, vermag sie die »Sache mit Gott«3 mit vernünftigen Überlegungen auszufechten. Was heißt in diesem Kontext »vernünftig«? Das müssen und können wir nicht grundsätzlich beantworten. Wir nennen lediglich einige wichtige Bedingungen, denen die nachfolgenden Überlegungen gerecht zu werden versuchen. Würden wir sie verfehlen, ließe das sofort legitime Zweifel an der Vernünftigkeit unseres Gedankengangs aufkeimen.
Erstens unterstellen wir, dass die Erfahrungswelt im wesentlichen genauso ist, wie die Wissenschaften sie beschreiben und erklären. Das auferlegt einer rationalen Theologie, mit ihren Thesen und Argumenten keinen anerkannten Ergebnissen der Wissenschaften zu widersprechen. Zweitens erteilen wir jedem Wunderglauben eine Absage.4 In der uns zugänglichen Erfahrungswelt ereignet sich nichts, was sich nur so erklären lässt, dass anerkannte Naturgesetze oder andere strukturelle Gesetzmäßigkeiten der Erfahrungswelt einmalig außer Kraft gesetzt sind. Rationale Theologie sollte deshalb nicht mit der These liebäugeln, dass Gott in dieser empirischen Welt Wunder wirkt und sich durch sie offenbart. Drittens gelten für die rationale Theologie von vornherein alle fundamentalen Prinzipien vernünftigen Denkens. Demnach kann zum Beispiel selbst Gott nicht Junggesellen verheiratet machen und der rationale Theologe hat den Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch zu respektieren und gültig hergeleitete Widersprüche sollten ihn veranlassen, mindestens eine Prämisse in der Herleitung zu verwerfen.
Erfüllt sie diese drei Bedingungen, scheint rationale Theologie erst einmal eine Weggefährtin des Naturalismus zu sein. Doch die Wege der beiden trennen sich alsbald. Rationale Theologie will sich einem Territorium der Wirklichkeit nähern, das nicht am Wegesrand der Erfahrungswissenschaften liegt. Diese Terra incognita, die die rationale Theologie »Gott« nennt und die der Naturalismus auf keiner seiner Landkarten von der Wirklichkeit verzeichnet, sollte mehr sein als bloß eine logische Möglichkeit, die bisher noch niemand widerlegt hat. Logisch ist allzu vieles möglich; es für wirklich zu halten, ist deshalb in hinreichend vielen Fällen schlicht abstrus. Freilich nehmen wir heute den Naturalismus ernst, und das durchaus zu Recht, wenngleich er sich nicht beweisen lässt, ja obwohl er nicht unerhebliche Probleme aufwirft.5 Doch auch ein mögliches Dasein Gottes ist so ernst zu nehmen wie der Naturalismus, falls sich eine Lehre von Gott aus bestimmten Schwierigkeiten und Problemen des Naturalismus dialektisch herleiten lässt.6 Ein durchgängig dialektischer Bezug auf die Ungereimtheiten des Naturalismus ist eine vierte Anforderung an die rationale Theologie. Fünftens jedoch lässt sich die rationale Theologie durch die Geschichte und das Schicksal der Gottesbeweise gewarnt sein: Sie träumt nicht davon, die Probleme, die sie dialektisch für sich ausbeutet, könnten den Naturalismus definitiv widerlegen7 und den Theismus im Gegenzug definitiv beweisen.8
Wie weit kommt eine rationale Theologie, die sich den genannten fünf Bedingungen unterwirft? Sagen wir es mit den Worten eines antiken Textes:
»Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde. […] Ich glaube an den Heiligen Geist, […] Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten und das ewige Leben.«9
Den Gottesglauben, der sich in diesen Sätzen artikuliert, vermag eine rationale Theologie als vernünftige Hoffnung zu rechtfertigen, wohlgemerkt: als vernünftige Hoffnung. Gleichwohl ist das, sollte es gelingen, nicht wenig.10 So viel vorweg zur zentralen These, für die das vorliegende Buch eine Begründung zwar ausführlich, aber gleichwohl am Ende lediglich skizziert. Mehr als eine Skizze lässt das vorgeschriebene Format nicht zu.