Читать книгу Das Törtchen-Team in Turbulenzen - Honora Holler - Страница 7
Stress ohne Ende
Оглавление„Onta weißt du schon ein passendes Geschenk für Suki?“, fragte Sophie ihre Freundin, als sie bei Frau Hummel am Samstagmorgen angekommen war. Onta zog ihre Nase kraus, runzelte die Stirn und sagte dann mit bedeutungsvoller Mine: „Nein! Hast du schon eine Idee?“ Sophie schüttelte enttäuscht den Kopf. Wie blöd, sie hatte gedacht, dass Onta etwas hatte. Sie hatte sich die halbe Nacht das Hirn verrenkt, um was zu finden. Vergeblich, wie sie morgens um fünf feststellte und noch einmal kurz einschlief, bis sie der Wecker rausklingelte. „Vielleicht ...“, fing Onta an. „Vielleicht, was?“, hakte Sophie nach. „Vielleicht ein neues Schreibmäppchen. Du weißt schon, ihres hat einen großen Tintenfleck, nachdem ihr Füller ausgelaufen war.“ Stimmt, das war vielleicht einer Sauerei gewesen. Doch sollte man seiner besten Freundin zum dreizehnten Geburtstag ein neues Mäppchen schenken? Sophie war nicht überzeugt. Würde sie sich darüber freuen? Eher nicht! Sie würde sich über eine Übersetzung von Rowan Jacobsens Buch über den plötzlichen Tod der Honigbienen freuen. Oder über ein Teleskop. Oder ...? Die Ankunft Frau Hummels unterbrach die Suche nach einer Geschenkidee. Sophie und Onta mussten sich konzentrieren, damit sie die Rezepturen richtig ausführten und keine Fehler machten. Biskuitteig verzieh schließlich keine Unachtsamkeiten, wie Sophie schon festgestellt hatte. Später als sie die kleinen Törtchen mit kandierten Blüten und Zuckerpaste verzierten, kam Sophie eine Idee. „Wie wäre es, wenn wir Suki ein Kalligrafie-Set schenken?“ Onta richtete sich auf und versuchte, keine Zuckerpasten zu verschmieren. „Keine schlechte Idee“, meinte sie und schaute auf ihre fertigen Törtchen. Sophie folgte ihrem skeptischen Blick und sie musste zugeben, mit Sukis elegant geschwungen Verzierungen hatten diese nicht wirklich Ähnlichkeit. „Doch, wo bekommen wir ein schönes?“, fragte Onta zurück. In der Tat, das war ein Problem. Sophie überlegte: Im Kaufhaus, wo ihre Mutter arbeitet, hatte sie noch nie eins gesehen. Wäre Schule würde sie Frau Kanzai fragen, die Japanisch-Lehrerin. Suki und ihre Familie konnten sie ja schlecht Fragen. „Weißt du was, wir machen nachher einfach eine Internet-Recherche. Dann wissen wir, auf was wir achten müssen und wo wir es bekommen können“, schlug Sophie Onta vor.
„Hast du es?“, fragte Sophie eine Woche später Onta aufgeregt. „Ja, du nervöses Huhn“, neckte Onta sie. „Es ist heute gekommen.“ Stolz präsentierte Onta Sophie das rechteckige Paket, das in einen schimmernden Seidenstoff eingepackt war. „Schön“, bewunderte Sophie das Geschenk. Aimee kam die Treppe runter. „Na, da habt ihr ja richtig Glück gehabt“, kommentierte sie mit einem Blick das Geschenk. „Ja, nochmals vielen Dank.“ „Keine Ursache Sophie“, winkte Aimee freudestrahlend ab und scheuchte sie zum Aufbruch hinaus. Ontas große Schwester hatte das Kalligrafie-Set in Japan bestellt, nachdem Onta ihr berichtete hatte, wie schwierig es sei, hier das passende zu finden. Per Expresspost war es heute Morgen angekommen. Glück gehabt, wirklich, dachte Sophie, sonst würden sie jetzt nur mit einem Verlegenheitsgutschein dastehen.
Glück hatte auch das Geburtstagskind: Es war warm und trocken. Was im September nicht immer gegeben war. Die kleine Gruppe, die sich auf in den Blütenfeldweg machte, staunte nicht schlecht, als die angekommen waren. Im ganzen Garten waren Lampions verteilt und leuchtenden sanft im hereinbrechenden Abendlicht. Ein japanisches Windspiel hing an der Gartentür und klingelte leise. „Wahnsinn“, meinte Onta leise. Mit einem „Wunderschön“, kommentierte Sophie und Aimee die Szenerie. Nur Frau Hummel und Sophies Mutter lächelten still vor sich hin. Da kommt noch was, das war nicht alles an Überraschungen, dachte Sophie bei sich, als sie in die Gesichter ihrer Mutter und Frau Hummel schaute.
Frau Asoko und das Geburtstagskind begrüßte die kleine Gruppe in traditionellen Kimonos mit einem „Konbanwa“. Sukis Kimono mit den langen Ärmeln schillerte im Licht der Lampions als sie die Geschenke entgegennahm und wegtrugen. Ein bisschen war Sophie enttäuscht, hatte sie doch gedacht, das Suki gleich ihre Präsente öffnen würde. Nun ja, anderer Kulturkreis, andere Sitten. Suki führte ihre Gäste um das Haus in den hinteren Teil des Gartens. „Wahnsinn“, entfuhr es Onta, die neben Sophie lief. „Amazing“, meinte Aimee und Sophies Mutter entfuhr ein: „Toll“. Die Sträucher waren von unzähligen kleinen Lichtern erleuchtet. Eine Insel des Lichts war, in der hereinbrechenden Dämmerung in der Mitte des Picknickplatzes aufgebaut, mit kleinen schwarz lackierten kniehohen Tischchen und blaugrün schillernden Sitzkissen auf dem Boden. „Ein Raum im Garten“, wie Suki es leise erklärte. Es war anderes als alle anderen Geburtstage, die Sophie bisher erlebt hatte: Weder gab es eine große Torte mit Kerzen, noch war es laut, im Gegenteil es herrschte eine ernste feierliche Stimmung. Nachdem sich alle begrüßt und gesetzt hatten, sprach Herr Asoko feierlich: „Liebe Gäste wir feiern heute Abend nicht nur den dreizehnten Geburtstag unsere Tochter Suki, sondern auch unsere Ankunft in unserer neuen Heimat und einen Neuanfang.“ Eine kurze Pause entstand bevor Beifall aufbrandete. Sophie sah, das Suki, die bei ihrer Familie saß, Tränen über das Gesicht liefen, ebenso wie bei ihrer Großmutter. Und wenn sie genau hinsah, sah sie auch ein verräterisches Glitzern bei Onta und Aimee. Herrje, war das alles feierlich. Sophie spürte einen leichten Druck auf ihrer Brust. Nach einer weiteren Ansprache durch einen der japanischen Freunde wurden die Getränke und Speisen gereicht. Anders als sonst hielt sich Onta beim Essen zurück und begutachtete jede der kunstvoll angerichteten Speisen argwöhnisch. Sophie musste grinsen. Ja, japanisches Essen war für Onta nicht die Offenbarung. Aimee grinste Sophie an, als sich ihre Blicke trafen. Tja, der Argwohn gegenüber unbekannten Speisen war ihr wohl nicht alleine aufgefallen. Leises Stimmengemurmel begleitete das Essen, das aus vielen kleinen Speisen bestand, doch irgendwann stand eine kleine Miniaturtorte vor ihnen, die Onta sichtlich aufstrahlen ließ. Das Geburtstagskind blinzelte Sophie verschwörerisch zu. Sophie lächelte zurück. Die kleinen Köstlichkeiten waren das Geschenk von Frau Hummel und Aimee, wie Herr Asoko der Gesellschaft gerade erklärte. Onta war gerettet, das sah man ihr an und mit großer Erleichterung widmete sie sich ihrem Nachtisch. „Schade, nur so klein“, murmelte sie leise, was ihr einen Stupser von Aimee einbrachte. Sophie gluckste leise und selbst Suki die ein paar Meter entfernt saß, konnte sich ein kleines Lachen nicht verkneifen. „Bevor ich den offiziellen Teil beende, möchte ich unsere Gäste und das Geburtstagskind in das Haus bitten“, sprach Herr Asoko mit feierlicher Stimme. „Was kommt jetzt noch?“, fragte Onta leise. „Warte es ab Onta und lass dich überraschen“, flüsterte Frau Morgenbesser lächelnd. Suki trippelte an Sophie und Onta heran, nahm sie an den Händen und führte sie mit ins Haus. „Ich bin ja so aufgeregt“, wisperte sie. „Und nachher mach ich auch euer Geschenk auf.“ Das Innere des Hauses war inzwischen von allen Kisten und Körben befreit. Die Einrichtung bildete eine Mischung aus japanischer Einfachheit und westlicher Bequemlichkeit. Sie kamen an der Küche vorbei, am Wohnzimmer und blieben vor einer Schiebtür stehen. Es roch immer noch ein bisschen nach Farbe, fand Sophie. „Suki-chan, würdest du bitte die Tür öffnen“, forderte sie ihr Vater auf. Spannung lag in der Luft. Mit einer grazilen Bewegung, die Sophie nie hingekriegt hätte, öffnete Suki die Tür. Helles Licht flammte auf, gefolgt von einem Schrei. „Masaru!“, schrie Suki begeistert und fiel stürmisch ihrem älteren Bruder um den Hals. Tränen liefen über ihr Gesicht. Mit einem „So lass dich Ansehen kleine Schwester“, pflückte Masaru seine Schwester von sich ab und drehte sich mit ihr im Raum. Sophie und Onta kannten ihn bereits von einem Videotelefongespräch. Sukis Bruder war so groß wie sein Vater, schwarzhaarig und schlank. „Ich bin aber nicht die einzige Überraschung“, sagte Masaru und gab den Blick frei auf einen nachtschwarzen Flügel. Sofort ließ Suki von ihrem Bruder ab und umrundete den Flügel. „Danke, vielen Dank“, hauchte sie immer wieder auf Deutsch und Japanisch. „Setz dich und spiel“, forderte Masaru seine kleine Schwester auf. Alle stellten sich um den Flügel herum, während Suki kleine und große Triller zum Besten gab. Sophie erkannte das Stück. Es war dasselbe Bach-Stück, das Suki auch auf der Goldblatthochzeit gespielt hatte. Danach setzte sich auch noch Masaru an den Flügel und vierhändig spielten die beiden Geschwister ein munteres Stück. Alle wippten im Takt. Und plötzlich, fing Herr Asoko auf Japanisch zu singen an und nach und nach stimmten alle Japaner mit ein. Onta stupste Sophie an. Es hörte sich komisch an, die hohen und tiefen Stimmen zu der Melodie, die auf dem Klavier gespielt wurde. Sophie schüttelte verwundert ihren Kopf, täuschte sie sich oder nicht, die Melodie kannte sie doch. Sie einzelnen Wortfetzen kamen ihr wage bekannt vor. Frau Hummel summte plötzlich auch mit. Es war „Unter den Linden“, schoss es Sophie durch den Kopf. Ein altes deutsches Volkslied, gesungen von Japanern. Irre! Frau Morgenbesser legte ihre Arme auf Sophies Schultern und summte auch leise mit. Sophie merkte, wie sich eine Gänsehaut auf ihren Unterarmen ausbreitete. Am liebsten, würde sie diesen Moment festhalten. Alle schienen glücklich zu sein. Onta dachte ein bisschen wehmütig an ihre Eltern und Rian, der ihr nicht mehr so richtig aus dem Kopf ging. Und auch Aimee war mit ihren Gedanken nicht mehr so ganz bei der Feier. Leise seufzten beide tief, schauten sich verblüfft an und lachten. Schwestern, dachte Sophie, die das kleine Zwischenspiel bemerkt hatte. Suki setzte zu einem weiteren Volkslied an und alle sangen „Hoch auf dem gelben Wagen“. So ging es noch eine Weile, bis Frau Morgenbesser Sophie sanft Richtung Tür schob. „Ihr könnt nächste Woche noch genug zusammensitzen. Gönn´ ihnen die Zeit als Familie“, erklärte sie auf Sophie fragenden Blick. „In Ordnung“, wisperte sie zurück. Sie stupste Onta an und signalisierte ihr, dass sie aufbrechen würden. Aufmerksam, wie Frau Asoko war, begleitete sie bis zur Tür und verabschiedete sie, während Suki ihren Abschied gar nicht bemerkte, so vertieft war sie in ihr Klavierspiel.