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Onta, Irland - Ein guter Tag

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Der Bus fuhr auf den Parkplatz, öffnete seine Türen und entließ unter Gelächter und Gekreische eine rot gemusterte Schülerinnenschar. „Onta, Onta! Schau mal die von der Lough Neagh-Schule sind auch schon da“, rief Megan und deutete auf eine Gruppe Mädchen, in blauer Schuluniform, die gerade die Tür des Antrim Schwimmbads passierten. Sind die groß, dachte Onta. „Keine Sorge Mädchen, die schlagen wir“, versuchte Frau Ellroy ihre Schützlingen zu beschwichtigen: Dreißig Mädchen in der roten Schuluniform der Mourne Wall-Schule. Das dreißigköpfige Schwimmteam mit seinen Fans und der Sportlehrerin Frau Ellroy.

Onta, war aufgeregt, es kribbelte in ihrem Bauch. Dies war ihr dritter Schwimmwettkampf. Sie sog die chlorgeschwängerte Luft des Schwimmbads tief ein. In den ersten beiden Wettkämpfen hatte sie nur einen Fünften und Vierten Platz belegen können, doch diesmal wollte sie siegen. Wie jede ihrer Teamkolleginnen hatte sie in den letzten Wochen jede freie Minute im Schwimmbecken der Mourne Wall-Schule verbracht und trainiert. Hundert Meter Freistil war ihre Disziplin. Das Kribbeln und die Übelkeit nahmen zu, je näher sie der eigentlichen Schwimmhalle kam. Wie in Trance zog sie ihren Badanzug an, das Kichern und Gerede der anderen Schwimmerinnen rauscht einfach an ihr vorüber. Du musst dich auf deine Atmung konzentrieren, wiederholte Onta immer wieder innerlich, als sie die Tür zur Halle durchschritt. Sie blickte sich kurz um.

Die Tribüne war ein bunter Teppich aus Rot-, Blau- und Grüntönen. Alles Farben der unterschiedlichsten Schulen, die an diesem Wettkampf teilnehmen würden. „Los, Mädchen auf zum Einschwimmen“, forderte Frau Ellroy sie auf. Nacheinander ließen sich Rebekka, Abby, Isabelle und auch Onta in das Wasser gleiten. Ihre Altersstufe war zuerst dran. Das kühle Nass und die gewohnten Bewegungen beruhigten Ontas Nerven ein bisschen und das lähmende Gefühl der Übelkeit verschwand Zusehens.

Zwanzig Minuten später begann der Wettkampf. Zuerst war Abby dran: Kurzstrecke fünfzig Meter Schmetterlingsschwimmen, danach Onta. Sie sah sich um, die anderen Schwimmerinnen machten sich bereit. Die Mädchen der Lough Neagh-Schule, waren die Favoritinnen: groß, schlank, durchtrainiert. Es hieß sie verbrachten mehr Zeit im Wasser als in den eigentlichen Schulräumen. Dann gab es da noch, die Mädchen der Armagh-Schule mit ihren grün-goldenen Badeanzügen, die grauen Giants-Schülerinnen, die blauen Glens und die schwarzen Falcon-Mädchen.

Alles gute Schwimmerinnen, die hier um den Einzug in das Landesfinale kämpften. Onta atmete tief durch. „Trii!“, das Startsignal, ertönte. Abby sprang mit den anderen zeitgleich ab. Kein Fehlstart, dachte Onta erleichtert. Abby tauchte ein und durchbrach nach zehn Meter wieder die Wasseroberfläche. Der Lärmpegel schwoll an, das Neagh-Mädchen setzte sich bereits ab, dicht gefolgt von Abby und der Glenschwimmerin. Abby holte auf, doch wie ein grauer Blitz zog die Giants-Schwimmerin an ihr vorbei und auch das Glenmädchen, setzte an Abby zu überholen. Sie waren gleichauf. „Du schaffst es Abby“, schrie das Schwimmteam, Frau Ellroy und die Mädchen von der Tribüne. Das Ende der Bahn näherte sich. Das Neagh-Mädchen schlug als erste an, gefolgt von der Giants-Schwimmerin und – Onta kniff ihre Augen zusammen um besser sehen zu können: Ja! Abby hatte es geschafft! Das Schwimmteam jubelte und die Mädchen auf der Tribüne, schwenkten wie wild ihre Wimpel. Das war schon mal ein guter Anfang, dachte Onta.

Dann war sie an der Reihe. Nochmals nass machen, auf den Startblock gehen, tief durchatmen. „Trii!“ Onta taucht ein und hörte einen doppelten Pfeifton. Fehlstart. Verdammt! Alle kletterten mit verärgerten Gesichtern aus dem Wasser. Das rothaarige Giantsmädchen, war zu früh gesprungen. Also noch mal, nimm all deine Konzentration zusammen, sagte sich Onta, als sie sich wieder auf den Startblock stellte. Ihre Zehen krallten sich um den Startblock. „Trii!“ Das Startsignal, abspringen, eintauchen und los. Kein Fehlstart. Alle kraulten wie besessen los. Noch war Onta gleichauf mit der Neagh-Schwimmerin neben ihr. Doch auf der anderen Seite - zwei Bahnen weiter - sah sie beim Luftholen, dass das Mädchen im rot-grünen Badeanzug bereits die Führung übernahm. Schneller Onta, feuerte sie sich selbst an und erhöhte das Tempo. Die Wende. Der Lärmpegel in der Halle schwoll an. Onta hatte die Ausreißerin schon fast wieder eingeholt. Diese hatte nur noch einen halbe Armlänge Vorsprung. Das schaffst du, sagte sich Onta immer wieder und holte tief Luft. Kraul durch, nicht mehr Luftholen und du hast sie geschlagen. „Onta, Onta“, hörte sie Frau Ellroy noch schreien, bevor die Anfeuerungsschreie zu einem murmelnden Klangteppich unter dem Wasser verschmolzen. Das Neagh-Mädchen wurde langsamer, und fiel zurück. Jetzt hatte sie die Armagh-Schwimmerin eingeholt. Onta durchpflügte die Wasseroberfläche, das Wasser schäumte, silbrige Luftblasen stiegen auf, sie sah das Ende der Bahn. Anschlag. Geschafft!

Sie tauchte auf und holte tief Luft. Das Blut hämmerte in ihren Adern, die Sicht wurde nach und nach wieder klarer und sie hörte, wie der Hallensprecher verkündete: „Erste: Rose Abigall von der Armagh-Schule, Zweite: Onta Namara von der Mourne Wall-Schule und Dritte: Chloe Fitzpatrick von der Lough Neagh-Schule.“ Zweite, ich bin Zweite, Jiphiie! Jubelte Onta und riss sich die Badekappe vom Kopf. Sie strahlte Rose an, die ebenso von einem Ohr zum anderen grinste. „Gratuliere ihr beiden“, presste Chloe zwischen ihren Zähnen hervor, als sie das Wasser verließ. Mit einem „Toll, gemacht Mädchen“, umarmte sie Frau Ellroy bevor sich Abby, Isabelle, Rebekka und die anderen jubelnd auf sie stürzten.

Onta atmete tief durch, nachdem sich alle wieder beruhigt hatten.

Rebekka war jetzt am Startblock: hundert Meter Rückenschwimmen, und danach noch Isabelle mit fünfzig Meter Brustschwimmen. Rebekka wurde Vierte ebenso wie Isabelle. Das Lough Neagh-Team gewann beide Male. Dennoch herrschte keine Katerstimmung im Team. Jetzt stand noch der Teamwettbewerb der Zwölfjährigen an: hundert Meter Lagenschwimmen. Abby ging als Erste an den Start und klatschte als Dritte ab. Rebekka holte auf den Zweiten Platz auf, bevor Isabelle ins Wasser ging. Onta sah auf dem Startblock wie Isabelle kämpfte, aber immer mehr an Boden verlor. Als Fünfte schickte sie Onta ins Rennen. Mach es wie vorhin, dachte sie, als sie endlich ins Wasser eintauchte. Nur alle zehn Schläge atmen und diesen Rhythmus halten, nicht verhaspeln. Rosie, die Dritte von vorhin, lag vorne: eine volle Körperlänge. Onta, konzentrierte sich, wie eine aalglatte Lokomotive zog sie sich durch Wasser. Stückchen für Stückchen versuchte sie den Abstand zu verringern. Nach der Wende, lag sie auf dem vierten Platz. Ihre Arme taten ihr weh, ihre Lungen brannten, dennoch pflügte sie durchs Wasser, ohne nachzulassen. Ein Stöhnen ging durch die Menge auf der Tribüne. Onta hob kurz den Kopf aus dem Wasser. Da, die Giants-Schwimmerin brach ein und fiel zurück. Das Wasser schäumte vor Ontas Augen. Schlag um Schlag arbeitete sie sich vor. Der Beckenrand kam in Sicht: Anschlag und Aus. Müde und erschöpft ruhte sich Onta auf dem Begrenzungsseil aus und sah noch, wie die restlichen Schwimmerinnen anschlugen. Lough Neagh hatte gewonnen und feierte lautstark ihren Sieg. Armagh war Zweite und Onta hatte es geschafft, dass die Mourne-Schule nach zehn Jahren wieder Dritte im Lagenwettbewerb wurden. Frau Ellroy hatte so sehr geschrien, dass sie Onta und dem Team nur noch mit krächzender Stimme gratulieren konnte.

Jubelnd und unter lautem Gesang, stiegen sie nach der Siegerehrung in den wartenden Bus ein.

Onta streichelte immer wieder glücklich ihre zwei Medaillen. Es war ein guter Tag, dachte sie versonnen, als sie sich im Bus umblickte. Zoe, Clara und Megan schwenkten immer noch ihre Wimpel. Isabelle sah etwas geknickt aus, doch Frau Ellroy flüsterte ihr was ins Ohr, was sie sichtlich wieder auflächeln ließ. Der nächste Wettkampf würde erst in drei Monaten in Dublin stattfinden, überlegte Onta versonnen. Genug Zeit um besser zu werden

Der Bus rumpelte mit seiner singenden Schar über die Landstraße in Richtung Mourne Wall-Schule. Onta schaute mit einem Seufzer auf die Uhr in zwei Stunden würden sie daheim sein: Essen, Schlafen und morgen wieder … KAWUMM! Ein lauter Knall unterbrach Ontas Gedankengang. Alles verlangsamte sich, sie sah wie sich in Zeitlupe die Gesichter ihrer Mitschülerinnen veränderten: ungläubig, ängstlich schreien. Wie die Fensterscheiben Risse bekamen und der Bus zu kippen begann. Sie blinzelte, merkte, wie sie aufprallte, und konnte nichts dagegen tun, ihre Arme und Beine waren wie in Sirup eingeschlossen. Ein Schrei entkam ihren Lungen und ihre Umgebung wechselte von – von Zeitlupe zu Schnelldurchlauf. Sie spürte den Schmerz an ihrem Kopf und Beinen, roch das Blut, registrierte den Geruch von verschmortem Gummi. Raus hier, bevor der Bus brennt! Sie versuchte auf die Beine zukommen. Beim ersten Mal klappte es nicht, Glasscherben schnitten sich in ihre Beine, Grashalme und Schnee schauten aus dem blutigen Scherbenhaufen unter ihr heraus. Um sie herum stöhnte, ächzte und wimmerte es. Jeder der konnte versuchte herauszuklettern, über die Sitze und Armlehnen nach hinten. Jemand hielt ihr eine Hand hin - Rebekka - gemeinsam kletterte aus dem umgefallen Bus durch die zerschlagene Heckscheibe. Wie lange es dauerte, bis sie endlich am Straßenrand saßen, zusammengekauert und frierend, wusste sie nicht. Sie blickte sich um. Sie zählte kurz – alle dreißig Schülerinnen schienen, da zu sein, blutend mit Schnittverletzungen, aber am Leben. Kein Unterschied mehr zwischen der Schuluniform und dem eigenen Blut, der den Schnee verfärbte. Mrs. Ellroy ging von Grüppchen zu Grüppchen und sagte etwas, der Busfahrer versuchten das brennende Rad zu löschen. Der Bus war ein Scherbenhaufen. Blaue Lichter begannen auf dem Schnee zu flackern. Rettungskräfte fluteten die Umgebung: halfen, bargen, verarzteten und löschten den Brand. Ein Sanitäter kam zu ihr, behandelte sie notdürftig und hüllte sie in eine Rettungsdecke. Die ganze Zeit bewegte er seinen Mund, doch hören konnte Onta nichts. Komisch dachte sie noch und fing an zu giggeln, wie in einem Stummfilm, nur das niemand Textkarten hochhielt und erklärte, was geschah.

Große Schneeflocken, die wie Daunenfeder vom Himmel fielen, waren das letzte, was Onta sah, bevor sie später im warmen Rettungstransporter einschlief.

Das Törtchen-Team

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