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Einführung Quintus Horatius Flaccus
ОглавлениеUnter Kaiser Hadrian schrieb C. Suetonius Tranquillus in seinem Buch ‚De viris illustribus‘ eine Vita des Dichters Quintus Horatius Flaccus, die in Auszügen erhalten ist. Aus dieser Biographie und durch Angaben des Dichters ist das Leben des Horaz näher bekannt. Horaz ist geboren am 8. Dezember des Jahres 65 v. Chr.1 in der apulischen Militärkolonie Venusia nahe der Grenze nach Lucanien (vgl. sat. 2,1,34f.). Seine Mutter war frei geboren,2 sein Vater ein Freigelassener, der ein kleines Landgut besaß (vgl. sat. 1,6,6. 71).
Der Vater erzog seinen Sohn mit großer Sorgfalt (vgl. sat. 1,6,72). Um ihn nicht nur zum Ortsschulmeister Flavius zu schicken, zog er nach Rom und betrieb dort das Gewerbe eines coactor auctionarius, d.h. eines Zwischenhändlers im Auftrag und zugleich Kreditgebers bei Auktionen. Seinen Sohn ließ er unterrichten wie die Kinder begüterter Familien. Der erste Lehrer des Horaz in Rom war der Grammatiker Orbilius Pupillus aus Beneventum, ein bedeutender, aber verbitterter Mann, dem Horaz das Beiwort „schlagfreudig“ zulegt (vgl. epist. 2,1,70). Bei Orbilius las man die Odysseeübersetzung des Livius Andronicus; auch die Ilias wurde erklärt.
Horaz rühmt seinen Vater, der ihm nicht nur die Erziehung eines Vornehmen zuteil werden ließ, sondern ihn auch lehrte, die Menschen zu beobachten, aus fremden Fehlern zu lernen und das eigene Leben zu ordnen. Etwa im Jahre 45 ging Horaz auf die Hochschule in Athen, wo er philosophische Studien trieb. Griechisch lernte er so gut, dass er griechische Verse schrieb.
Die Fortführung seiner Ausbildung wurde aber durch die politischen Ereignisse unterbrochen. Horaz lebte ja zur Zeit der großen römischen Bürgerkriege des ersten Jahrhunderts. Nach dem Zerfall des ersten Triumvirats (Caesar, Pompeius, Crassus) hatten sich Caesar und Pompeius im Kampf um die Macht in Rom immer mehr entzweit, und schließlich begann der Bürgerkrieg des Jahres 49, der zum Tode des Pompeius nach der Schlacht bei Pharsalus führte (48). Die Alleinherrschaft Caesars in Rom endete mit seiner Ermordung an den Iden des März im Jahre 44.
Aus den politischen Wirren nach Caesars Tod ging im Jahre 43 das sogenannte zweite Triumvirat „zur Neuorganisation des Staatswesens“ von Antonius, Lepidus und Octavian hervor. Dieses Triumvirat bekämpfte die Mörder Caesars, von denen Marcus Brutus die Provinzen Makedonien, Illyrien und Griechenland besetzt hatte.
Im Herbst des Jahres 44 kam Marcus Iunius Brutus nach Athen, um von dort in die Provinz Makedonien zu gehen. Er rief die Jugend zum Freiheitskampf gegen Antonius und Octavian, und so wurde Horaz mit etwa 21 Jahren Militärtribun und führte eine Legion (vgl. sat. 1,6,48); es war freilich ein ungewöhnlicher Vorgang, dass ein junger Mann ohne Erfahrung Befehlshaber einer Legion wurde, doch führten die verworrenen Zeiten zu ungewöhnlichen Maßnahmen. In der Schlacht bei Philippi (November 42) wurde er in die Flucht des Heeres hineingezogen (vgl. carm. 2,7,9) und kehrte nach einer Amnestie nach Italien zurück (etwa im Jahre 41).
In den Machtkämpfen nach Philippi blieb Octavian Sieger über Antonius, der im Osten wie ein orientalischer Herrscher aufgetreten war (Schlacht bei Actium, 2. September 31).
Da sein Vater gestorben und sein Vermögen eingezogen war, kaufte sich Horaz mit dem Rest seines Geldes einen Posten als scriba quaestorius; dieses Amt machte ihn zu einem Sekretär der Staatskasse und des Staatsarchives und bot recht gute Einkünfte. Immerhin war mit ihm die Zugehörigkeit zum höheren Mittelstand, der Ritterschaft, verbunden.3
Damals entstanden die ersten dichterischen Versuche. Zuerst übertrug Horaz die Kampfieder des frühgriechischen Dichters Archilochos (7. Jh. v. Chr.) in Gestalt seiner Epoden nach Rom. Die Epoden, 17 Gedichte in Jamben, bringen neue Versmaße in die römische Dichtung und werden von Horaz als Gefäß persönlicher Aussage gestaltet, freilich weithin ohne die Aggressivität des Archilochos, den er sonst nachahmt. Geschrieben sind die Epoden hauptsächlich zwischen den Jahren 40 und 38 und zwischen 31 und 30.
Dann begann Horaz die Satirendichtung nach Art des Lucilius, doch sogleich mit persönlicher Eigenart. Die Satiren entstanden im Wesentlichen in den Jahren 38 bis 30, also zwischen den beiden Zeitabschnitten, in denen die Epoden geschrieben wurden. Das erste Satirenbuch wurde zwischen 35 und 33, das zweite (und die Epoden) im Jahre 30 veröffentlicht.
Diese Gedichte führten dazu, dass Vergil und Lucius Varius sich Horaz näherten und ihn zu Anfang des Jahres 38 dem Maecenas vorstellten (vgl. sat. 1,6,54ff.); dieser nahm ihn in seinen Kreis auf. Horaz wurde später der vertraute Freund des Maecenas, der dem Dichter im Jahre 33 ein Landgut in den Sabinerbergen, etwa drei Stunden von Tibur entfernt, schenkte.
Das Landgut wurde für Horaz Grundlage neuen Lebens. Dort, in der Einsamkeit, konnte er frei von störenden Einflüssen zu sich kommen und seine Unabhängigkeit bewahren.
Dass Horaz zu dieser Zeit frei und ungestört war, verdankte er auch der auf Wiederherstellung und Wahrung des Friedens gerichteten Politik des Augustus. Diesem gelang es im behutsamen Ausbau seiner Macht, den Prinzipat (von princeps, „der Erste“) als spezifisch römische Form der Monarchie zu etablieren und die wirtschaftliche und gesellschaftliche Ordnung zu festigen, wobei nach außen hin manche Einrichtungen des republikanischen Staates bestehen blieben. Die Errichtung des Prinzipats setzte der jahrzehntelangen Selbstzerfeischung in den Bürgerkriegen ein Ende.
Bei der Festigung der neuen Ordnung hatten restaurative Tendenzen, so der Rückgriff auf altrömische Ideale (mos maiorum) und die bewusste Pflege der alten Religion, eine wichtige Funktion zu erfüllen. Die aufblühende Kultur der durch Augustus geprägten Zeit, Dichtung wie bildende Kunst, trat in den Dienst der neuen Staatsform und ihrer politischen und ideologischen Ziele.
Die Erfahrungen des eigenen Lebens und die erfolgreiche Politik des Augustus machten auch aus dem einstigen Republikaner Horaz einen überzeugten Anhänger des Prinzipats. Nach der Schlacht von Actium (31) ergriff er in der 9. Epode entschieden Partei für den Sieger, von dem er ein Ende der Bürgerkriegsschrecken erhoffte. Mit seinen Oden und dem zur Säkularfeier des Jahres 17 in offiziellem Auftrag gedichteten ‚Carmen Saeculare‘ setzte er sich für die augusteische Ordnung ein. Aber auch dem Prinzeps gegenüber suchte Horaz seine Selbständigkeit zu wahren, wie er denn nicht aufgehört hat, nach einem eigenen Standpunkt und innerer Unabhängigkeit zu suchen.
Die ersten drei Odenbücher erschienen im Jahre 23, das vierte im Jahre 13. Die Oden führen das äolische Lied, wie es die frühgriechischen Lyriker Sappho und Alkaios geschaffen hatten, in Rom ein. Horaz macht hier die Fülle der Rhythmen, die in Hellas ausgebildet wurden, mit vollem Erfolg in Rom heimisch. In den Oden sieht Horaz Gipfel seiner Kunst. Hier spricht er fast alle Bereiche des Lebens an, Freundschaft, Liebe, Politik, Religion, Leben und Tod. Dabei erstrebt er einen hohen Grad von Objektivität und Reflexion. Die Form seiner Gedichte wird mit erlesener Kunst geschmiedet.
Horaz wurde durch Maecenas auch mit Kaiser Augustus bekannt. Dieser wünschte den homuncio lepidissimus („das allerliebste Männlein“), wie er ihn nannte, als Sekretär, doch Horaz lehnte ab. Augustus nahm ihm das nicht übel; er erklärte die Gedichte als „ewig dauernd“ und veranlasste ihn zur Abfassung des ‚Carmen Saeculare‘ und der Gedichte auf seine Stiefsöhne Drusus und Tiberius. Es sind Teile von Briefen des Augustus an Horaz überliefert.
In späteren Jahren kam der Dichter immer weniger nach Rom. Im September des Jahres 8 v. Chr. starb Maecenas. Auf dem Sterbebette gedachte er des Freundes, indem er dem Kaiser schrieb: Horati Flacci ut mei memor esto („sei des Horatius Flaccus eingedenk wie meiner selbst“). Horaz überlebte ihn nur um zwei Monate; er starb so rasch (am 27. November 8), dass er nur noch mündlich den Kaiser zum Erben einsetzen konnte; bestattet wurde er auf dem Esquilin neben Maecenas.