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Die römische Satire

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Es gibt in der griechischen Literatur viele Elemente satirischer Art, etwa im ‚Margites‘, dem nachhomerischen Epos vom Dümmling, bei Archilochos, dem aggressiven frühgriechischen Lyriker, bei Semonides von Amorgos, der eine scharfe Weibersatire schrieb, bei Hipponax, dem bettelnden witzigen Volksdichter, in der scharfen Kritik der tolldreisten Komödien des Aristophanes und bei Bion von Borysthenes, einem griechischen Wanderprediger hellenistischer Zeit. Dennoch wird der Römer Quintilian Recht haben, wenn er sagt (inst. or. 10,1,93): Satira tota nostra est. Die römische Satire ist ein weitgehend eigenständiges Gebilde. Denn auf römischem Boden bildete sich die Satire als eigene literarische Gattung heraus, die den Griechen so nicht bekannt war und die im modernen Europa große Popularität gewann.

Ursprünglich lautete die Bezeichnung satura. Dies ist ein substantiviertes Adjektiv zu satur, „satt, voll“, und bedeutet „Buntes Allerlei“. Im Altlateinischen bezeichnete satura einen Pudding aus Gerstenschrot, Rosinen und Pinienkernen, der mit Weinmet angemacht war. Satura lanx hieß eine Opferschüssel mit Erstlingsfrüchten, die der Göttin Ceres dargebracht wurde, lex satura ein Gesetz für verschiedene Materien. Die Grundbedeutung des Wortes satura ist also „Füllsel, Allerlei“ an Speisen, und von hier erfolgte die Übertragung auf das Literarische, so dass satura „Buntes Gemisch, Allerlei“ bedeutet. Horaz deutet epist. 2,2,61f. durch die Art der Metaphorik vielleicht an, dass er satura zu den Küchenausdrücken rechnet, wie wir für eine bunte Mischung Potpourri sagen. Die Wortform satira taucht erst in der Kaiserzeit auf, weil man damals die Satire mit dem griechischen Satyrspiel in Verbindung brachte.

Im vorliterarischen Raum gab es wohl Saturae in Form von Spottversen, später als lose Folgen lustiger Einzelszenen, die man aufführte.

Von solchen Einzelszenen, italischen Vorstufen, die selbst vielleicht etruskischem Einfluss unterlagen, ging Livius Andronicus aus. Er soll als Erster ein einheitliches Stück, eine Satura, verfasst haben. Auch der Dichter Naevius (etwa 285 – etwa 200 v. Chr.) schrieb eine Satura, von der ein Vers erhalten ist.

Begründer der römischen Satire wurde Q. Ennius (239–169 v. Chr.). Er schrieb ein ganzes Buch ‚Saturae‘, vermischte Gedichte. Angeregt wurde er vermutlich durch die Jamben des Kallimachos und durch moralisierende hellenistische Prosa, und da er in den herkömmlichen Formen kein Mittel für lehrreiche Causerien besaß, griff er zur Form der Satura, um die Probleme einer Gesellschaft zu erhellen, der die Aufgabe gestellt war, ein eigenes, neues Geistesleben im Umgang mit der mächtigen Kultur Griechenlands zu entfalten.

In vier Büchern bot er eine Reihe von Gedichten, Fabeln, Sentenzen und Streitgesprächen. Erhalten sind Bruchstücke in verschiedenen Versmaßen, in jambischen Senaren, trochäischen Septenaren, daktylischen Hexametern. Sicher besaß die Satura des Ennius ein gewisses „satirisches“ Element und ist darin Vorbild auch für Horaz. Ennius nahm in seine Satura Fabeln auf, und auch dieser Brauch hat – wohl mittelbar – auf Horaz gewirkt.

Der erste große Vertreter der römischen Satire ist C. Lucilius aus Suessa Aurunca in Kampanien (etwa von 167–102 v. Chr.). Er war ein wohlhabender Mann, Freund des jüngeren Scipio, den er im Jahre 134 nach Numantia begleitete. Lucilius war politisch unabhängig und bekleidete nie ein Staatsamt. Er war ein Kenner griechischer Literatur und hellenistischer Philosophie, war aber auch im lateinischen Schrifttum zu Hause.

Auch Lucilius lebte in einer Zeit politischen und gesellschaftlichen Umbruchs, und so widmete er seine Satire weitgehend der Gesellschaftskritik. Er war ein ungestümer Mann, der seine Meinung rückhaltlos aussprach und die verschiedenen Stände kritisch schilderte. Auf ihn geht die horazische Art zurück, von aktuellen Anlässen auszugehen. Seit Lucilius empfand man die Streitbarkeit als Hauptmerkmal der Satire.

Lucilius erzählte von Krieg, Reise- und Liebesabenteuern, Gerichtsverhandlungen und Gladiatorenkämpfen, besprach Fragen der Moral und der Politik und behandelte Probleme der Homerkritik, der Grammatik, Prosodie, Orthographie, Etymologie. Auch über Rhetorik, Poetik, Ästhetik äußerte er sich, hierin Vorgänger des Horaz der Literaturbriefe.

Neben Ennius boten für Lucilius Anregungen auch die politischen Spottverse und Kampfschriften jener Zeit. Die Form seiner Satiren war bunt: es gab Erzählungen, Dialoge, Vorträge, Betrachtungen, Mahnungen, Briefe. Die Sprache freilich war oft holperig, das Metrum war ungenau, die Komposition wies Mängel auf.

Die metrische Form der Satiren des Lucilius wandelte sich allmählich. In den ältesten, dem 26. und 27., seiner 30 Satirenbücher findet sich die mehr volkstümliche Versform des trochäischen Septenars. Dann traten Gedichte in jambischen Senaren hinzu; später erscheint nur mehr der daktylische Hexameter.

Weiterentwickelt wurde die Satire durch Marcus Terentius Varro (116–27 v. Chr.), den römischen Polyhistor. Dieser schrieb seine ‚Saturae Menippeae‘ zwischen 80 und 67. Es war ein Werk von 150 Büchern, in dem Prosa und Verse gemischt waren, wobei vermutlich der Hauptteil in Prosa gestaltet war und die Poesie den Zierat bildete. Jede Satire hatte einen eigenen Titel (lateinisch, griechisch oder lateinisch und griechisch; erhalten sind etwa 90 Titel und rund 600 Fragmente). ‚Saturae Menippeae‘ heißen sie nach dem Kyniker Menippos aus Gadara (um 250 v. Chr.), der die Gattung des sogenannten „Spudaiogeloion“ gepfegt, das heißt in scherzhaftem Tone ernste Wahrheiten der Philosophie in einer aus Prosa und Poesie gemischten Darstellung erörtert hatte.

Varros menippeische Satire bezweckt eine Reform der herrschenden Schicht; sie fordert Besinnung auf die Werte des alten Rom, den mos maiorum, und fordert ein naturgemäßes Leben. So stellt Varro Einst und Jetzt gegenüber, fordert, man solle seine Bedürfnisse einschränken, und zieht gegen Habgier, Schlemmerei und Luxus zu Felde. Er möchte Unterhaltung und Nutzen für das Leben bieten, will – wie Horaz – lachend die Wahrheit sagen.

Varros Menippeen boten eine bunte, oft phantastische Szenerie; ihre Sprache zeigte die verschiedensten Stilarten. Die Satiren waren übersichtlich und klar gebaut. Horaz übernahm von Varro nicht die Form, doch bezog er wie Varro die hellenistische Popularphilosophie in seine Satiren ein, besonders im zweiten Buch. Auch für das dialogische Element der Satire bildet Varro (neben anderen) den Mittler zwischen Lucilius und Horaz.

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