Читать книгу Die Verwissenschaftlichung der ›Judenfrage‹ im Nationalsozialismus - Horst Junginger - Страница 7
1. Einleitung: religion matters
ОглавлениеDie vorliegende Untersuchung beschäftigt sich mit dem nach 1933 in Deutschland unternommenen Versuch, die so genannte „Judenfrage“ mit Hilfe der Wissenschaft grundsätzlich und auf Dauer zu lösen. Ihr liegt die Ausgangshypothese zu Grunde, dass der nationalsozialistische Staat seine antijüdische Politik auf vorgeblich objektive Sachverhalte zurückführen musste, um für ihre Durchsetzung das erforderliche Maß an Plausibilität und Zustimmung zu erlangen. Den Anschein eines lediglich subjektiven, sei es religiösen, politischen oder ökonomischen Interesses galt es unbedingt zu vermeiden, sollte der Kampf gegen das Judentum den Charakter einer unabweisbaren Notwendigkeit annehmen. Wie ich in dieser Studie nachzuweisen suche, gehörte eine wissenschaftliche Erklärung für das „Judenproblem“ zu den unabdingbaren Voraussetzungen, um den Ausschluss einer ganzen Menschengruppe aus einem modernen Staatswesen und einer kulturell hoch stehenden Gesellschaft im 20. Jahrhundert rechtfertigen zu können. Ungeachtet des Zivilisationsbruchs, den bereits die ersten antijüdischen Gesetze darstellten, musste es den Verfechtern der nationalsozialistischen Judenpolitik entscheidend darauf ankommen, sich von vormodernen und „mittelalterlichen“ Formen des Antisemitismus zu distanzieren, um stattdessen einen angeblich von jeher vorhandenen Gegensatz zum Judentum als objektive Tatsache und ein auf das Wesen der Juden selbst zurückzuführendes Problem erscheinen zu lassen.
Im Zentrum sowohl der politischen als auch der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der „Judenfrage“ stand die Idee der Rasse. Über eine rassenkundliche Kategorienbildung sollte der Nachweis geführt werden, warum die Juden für die deutsche Nation eine Gefahr bedeuteten und welche Bereiche und Aspekte des öffentlichen Lebens besonders davon betroffen waren. Ohne eine wissenschaftlich begründete Annahme jüdischer Rasseeigenschaften hätte sich die Relevanz der „Judenfrage“ als ein existenzielles Gegenwartsproblem kaum verständlich machen und politisch operationalisieren lassen. Sehr viele Deutsche befanden sich bereits in einer zu großen Distanz zum Kirchenchristentum, als dass sie für eine religiöse Argumentation auf der Grundlage traditioneller Glaubensinhalte zugänglich gewesen wären. Eine neue wissenschaftliche Beschäftigung mit der „jüdischen Rasse“ gewann aber auch deswegen an Bedeutung, weil im Zuge der nationalsozialistischen Judengesetzgebung die praktische Schwierigkeit auftrat, dass die zuständigen Instanzen über keine zuverlässige Möglichkeit verfügten, um einen Juden als solchen erkennen und entsprechend behandeln zu können. In vielen Fällen, das heißt insbesondere bei Mischehen, früheren Glaubensübertritten und einem erheblich variierenden Grad der Assimilation stellte es sich als unmöglich heraus, den jüdischen „Rasseanteil“ einer Person exakt zu quantifizieren. Das hatte eine erhebliche Rechtsunsicherheit zur Folge, über die Justiz und Verwaltung beständig Klage führten. Die immensen Probleme bereits bei der Formulierung und dann bei der weiteren Ausgestaltung der Nürnberger Gesetze machen deutlich, wie wenig es der Legislative gelang, geeignete Kriterien zur Bestimmung der „jüdischen Rasse“ zu entwickeln und juristisch zur Anwendung zu bringen.
Ein charakteristisches Beispiel für die strukturellen Defizite des nationalsozialistischen Rassenrechts ist der Fall des „Halbjuden“ Otto Citron, der 1935 an der Eberhard Karls Universität Tübingen Germanistik zu studieren begonnen hatte. Citron stammte aus einer seit langem assimilierten jüdischen Familie, war christlich getauft und gehörte wie seine Eltern der evangelischen Kirche an. Nachdem er im April 1934 in Berlin sein Abitur absolviert hatte, stand er vor dem Problem, dass er sich an der dortigen Friedrich-Wilhelms-Universität nicht einschreiben konnte, weil die vom Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen geforderte Aufnahmequote bereits überschritten war. Die Tatsache, dass an der Universität Tübingen weder das Aufnahmequorum von anderthalb, noch der allgemeine Numerus clausus von maximal fünf Prozent jüdischer Studierender erreicht wurde, ermöglichte es Citron, an der württembergischen Landesuniversität ein Germanistikstudium aufzunehmen. Da sich die geplante Promotion bei dem Literaturwissenschaftler Paul Kluckhohn (1886 – 1957) als nicht durchführbar erwies, wechselte Citron 1937 an die Universität Bonn. Die Bonner Verwaltung nahm nun allerdings Anstoß an dem aus ihrer Sicht zu hohen jüdischen Blutsanteil Citrons und fragte in Tübingen nach, wie es sein konnte, dass Citron unter diesen Umständen der Status eines „Mischlings“ zuerkannt und ihm sogar ein Studentenausweis ausgestellt worden war. Daraufhin setzte die Eberhard Karls Universität intensive Nachforschungen in Gang, die darauf hinausliefen, Citron eine Betrugsabsicht bei der Ausfüllung seiner Ariernachweise zu unterstellen. Citron habe falsche Angaben über seine in Polen geborene Großmutter gemacht und sich erdreistet, diese als Nichtjüdin auszugeben. Erst dadurch sei es ihm möglich gewesen, bei nur einem arischen Großvater den Status eines Halbjuden zu erlangen. Zu seiner Rechtfertigung setzte Citron am 14. Dezember 1937 ein ausführliches Schreiben an die Universität Tübingen auf, in dem er auf die frühere Gesetzeslage verwies, nach der seine „nichtvollarische“ polnische Großmutter nun einmal als Nichtjüdin zu gelten hatte:
„Diese Formulierung entstand, weil es zu diesem Zeitpunkt vor den Nürnberger Gesetzen nur die Scheidung zwischen Vollarier und Nichtarier aller Nuancen gab. Den zweiten Ahnennachweis habe ich nach Erlaß der Nürnberger Gesetze ausgefüllt und aus der nun hinfällig gewordenen Anmerkungsspalte jede Notiz weggelassen. Denn die halbarische Abstammung meiner Großmutter belastet mich nur mit einem Achtel, das zu den 50 % hinzukommend, mir einen 5 / 8 nichtarischen Blutanteil zuweist. Nach den Ausführungsbestimmungen der Nürnberger Gesetze, die ich vor Abgabe eines mündlichen oder schriftlichen Tatbestandes genauestens eingesehen habe, werden die 5 / 8 Leute zu den Halbariern geschlagen und es gilt für sie das gleiche. Das nämliche gilt für die 3 / 8 Leute, sie zählen zu den Viertel-Leuten. Eine Täuschung oder Umgehung der Gesetze lag mir also vollkommen fern.“1
Der in der Literatur schon öfters aufgegriffene Fall Otto Citrons belegt in eindrucksvoller Weise die Schwierigkeiten der nationalsozialistischen Rassenklassifikation. Es ließe sich noch eine Vielzahl weiterer Beispiele anführen, um die inneren Widersprüche und willkürlichen Zuschreibungen aufzuzeigen, die sich mit dem ideologischen Konstrukt einer „jüdischen Rasse“ verbanden. Warum ein Glaubenswechsel der Vorfahren den Rassenstatus eines Menschen veränderte, blieb ebenso unerklärlich wie eine rassische Besserstellung, die man als Bonus für die Teilnahme am Ersten Weltkrieg oder für andere nationale Verdienste erlangen konnte. Bei den so genannten Ehrenariern, die aufgrund persönlicher Beziehungen zu hohen NS-Funktionären von ihrer „jüdischen Rassenzugehörigkeit“ eximiert wurden, trat das Moment der Willkür besonders krass zutage. Nur ihre geringe Zahl verhinderte es, dass es zu größeren Unmutsbekundungen kam. Die konkrete Anwendung der Rassengesetze ließ sich wie ihre theoretische Begründung oft nur unter Zuhilfenahme einer haarsträubenden Rabulistik bewerkstelligen. Selbst die auf höchster Ebene im Reichsinnenministerium erstellten Denkschriften überboten sich an Formulierungen, die in sich unschlüssig waren und jeglicher Logik entbehrten. In einer von Hans Globke (1898 – 1973) im November 1935 erarbeiteten Stellungnahme heißt es etwa:
„Die Entscheidung darüber, ob ein Deutschblütiger (Mann oder Frau), der durch Heirat Jude geworden ist, nach Auflösung der Ehe wieder Deutscher werden kann, ist (...) von dem Zufall abhängig, auf welches Datum der Tod des Ehegatten oder eines Kindes fällt: (...) Ein Deutschblütiger, dessen einziges Kind die jüdische Mutter überlebt, wenn auch nur kurze Zeit (Tod der Mutter und des Kindes im Wochenbett!), bleibt Jude. Stirbt das Kind aber kurz vor der Mutter, so wird der Mann wieder Deutscher.“2
Eine „Beweisführung“ dieser Art erblühte im Irrgarten der Rassenlogik an allen Ecken und Enden und blieb nicht auf einen extremen Rassenfanatiker wie Globke beschränkt.3 In zahllosen Fällen mangelnder Eindeutigkeit bedurfte es einer ausgeklügelten Sophistik, um den jüdischen Blutsanteil eines Menschen zu taxieren und politisch zu bewerten. Auch die Nürnberger Gesetze brachten hier keine grundsätzliche Änderung. Die von ihnen suggerierte Rechtsverbindlichkeit entpuppte sich sehr schnell als Farce und wurde in der Praxis permanent ad absurdum geführt. Wenn gar nichts mehr half, nahm man eben seine Zuflucht zur Beweiskraft des Augenscheins. Als im Sommer 1940 in Hamburg ein jüdischer Lebensmittelhändler wegen Verstoßes gegen die Kriegswirtschaftsverordnung und das Eheverbot zum Tode verurteilt wurde, geriet auch seine „deutschblütige“ Gattin ins Visier des Hanseatischen Sondergerichts. Um der Ehefrau nachweisen zu können, dass sie von der jüdischen Abstammung ihres Mannes wusste, begaben sich die Hamburger Richter auf eine Dienstreise nach Wien, wo sie die Delinquentin befragten. Dem hierüber angefertigten Protokoll lässt sich entnehmen, dass die Richter bereits an einem Kindheitsbild die „jüdische Rassenzugehörigkeit“ des Angeklagten festzustellen vermochten. Auch die Ehefrau hätte durch ihr äußeres Erscheinungsbild und ihr Verhalten einen ausgesprochen jüdischen Eindruck gemacht.4
Die verheerenden, nicht selten tödlichen Konsequenzen der nationalsozialistischen Rassengesetzgebung wurden ebenso wie ihre Absurdität in der Literatur schon häufiger thematisiert. So verständlich die Konzentration auf einzelne Schicksale und auf den von ihnen so einprägsam zum Ausdruck gebrachten Wahnwitz der Rassenideologie auch sein mag, besteht dabei doch eine gewisse Gefahr, die grundsätzliche Frage aus den Augen zu verlieren, auf welche Weise es dem deutschen Gesetzgeber überhaupt gelingen konnte, das Judentum als eine rassische Entität zunächst ein- und dann auszugrenzen. Ohne vorherige Zuordnung der Juden zu einer Bluts- und Rassengemeinschaft wäre ihre Verfolgung sicher nicht möglich gewesen. Wie aber kam es zu dieser Vereinheitlichung und worauf stützte sie sich? Selbst in einer so ausgezeichneten Arbeit wie der von Cornelia Essner wird nicht näher darauf eingegangen. In einem speziellen Unterkapitel über „Die Bedeutung des Religionskriteriums“ erfährt man zwar viel über die Schwierigkeiten der Justiz bei der Anwendung des Judenbegriffs, aber so gut wie nichts über den elementaren Zusammenhang von „jüdischer Rasse“ und jüdischer Religion.5 Woran erkannten die deutschen Behörden einen „Rassejuden“, wenn nicht an seiner Religion? Wie unterschieden sie ihn von einem Angehörigen der deutschen oder arischen Rasse, wenn nicht anhand der althergebrachten und lange internalisierten Entgegensetzung von Judentum und Christentum?
Weil „Mischlinge“ und „christliche Nichtarier“ in besonderer Weise der Rechtsunsicherheit ausgeliefert waren, wird ihr Schicksal seit einigen Jahren ebenfalls verstärkt wahrgenommen. Allerdings steht auch hier in der Regel die Darstellung individueller Biographien im Vordergrund. Der politische, historische und religionsgeschichtliche Kontext findet in diesen Studien dagegen nicht immer genügend Beachtung. Zum Teil mangelt es ihnen auch an einer fundierten Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Rassenideologie, deren Aporien unbesehen übernommen werden. Ein besonderes Beispiel für die unzulässige Vermischung rassischer und religiöser Argumente ist die Seligsprechung der katholischen Ordensschwester Edith Stein (1891 – 1942), die als Angehörige der „jüdischen Rasse“ im August 1942 in Auschwitz ermordet, aber als katholische Nonne und Märtyrerin 1987 selig und 1998 heilig gesprochen wurde. Stein hatte nach ihrer Doktorarbeit bei Edmund Husserl im Jahr 1917 vergeblich versucht, an einer deutschen Universität Fuß zu fassen. Als Jüdin wurde sie trotz ausgezeichneter Begabung weder in Freiburg, noch in Göttingen und Breslau zur Habilitation zugelassen. Infolge der nationalsozialistischen Rassengesetze erhielt sie 1933 Lehrverbot und musste ihre Stelle am katholischen Institut für wissenschaftliche Pädagogik an der Universität Münster aufgeben. Obgleich Stein bereits 1922 unter dem Einfluss Max Schelers zum Katholizismus übergetreten war, wurde sie 1942 wie drei ihrer Geschwister als Jüdin und nicht als Christin aus dem besetzten Holland nach Auschwitz deportiert und in Birkenau vergast. Die Nationalsozialisten töteten sie nicht wegen, sondern trotz ihrer Taufe. Aus psychologischen Gründen mag der Wunsch nach christlichen Opfern der Schoah verständlich sein. Er geht aber an der Wirklichkeit der nationalsozialistischen Rassenpolitik vorbei und negiert den Tatbestand, dass Edith Stein ihr auch ohne Konversion zum Opfer gefallen wäre.
Eine in dieser Hinsicht vergleichbare Interpretation findet sich auch auf evangelischer Seite. Viele Arbeiten über die „christlichen Nichtarier“ stellen den Aspekt der Verfolgung in den Vordergrund, ohne die historische Dimension und die Komplexität des Rassendiskurses ausreichend zu berücksichtigen. So entsteht der Eindruck, als handle es sich hier um evangelische Opfer des nationalsozialistischen Rassismus, was nur sehr bedingt zutrifft. Zudem hatte sich die Kirche für ihre von den Rassengesetzen betroffenen Mitglieder nicht deswegen eingesetzt, weil sie unter NS-Gesichtspunkten zu einem bestimmten Grad als Juden galten. Sofern sie Unterstützung erfuhren, geschah dies vielmehr aufgrund der Tatsache, dass sie (oder ihre Vorfahren) zum Christentum übergetreten und deshalb in religiöser Hinsicht gerade keine Juden mehr waren. Es wäre völlig verfehlt, von einem Eintreten für die Judenchristen auf eine judenfreundliche Einstellung zu schließen. Die Kirchenführer beider Konfessionen dachten nicht im Entferntesten daran, ihre Stimme zur Verteidigung der Juden zu erheben. Dem nationalsozialistischen Staat wurde auch von kirchlicher Seite zu keinem Zeitpunkt das Recht bestritten, eine Lösung des „Judenproblems“ in seinem Machtbereich herbeizuführen. Kam es zum Streit, dann nicht über die grundsätzliche Rechtmäßigkeit der nationalsozialistischen Judengesetzgebung, sondern über die Frage, inwieweit der staatliche Arierparagraph kirchliche Belange und Interessen tangierte.
Dass die Religionszugehörigkeit bei der Segregation der deutschen Juden eine entscheidende Rolle spielte, wird auch an der kirchlichen Amtshilfe ersichtlich, die in großem Umfang bei der Ausstellung der Ariernachweise geleistet wurde. Über die amtliche Feststellung der Zugehörigkeit zur arischen Rasse wurde ein erheblicher Druck auf die Bevölkerung ausgeübt, sich zur deutschen Blutsgemeinschaft zu bekennen und sich auf diese Weise vom deutschen Judentum abzugrenzen. Einer zeitgenössischen Quelle zufolge wurden allein in den ersten beiden Jahren der NS-Herrschaft 12,5 Millionen Kirchenbuchauszüge angefertigt.6 Die evangelischen Kirchen leisteten dabei tatkräftig Mithilfe und stellten sich freudig in den Dienst einer guten und wichtigen Sache, wie es in einer offiziellen Werbebroschüre hieß.7 Bezeichnete das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums in der ersten Durchführungsverordnung vom 11. April 1933 mit Nichtariern Personen, die von „nicht arischen, insbesondere jüdischen Eltern oder Großeltern“ abstammten, spezifizierten die Nürnberger Gesetze zweieinhalb Jahre später die Zugehörigkeit zur „jüdischen Rasse“ auf „mindestens drei der Rasse nach volljüdische Großeltern“. Zwei jüdische Großelternteile machten aus einem deutschen Staatsbürger einen „Halbjuden“ oder „jüdischen Mischling ersten Grades“, ein jüdischer Großelternteil einen „Vierteljuden“ oder „Mischlinge zweiten Grades“. Um sich bescheinigen zu lassen, dass man der arischen und nicht der „jüdischen Rasse“ angehörte, war für den „kleinen“ Ariernachweis die Vorlage von sieben Geburtsurkunden erforderlich: außer der eigenen die der Eltern und der vier Großeltern. Für den großen Ariernachweis, der für einen Parteieintritt und bestimmte Berufe benötigt wurde, musste die arische Abstammung bis 1800 zurück nachgewiesen werden. SS-Bewerber hatten die Reinheit ihres Blutes bis zum Jahr 1750 zu dokumentieren. Weil die Einführung einer gesetzlich vorgeschriebenen Beurkundung des Personenstandes in Preußen erst 1874 und reichsweit erst 1876 erfolgte, konnte der Nachweis der arischen Rasse vielfach nur über die Kirchenbücher geführt werden. Der gesetzliche Zwang zur Feststellung einer arischen oder „jüdischen Rassenzugehörigkeit“ erwies sich als ein außerordentlich wirksames Mittel, um die deutschen Juden als „fremdrassig“ zu stigmatisieren und sie auf pseudolegalem Wege ihrer bürgerlichen Rechte zu berauben. Letzten Endes hing von den Einträgen im Ahnenpass die Entscheidung über Leben und Tod ab.
Selbstverständlich wurde in den Ahnentafeln aber nicht die Rasse, sondern die Religion eines Menschen verzeichnet und urkundlich beglaubigt. Das Instrument des Ariernachweises bestand aus nichts anderem als aus umgeschriebenen Tauf- oder Konfessionsverzeichnissen. Die nationalsozialistischen Gesetze und die sie begleitenden politischen Verlautbarungen mochten noch so sehr auf das Blut und die genealogische Erbfolge abheben. Außer der Religion stand dem Staat absolut nichts zur Verfügung, um herauszufinden, ob seine Bürger der jüdischen oder der arischen „Rasse“ angehörten. Trotz oder vielmehr wegen der Inkonsistenz des auf einem religiösen Kriterium basierenden Rassennachweises löste die Notwendigkeit, Informationen über die Rassen- respektive Religionszugehörigkeit zu erlangen, einen Boom an genealogischen Nachforschungen aller Art aus. Um sich einen genaueren Überblick über die rassenmäßige Zusammensetzung der deutschen Bevölkerung zu verschaffen, nahmen die Behörden in die am 17. Mai 1939 durchgeführte Volkszählung eine zusätzliche Frage nach der rassischen Abkunft auf. In die dem Zensus beigegebene Ergänzungskarte hatte man entsprechende Angaben über die Abstammung der Vorfahren einzutragen. Die Erläuterung dazu lautete bezeichnenderweise: „Maßgebend ist allein die rassenmäßige, nicht die konfessionelle Zugehörigkeit. Auch Glaubensjuden haben ihre der Rasse nach volljüdischen Großeltern anzugeben.“8 Eine solche Formulierung nahm die Juden gewissermaßen in Beweispflicht, sich selbst zu Rassejuden zu erklären. Aber auch dieser Trick konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier lediglich nach der Religion gefragt und die Antwort darauf als Beleg für eine „jüdische Rassenzugehörigkeit“ ausgegeben wurde.
Die von der Gestapo und dem SD bei den Israelitischen Kultusgemeinden und der Reichsvertretung bzw. der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland angestellten Nachforschungen zielten ebenfalls darauf ab, Aspekte der Konfessionszugehörigkeit, etwa das Bezahlen von Mitgliedsbeiträgen oder eine Auflistung der Ausgetretenen, in statistisches Informationsmaterial über die „jüdische Rasse“ umzuwandeln. Eine aus dem Vorjahr der Volkszählung stammende Stellungnahme des SD mit dem holprigen Titel „Die derzeitige Erfassung der Juden in Deutschland durch die verschiedenen Behörden, Institute und Ämter und ihre Auswertungsmöglichkeit bei der endgültigen Aufstellung der Judenkarteien“ beschreibt detailliert, welche Quellen dem Sicherheitsdienst für den Aufbau einer Reichsjudenkartei zur Verfügung standen. Auch in diesem Dokument wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich die anstehende Volkszählung nicht nur auf die Religionszugehörigkeit, sondern gerade auf die „blutmäßige Abstammung“ erstrecken werde.9 Zusammen mit den Daten, die aus unterschiedlichsten Anlässen erhoben und ebenfalls in diverse Judenkarteien aufgenommen wurden, gewannen die Behörden im Laufe der Zeit ein umfassendes Bild des deutschen Judentums. Registrierungsmöglichkeiten ergaben sich etwa über die Koppelung der Personenstandsaufnahme durch die Einwohnermeldeämter mit einer polizeilichen Erfassung oder bei der Einführung besonderer Kennkarten, in die seit dem 1. Januar 1939 die Zwangsvornamen Sara und Israel eingetragen werden mussten.10 Von daher standen dem NS-Staat bereits vor der Volkszählung im Mai 1939 eine Vielzahl an Informationen zur Verfügung, die eine reichsweite Erfassung der Juden und eine gezielte Rasterfahndung ermöglichten. Anhand dieser Daten ließ sich die Auswanderung der Juden vorantreiben und im nächsten Schritt auch die Erstellung der Deportationslisten vornehmen.
In eigens dafür geschaffenen Einrichtungen wie dem Amt für Sippenforschung der NSDAP, dem Rasse- und Siedlungshauptamt der SS oder der beim Reichsministerium des Innern angesiedelten Reichsstelle für Sippenforschung beschäftigte man sich intensiv mit ahnenkundlichen Problemstellungen. Konnte sich bereits die Erschließung der einfachen Religions- und Verwandtschaftsverhältnisse der Vorfahren als außerordentlich schwierig gestalten, erforderte eine Fülle von Grenz- und Zweifelsfällen die besondere Aufmerksamkeit der in diesen Institutionen tätigen Rassenexperten. Einen Juden versehentlich als Arier durchgehen zu lassen, war weniger problematisch, als einen deutschblütigen Arier, womöglich Parteimitglied, wegen seines jüdischen Aussehens für einen „Judenstämmling“ auszugeben. Um weniger hart von den antisemitischen Maßnahmen des NS-Staates getroffen zu werden, gaben viele „Mischlinge“ an, von einem außerehelichen, nichtjüdischen Vater abzustammen. Wie konnten solche offenkundigen Schutzbehauptungen entkräftet werden? Was tun, wenn die angeforderten rassenbiologischen Gutachten nicht eindeutig waren oder, was oft genug vorkam, sich gegenseitig widersprachen? Wie mit unehelich geborenen, mit adoptierten oder Findlingskindern verfahren? War es angängig, einer arischen Ehefrau nach der Scheidung von ihrem jüdischen Gatten die Rückkehr in den deutschen Blutsverband zu verwehren? Welche Konsequenzen ergaben sich aus der Konversion, der Wiederverheiratung oder dem Tod eines Ehepartners für die rassische Einstufung der Kinder?11 Durch den gesamten Mischlingskomplex zogen sich Fragen dieser Art, die den Rassensachverständigen erhebliche, häufig unüberwindbare Probleme bereiteten. Einerseits konnte eine Objektivierung der Abstammung nur über die Religion erfolgen, andererseits erbrachte die sippenkundliche Ahnenforschung in vielen Fällen alles andere als eindeutige Resultate. Oft fehlte es an zuverlässigen Informationen über die Religion der Vorfahren, und nicht selten hatte ein vielleicht sogar mehrfacher Partnerwechsel eine derart unübersichtliche Situation geschaffen, dass es vom Zufall oder dem subjektiven Eindruck abhing, ob die mit einem konkreten Fall befassten Richter den Daumen hoben oder senkten.
Wie auch immer man mit der strukturellen Antinomie des nationalsozialistischen Rassenrechts umging, so blieb das Religionskriterium doch der einzige Ansatzpunkt für eine rassische Bestimmung, sei es der eines Juden oder der eines Ariers, sei es auf direktem Wege oder via Umkehrschluss. Auch der Nachweis einer arischen Abstammung konnte auf keine andere Weise als über die Konfessionszugehörigkeit der Eltern und Großeltern geführt werden. Waren diese christlich getauft und hatten einer der beiden Kirchen angehört, bedeutete das für ihre Nachkommen die Eintrittskarte in den arischen Rassenverband. Selbst so wenig dem körperlichen Idealbild eines Ariers entsprechende Nationalsozialisten wie Joseph Goebbels und Hermann Göring verdankten ihren Rassenadel dem Taufschein ihrer Ahnen. Auch ausgesprochene Kirchenfeinde wie Alfred Rosenberg und Martin Bormann konnten nur wegen des christlichen Glaubens ihrer Vorfahren Mitglied der arischen Blutsgemeinschaft werden. Interessanterweise bewirkte die Abkehr vom Christentum und der Austritt aus der Kirche auch nur dann eine Änderung der Rassenverhältnisse, wenn sich damit ein Übertritt zum Judentum verband. Deshalb konnte man zwar als Nichtchrist, Neuheide oder Angehöriger irgendeiner anderen Religionsgemeinschaft Reichsbürger, das heißt nach der ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935 Staatsangehöriger deutschen oder artverwandten Blutes sein, nicht aber als Jude. Die Frage nach dem rassischen Status von Nichtchristen erlangte aber keine größere Bedeutung, weil während der ganzen Zeit des Dritten Reiches 95 Prozent der deutschen Bevölkerung einer der beiden christlichen Konfessionen angehörten. Der Normalbürger legte einfach seine Taufbescheinigungen vor und war damit aus dem Schneider. Gelang ihm das nicht, kamen Probleme auf ihn zu, die desto größer waren, je weniger Taufscheine er vorweisen konnte. Man mag es drehen und wenden wie man will, um während des Dritten Reiches Mitglied der arischen Rassengemeinschaft zu sein, bedurfte es einer Beglaubigung durch das Taufsakrament. Die Annahme, dass im Rassenantisemitismus der Nationalsozialisten die Religion durch ein biologisches Kriterium außer Kraft gesetzt worden wäre, ist bereits vom Ansatz her verfehlt. Die Rasse konnte schon deswegen nicht über der Taufe stehen, weil nichts anderes als die Taufe die Rasse bestimmte.
Der Gegensatz zwischen einem auf Legalität angewiesenen modernen Staatswesen und einer Rassenpolitik, die den Gedanken der allgemeinen Rechtsverbindlichkeit so frappierend missachtete, kennzeichnete die Behandlung der Juden im nationalsozialistischen Deutschland von Beginn an. Trotz aller Willkür, die der Staat den Juden angedeihen ließ, musste ihm aber zumindest auf der ideologischen Ebene und mit Rücksicht auf das Ausland daran gelegen sein, seine antisemitische Politik nicht nur als berechtigt, sondern auch als rechtens darzustellen. Niemals hätte sich die Verfolgung der Juden mit der Behauptung eines besonderen Rechts auf Unrecht begründen lassen. Auch der nationalsozialistische Unrechtsstaat benötigte einen Legitimitätsdiskurs, der zumindest den Anschein der Rechtsförmigkeit wahrte. Diesem Zweck dienten die Nürnberger Gesetze. Sie waren Ausdruck einer vor dem Krieg durchgängig angewandten Legalitätsstrategie, die vorgab, den Juden das ihnen zustehende Maß an Rechtssicherheit zu gewähren und das deutsch-jüdische Verhältnis insgesamt auf eine tragfähige juristische Grundlage zu stellen. Die Propaganda behauptete sogar, die Situation der Juden in Deutschland würde sich dadurch verbessern und der Hass auf sie nachlassen.12 Dabei beruhte die gesamte Konstruktion eines besonderen Judenrechts auf der Vorstellung, dass es sich bei der „jüdischen Rasse“ um eine objektive Gegebenheit und eine wissenschaftlich bewiesene Tatsache handelte. Auf keinen Fall durfte die antisemitische Gesetzgebung mit religiösen, das heißt mit subjektiven und offenkundig vormodernen Argumenten begründet werden, sollte der Schein der Legitimität gewahrt bleiben. Ohne die Annahme, einem objektiven Sachverhalt Rechnung zu tragen, wäre die Judenverfolgung großen Stils schwerlich durchsetzbar gewesen oder zumindest auf einen nennenswerten Widerstand gestoßen. Die Judenpolitik des Dritten Reiches hing deshalb in elementarer Weise von der angenommenen Wissenschaftlichkeit des Rassenbegriffs ab, der aber selbst wiederum in einer engen Beziehung zur Religion stand. Wegen des symbiotischen Verhältnisses von Rasse und Religion muss auch die Entstehung einer nationalsozialistischen Judenwissenschaft im Zusammenhang mit der allgemeinen Religionsentwicklung gesehen werden. Die nachträgliche, nur allzu berechtigte Kritik an der Unhaltbarkeit rassischer Vorstellungen hat es oft verhindert, ihre subjektive Plausibilität zu verstehen und ihre innere Strukturlogik angemessen zu analysieren.
Der Aufschwung, den die universitäre Rassenkunde nach 1933 nahm, kam alles andere als überraschend. Vor allem in den naturwissenschaftlichen Fächern wurden erhebliche Anstrengungen unternommen, um die Existenz einer jüdischen bzw. arischen „Rasse“ samt den dazugehörigen rassischen Eigentümlichkeiten nachzuweisen. Die Umschichtung erheblicher Finanzmittel ermöglichte eine intensive rassenkundliche Grundlagenforschung, die dem Einfluss der Rasse auf das menschliche Leben insgesamt nachging. An den Universitäten entwickelte sich die Idee der Rasse rasch zu einer neuen Leitkategorie, die wegen ihrer gesellschaftspolitischen Relevanz eine enorme Anziehungskraft ausübte. Politischer Opportunismus, berufliches Karrierestreben und der ehrliche Wunsch, auf einem für die deutsche Nation so wichtigen Sektor einen eigenen Beitrag zu leisten, gingen vielfach Hand in Hand. Doch ungeachtet der massiven Konzentration auf die Rassenforschung zeigten sich weder die anthropologischen, noch die biologischen und medizinischen Fächer in der Lage, irgendwelche materialen Rasseeigenschaften herauszuarbeiten. Die angenommenen Eigenschaften der jüdischen Rasse ließen sich fatalerweise auch bei den Ariern feststellen, wie es umgekehrt genug groß gewachsene Juden ohne Judennase, dafür aber mit blauen Augen und blonden Haaren gab. Eine Ausdehnung des Forschungsspektrums auf die Funktion und die einzelnen Bestandteile des Blutes, auf die Blutgruppen, die Hautleisten oder die Hautfarbe führte so wenig zu wissenschaftlich gesicherten Resultaten, wie die Rückkehr zur Kraniologie (Schädelvermessung) des 19. Jahrhunderts. Weder die Humanbiologie, noch die biologische Anthropologie, die Vererbungslehre, die Erbpathologie oder die Ahnen- und Sippenkunde brachten einen greifbaren Fortschritt im Hinblick auf das zentrale Problem der Rassendifferenz zwischen Juden und Ariern. Was man konkret unter einem semitischen Blut oder einer jüdischen Erbmasse zu verstehen hatte und welche körperlichen Merkmale tatsächlich einem Vertreter der „jüdischen Rasse“ eigneten, blieb gänzlich im Bereich der Spekulation, ohne dass sich dafür ein irgendwie gearteter Beweis erbringen ließ.
Das Dilemma des NS-Staates, den Nachweis der jüdischen oder arischen „Rasse“ nur über die Konfessionszugehörigkeit führen zu können, das heißt, für eine moderne Problemstellung nur ein vormodernes Kriterium zur Verfügung zu haben, blieb bestehen und konnte trotz der von den Naturwissenschaften unternommenen Anstrengungen nicht aufgelöst werden. Auch der Topos der „jüdischen Mischrasse“ brachte hier keine Abhilfe. Er vergrößerte das Problem sogar noch, weil das Judentum an seinen Rändern immer unbestimmbarer wurde. Wie sollte der Prozentsatz jüdischen Blutes gemessen werden, das durch die Adern eines „Mischlings“ floss, wenn man nicht einmal wusste, woraus sich das Blut eines Juden im Unterschied zu dem eines Ariers zusammensetzte? Woran konnte man nun aber einen Juden erkennen und im Zweifelsfall von einem Nichtjuden unterscheiden? Das offenkundige Versagen der somatischen Rassenlehre, auf diese entscheidende Frage eine halbwegs seriöse Antwort zu geben, spielte den Ball wieder auf das Gebiet des Geistigen und in den Bereich der Geisteswissenschaften zurück. Wenn sich schon keine körperlichen Eigenschaften der jüdischen Rasse nachweisen ließen, so doch wenigstens ihre geistigen. Von daher war es nicht verwunderlich, dass die Idee der Rasse auch in den geisteswissenschaftlichen Disziplinen prosperierte und dass die so genannte „Judenfrage“ in ihren wissenschaftlichen Arbeitsplan aufgenommen wurde. So viele Aspekte das „Judenproblem“ im Laufe der Zeit angenommen hatte, so viele judenkundliche Arbeitsfelder eröffneten sich jetzt. Den mit ihnen befassten Fächern oblag es, aus der geschichtlichen Entwicklung des Judentums „jüdische Rasseeigenschaften“ abzuleiten und als wissenschaftliche Fakten darzustellen.
Der Blick auf die Vorlesungsverzeichnisse der deutschen Universitäten lässt eine deutliche Zunahme an geisteswissenschaftlichen Lehrveranstaltungen erkennen, die über das allgemeine Rassenthema hinaus spezielle Gesichtspunkte der „Judenfrage“ zum Gegensand der Erörterung machten. Im direkten Anschluss an die Vertreibung der jüdischen Hochschullehrer forcierte das Reichserziehungsministerium die Etablierung einer neuen, genuin nationalsozialistischen Judenforschung nach Kräften. Seit Mitte der 1930er Jahre vergaben das Berliner Ministerium und die ihm nachgeordneten Instanzen auf Länder- und Universitätsebene vermehrt Lehraufträge, die sich mit Teilaspekten des „Judenproblems“ befassten. Zwar wurde aus außenpolitischen Erwägungen in den Lehrauftragsbenennungen und im offiziellen Schriftverkehr das Wort Antisemitismus tunlichst vermieden. Doch bestand kein Zweifel daran, dass der stattdessen gebrauchte Terminus „Judenfrage“ eine wissenschaftliche Erforschung des Judentums in antisemitischer Absicht bedeutete. Neben Vorlesungen, Seminarveranstaltungen und Konferenzen zu judenkundlichen Themen wurde eine große Zahl an Forschungs- und Dissertationsvorhaben initiiert, die sich mit allen nur denkbaren Facetten des Judentums in Geschichte und Gegenwart befassten. Publikationen zum „Judenproblem“ erschienen nun in rascher Abfolge und in hoher Auflage. Auch außerhalb des eigentlichen Universitätsbetriebes entstanden Institutionen, die sich in wissenschaftlicher Weise mit der „Judenfrage“ beschäftigten. Diese neue Theoretisierung des „Judenproblems“ entwickelte sich zu einem eigenständigen Forschungsgebiet, das einen zunehmend autonomen Charakter annahm. Dass sich an mehreren Universitäten schließlich sogar die Errichtung spezieller Professuren zum „Studium der Judenfrage“ abzeichnete, macht deutlich, welche Bedeutung die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Problem der jüdischen Rasse gewonnen hatte. Zum Ausgangspunkt des Problems zurückkehrend, stellte man an der Universität Tübingen die Religion der Juden in den Mittelpunkt der wissenschaftlichen Arbeit. Es war kein Zufall, dass Forscher dieser Universität, die am weitesten ad fontes zurückkehrten, auch beim Studium der „Judenfrage“ am weitesten voranschritten.