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Ein langer Marsch. Der Arbeitsalltag im Flüchtlingsverein. Teil 1 Ute Bock in Zitaten

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„Ich lasse Obdachlose nicht auf der Straße schlafen. Ich telefoniere jeden Tag zwei Stunden lang, weil ich nicht will, dass das passiert.“


„Wenn ich für einen Einzigen eine Krankenversicherung brauche, telefoniere ich manchmal den halben Tag herum.“

Ich möchte einige Episoden aus Utes Arbeitsalltag erzählen, die zeigen, wie stark sie manchmal gefordert war und dass sie hin und wieder auch ziemlich schroff und forsch werden konnte. Sie hat mit mir über ihre Erlebnisse am Ende langer Arbeitstage gesprochen, an denen ihr mit der Arbeit wenig gelungen, so manches schiefgelaufen war, sie Streit mit der Behörde und Diskussionen mit Anrainern hatte, kurz und gut, an harten Tagen, an denen sie drauf und dran war, aus der Haut zu fahren und am liebsten alles hingeschmissen hätte. Natürlich gab es auch Arbeitstage, die von Erfolgen gekrönt waren. Dann erzählte sie von der Dankbarkeit ihrer Schützlinge, wie die sich freuten, wenn ihnen der Verein weiterhelfen konnte.

Eines Tages saß Ute an ihrem Schreibtisch im Vereinsbüro im 2. Bezirk. Es klopfte an der Tür, ein Afrikaner betrat das Büro. Das war nichts Ungewöhnliches, viele Afrikaner kamen in den Verein, um sich beraten und unterstützen zu lassen. Etliche waren bei ihr als obdachlos gemeldet, das heißt, falls sie Post bekamen, dann an diese Vereinsadresse. Sie mussten sich ihre Post regelmäßig abholen.

Der Afrikaner begrüßte Ute Bock mit »Mama Bock«. Auch das taten viele. »Mama Bock« war ein liebevoller Ausdruck dafür, wie gern die meisten sie hatten. Der Afrikaner legte Ute ein Schriftstück vor und ersuchte sie, ihm weiterzuhelfen. Bei dem Schriftstück handelte es sich um einen Brief von der Polizei, worin der Afrikaner zu einer Einvernahme vorgeladen wurde. Ute hatte den Brief vor sich liegen und las ihn durch. Dann wandte sie sich an den jungen Afrikaner.

»Ja, die wollen dich einvernehmen«, sagte sie, ohne von dem Schriftstück aufzublicken. »Das ist nur eine Einvernahme.«

Der Afrikaner nickte und murmelte etwas.

»Urkundenfälschung«, las Ute, und jetzt blickte sie dem Burschen in die Augen. »Da steht: wegen Urkundenfälschung.«

»Wie bitte?«, fragte der Afrikaner.

»Urkundenfälschung«, wiederholte sie.

Der Schwarze noch einmal: »Wie bitte?«

»Urkunde«, sagte Ute Bock geduldig. »Urkunde, das ist so etwas wie ein Pass. Verstehst du, ein Pass?«

»Ja«, murmelte er, »die Polizei sagt, ich muss kommen. Ich weiß nicht.«

»Du musst auf jeden Fall dorthin gehen, die fragen dich nur. Die fragen dich: Ist das gefälscht? Wo hast du das her? Ich weiß nicht, worum geht es überhaupt? Um einen Pass? Was hast du gefälscht?«

Der Afrikaner murmelte etwas.

»Was meinst du? Ich verstehe dich nicht«, sagte Ute laut.

»Berth Zertifikat«, sagte er in vernudeltem Englisch.

»Was?«

»Berth Zertifikat.«

Jetzt verstand sie. »Ach so, eine Geburtsurkunde.«

»Ja«, sagte er erleichtert. »Ja, Geburtenkunde.«

»Und die ist gefälscht?«, fragte Ute direkt.

Er wich ihrem Blick aus. »Ja«, murmelte er, »die Polizei sagt.«

»Also ist sie gefälscht.«

»Nein.«

»Also …«, fuhr sie fort und legte eine Pause ein, um ihm Zeit für die Wahrheit zu geben. Denn sie wusste: Wer unter großem Zeitdruck steht, lügt leichter. »Also, ist sie gefälscht oder ist sie nicht gefälscht?«

Der Afrikaner dachte eine Sekunde nach und sagte dann bestimmt: »Nein, nicht gefälscht.«

Somit war für Ute klar: »Und genau das sagst du zu denen. Dann sagst du, du möchtest bitten, dass sie das … du bist aus … Nigeria, stimmt das?«

Der Bursche nickte. »Ja.«

»Du möchtest bitten, dass die Botschaft das anschauen muss.«

Jetzt wurde der Mann erregter. »Die Botschaft hat mir eine Stamp … Ich habe eine Stamp …« Er machte dabei die Handbewegung beim Stempeln nach.

Ute Bock beruhigte ihn. »Es passiert dir nichts. Schau, geh dorthin und sage, wie es ist. Aber nicht so …« Sie ahmte das Brusttrommeln eines Gorillas nach. »Sondern ruhig, nett und freundlich. Ja? Schaffst du das?«

»Ja. Danke.«

»Wie alle Afrikaner, ja?« Jetzt sah sie ihn über ihren Brillenrand hinweg kurz ernst an und lächelte dann.

Der Afrikaner jedoch gab sich nicht zufrieden. Er druckste herum, murmelte ein bisschen unverständlich und blickte Ute hilflos und ratsuchend an.

Sie betrachtete ihn eine Weile, dann sagte sie: »Na gut, dann ruf ich eben bei der Polizei an und frag für dich nach.«

Jetzt war der Afrikaner sichtlich und hörbar erleichtert.

Ute Bock fand schließlich ziemlich rasch zu einem zuständigen Beamten, der ihr weiterhelfen konnte. Sie kannte ja die meisten Polizisten und Polizistinnen der nächsten Polizeidienststellen geradezu persönlich. Das Gespräch verlief zielführend und lösungsorientiert. Sie hörte länger zu und sagte dann: »Er hat morgen einen Operationstermin. Eine Hüftoperation oder so. Er sagt nicht genau, was, aber morgen …«

Der Bursche wollte etwas dazwischensagen, aber Ute bedeutete ihm, er solle still sein und sie telefonieren lassen. Sie hörte zu und sagte ein paar Mal »Ja.« »Es ist so, er hat den Brief zuerst verloren und hat sich ein Duplikat besorgt. Es ist eine Fotokopie, die er mir gegeben hat.«

Der Afrikaner wollte sich wieder dazwischenschalten, er murmelte: »Von Polizei geholt.«

Ute bedeutete ihm abermals, dass er ruhig sein solle. Sie sagte zu dem Polizisten am anderen Ende der Leitung: »Ich hab keine Ahnung. Wenn er operiert ist, soll er wieder zu mir kommen, und dann kann ich Sie ja wieder anrufen. Wenn das passt. Wenn Ihnen das recht ist. Ja. Danke.«

Ute Bock legte auf und nahm wieder das polizeiliche Schriftstück zur Hand. »Also, du hast gehört, was ich gesagt hab«, sagte sie zu dem Afrikaner. »Wenn du aus dem Spital zurückkommst, kommst du wieder her. Dann schauen wir, wie es dir geht, und wir machen einen neuen Termin bei der Polizei aus. Ja? Hast du verstanden?«

Er war sich nicht sicher. »In die Spital?«, fragte er. »Oder in Polizei?«

Ute blieb ganz ruhig und erklärte noch einmal: »Das war die Polizei, ich habe gerade mit der Polizei gesprochen. Du gehst ins Krankenhaus, lässt dich operieren, und wenn du wieder zurück bist, machen wir einen neuen Termin bei der Polizei aus.« Sie sah ihn an und wartete, ob er diesmal verstanden hatte.

Der Bursche stotterte: »Und wann … wann …«

»Schau, der Polizist hat mich eben gefragt, wann er dich erneut vorladen kann. Darauf habe ich gesagt: ›Das weiß ich nicht.‹ Ich weiß ja nicht, wann du wieder gesund bist. Verstehst du?«

»Ja«, sagte er, allerdings wenig überzeugt klingend.

»Wenn du aus dem Spital kommst, kommst du wieder hierher.«

»Ja … nein …«, stammelte er. »Ich habe heute Morgen in das Spital gegangen und sagen, dass ich nicht operieren. Weil ich diesen Brief bekommen.«

Jetzt wurde Ute Bock kurz böse: »Nichts da. Das ist ein Blödsinn!«, rief sie aus. »Du gehst dorthin und lässt dich operieren.«

»Ich hab neuen Termin am Freitag. Ich lügen nicht.«

»Und warum hab ich jetzt bei der Polizei angerufen?« Langsam spannte sich ihr Geduldsfaden mehr und mehr. »Hm? Kannst du mir das sagen?«

Der Mann gab ihr keine Antwort und kramte in seinen Taschen nach irgendetwas.

Ute platzte der Kragen. Sie schrie ihn an. »HALLO! Hier spielt die Musik! Warum ruf ich dann dort an?!«

Der Afrikaner lachte verzweifelt auf. Er stotterte: »Ich … Okay … Warum … Machen kein Problem …« Er holte tief Luft. »Okay … ich gehen in Spital und sagen, dass ich nicht …«

Ute fiel ihm ins Wort. »Nein, du gehst morgen in das Spital und lässt dich operieren. Du hast einen Termin! Und du machst das. Wann hast du den Termin?«

»Vom Spital?«

»Ja.«

»Morgen.«

»Dann gehst du morgen dorthin und lässt dich operieren. Oder was die halt machen. Ich habe der Polizei gesagt, du hast morgen einen Spitalstermin und kannst deshalb nicht kommen. Da hat er gefragt, wann er dich erneut vorladen kann. Sag ich: ›Das weiß ich nicht.‹ Ich weiß ja nicht, wann du wieder gesund bist. Also haben wir vereinbart: Wenn du aus dem Spital zurückkommst, kommst du hierher, wir rufen dort an und machen einen neuen Termin aus. Ja?«

Der Afrikaner nickte. »Okay.«

»Und du tust das schön einhalten, weil sonst spricht das gegen dich. Sonst sagen die noch, du hast in den Untergrund gehen wollen. Du brauchst dich vor denen überhaupt nicht zu fürchten. Das geht für dich gut aus. Okay?«

»Okay.«

»Weil … du hast ja nichts gefälscht. Oder?«

Wieder Utes strenger Blick über ihren Brillenrand hinweg, dem der junge Mann auswich.

»Du hast doch nichts gefälscht. Stimmt’s?«

Der Bursche murmelte: »Nein.«

Einmal noch wurde Ute kurz laut: »Was? Ich hab dich nicht verstanden.«

»Nein«, sagte der Bursche leise, »habe ich nicht gefälscht.«

»Siehst du. Und das sagst du denen. Das geht für dich gut aus.«

»Ja«, sagte der Afrikaner und bedankte sich.

»Und du schwörst, dass du nach dem Spital wiederkommst. Schwöre!«

»Zu dir?«

»Ja, sicher zu mir.«

Der Mann lächelte befreit. »Oh, ich komme immer zu dir, Mama Bock.«

»Okay!«, rief Ute aus und gab ihm den Brief zurück.

Beide lachten. Der Afrikaner beugte sich nieder, ergriff dankbar die Hand von Ute Bock und legte seine Stirn auf ihren Handrücken.

Ein anderes Ereignis, ein paar Tage später. Zwei Tschetscheninnen fanden den Weg zu Ute Bock. Sie waren obdachlos, hatten bereits zwei Nächte unter freiem Himmel verbracht. Beide waren hochschwanger und hatten bereits je drei kleine Kinder. Eines trugen sie am Arm, die anderen wuselten um sie herum. Ihre Männer waren ihnen abhandengekommen. Wie – das war aus den Frauen nicht herauszubringen.

»Ja, grüß Gott, hier ist Bock«, sagte Ute am Telefon. So begannen unzählige Gespräche in ihrem Büro, wenn sie wieder einmal eine Schlafgelegenheit für einen obdachlosen Schützling suchte. Kam jemand zu ihr und bat um Hilfe, Obdach oder sonstige Unterstützung, konnte sie ihn nicht wegschicken. Für sie war es selbstverständlich und »ganz normal«, zu helfen, zu suchen, und zwar so lange, bis eine entsprechende Möglichkeit gefunden war. »Ja, grüß Gott, hier ist Bock«, sagte sie also in das Telefon. »Ich hab das Problem, dass ich wieder zwei Familien, Frauen mit kleinen Kindern auf der Straße, habe, und wollte Sie fragen, ob Sie einen Platz haben, wo man jemanden unterbringen könnte. Aha … Ach so …« Es entstand eine Pause, in der sie nur zuhörte. »Na ja, so sofort wie möglich halt …« Pause. »Mhm, ich verstehe schon … Na ja, dann kann man nichts machen, es war nur ein Versuch.« Pause. »Ja, Familien mit Kindern, hochschwangere Frauen, von denen die eine am Montag Entbindungstermin hat und die auf der Straße stehen. Was mach ich mit denen? Ja, okay … Na gut, kann man nichts machen.« Ute Bock legte auf, blätterte in ihrem Telefonbüchlein, in dem Hunderte Nummern handschriftlich verzeichnet waren. Sie las und machte einen neuen Versuch. »Ja, grüß Gott, hier ist Bock«, sagte sie. »Gibt’s bitte eine Möglichkeit, ich habe zwei Familien mit Frauen, die schwanger sind, und mit Kindern, beide entbinden bald …« Sie hörte zu. »Also ich sag Ihnen, wie es mir geht. Ich hab jeden Tag Familien mit kleinen Kindern vor der Tür sitzen. Und kein Mensch in ganz Österreich ist bereit, die zu nehmen. Was, bitte, mache ich denn?« Sie lauschte und lachte auf, aber mehr aus Verzweiflung.

In der Zwischenzeit hatte eines der Kinder, ein Mädchen von etwa fünf Jahren, mit der Katze im Büro zu spielen angefangen. Die Katze lag auf einem freien, alten Sessel, und sie ließ sich mit Wohlgefallen von dem Mädchen am Bauch kraulen.

Ute Bock beobachtete das Mädchen und ihre Katze, während sie die nächste Nummer wählte. »Ja, grüß Gott, hier ist Bock. Ja, genau, die Bock. Ute, wenn Sie’s genau wissen wollen.« Sie lachte. »Lieber Herr Panitsch. Zwei hochschwangere Frauen, mit Kindern … Wohin mit denen?« Ute Bock legte auf. Nach diesem Telefonat verabschiedete sie sich nicht einmal. Irgendwann wurde es schwierig, höflich zu bleiben.

Sie klappte ihr Telefonbüchlein zu und blickte den Frauen ernst ins Gesicht. Die Frauen waren traurig. Sie hielten dem Blick der Flüchtlingshelferin nicht stand. Sie schauten auf das Mädchen, die Tochter, die mit der Katze spielte. Die eine der Frauen strich sich über den prallen schwangeren Bauch. Sie verzog ein wenig das Gesicht.

Ute Bock griff zum Telefonhörer, wählte, fragte, erklärte, bat um Hilfe und hörte zu. Nach 15 Sekunden sagte sie: »Furchtbar. Gut. Danke.« Sie legte auf. So ging das dahin.

Die eine Tschetschenin, nicht ganz so hochschwanger wie die andere, fragte Ute Bock auf sehr umständliche Weise, ob sie ihr nicht irgendwie helfen könne. Sie gab zu verstehen, dass sie nicht so untätig herumsitzen wolle.

Ute zeigte nüchtern zuerst auf die kleine Gießkanne, die am Waschbecken stand, danach auf die Topfpflanze in der Fensternische und sagte: »Die gehört gegossen.«

Die Frau verstand sie nicht. Ute zeigte noch einmal auf die Gießkanne und auf die Topfpflanze und sagte knapp: »Gießen. Wasser – von dort da hinein.«

Das verstand die Frau.

Die andere Ausländerin, die hochschwangere, legte ihren Kopf in den Nacken und schnaufte ein und aus.

Ute Bock nahm den Telefonhörer, wählte, wartete ab, dann folgte die höfliche Begrüßungsformel, und einige Sekunden später kam sie zur Sache: »Die eine wird am Montag entbinden, die andere hat ihren Termin am 28. dieses Monats … Ja, genau, die sitzen bei mir mit ihren kleinen Kindern und sind einfach nur erschöpft.« Ute Bock wählte eine andere Nummer, lauschte eine Weile, legte wieder auf. »Fonds Soziales Wien – nicht mehr erreichbar«, sagte sie mehr zu sich selbst als zu den Frauen.

Die Katze fuhr ihre Krallen aus und fauchte. Das Mädchen schrak zurück und blickte hilfesuchend auf Frau Bock. Die sagte nur trocken: »Tu mir die Katze nicht aufregen. Sonst erwischt sie dich.«

Das Mädchen rieb ihren Handrücken, freilich hatte die Katze sie mit ihren Krallen erwischt.

»Robert-Hamerling-Gasse ist voll«, sagte Ute Bock zu den Frauen, als wüssten die, was mit der Bezeichnung gemeint war. »Es ist alles voll. Die Obdachlosenasyle haben Listen, auf denen 15 Familien auf einen Platz bei denen warten. 15 Familien! In Obdachlosenasylen! Das muss man sich einmal vorstellen.«

Die tschetschenischen Frauen erwiderten den besorgten Gesichtsausdruck von Ute Bock. Obwohl sie sie nicht verstanden, wussten sie, dass das nichts Gutes bedeutete.

»Kein Platz in ganz Wien …« Aber Ute Bock telefonierte weiter. »Ich suche für eine Familie mit Kindern, wobei die Frau hochschwanger ist, eine Möglichkeit für das Wochenende zum Schlafen, weil die auf der Straße stehen.« Immer wieder derselbe Satz. Immer wieder dieselbe Bettelei. »Es sind Tschetscheninnen … Heute geht’s nicht mehr … In diesem Fall wäre es wichtig … Sie ist hochschwanger … Nein? Furchtbar. Danke.«

Auf einmal flog die Bürotür auf und eine etwa 65-jährige Frau stand im Raum. Sie wurde sofort von Ute Bock erkannt und abgewehrt. »Nein«, rief Ute aus, »nicht schon wieder Sie? Hören Sie, es nützt nichts, wenn Sie da hereinplatzen. Bitte, lassen Sie mich arbeiten!«

Die Frau wimmerte: »Ich werde nicht aufgerufen. Niemand ruft mich auf.«

Ute Bock fiel ihr ins Wort: »Ich rufe Sie nicht auf. Ich habe keine Zeit. Ich bin beschäftigt.«

Die Frau wimmerte weiter: »Ich habe Probleme.«

»Sie haben sicher keine so großen Probleme wie ich. Bitte gehen Sie hinaus.«

Die Frau ließ sich nicht abwimmeln. »Bitte, ich brauche nur ein bisschen zum Kaufen.«

»Ich kann heute keine Probleme mehr lösen, gehen Sie!«

»Bitte … helfen …«

»Ich such für zwei Familien eine Unterkunft, so ein Problem können Sie gar nicht haben. Also bitte …«

»Soll ich warten, draußen?«

»Bitte, seien Sie friedlich. Sie sollen nicht warten. Sie sollen heimgehen!«

Ein Mitarbeiter des Vereins begleitete die Frau nach draußen.

Eine halbe Stunde später hatte Ute Bock Erfolg. Sie fand nach gefühlten 300 Telefonaten eine Möglichkeit, wo die Tschetscheninnen mit ihren Kindern für drei Nächte schlafen konnten. Drei Nächte. Dann musste man weitersehen. Es gab in der Arbeit von Ute Bock fast nur vorübergehende Lösungen. Sie stand auf, ging in ihrem Büro ein paar Mal auf und ab, um sich ein wenig die Beine zu vertreten. Dann goss sie ihre Topfpflanze. Während sie die Gießkanne am Waschbecken befüllte, sprang ihr die Katze hinauf. Dann fiel ihr ein, dass ja bereits die schwangere Tschetschenin vorhin die Pflanze gegossen hatte. Trotzdem: ein paar Tropfen. Ute sprach mit ihrer Katze, sie erklärte ihr, warum sie so wenig Zeit für sie hatte. Aber die Katze bekam ohnehin alles mit – sie war die meiste Zeit bei Ute im Büro. Die Katze miaute, als wollte sie sagen: Mach dir nichts draus, morgen wird alles besser. Ute streichelte sie und erwiderte: »Morgen ist ein neuer Tag.«

Ute Bock Superstar

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