Читать книгу Das ist meine Zeit - Howard Carpendale, Melody Clan - Страница 7

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Ach, jetzt kommen wir zu einem Thema, zu dem ich schon lange etwas sagen wollte. Wie oft wurde ich gerade in der letzten Zeit zum Schlager befragt, ebenso nach meinen Einschätzungen zur Zukunft des Schlagers? Ich werde hier jetzt kein Plädoyer pro oder contra Schlager schreiben. Was ist denn Schlager heute überhaupt? Und was noch viel drängender ist: Was ist das Problem mit dem Schlager? Egal, was heute am Markt erfolgreich ist, es braucht immer eine sofortige Zuordnung. Damit es schön kompliziert wird, überschlägt sich die Musikbranche mittlerweile mit einer Flut neuer Bezeichnungen. Man nennt das innovativ.

Für mich ist das ein Zeichen der Unsicherheit. Da hatte ich es früher einfacher: Es gab nur Schlager. Und das übrigens als Begriff national sowie international. Denn was war ein Schlager – sogar wörtlich übersetzt – anderes als ein Hit, ein Erfolg? Komischerweise liest man den Begriff Kassenschlager heute noch oft im Bereich Kino, und sogar beim Fußball spricht man von Schlagerspielen. In der Musik blendet man das aus. Liegt das an dem mangelnden Selbstbewusstsein, das in der Branche inzwischen vorzuherrschen scheint? An dem fehlenden Mut, einfach mal zu machen und loszulegen, auch auf die Gefahr hin, dass es einen Flop geben könnte?

Oder liegt es daran, dass zu viele anspruchslose und einfallslose Kompositionen produziert und als Schlager auf den Markt gebracht werden, um schnelles Geld zu machen? Vielleicht verlor der Schlager so sein Herz. Ist das der Grund, weshalb sich viele Künstler davon distanzieren wollen?

Junge Künstler können heutzutage immer schwerer ausbrechen. Wenn man sie nicht gleich einordnen kann, werden sie nicht weiter unterstützt. Wenn sie nicht unterstützt werden, hört sie keiner. Einige passen sich an, andere bleiben authentisch und versuchen es mit einem eigenen Weg und eigenen Produktionen.

Ich hatte eine tolle Zeit – und zudem die Möglichkeit, meine Karriere über einen längeren Zeitraum aufzubauen. Mit allen Höhen und Tiefen. Ich hatte selbst genügend Mut, habe Dinge ausprobiert und wurde hervorragend von meinen Partnern unterstützt. Wir hatten alle ein Ziel: den großen Hit zu landen. In der Schlagerbranche hatten wir alle das gleiche Rezept in der Tasche und konnten dennoch alle davon leben. Von daher bin ich sehr dankbar, dass ich diese Zeit erleben durfte. Aber umso wichtiger ist es, dass man nicht stehen bleibt und Impulse für sich zu nutzen versteht, daraus etwas Neues entstehen zu lassen. Musikalisch und inhaltlich. Und dass man damit sein Publikum nicht nur vergrößert, sondern auch verändert und immer überrascht. Das ist meiner Meinung nach für die Karriere eines Künstlers absolut lebenswichtig.

Howard, wenn ich das so lese, dann frage ich mich: Was bist du denn nun – Schlagersänger, Popsänger oder Entertainer?

Diese Frage ist ganz leicht zu beantworten: Ich lese immer wieder über mich, dass ich ein Entertainer sei. Das trifft es am besten. Ich bin aus tiefer Überzeugung und mit voller Leidenschaft ein Entertainer. Ich will mein Publikum auf eine Reise mitnehmen. Auf eine Reise der Emotionen, die wir gemeinsam erleben möchten. Das klappt nur, wenn man eine Verbindung zu den Leuten aufbaut und offen füreinander ist. Es geht nicht darum, eine kurze Begeisterung zu erzeugen und emotionslos abzufeiern. Gute Konzerte sind etwas anderes. Es versetzt mich immer wieder ins Staunen, wie viel Kraft entstehen kann, wenn Menschen wirklich miteinander verbunden sind. Das Publikum gibt mir diese Kraft – und ich tue alles, um sie zurückzugeben.

Wie und wann entwickelte sich bei dir der Wunsch, diesen ganz besonderen Weg zu gehen?

Ich war elf oder zwölf Jahre alt und sah – Elvis. Das klingt jetzt vielleicht banal, aber ich sage nur: Wer diese Zeit nicht erlebt hat, kann sich das nicht vorstellen. In der damaligen Zeit gab es zwar viel gute, aber auch ziemlich triste Musik – Frank Sinatra, Nat King Cole, Dean Martin. Diese Sänger waren alle hervorragend, haben aber dennoch nicht die Welt verändert. Und dann kam dieser Typ namens Elvis. Das war schon einmal ein Name, den es vorher nie gegeben hatte. Er hatte ein Gesicht, das man zuvor nie gesehen hatte. Sein Aussehen war einmalig, aber wirklich einmalig. Seine Bewegungen, sein Lächeln, diese ganz besonderen Augen – das war faszinierend. Er sang auch anders, als ich es je zuvor gehört hatte. Ich habe ihn gesehen und ich wusste, was ich mit meinem Leben machen wollte.

Und wie ging es weiter?

Ich gründete eine Band, und wir sind überall in der Gegend von Durban aufgetreten. Mädchen, Partys, Rock’n’Roll, manchmal einen Joint dazu. Na ja, diese Geschichten hat wohl jeder Sänger irgendwie erlebt.

Aber Südafrika bot keine Basis für eine musikalische ­Karriere?

Die Szene in Südafrika war klein. Es gab auch nicht so viele Clubs wie zur gleichen Zeit in England oder auch bereits in Deutschland. Es war konsequent, dort wegzugehen. Ich habe musikalisch in Durban auch keine so tiefen Spuren hinterlassen, dass man mich vermisst hätte.

Gab es denn überhaupt zu der Zeit Künstler aus Südafrika, die weltweit Erfolg hatten?

Mir ist keiner bekannt, aber ganz aktuell gibt es diese wahnsinnige Story über Rodriguez. Hast du davon gehört?

Nein.

Rodriguez ist ein Songwriter aus Amerika, der in den Siebzigerjahren zwei Alben produzierte, die aber beide floppten. Irgendwie gelangten die Aufnahmen nach Südafrika – und ohne sein Wissen wurde er dort zum Kultstar. Gerade die Jugend in Südafrika feierte ihn für seine Texte, die sehr den bekannten Protestsongs von Bob Dylan und Jimi Hendrix ähnlich waren. Sein Erfolg und seine Verkäufe übertrafen in Südafrika die der Beatles. Das Irre ist, dass keiner gewusst hat, wo sich Rodriguez aufhält – und ob er überhaupt noch lebt. Man kannte nur seine Musik. Erst jetzt, vierzig Jahre später, weiß er davon und spielt in Südafrika in ausverkauften Arenen.

Und es hat wirklich keiner gewusst?

Nein. Ein Fan aus Südafrika hat sich auf die Suche gemacht, um Rodriguez in Amerika zu finden und ihm von seiner Berühmtheit zu erzählen. Er hat ihn dann nach Südafrika geholt. Aus meiner Sicht erklärt diese Story sehr gut die südafrikanische Einstellung zu Künstlern.

Was war dein Alleinstellungsmerkmal, um in Deutschland so schnell zum Erfolg zu gelangen?

Ich hatte eine ganz eigene Stimme. Bestimmt gibt es viele bessere. Aber gut, meine war dazu noch mit einem für Deutschland ungewöhnlichen Akzent ausgestattet, und ich war als Südafrikaner ein Unikum. Der schnelle Erfolg war nicht gerade gut für mich.

Warum?

Hey, ich war plötzlich mitten in Europa – ein Südafrikaner, der bis zu seinem achtzehnten Lebensjahr nicht mal wusste, wie ein Fernsehgerät aussah. Und dann verkaufte ich von der Single „Das schöne Mädchen von Seite 1“ sechzig- bis achtzigtausend Platten am Tag. Das war der Wahnsinn.

In welcher Hinsicht denn?

Na, was macht ein junger Mann als Erstes? Jedenfalls damals? – Er kauft sich ein tolles Auto. Für mich ein Traum: ein blauer ­Mustang Mach 1. Dazu war mein Blick in die Zukunft voller Zuversicht, und ich hatte ein buntes Sexleben. Damals sprach ich noch wenig Deutsch. Von Schlagern hatte ich als Südafrikaner nie etwas gehört. Aber ich sang das, was die Experten – Produzenten, Texter, Komponisten – mir anboten. Das Geld wurde auf ein Konto gelegt und vermehrte sich schnell. Als ich beim deutschen Schlagerfestival 1970 klar auf Platz eins landete, war ich der Meinung, dass ich nun darauf verzichten konnte, in der legendären ZDF-Hitparade mit Dieter Thomas Heck aufzutreten. Ja, und dann musste ich schnell lernen, dass es ohne doch nicht ging.

Das klingt ganz schön arrogant.

Das war es auch. Aber der berühmte Erfolg über Nacht ist gefährlich – und selbst bis heute gibt es dagegen kaum ein Rezept. Natürlich wird ein möglicher Erfolg heutzutage viel besser vorbereitet. Künstler und Management arbeiten ganz anders zusammen. So etwas gab es in meiner Anfangszeit nicht. Wir traten jeden Samstag vor der halben Nation auf und konnten überhaupt nicht einschätzen, was drei Minuten Auftritt am nächsten Tag aus uns machen würden.

Nun gab es also erst einmal einen Rückschlag. Konnte der erfolgsverwöhnte Howard Carpendale den so einfach ­wegstecken?

Klar, mein Ego war angekratzt. Doch wenn ich heute zurückblicke, muss ich sagen, dass diese Jahre des Misserfolgs, also 1971 und 1972, meine Rettung waren. Ohne diese Erfahrungen wäre es mir sicherlich so ähnlich gegangen wie den meisten Sängern aus der damaligen Hitparade. Manche sind leider schon von uns gegangen, viele sind vereinsamt, sogar verarmt und verzweifelt.

Diese Jahre, in denen ich keinen einzigen Hit hatte, zeigten mir, dass die sogenannten Experten gar keine waren. Irgendwann war ich so weit, dass ich meiner damaligen Frau Claudia sagte, ich würde meine Zelte abbrechen und zurück nach Südafrika gehen. Aber da tat sie etwas, was sie heute auch noch macht – sie unterstützte mich bedingungslos und sagte: „Nur über meine Leiche.“ Über die besondere Beziehung zwischen Claudia und mir werden wir in diesem Buch sicher noch ausführlicher sprechen. Sie bestand darauf, dass ich zu meiner Schallplattenfirma ging und einen ganz besonderen Deal anbot.

Was für einen Deal?

Ich hatte 1970 einen Zehnjahresvertrag über eine Million D-Mark abgeschlossen. Damals ein Traumvertrag. Der war mir nun jedoch völlig egal. Ich ging also zu meinem Schallplattenboss und sagte ihm: „Ihr könnt euch euren Vertrag sonst wohin stecken. Ihr lasst mich zwei Platten alleine machen. Wenn kein Hit dabei ist, zerreißen wir den Vertrag.“ Ich kann dir sagen, der Schallplattenboss war sehr glücklich.

Und was passierte dann?

Ich komponierte mein erstes Lied. Das heißt, ich sang die Melodie, die ich im Kopf hatte, in einen Kassettenrekorder. Kennst du die Dinger noch?

Natürlich. Damit habe ich früher immer meine Lieblingshits aus dem Radio aufgenommen. Aber du warst noch nicht fertig. Du hast also komponiert – und dann?

Ein Gitarrist suchte zu meiner Melodie die richtigen Harmonien, und Fred Jay, Deutschlands größter Texter, schrieb den Text. Der Song „Da nahm er seine Gitarre“ war geboren. Bei Dieter Thomas Heck sang ich das Lied in der ZDF-Hitparade – und es wurde ein Hit. Ich darf nicht darüber nachdenken, wo ich heute wäre, wenn das damals nicht geklappt hätte.

Ab dem Zeitpunkt warst du aber auch wieder mitten in der Schlagerszene.

Es gab nur Schlager. Und die habe ich gerne komponiert und gesungen. Die Hits wurden immer größer – „Du fängst den Wind niemals ein“, „Deine Spuren im Sand“, „Tür an Tür mit Alice“. Und dann kam mein Bassist Joachim Horn-Bernges dazu und half mir beim Komponieren. Er hatte großes Talent – lange Zeit schrieben wir alles zusammen. Für mich war diese Zusammenarbeit wahnsinnig wichtig, denn ich hatte in ihm einen Partner, mit dem ich lachen und streiten konnte. Nächtelang feilten wir an den Texten und wagten Dinge, die man normalerweise im Schlager nicht vermuten würde. Wir haben hin und wieder Harmonien hinzugefügt, die nicht typisch für den Schlager waren. Manche Nummern waren eher nach englischem oder amerikanischem Muster gestrickt.

Und nach fünfunddreißig Jahren war dann Schluss?

Es war ein schleichender Abschied von der Zusammenarbeit. Wir spürten beide, dass nach siebenhundertfünfzig Titeln irgendwie alles von uns schon mal bearbeitet wurde. Wir brauchten beide neue Impulse. Joachim schreibt heutzutage immer noch großartige Texte für andere Künstler. Seine Handschrift ist unverkennbar. Er war unendlich wichtig für meinen Erfolg.

Ihr hattet bis dahin viele Hits.

Es war unglaublich. Von 1974 bis 1990 landete ich einen nach dem anderen. Und die Alben dazu waren auch sehr erfolgreich. Der Schritt vom Singleverkäufer zum Albumkünstler ist der erste große Schritt in Richtung Entertainer. Und so fing ich ab etwa 1978 an, mich bewusst mehr auf ganze Alben zu konzentrieren und meinen eigenen Stil zu entwickeln. Hits waren wunderschön. Zu sehen, wie man in den Charts nach oben kletterte und all die großen Namen dieser Welt dabei hinter sich ließ, war sehr aufregend. Aber ich wusste, dass ich als Sänger einer von vielen war. Ich wollte auf die großen Bühnen, aber nicht nur mit einer Aneinanderreihung von Hits. Ich wollte entertainen. Ist deine Frage vom Anfang jetzt beantwortet?

Na ja, es gibt Songs und Situationen, bei denen du mal in die Schlager-Schublade und mal in die Entertainer-Kategorie gehörst. Ich denke, die breite Öffentlichkeit sieht dich in erster Linie als Schlagersänger.

Die Deutschen haben beim Wort Schlagersänger einen bestimmten Typ vor Augen. Davon gab und gibt es sicherlich noch einige. Dieter Thomas Kuhn und Guildo Horn haben es später perfekt verstanden, den typischen Schlagersänger zu verkörpern. Ganz klar als Parodie, aber immer mit Respekt. Das gefällt mir. Und wenn ich mir auf YouTube die Auftritte von Dieter Thomas Kuhn anschaue, wenn er vor der ausverkauften Waldbühne das „Ti amo“ interpretiert, dann hat das was. Ich habe damals in der ZDF-Hitparade fast alle Schlagerstars kennengelernt, die genau so wirkten. Ich war auch ein wenig so, wie ich gerade ja schon erzählte. Um meine Ansichten zum Schlager besser verständlich zu machen, möchte ich aber noch einmal viel weiter ausholen.

Okay.

Ich bin in Südafrika in einer englischen Gegend aufgewachsen. Unsere Stadt Durban hätte gut und gern ein Teil von England sein können. Die Engländer haben die gleichen Sportarten und die gleichen Filme geliebt wie wir. Unser Leben, vom Wetter einmal abgesehen, war sehr mit den englischen Verhältnissen zu vergleichen. Ich war mit coolen Jungs zusammen. Wir haben zusammen Musik gemacht, aber das Wort Schlager kannten wir gar nicht. Das Einzige, was bei uns vielleicht in eine ähnliche Richtung ging, das war die Afrikaans-Musik; diese Leute haben wir ein bisschen belächelt. Als ich nach Deutschland kam, habe ich sehr schnell verstanden, was mit Schlager gemeint ist.

Wie definierst du denn den Begriff Schlager?

Schlager kann manchmal verdammt gut sein. Eine Definition habe ich für mich bis heute nicht finden können. Schlager ist für viele eine etwas einfache Art von Musik. Simpel, meistens drei Harmonien und Texte, die nicht groß anregen. Es wird sehr oft über das Wetter, die Sonne und die Sterne gesungen.

Und über die Liebe.

Ja, aber es gibt viele verschiedene Arten, über die Liebe zu singen. Die Liebeslösung in Schlagern entspricht oft der Variante „Ich bin für dich da“. Bei Schlagern kann ich meistens von vornherein erahnen, wie sich das Lied entwickelt. Ich denke, generell hat der Schlager kein gutes Image, obwohl ich gewisse Songs durchaus immer noch mag.

Welche Beispiele fallen dir aus der aktuelleren Zeit ein?

Es gibt sehr gute und clevere Nummern, die perfekt gemacht sind. DJ Ötzis „Stern“ ist so ein Song. Eine Zeile wie „Du hast mich tausendmal belogen“ von Andrea Berg spricht die Massen an. Und Helene Fischers „Atemlos durch die Nacht“: Da hat sie den Nerv der Nation getroffen wie niemand zuvor. Das Gesamtpaket war einfach stimmig. Eine Helene Fischer, die mit dieser Nummer total explodierte. Die Zeit war reif für einen großen Hit von ihr.

Der millionenfach verkauft wurde.

Ja, und das ist auch absolut verdient. Aber zurück zu meiner Ausgangssituation: In den Siebziger- und Achtzigerjahren war ich auch ein Schlagersänger. Es gab keine andere deutsche Musik. Wenn ich deutsch singen wollte, musste ich Schlager singen. Ich habe zwanzig Jahre lang voll mitgemacht, aber ich war dabei doch überzeugt, dass meine Erfolge wie „Hello Again“, „Nachts, wenn alles schläft“ oder „Ti amo“ alle ein bisschen anders waren. Diese Lieder waren einen Tick moderner als das, was man sonst hörte. „Carpendale war immer fünf Sekunden voraus“, hat zum Beispiel einmal Thomas Anders in einem Interview gesagt.

Die Songs haben an Kraft bis heute nicht verloren.

Und soll ich dir was sagen? Sie machen mir heute auch wieder richtig Spaß. Auf meiner Tour 2015/2016 hatten wir die Songs natürlich im Programm – und die Leute gingen voll mit. So, wie ich es jetzt gerade in meinen Konzerten erlebe, hat es eine ganz neue Dimension erreicht. Ich sehe in die Gesichter aus unterschiedlichen Generationen – und sehe die Freude, die diese Songs auslösen. Ein großer Dank gilt hier auch meinem langjährigen Musical Director, André Franke, der die Songs modern und zeitgemäß arrangiert.

Ganz am Anfang deiner Karriere hast du den Beatles-Hit „Ob-La-Di, Ob-La-Da“ gecovert. Auch ein Schlager …

Ja – und dann auch noch gesungen von der größten Gruppe aller Zeiten. Warum das Original in Deutschland nicht als Schlager durchging, weiß ich auch nicht so recht. Wir reden von einer Musik, die sehr simpel ist. Simpler als „Ob-La-Di, Ob-La-Da“ geht es nicht. Für mich ist das ein englischer Schlager. „Ti amo“ von Umberto Tozzi ist Pop, die deutsche Version von mir ist Schlager. Das habe ich nie verstanden.

Es wird wirklich ein Unterschied zwischen der italienischen und deutschen Version gemacht?

Von manchen, ja – besonders von den Radioleuten. Ich habe jahrelang versucht zu verstehen, warum von einigen Radiostationen Umberto Tozzis italienische Version lieber gespielt wird als meine. Manche Verantwortliche haben mir erzählt, dass sie den italienischen Text nicht verstehen, die Melodie aber toll finden. Was soll das denn? Ich kann doch nicht sagen, dass ich einen Titel deswegen mag, weil ich ihn nicht verstehe.

Viele Hits von Coldplay oder anderen sehr erfolgreichen internationalen Bands oder Künstlern gehören dann wohl auch in die berühmte Schublade?

Ich bin der Meinung, ja. Viele Popsongs sind Schlager. Deswegen suche ich schon lange nach einer Definition für den Begriff. Und wie wir beide ja gerade bemerken, auch jetzt fällt es uns schwer.

Mir wurde mal erklärt, dass zum Schlagerbereich alle Songs gehören, die man auf der Straße nachpfeifen kann.

Okay. Wie man sieht, ist das einfach ein sehr dehnbarer Begriff. Und wer bestimmte Songs nicht in die Schlager-Schublade legt, nur weil sie auf Englisch gesungen werden, der macht es sich zu einfach. Die Schlagerbranche in Deutschland hat vielleicht ähnlich zu kämpfen wie Bayern München. Die Spieler können national und international als deutscher Verein noch so tollen Fußball spielen – sie werden trotzdem von vielen ausgepfiffen. Wenn die Bayern in der Champions League gegen Barcelona oder Madrid spielen, dann drücken in Deutschland nicht alle Fußballfans den Bayern die Daumen. Das verstehe ich nicht.

Hat sich denn das Image des Schlagers jetzt, beispielsweise durch den riesigen Erfolg von Helene Fischer, verbessert?

Helene Fischer hat durch ihre Art und ihr Aussehen sicher dazu beigetragen. Viele Menschen lieben sie – egal, ob sie deutsche Schlager singt oder nicht. „Atemlos durch die Nacht“ wird trotzdem von vielen Radiosendern nicht gespielt. Diese Arroganz kotzt mich an. Dieses selbstherrliche Verhalten mancher Radiosender gibt es nur in Deutschland. Manche spielen das Lied und reden trotzdem hämisch darüber.

Also: Der deutsche Schlager erlebt derzeit überhaupt keine Hochkonjunktur, er ist eher im Sinkflug. Ich kann mir nicht erklären, warum vielfach in den Medien von einem Schlagerboom gesprochen wird. Im Frauenbereich haben wir in dem Segment und auf erfolgreichem Niveau aktuell doch nur Helene Fischer, Andrea Berg und Beatrice Egli. Bei den Männern fällt mir allenfalls Andreas Gabalier ein, der aber mit seinem Volks-Rock’n’-Roll einen ganz anderen Stil kreiert. Im Gegensatz zu früher ist das sehr ernüchternd. In den alten Zeiten mit der ZDF-Hitparade und anderen Sendungen tummelten sich im Schlagerbereich weit mehr als hundert erfolgreiche Kollegen.

Von einer Renaissance deutscher Musik kann also keine Rede sein?

Moment. Für die deutsche Popmusik trifft das schon zu. Ein ­Andreas Bourani zum Beispiel ist sehr gut im Geschäft. Man könnte eine lange Liste mit tollen Künstlern anfügen, wie Revolverheld, Sarah Connor, Xavier Naidoo und vielen mehr. Und diese deutsche Popmusik kann sich in aller Welt sehen lassen. Die Kompositionen sind international, und die Texte sind weitaus besser als in den meisten englischen Songs. Genau dieser Trend motiviert mich sehr – genau diesen Weg geht meine Musik. Deutsche Musik macht so viel Spaß wie noch nie, und ich bin davon überzeugt, dass sie eine tolle Zukunft vor sich hat. Die TV-Sendung Sing meinen Song trägt übrigens immens dazu bei. Durch dieses Format hat das Publikum wirklich mal eine Chance zu sehen, was einen guten Künstler ausmacht. Vor allem wird deutlich, dass Hits nicht ausreichen, um erfolgreich zu sein.

Vor dem Hintergrund deiner Ansichten über den Schlager verstehe ich gerade nicht, warum du trotzdem bei der einen oder anderen Schlagerparade auf die Bühne gehst.

Weil ich mich dafür keineswegs schäme. Dort präsentiere ich meine Hits. Ich singe auch „Das schöne Mädchen von Seite 1“ – allerdings in einer Rap-Version. Diese Songs wecken heute noch große Emotionen bei den Menschen. Das Publikum dort will die Songs hören und sich einfach amüsieren. Und Stefan, weißt du was? Der Schlager von damals hatte schon was ganz Besonderes.

In Ordnung. Und heute?

Heute sind meine Produktionen mutiger und überraschend. Die Texte sind zeitgemäß und mit viel mehr Tiefgang; man sollte auch zwischen den Zeilen lesen. Die Tatsache, dass die Fans meinen neuen Wegen und meinem neuen Stil folgen, freut mich sehr.

Aber Hand aufs Herz: Dein Akzent gehört doch zum Entertainment, oder?

Absoluter Quatsch. Dieser Akzent ist einfach da. Wer in jungen Jahren, so wie ich mit zwanzig, eine neue Sprache lernt, wird sie ohne größere Anstrengungen und Schulungen nie ganz akzentfrei sprechen, zumal ich privat nur Englisch rede. Dadurch, dass meine Muttersprache Englisch ist, phrasiere ich anders als die meisten Deutschen. Ich phrasiere nicht immer auf einen Beat, den viele Menschen sofort mitsingen können. Natürlich hätte ich mich immer weiter darauf trainieren können, es noch besser hinzubekommen. Aber warum? Ich spürte, dass das genau so von den Deutschen angenommen wurde – und ich wollte mich nicht verbiegen. Zudem kommt auch noch, dass ich manchmal etwas faul bin. Und ich hatte keine große Lust, mich wieder auf eine Schulbank zu setzen.

Zahlreiche deutsche Schlagersänger singen im Gegensatz dazu absolut austauschbar.

Und die Rechnung ist ja bis heute für dich wunderbar aufgegangen.

Aber das war keine Berechnung. Und ganz ehrlich, so eine Rolle fünfzig Jahre lang zu spielen, das kann man gar nicht. Jedenfalls ich nicht, auch wenn ich manchmal als Schauspieler zu sehen bin.

Da gebe ich dir recht. Aber wenn du schon das Schauspiel erwähnst: Waren die Ausflüge in das Genre so geplant?

Es war eine Folge des Erfolgs. Ich war bekannt, und ich habe Drehbücher angeboten bekommen. Es war alles dabei, aber gereizt hat mich dann das Angebot von RTL. Die Serie hieß Matchball – und war ein sogenannter Quotenrenner. Es passte alles zusammen. Gute Storys, tolle Kollegen, guter Sendeplatz.

Und später kam es mit Wayne zum gemeinsamen Dreh?

Ja, wir spielten eine Vater-Sohn-Beziehung in dem Film Lebe dein Leben für die ARD. Für mich war es eine beeindruckende Erfahrung, mit dem eigenen Sohn vor der Kamera zu stehen und zu spüren, wie selbstbewusst er in seiner Rolle aufgegangen ist.

Und reizt es dich, diese Erfahrung zu wiederholen?

Das werde ich immer wieder gefragt.

Aber das liegt doch auch nahe.

Dann sage ich dir das, was ich schon oft auf diese Frage geantwortet habe. Wenn wir das richtige Angebot bekämen, dann würden wir ernsthaft darüber nachdenken. Aber es kam bisher noch nicht. Wir haben aber auch überhaupt keinen Druck, da wir beide jeweils unseren beruflichen Weg alleine gehen können. Und zurzeit konzentriere ich mich auf all die anstehenden Projekte in den kommenden Jahren.



Das ist meine Zeit

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