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William Harrison Ainsworth: DAS NÄCHTLICHE TREFFEN
ОглавлениеDas Fest war auf dem Höhepunkt, als Mrs. Nutter und ihre Tochter sich still davonmachten und die Treppe zu ihrem Zimmer hochgingen. Als sie den obersten Absatz erreicht hatten, hielten sie einen Augenblick inne, um den Geräuschen, die von unten heraufdrangen, zu lauschen. Plötzlich vernahm man einen lauten Schrei, und die Musik, die schnell und furios gespielt hatte, um mit den Tänzern Schritt zu halten, hörte unvermittelt auf und machte auf diese Weise deutlich, dass es zu einer Unterbrechung gekommen war, während aus den verworrenen Geräuschen, die darauf folgten, hervorging, dass das plötzliche Aufhören Ergebnis eines Unfalls gewesen war. Alizon lauschte mit schneeweißen Wangen und wagte kaum, ihre Mutter anzublicken, deren vom Licht der Lampe, die sie in der Hand hielt, offenbarter starrer und gefasster Gesichtsausdruck sie beinahe ängstigte; und zu ihrer großen Erleichterung hörte sie nach wenigen Augenblicken wieder die Stimmen und das Lachen der Menschen einsetzen.
Mrs. Nutter ging weiter; doch Alizon wurde von einem neuen Gefühl des Unbehagens ergriffen, als sie ihr den langen, düsteren Flur entlang folgte, in Richtung auf die geheimnisvolle Kammer, wo sie die Nacht verbringen würden. Die zuckende Flamme der Lampe beleuchtete eine ganze Reihe von furchteinflößenden Gemälden, auf denen die Leiden der frühen Märtyrer dargestellt waren: und diese schrecklichen Bilder dienten nicht dazu, ihr Beruhigung zu verschaffen. Die absonderlichen Schnitzereien an der gewölbten Holzdecke versetzten sie ebenfalls in unbestimmte Angst, und eine große Skulptur - die Heilige Theodora in Versuchung durch satanische Mächte, wie es in der Goldenen Legende beschrieben wird - ängstigte sie zu Tode. Hohl erklang über ihnen das Echo ihrer Schritte, und mehr als einmal drehte sich die durch das Geräusch getäuschte Alizon um, um zu schauen, ob jemand hinter ihnen war. Am Ende des Flures lag der Raum, der einst von dem Oberen einer religiösen Vereinigung bewohnt worden war und den man aus diesem Grund immer noch die Kammer des Abtes nannte. Mit diesem Gemach war eine wunderschöne Kapelle verbunden, und obgleich sie keinen religiösen Zwecken mehr diente, enthielten ihre Fensteröffnungen immer noch geschnitzte Ornamente und Glasmalereien.
Den Raum des Abtes hatte man Dorothy, Alizons Freundin, zugewiesen, und seine düstere Pracht sowie die mit ihm verbundenen furchtbaren Erzählungen hatten ihr so viel abergläubisches Entsetzen eingeflößt, dass sie Alizon anflehte, die Couch mit ihr zu teilen, aber das junge Mädchen wagte nicht zuzustimmen. Als Mrs. Nutter jedoch gerade das eigene Zimmer betreten wollte, erschien Dorothy im Flur, rief Alizon zu, einen Augenblick zu warten, stürzte ihr schnell entgegen und wiederholte ihren Vorschlag. Alizon blickte ihre Mutter an, doch diese verneinte entschieden und irgendwie unfreundlich.
Die jungen Mädchen sagten sich dann unter zärtlichen Küssen gute Nacht, wonach Alizon mit Mrs. Nutter das Zimmer betrat, und die Tür geschlossen wurde. Auf dem Ankleidetisch brannten zwei dünne Kerzen, und ihr Licht fiel auf die geschnitzten Figuren des Kleiderschrankes, die immer noch ihren unheimlichen Einfluss auf sie ausübten. Mrs. Nutter schien weder gesonnen sich sogleich zur Ruhe zu begeben, noch zeigte sie die Absicht sich zu unterhalten, sondern setzte sich hin und war bald in Gedanken versunken. Nach einer Weile wurde Alizon in einem unwiderstehlichen Anflug von Neugier dazu veranlasst in den Waschraum zu spähen, und den Wandteppich zur Seite schiebend, der den Eingang teilweise bedeckte, hielt sie die Lampe vor sich, damit ihr Licht in die kleine Kammer fiele. Mrs. Nutter hatte die Bewegung bemerkt und rief sie augenblicklich und irgendwie scharf zurück.
Während Alizon gehorchte, war an der Tür ein leichtes Klopfen zu hören. Das junge Mädchen erbleichte, denn in ihrem gegenwärtigen Gemütszustand hätte sie jede Kleinigkeit erschreckt. Ihre Furcht wurde auch nicht durch die eintretende Dorothy beseitigt, die, weiß wie ein Bettlaken, sagte, sie wage nicht, in ihrem Zimmer zu bleiben, da sie durch den Anblick einer mönchsähnlichen Figur in fließenden weißen Gewändern, die, genau den geschnitzten Bildern auf dem Schrank ähnelnd, hinter den Wandvorhängen hervorgekommen und in die Kapelle geglitten, schrecklich geängstigt worden sei, und sie flehte Mrs. Nutter an, Alizon mit zurückgehen zu lassen. Die Bitte wurde entschieden abgelehnt, und sich über ihre Angst lustig machend, gebot die Dame Dorothy, sie möge unverzüglich wieder in ihr Zimmer gehen, aber sie verweilte trotzdem.
Unfähig, die Bestürzte, deren Gegenwart sie ganz offensichtlich störte, auf andere Art loszuwerden, stimmte Mrs. Nutter schließlich zu, sie in ihr Zimmer zu begleiten und durch eine Untersuchung der Kapelle von der Unsinnigkeit ihrer Furcht zu überzeugen. Alizon ging mit, da ihre Mutter sie nicht zurückzulassen gedachte, und überdies war sie selbst am meisten darauf erpicht, dabei zu sein.
Die Kammer des Abtes war groß und düster, fast doppelt so groß wie das von Mrs. Nutter bewohnte Zimmer, glich diesem aber in vieler Hinsicht und auch in der dunklen Färbung der Vorhänge und Möbel, von denen man die meisten seit den Tagen Paslews nicht mehr angerührt hatte. Es war genau dasselbe geschnitzte Eichenbett, in dem er geschlafen hatte, und seine Arme waren noch darauf und auf dem gemalten Glas der Fenster zu erkennen. Als Alizon eintrat, blickte sie furchtsam umher, aber es geschah nichts, das ihre Unruhe gerechtfertigt hätte. Sie hob den Wandteppich, hinter dem die Gestalt nach Dorothys Behauptung hervorgetreten war, und entdeckte nichts außer einem Eichenpaneel; mit einem ungläubigen Lächeln ging Mrs. Nutter mutig auf die Kapelle zu, gefolgt von den beiden Mädchen, die sich an den Händen hielten und zitterten; aber kein furchterregender Gegenstand wurde ihnen gewahr. Ein Ankleidetisch mit einem großen Spiegel stand an dem Platz, den früher der Altar eingenommen hatte; aber trotzdem und trotz der anderen Möbelstücke wahrte der kleine Gebetsraum, wie bereits bemerkt, viel von seinem ursprünglichen Charakter und schien mehr Gefühle ehrfurchtsvoller Andacht als andere einflößen zu sollen.
Nachdem sie kurze Zeit in der Kapelle verharrt hatte, in der sie Dorothy auf die Unmöglichkeit hinwies, dass sich irgendjemand dort versteckt halte, versicherte Mrs. Nutter Dorothy, sie könne sich beruhigt darauf verlassen, dass nichts mehr passieren und sie in Schrecken versetzen würde, und indem sie ihr anempfahl, das Gefühl der Furcht so schnell sie könne im Schlaf zu verlieren, zog sie sich mit Alizon zurück.
Aber der Rat war von nur geringem Nutzen. Das Herz des armen Mädchens erstarrte ihr im Leibe, und all ihre früheren Ängste kehrten mit vermehrter Kraft zurück. Sie setzte sich und starrte wie gebannt auf die Vorhänge, bis ihre Augen schmerzten, und dann bedeckte sie ihr Gericht mit den Händen und lauschte, kaum zu atmen wagend, mit größter Aufmerksamkeit auf das leiseste Geräusch. Ein Rascheln hätte sie aufschreien lassen - doch alles war still wie der Tod, so abgrundstill, dass allein das Schweigen und die Ruhe zu einer neuen Ursache der Angst wurden, und aus Sehnsucht nach einem fröhlichen Geräusch, das es brechen würde, hätte sie laut mit sich selbst geredet, wäre nicht die Furcht gewesen, die eigene Stimme zu vernehmen. Vor ihr lag ein Buch, und sie versuchte es zu lesen, doch vergeblich. Sie musste sich einfach ängstlich umblicken - und lauschte immer noch mit größter Aufmerksamkeit. Dieser Zustand konnte nicht ewig andauern, und als sie sich langsam von Mattigkeit überkommen fühlte, gab sie ihr nach und sank schließlich schlafend in ihren Sessel zurück. Ihre Träume wurden jedoch durch ihren seelischen Zustand beeinflusst, und der Schlummer bot keine Zuflucht vor den Heimsuchungen des Schreckens, wie Mrs. Nutter versprochen hatte.
Zuletzt wurde sie durch ein Knarren hochgeschreckt und stellte fest, dass sie vom Klang der Mitternacht schlagenden Uhr geweckt worden war. Ihre Lampe war fast blind und brannte nur schwach, doch auch bei dem unvollkommenen Schein sah sie, wie der Wandteppich sich bewegte. Dies konnte keine Einbildung sein, denn im nächsten Augenblick wurde der Stoffbeiseite geschoben, und hinter ihm sah man eine Gestalt; und dieses Mal war es nicht der Mönch, sondern eine Frau mit einem langen weißen Umhang. Dorothy konnte nur einen kurzen Blick auf die Gestalt werfen, denn sie verschwand sofort wieder, und das Gewebe fiel auf seinen Platz an der Wand zurück.
Durch diese Erscheinung zu Tode erschreckt, stürzte Dorothy so schnell aus dem Zimmer, dass sie vergaß, ihre Lampe mitzunehmen, und fand, sie wusste kaum wie, den Weg zum Zimmer nebenan. Sie klopfte nicht an, sondern versuchte, ob die Tür offen war, fand sie unverschlossen und öffnete und schloss sie leise wieder hinter sich, als sie zu dem Schluss gekommen war, die Bewohner des Raums nicht zu stören, falls sie schlafen sollten, und die Nacht in einem Sessel zu verbringen, da die Anwesenheit lebender Wesen ihr bis zu einem gewissen Grad genügen würde, die Ängste zu vertreiben. Das Zimmer war dunkel wie ein Grab, da man die Kerzen gelöscht hatte.
Sich auf Zehenspitzen vortastend, entdeckte sie bald einen Sessel, in dem sie zu ihrer Überraschung die schlafende Alizon fand. Sie war sicher, dass es Alizon war - denn sie hatte ihr Haar und ihr Gesicht berührt und war überrascht, dass die Berührung sie nicht geweckt hatte. Noch überraschter war sie, dass das junge Mädchen sich nicht zur Ruhe gelegt hatte. Wieder tastete sie sich auf der Suche nach einem anderen Sessel vor, als plötzlich ein Lichtstrahl von der einen Seite des Bettes hervorschoss und der Vorhang vor dem Kabinett langsam zur Seite gezogen wurde. Dahinter erschien einen Augenblick später dieselbe Frau im weißen Umhang, die sie vorher im Zimmer des Abtes erblickt hatte. Die Gestalt hielt in der einen Hand eine Lampe und in der anderen eine kleine Schachtel und zeigte zu ihrem unaussprechlichen Entsetzen das fahle und verzerrte Gesicht von Mrs. Nutter.
Ein schrecklicher, doch unbestimmter Verdacht schoss ihr durch den Kopf, und sie fürchtete, im Fall ihrer Entdeckung dem Zorn dieser seltsamen und schrecklichen Frau geopfert zu werden. Zum Glück konnte sie von ihrem Standort zwar Mrs. Nutter sehen, war deren Gesichtsfeld aber durch die Bettvorhänge entzogen, und sich nach einem Versteck umsehend, stellte sie fest, dass der dicht hinter ihr stehende geheimnisvolle Schrank offen war, und ohne einen Augenblick zu zögern, schlüpfte sie hinein und zog die Tür geräuschlos zu. Doch ihre Neugier war stärker als ihre Angst, und im festen Glauben, es fände irgendeine magische Zeremonie statt, suchte sie nach Mitteln und Wegen, zuzuschauen; und nach kurzer Zeit entdeckte sie im Schnitzwerk ein kleines Guckloch, von dem aus man den Raum überblicken konnte.
Sich außer Alizon, deren totenähnlicher Schlaf ihr keine Unruhe zu bereiten schien, niemandes Gegenwart bewusst, stellte Mrs. Nutter die Lampe auf den Tisch, verschloss die Tür und machte die Schachtel auf, wobei sie unverständliche Worte murmelte. Die Schachtel enthielt zwei eigenartig geformte Glasgefäße, das eine mit einer hellen, glitzernden Flüssigkeit, das andere mit einer grünlichen Salbe gefüllt. Einige Tropfen der Flüssigkeit in ein Glas schüttend, schluckte Mrs. Nutter sie, nahm dann etwas von der Salbe und begann, sich Gesicht und Hals damit einzureiben, wobei sie ausrief: »Emen hetan! Emen hetan!« - Worte, die sich ins Gedächtnis der Lauscherin einprägten.
Dorothy fragte sich, was nun wohl kommen würde, und schaute weiter zu, als sie Mrs. Nutter plötzlich nicht mehr sehen konnte, und nachdem sie ihr durch die Öffnung begrenztes Blickfeld abgesucht hatte, war sie überzeugt, Mrs. Nutter habe das Zimmer verlassen. Da alles ruhig blieb, wagte sie es nach einer Weile, ihr Versteck zu verlassen und versuchte, auf Alizon zufliegend, diese zu wecken, doch vergebens. Das arme Mädchen behielt dieselbe bewegungslose Haltung bei und schien in eine totenähnliche Starre versunken.
Überaus verängstigt beschloss Dorothy, das ganze Haus zu alarmieren, doch eine ungewisse Furcht vor Mrs. Nutter hielt sie davon ab, und sie schlich zum Kabinett, um zu sehen, ob die schreckliche Dame noch dort sein könnte. Alles war vollkommen still; und irgendwie ermutigt kehrte sie zum Tisch zurück, wo die Schachtel, immer noch geöffnet und mit unbewachtem Inhalt, ihre Aufmerksamkeit fesselte.
Welche Flüssigkeit befand sich in der Phiole? Was konnte sie tun? Das waren Fragen, die sie sich stellte, und mit dem Wunsch, die Wirkung auszuprobieren, wagte sie schließlich, ein paar Tropfen herauszuschütten und zu kosten. Es war wie ein kräftiger Extrakt, und sie wurde sich unverzüglich einer seltsamen, verwirrenden
Erregung bewusst. Dann drehte sich ihr der Kopf, und sie lachte wild auf. Noch niemals hatte sie sich so leicht und schwerelos gefühlt, und sie schien kaum noch Flügel zu brauchen, um fliegen zu können. Sie hatte einen Einfall. Die wundersame Flüssigkeit könnte Alizon wecken. Sie musste das Experiment sofort versuchen, und den Finger in die Phiole tauchend, berührte sie die Lippen der Schlafenden, die tief seufzte und die Augen öffnete. Noch ein Tropfen, und Alizon stand auf den Füßen, sie erstaunt betrachtend und genauso wild lachend wie sie.
Arme Mädchen! Wie wild und absonderlich sie aussahen - und wie anders als sonst!
»Wohin willst du?«, rief Alizon.
»Zum Mond! Zu den Sternen! Überall!«, erwiderte Dorothy mit einem Lachen rasender Fröhlichkeit.
»Ich begleite dich«, rief Alizon, in das Lachen einstimmend. »Hier und dort! Hier und dort!«, rief Dorothy, sie bei der Hand nehmend. »Emen hetan! Emen hetan!«
Während die geheimnisvollen Worte ausgesprochen wurden, entschwanden die beiden. Es schien, als könnte kein Hindernis sie aufhalten; wie sie das Kabinett durchquerten, durch ein zur Seite gleitendes Paneel in das Zimmer des Abtes schlüpften, die Kapelle betraten und auf einer Geheimtreppe in den Garten hinabschritten, wussten sie nicht - aber da waren sie, schnell, wie geflügelte Geister, im Mondlicht schwebend. Was sie zur Klosterkirche führte, sie konnten es nicht sagen. Doch es zog sie hin, wie es das Schiff unwiderstehlich zum Magnetberg zog, der im morgenländischen Märchen beschrieben wird. Nichts überraschte sie, denn sonst wären sie vielleicht zurückgeschreckt vor den undurchdringlichen Dämpfen, die die Ruinen des Klosters umhüllten und der Sicht verbargen; und erst als sie die entweihte Stätte betraten, wurde ihnen wieder bewusst, was um sie herum vorging.
Jetzt wurden ihre Ohren fast betäubt durch ein wildes Getöse dissonanter Klänge, Schreie und Krächzlaute wie von Eulen und Raben, schrille und misstönende Rufe wie von Nachtvögeln, Muhen wie von Rindern, durch Grunzen und schreckliche, mit geisterhaftem Gelächter vermischte Laute. Unbestimmte und außergewöhnliche Schatten, ob von Männern oder Frauen, von Wesen dieser oder einer anderen Welt, sie konnten es nicht erkennen, flogen mit wilden Schwüngen und durchdringenden Schreien an ihnen vorbei, schlugen die Luft wie mit großen, ledernen Fledermausflügeln, oder ritten auf schwarzen, ungeheuren, missgestalteten Rössern. Phantastisch und grotesk waren diese Geschöpfe, hässlich und abstoßend. Dann und wann sauste ein roter und flimmernder Stern knisternd durch die Luft, zerbarst in zahllose bleiche, phosphoreszierende Lichter, die eine Weile oben tanzten und dann zwischen den Ruinen verglommen. Die Erde schien unter den Fußtritten zu beben und zu zittern, als ob die Gräber sich öffneten, um die Toten freizugeben, während Kröten und zischende Reptilien davonkrochen.
Abgestoßen, doch durch dieses verworrene und scheußliche Getöse teilweise wieder bei Sinnen, blieb Alizon stehen und hielt Dorothy fest, die unter einem weit stärkeren Einfluss als sie zu stehen schien und zum östlichen Ende des Gotteshauses gezogen wurde, wo der Schein eines Feuers glänzte, ein starkes, rotes Licht auf das geborstene Dach des Chors und die Chorbögen geworfen wurde. Die Geräusche ließen plötzlich nach, und der gesamte Aufruhr schien sich an der Stelle zu konzentrieren, wo das Feuer brannte. Dorothy flehte die Freundin so eindringlich an, sie sehen zu lassen, was vor sich ging, dass Alizon widerstrebend und zitternd zustimmte, und langsam bewegten sie sich auf das Querschiff zu, immer darauf bedacht, sich im Schutz der Säulen zu halten.
Als sie den letzten Pfeiler erreicht hatten, hinter dem sie blieben, entfaltete sich vor ihren Augen ein fürchterliches Schauspiel. Wie sie vermutet hatten, brannte im Mittelpunkt des Chores ein großes Feuer, dessen Rauch in wirbelnden Kreisen hochstieg und oben einen düsteren Baldachin bildete, wo er sich mit dem Dampf vermischte, der aus einem großen schwarzen, brodelnden Kessel auf den glühenden Kohlen hochwallte. Um das Feuer standen und lagen in einem großen Kreis Männer und Frauen, vor allem aber letztere, und sie waren fast alle alt, hässlich und von bösem Aussehen, die finsteren und unheilvollen Züge im geisterhaften Licht gar schrecklich anzuschauen. Über ihnen, mitten im Rauch und Dampf, zogen Fledermäuse, Horneulen und Baumkäuze verworrene Kreise. Die grausige Gesellschaft schnatterte in einem wilden Kauderwelsch, murmelte und flüsterte Flüche und Zaubersprüche, sang mit rauen und heiseren Stimmen einen angsteinflößenden, wilden Chor und brach dann wieder in ein lautes und tosendes Lachen aus. Dann wieder Murmeln und Schnattern und Singen, und eine der Anwesenden humpelte, einen Lederbeutel hervorziehend, ans Feuer.
Es war eine schreckliche alte Vettel; bucklig, zahnlos, triefäugig, bärtig, lahm, mit großen, gichtigen, stoffumwickelten Füßen. Während sie die Ingredienzen eins nach dem anderen ins Feuer warf, sang sie folgendes:
Kopf des Affen, Hirn der Katz,
Wieselauge, Rattenschwanz,
Saft von Beifuß, Mastix, Myrrhe -
Alles in den Topf ich rühre.
»Gut gesungen, Mutter Hohlfuß«, rief ein kleiner alter Mann, dessen Wams und Beinkleid schmutzig schwarz waren und der sich einen kurzen Umhang von der gleichen Farbe über die Schultern geworfen hatte. »Gut gesungen, Mutter Hohlfuß«, rief er und kam näher, während sich die alte Hexe, begleitet von einer brüllenden Lachsalve der anderen, zurückzog, und sang, als er den Kessel füllte:
Hier ist der Schaum vom Maul eines tollwütigen Hundes,
Gesammelt bei einer Mondfinsternis,
Asche von verbrannten,
mit todesdämpfengeschwängerten Grabtüchern,
All das werf ich in den Trank - Rühr den Kessel, rühr ihn schnell.
Dann näherte sich eine rothaarige Hexe, entnahm ihrem Beutel eine kleine Figur aus Ton, die so angezogen war, dass sie einem Mann ähnelte, bohrte mehrere Nadeln tief in seine Brust und sang dabei folgendes:
So wie er ist es geformt,
Und es trägt auch sein Gewand,
Das tu ich euch kund und zu wissen!
Scharfe Nadeln bohre ich in seine Brust,
Treib sie schnell und tief hinein,
Sie sind drinnen - sie sind drinnen -
Und die Qualen des Unglückseligen beginnen.
Jetzt fühlt sein Herz
Den scharfen Schmerz;
Durch sein Mark Bebt die Pein Spitz wie Pfeile.
Er soll zittern,
Er soll brennen,
Er soll keuchen und sich winden
Doch vergeblich.
Schmerzen sollen ihn martern,
Krämpfe ihn schütteln;
Er soll winseln ohne Kraft,
Bis er stirbt Elendiglich!
Als sich die Alte zurückzog, kam eine andere Hexe ans Feuer und hub an:
Über Berge und Täler, über Wälder und Wüsten,
Ritten wir auf unseren edlen Besenstielen
Und kamen in wilder Eile,
Und der Grund unseres Kommens, ihr kennt ihn wohl,
Ist die neue Hexe, die sich heut zu uns gesellen soll.
Dieser Hymne folgte ein wildes Lachen, und jetzt kam ein anderer Hexenmeister und sang:
Schlag die Wasser, Demdikes Tochter!
Bis die Stürme über uns brausen;
Bis der Donner uns begräbt
Und die Blitze uns beleuchten!
Schlag die Wasser, Demdikes Tochter!
Tod und Mord komme über unsere Feinde!
Während diese Worte erklangen, verließ eine Frau den Kreis, warf den Umhang mit der grauen Kapuze zurück, in den sie eingehüllt war, und zeigte die Züge von Elizabeth Device, einer von Mrs. Nutters Dienerinnen, einer Frau von üblem Ruf. Ihre Anwesenheit in der schrecklichen Versammlung überraschte Alizon nicht, vergrößerte jedoch ihr Entsetzen.
Als der Mann seinen Gesang beendet hatte, sammelten sich über ihren Köpfen dräuende Wolken, die alle Sterne verdunkelten, welche bisher den Himmel erleuchtet hatten. Dann erhob sich plötzlich ein heftiger Wind, doch statt den Dunst zu vertreiben, schien er ihn nur noch undurchdringlicher zu machen. Ein gegabelter Blitz durchzuckte die Luft, und ein lautes Donnergrollen rollte über ihnen hinweg. Dann sang die ganze Truppe gemeinsam:
Schlag die Wasser, Demdikes Tochter!
Sieh, wie sich die Stürme sammeln;
Blitze zucken - Donner grollen,
Wilde Winde singen ihren lauten Chor!
Einige Augenblicke wütete der Sturm furchterregend. Der Wind peitschte um die verfallenen Mauern, doch drinnen fühlte man seinen Atem nicht, und man hörte den Regen sintflutartig niederprasseln, obgleich kein einziger Tropfen durch das offene Dach drang. Der Donner ließ die Wände und Pfeiler des alten Gebäudes erbeben und drohte, sie von ihren Fundamenten zu stürzen, doch sie widerstanden den Stößen. Blitze umspielten den hohen Kirchturm, der sich an dieser Seite des Gottestempels erhob, und Hefen von seiner zersplitterten Spitze bis auf den Boden, ohne Schaden anzurichten. Die roten Keile fuhren harmlos in die Erde, obgleich sie genau zu den Füßen der schrecklichen Versammlung niedergingen, die über den fürchterlichen Tumult ungezügelt lachte. Während der Sturm am schlimmsten tobte, während die Blitze wild zuckten und der Donner laut krachte, ging eine andere Hexe mit einer Wärmpfanne in der Hand auf das Feuer zu, stellte die Pfanne darauf, warf bestimmte Kräuter und Wurzeln hinein und sang dazu:
Hier ist der Saft geschroterten Mohns,
Mit schwarzem Nieswurz wohl versetzt;
Hier ist Alrauns blutende Wurzel,
Vermischt mit Nachtschattens tödlicher Frucht;
Viperndrüse voller Gift,
Aus einem Tier, das noch nicht tot;
Natternhaut und Rabenfeder,
Mit Käfernschuppen gut vermischt:
Drachenkraut und Barbatus,
Schierling, schwarz und todbringend;
Hirschhorn und Storaxrot,
Kiebitzblut, um Mitternacht Brennen in der heißen Pfanne,
Drehen sich in scharfen Dämpfen,
Durch die starke Fumigatio
Höret diese Invocatio,
Geister! Ich beschwör euch her,
Jeder, der mich hört, erscheine!
Nach einem Augenblick Pause begann sie von neuem:
Klosterbrüder in weißen Roben,
Deren Schritte einst in den kalten Mauern klangen
Und die heute unter diesen Platten schlafen,
Stehet auf.
Äbte! Gefürchtet von den Schwachen,
Verehrt von den Leichtgläubigen,
Die dies mächtige Bauwerk errichteten!
Stehet auf!
Und du letzter Schuldiger!
Durch die Lust schlummernder Macht,
Von den Genossen noch im Tod gefürchtet!
Stehe auf!
Und du, Schöne, die missachtet
Die Gelübde, die deine Lippen vortäuschten;
Die befleckte ihre schneeigen Gewänder!
Stehe auf!
Während dieser Beschwörung verstummte die freudig erregte Versammlung, und die Anwesenden blickten sich in lautloser Erwartung des Ergebnisses um. Dann glitt eine lange Prozession von Mönchsgestalten in weißen Kutten langsam die Seitenschiffe entlang und sammelte sich um den Altar. Die kupferbedeckten Steine im Presbyterium hoben sich, als hingen sie an Scharnieren, und aus den gähnenden Gräbern unter ihnen stiegen feierliche Gestalten, sechzehn an der Zahl, mit Mitren auf den Häuptern und Bischofsstäben in den Händen, die sich in ähnlicher Prozession zum Altar begaben. Dann hörte man einen lauten Schrei, und aus einer Seitenkapelle kam die Mönchsgestalt in wehendem Gewand, die Dorothy die Kapelle hatte betreten sehen, und die sich zu ihren Brüdern am Altar gesellen wollte, doch diese winkten sie drohend hinweg. Ein Weiterer durchdringender Schrei folgte, und eine weibliche, wie eine Nonne gekleidete Gestalt von überirdischer Schönheit kam aus der gegenüberliegenden Kapelle und schwebte zum Feuer. Zufrieden über diesen Beweis ihrer Macht winkte die Hexe mit der Hand, und der lange Zug der Schatten glitt fort, wie er gekommen war. Die geisterhaften Äbte kehrten in ihre Gräber zurück, und die Steine schlossen sich wieder über ihnen.
Der Sturm hatte fast aufgehört, der Donner grollte nur noch in Abständen, und dann und wann leckte ein Blitz an den Wänden. Die schreckliche Menge hatte ihre Rituale wieder aufgenommen, als plötzlich die Tür der Sakristei aufflog und eine große weibliche Gestalt herauskam.
Alizon wusste nicht, ob sie ihren Augen trauen sollte. Konnte die fürchterliche Frau in der eigenartig geschnittenen weißen Robe, gegürtet mit einem schmiedeeisernen Reifen, in den geheimnisvolle Buchstaben gegraben waren, mit einer langen, glänzenden Klinge in der Hand, teuflische Wut in ihren wild rollenden Augenkreisen, den bleichen Hauch des Todes auf den Wangen und das rote Brandmal auf den Brauen - konnte diese furchterregende Frau mit den schwarzen, aufgelösten Flechten, die ihr über die Schultern wogten, diese Frau mit den herrischen Gesten, konnte sie Mrs. Nutter sein? Denn eine Mutter war sie nicht mehr, wenn sie es wirklich war! Wie kam sie zu dieser schrecklichen Versammlung? Warum grüßte man sie so unterwürfig, fiel vor ihr auf die Knie und küsste den Saum ihres Gewandes? Warum stand sie so stolz in der Mitte der Anwesenden und streckte die messerbewehrte Hand über ihnen aus? War sie ihre oberste Gebieterin, und beugten sie sich deshalb so tief, als sie nahte, und erhoben sich deshalb so andächtig auf ihr Geheiß? War diese furchtbare Frau, die jetzt auf dem verfallenen Grabmal saß und das düstere Konklave mit den Augen einer Königin betrachtete, in deren Händen aller Schicksal lag - war sie ihre Mutter? Oh, nein! Nein! - es konnte nicht sein! Es musste ein böser Geist sein, der ihre Gestalt angenommen hatte.
Doch obgleich Alizon so versuchte, nicht zu glauben, was die Sinne ihr sagten, und alles, was sie sah, für Täuschung zu halten, konnte sie sich nicht völlig überzeugen, sondern erinnerte sich bruchstückhaft an den furchterregenden Anblick, dessen Zeugin sie in ihrem totenähnlichen Schlaf geworden war, und begann ihn mit dem jetzt abrollenden Schauspiel zu verbinden. Der Sturm hatte ganz aufgehört, und die Sterne blitzten wieder durch das zerbrochene Dach. Es herrschte tiefes Schweigen, das nur durch das Zischen und Brodeln des Kessels unterbrochen wurde. Alizons Blicke waren fest auf ihre Mutter gerichtet, deren leichteste Bewegungen sie beobachtete. Nachdem sie die Versammelten dreimal abgezählt hatte, erhob Mrs. Nutter sich majestätisch und winkte die alte Vettel, die die Zeremonie geleitet hatte, zu sich heran, worauf sie einige Worte tauschten, deren Ton nicht an das Ohr der Lauscherin drangen. Abschließend rief Mrs. Nutter jedoch laut und befehlend aus: »Geh, bring es sofort her, das Opfer muss gebracht werden.« Und darauf humpelte die alte Frau zu einer der Seitenkapellen.
Ein Todesschrecken ergriff Alizon, und sie konnte kaum Atem holen. Unheimliche Geschichten hatten ihr berichtet, dass Hexen manchmal ungetaufte Kinder opferten und ihr Fleisch kochten und bei ihren frevelhaften Banketten verzehrten, und aus Furcht, eine derartige Missetat werde gleich begangen, nahm sie all ihre Willenskraft zusammen, entschlossen, auf jede Gefahr hin einzugreifen und diese zu verhindern, wenn es möglich war.
Einen Augenblick später kehrte die Hexe zurück, etwas Lebendes, in ein weißes Tuch Gewickeltes tragend, das schwach kämpfte, um sich zu befreien, und Alizons Verdacht offenbar bestätigte, und sie wollte gerade vorstürzen, als Mrs. Nutter, das Bündel von der alten Hexe entgegennehmend, es öffnete und einen wunderschönen Vogel freigab, dessen Kleid aus schneeweißen Federn bestand und dessen Beine zusammengebunden waren, damit er nicht entkommen konnte. Das Folgende ahnend, blickte Alizon fort, und als sie wieder hinsah, war der Vogel schon geschlachtet worden. Mrs. Nutter hielt das blutige Messer empor und verkündete, einige rote Tropfen auf die glühende Asche werfend, als diese zischten und rauchten, die folgende Beschwörung:
Deine Hilfe erfleh ich, Höllenmacht!
Dein Wort schicke zu Malkins Turm,
Dass die alte Hexe erfahre,
Wo ich will, da muss sie hingehen -
Was ich will, das muss sie tun!
Sofort ertönte die Antwort einer fürchterlichen Stimme, die offenbar aus den tiefsten Schlünden der Erde drang.
Die du rufst nach Satans Hilfe
Du kennst den Preis, der gezahlt werden muss.
Die Hexenkönigin erwiderte:
Ja. Doch gib die Hilfe, die ich erflehe,
Und du sollst haben, was du willst.
Eine neue Anbeterin ist gewonnen
Und dein, wenn alles vollbracht ist.
Einen Augenblick darauf fügte die Stimme hinzu:
Ich hab getan, was du gewollt -
Nun gehe deinen Weg, und nichts hindere dich.
»So soll es sein«, antwortete Mrs. Nutter, deren Züge in wildem Frohlocken glühten. »Bringt die neue Anbeterin herbei!«, rief sie. Und bei diesen Worten kam ihr dunkelhäutiger Diener Blackadder, ein Mädchen an der Hand führend, aus der Sakristei.
Beim Anblick des Mädchens brach ein lauter Schrei der Wut und Überraschung aus Elizabeth Device hervor, und sie stürzte nach vorn.
»Das ist mein Kind!«, schrie Elizabeth. »Ohne meine Zustimmung kann sie nicht getauft werden, und ich weigere mich. Ich will nicht, dass sie eine Hexe wird - wenigstens jetzt noch nicht. Wie kommt es, dass du hier bist, du ungeratenes Ding?«
»Ich wurde hergebracht, Mutter«, antwortete das Mädchen, das Jennet hieß.
»Dann geh sofort wieder nach Haus, und bleib da«, erwiderte Elizabeth rasend vor Zorn.
»Nein, ich will noch nicht nach Haus«, antwortete Jennet. »Ich möchte auch so eine Hexe sein wie du.«
»Ho! Ho! Ho!«, lachte die Stimme von unten.
»Nein, nein - ich verbiete es!«, kreischte Elizabeth; »du sollst nicht getauft werden. Warum hat man sie hergebracht, Madam?« fugte sie, an Mrs. Nutter gewandt, hinzu. »Ihr habt sie mir geraubt. Ich verbiete, dass sie getauft wird.«
»Deine Zustimmung-ist nicht erforderlich«, erwiderte Mrs. Nutter, sie fortwinkend. »Deine Tochter will unbedingt Hexe werden. Das reicht.«
»Sie ist nicht alt genug, um allein zu entscheiden«, sagte Elizabeth. »Auf das Alter kommt es nicht an«, erwiderte Mrs. Nutter.
»Was muss ich tun, um eine Hexe zu werden?«, fragte Jennet.
»Du musst jede Hoffnung auf den Himmel fahrenlassen«, erwiderte Mrs. Nutter, »und dich Satan weihen. Dann wirst du in seinem Namen getauft und wirst eine seiner Anbeterinnen. Du wirst die Macht haben, alle Menschen mit körperlichen Leiden zu schlagen - das Kom zu vernichten - Häuser zu verbrennen - und, so du willst, alle zu töten, die dich hassen oder dich belästigen. Möchtest du all dieses tun?«
»Ja, das möchte ich«, antwortete Jennet. »Das Böse gefallt mir mehr als das Gute, und ich sehe die Menschen lieber weinen als lachen; und wenn ich könnte, würde ich sie bestrafen, wenn sie über mich lachen, dass sie es bereuen werden bis an ihren Tod.«
»All das sollst du tun, und noch mehr«, antwortete Mrs. Nutter. »Du lässt also jede Hoffnung auf Erlösung fahren und weihst dich mit Körper und Seele den Mächten der Finsternis?«
Elizabeth, die immer noch von einer anderen Hexe im Seitenschiff festgehalten wurde, schüttelte in ohnmächtiger Wut die Arme und knirschte mit den Zähnen, stöhnte dann laut auf; doch ehe Jennet antworten konnte, vernahm man einen durchdringenden Schrei, der wie tausend Nadeln durch Mrs. Nutters Busen drang, und Alizon, die aus ihrem Versteck hervorgestürzt war, drängte sich durch den schrecklichen Kreis und stand neben der Gruppe in seiner Mitte.
»Lass sein, Jennet!«, rief sie. »Lass sein! Sprich die schändlichen Worte nicht aus, oder du bist für immer verloren. Komm mit mir, und ich werde dich retten.«
»Schwester Alizon!«, rief Jennet, sie überrascht anstarrend, »was tust du hier?«
»Frag nicht - komm«, rief Alizon und versuchte, ihre Hand zu ergreifen.
»Oh! Was ist das?«, rief Mrs. Nutter, die sich inzwischen teilweise von dem Schreck und der Überraschung erholt hatte, in die sie durch Alizons unerwartetes Erscheinen geworfen worden war. »Warum bist du hier? Wie hast du die Fesseln des Schlummers gelöst, mit denen ich dich band? Fort - fort - unverzüglich fort, du kannst diesem Mädchen nicht mehr helfen. Du kannst sie nicht retten. Sie ist bereits geweiht. Fort. Ich kann dich hier nicht schützen.«
»Ho! Ho! Ho!«, lachte die Stimme.
»Hörst du jenes Lachen nicht?«, rief Mrs. Nutter mit verstörten Blicken. »Geh!«
»Nicht ohne Jennet«, antwortete Alizon bestimmt.
»Mein Kind... mein Kind... auf meinen Knien flehe ich dich an, flieh«, rief Mrs. Nutter, sich vor ihr auf die Knie werfend... »Du weißt nicht, in welcher Gefahr du schwebst... oh, flieh, flieh!« Aber Alizon blieb fest.
»Ihr seid in Eurer eigenen Schlinge gefangen, Madam«, rief Elizabeth Device mit einem höhnischen Lachen. »Da Jennet eine Hexe werden muss, kann Alizon gleich mitgetauft werden. Eure Zustimmung ist nicht erforderlich, und auf das Alter kommt es nicht an - ha! Ha!«
»Fluch über das Böse«, rief Mrs. Nutter mit zitternder Stimme. »Was ist zu tun in dieser Not?«
»Nichts«, erwiderte die Stimme. »Jennet ist bereits mein. Wenn du oder ihre Mutter sie nicht gebracht hätte, wäre sie aus eigenem Antrieb gekommen. Ich habe sie beobachtet und ausgesucht. Ihr Schicksal ist besiegelt!«
Während diese Worte ausgesprochen wurden, glitt der Schatten des Abtes vor, berührte das schaudernde Kind mit seinem Finger auf der Stirn und verschwand mit einem klagenden Schrei. »Knie nieder, Jennet«, rief Alizon, »knie nieder und bete!«
»Zu mir«, antwortete die Stimme; »einer anderen Macht kann sie sich nicht mehr beugen. Alice Nutter, du hast versucht, mich zu täuschen, doch vergebens. Ich forderte dich auf, deine Tochter hierher zu bringen, und statt ihrer botest du mir das Kind einer anderen, das bereits mir gehörte. So springt man nicht mit mir um. Du kennst meinen Willen. Benetze ihr Haupt mit Wasser und weihe sie mir.«
Mit einem fürchterlichen Schrei sank Mrs. Nutter auf die Erde und schlug mit den Händen auf den Boden. Und alle Hoffnung wich aus ihrem Herzen.