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Thorsten Gallena - Eine Krise kommt selten allein

"Stärke wächst nicht aus körperlicher Kraft, vielmehr aus unbeugsamen Willen"

(Mahatma Gandhi)


Thorsten Gallena ist Personal Trainer, Coach sowie Ausbilder und Trainer für Life Kinetik, einem Bewegungsprogramm zur Steigerung der mentalen Leistungsfähigkeit. Er hilft seinen Kunden, die eigene (körperliche und mentale) Leistungsfähigkeit und Gesundheit so weit zu verbessern, sodass alltägliche Herausforderungen in Schule, Beruf oder Sport entspannter gemeistert und Ziele schneller erreicht werden können. Als ehemaliger Leistungssportler hat er gelernt mit Verletzungen und Rückschlägen umzugehen, schnellstmöglich wieder fit zu werden und gestärkt daraus hervorzugehen. Neben zahlreichen Titeln in Bogenschießen, Baseball und im Wettkampf-Bankdrücken spielte er über 20 Jahre American Football und wurde dabei als Jugendlicher bayrischer Meister und Dt. Vizemeister und spielte als Senior in der GFL (German Football League) auf der Position des Quarterbacks.

Thorstens Wendepunkt

„T5“ lautete das Ergebnis meiner Musterung. Somit nicht wehrdienstfähig. Grundsätzlich war das zunächst ein positives Ergebnis für mich: Ich musste nicht zur Bundeswehr. Das Problem dabei war allerdings, es wurde bei fachärztlichen Untersuchungen festgestellt, dass ich in einigen Jahren einmal Probleme mit meinen Hüften bekommen würde. Beide Gelenkpfannen waren zu kurz. Von Geburt an. Dadurch nutzt sich der Gelenkknorpel schneller durch erhöhten Druck auf den Oberschenkelknochen ab. Als Konsequenz würde ich keine stehende berufliche Tätigkeit ausüben können bzw. dürfen. Das wäre für mich so weit in Ordnung gewesen. Viel schlimmer war für mich, dass ich durch die Diagnose nicht länger Footballspielen durfte! Mein Traum – eines Tages als Quarterback für die deutsche Football-Nationalmannschaft spielen zu dürfen – würde sich nie erfüllen. Das viele Sprinten, aber vor allem das häufige Abstoppen und die schnellen Richtungswechsel sind Höchstbelastungen für Hüfte und Knie. Die Empfehlung der Ärzte war damit eindeutig – und stand damit auch für meine Eltern fest: Sie untersagten mir weiter Football zu spielen.

Mit zwölf Jahren hatte ich mit dem Footballspielen begonnen. Das Jugendteam der Würzburg Pumas befand sich damals noch im Aufbau. Bei unserem ersten Freundschaftsspiel gegen die Stuttgart Stallions (das wir übrigens mit 14: 13 gewonnen haben) durfte ich – mit einer Ausnahmegenehmigung – bereits als dreizehnjähriger mitspielen. Und das, obwohl offiziell die Jugendspieler im Tackle-Football (also mit voller Ausrüstung und vollem Kontakt) damals mindestens vierzehn und höchstens achtzehn Jahre alt sein durften. Heute gibt es hier weitere Abstufungen, die U13, U15 und U19. Über die gesamte Dauer meiner Spielzeit im Jugendteam hatte ich nahezu alles erreicht, was man in der damaligen Zeit erreichen konnte: Bayerischer Meister, Deutscher Vizemeister (im Finale unterlagen wir den Düsseldorf Panthern mit 8: 27) und zweimaliger Starting Quarterback der Bayernauswahl (also derjenige Spielmacher, der von Anfang an auf dem Spielfeld steht) in meinen beiden letzten Spielzeiten in der Jugend. Ich stand jetzt vor dem Wechsel in ein Herrenteam und freute mich bereits auf diese Herausforderung. Für mich kam die Diagnose und das damit zusammenhängende Footballverbot also zur absoluten Unzeit. Fairerweise möchte ich sagen, dass ich davon überzeugt bin, meine Eltern wollten mich nur vor Schaden bewahren. Zumal mich insbesondere mein Vater viele Jahre lang tatkräftig unterstützt hat, indem er mich zu jedem Training gefahren und auch wieder abgeholt hat. Auch bei den Spielen waren meine Eltern immer dabei, soweit es möglich war. Dennoch fühlte ich mich durch dieses Verbot – verraten (ein hartes Wort, aber in dem Moment damals fühlte es sich wohl so an). Ich konnte und wollte diese Entscheidung nicht akzeptieren.

Aber nicht nur mein sportlicher Werdegang sollte einige Überraschungen für mich bereithalten. Auch privat und beruflich ging es in den folgenden Jahren auf und ab. Über einige dieser Erlebnisse möchte ich hier kurz berichten.

Ich knüpfe zunächst noch einmal an die gerade geschilderte Situation. Die Vorbereitung auf die nächste Saison stand bevor. Dem Verbot zum Trotz kontaktierte ich ohne Wissen meiner Eltern einen kürzlich gegründeten Footballverein, der nicht allzu weit entfernt, aber in einem anderen Bundesland beheimatet war. Gemeinsam mit meinen engsten Freunden und Teamkollegen absolvierten wir dort ein paar unverbindliche Trainingseinheiten mit dem noch unerfahrenen Team. Da wir bereits ausgebildete Footballspieler waren, wurden wir mit offenen Armen empfangen und schnell in das Team integriert. Jetzt blieb nur noch zu klären, wie ich es meinen Eltern erklären sollte? Die Lösung war: Gar nicht. Ich traf mit dem Vereinsvorstand die Abmachung, dass mein Name in der Stadionzeitung und in der Presse nicht erscheinen sollte. Natürlich stand mein richtiger Name im Spielerpass, aber beispielsweise beim Einlaufen in das Stadion wurde ein anderer Name genannt. Dieser Trick funktionierte – zumindest eine gewisse Zeit lang. Meine Freunde und ich trafen uns zweimal wöchentlich auf einem Parkplatz und fuhren gemeinsam zum Training. Abwechselnd kümmerten sie sich um die Aufbewahrung meiner Ausrüstung, denn die konnte ich ja Zuhause nicht so ohne Weiteres aufbewahren bzw. waschen.

Nach einer ersten erfolglosen Saison ohne einen einzigen Sieg, ließ der Erfolg auch aufgrund unserer Verstärkung, nicht lange auf sich warten: Unser erstes Freundschaftsspiel konnten wir klar für uns entscheiden. Es zeichnete sich eine erfolgreiche Saison in der Landesliga Baden-Württemberg für uns ab – für die Tauber Gators.

Mit weiteren Siegen und zunehmendem Erfolg ergaben sich für mich aber auch Schwierigkeiten. Zwar wussten meine Eltern nicht, dass ich weiter Football spielte (wobei ich im Nachhinein überzeugt bin, dass sie etwas ahnten), aber die Pressemitteilungen wurden immer umfassender und größer. Zudem arbeitete ein Mitspieler von mir in dem gleichen Betrieb wie meine Eltern. Bevor mein Geheimnis irgendwann durch Zufall bekannt werden würde, was aus meiner Sicht fatal gewesen wäre, entschied ich mich dazu, meinen Eltern die Wahrheit zu gestehen. Im Nachhinein eine richtige und wichtige Entscheidung, die ich getroffen hatte. Letztlich durfte ich weiter Football spielen. Meine Eltern hatten ein Einsehen, nachdem sie erkannt hatten, wie wichtig mir der Sport geworden war – dieser Sport. Und auch wie erfolgreich unser Team inzwischen geworden waren. Von da an unterstützen mich meine Eltern auch wieder durch ihre Anwesenheit bei unseren Heimspielen. Mein Engagement, mein Wille und meine Motivation hatten mir letztlich dazu verholfen, dass ich meinen Sport weiter ausüben durfte!

Nach dem Aufstieg ein Jahr später entschied ich mich im darauffolgenden Jahr zum GFL Team der Franken Knights zu wechseln. Erstmals seit meiner Jugend hatte ich wieder einen Trainer, der mich sowohl in athletischen Belangen als auch in taktischer Hinsicht weiter entwickeln konnte. Insgesamt lernte ich in dieser Zeit sehr viel dazu. Der Erfolg mit dem Team blieb leider aus. Nach einem unglücklichen Schlüsselbeinbruch stand ich zwar nach kürzester Zeit wieder auf dem Feld, jedoch zwang mich eine Gehirnerschütterung erneut zu einer mehrwöchigen Zwangspause. Während dieser unfreiwilligen Auszeiten und bedingt durch den stetigen guten Kontakt zu meinen früheren Würzburger Teamkollegen beschlossen wir gemeinsam nach der abgelaufenen Saison, einen neuen Verein in Würzburg zu gründen. Die Würzburg Panthers.

Das Leben allgemein – und auch meines – besteht aber natürlich nicht nur aus Sport. Und genauso wenig besteht Gesundheit nur aus einem fitten und leistungsfähigen Körper. Das durfte ich 2000/2001 lernen. Nach einigen sehr schwierigen Monaten im privaten Bereich machte sich enormer psychischer Stress nun erstmals bei mir körperlich bemerkbar.

Bis dato war Sport – insbesondere American Football und Krafttraining – mein Anker im Leben. Das heißt, ging es mir beruflich, privat oder gesundheitlich nicht so gut, dann waren diese beiden Bereiche mein Rückzugsgebiet. Orte, an denen ich mich wohl fühlte und wo ich wieder Kraft tanken konnte. Körperlich hatte ich schon einige Verletzungen überwunden, aber welch immense Rolle die Psyche spielt oder spielen kann, das war mir bislang nicht bekannt. Der enorme psychische Stress in dieser Zeit führte dazu, dass ich unter Bluthochdruck litt. Die direkte Folge: Sofortiges Sportverbot! Zudem musste ich für die nächsten Tage ein Dauer-EKG-Gerät mit mir herumtragen. Für mich ein Horror-Szenario! Meine letzte Zuflucht – der Sport – wurde mir weggenommen. Mein Glück war, dass ein Freund und Teammitglied Rettungssanitäter bei der Bundeswehr war. Mir zuliebe übernahm er die Verantwortung und ließ mich weiter Footballspielen. Vor dem Spiel und zwischen den Einsätzen jedoch musste ich jedes Mal meinen Blutdruck messen lassen. Etwa zur Halbzeit war der Grenzwert dann tatsächlich erreicht. Ich erhielt unwiderruflich Spielverbot. Bis zu jener Zeit hätte ich darüber geschmunzelt, wenn mir jemand erzählt hätte, in welchem Umfang sich psychischer Druck oder Stress auf den Körper auswirken kann. Seither profitiere ich von dieser Erfahrung und habe gelernt wie ich rechtzeitig entsprechend eingreifen kann.

Die privaten Sorgen waren überwunden. Schon stand im Jahr 2002 meine Footballkariere erneut vor dem Aus! Das neu formierte Würzburger Team bestand aus vielen ehemaligen Jugendspielern der Würzburg Pumas. Nach einer überraschend guten ersten und einer durchwachsenen zweiten Saison konnte mit Coach Snell, ein erfahrener US-amerikanischer Headcoach, gewonnen werden. Er hatte im Jahr zuvor mit dem Würzburger Highschool-Footballteam Würzburg Wolves die Europameisterschaft gewonnen. Man spielte inzwischen in einem großen Stadion und einige Spieler, die in den umliegenden Bundesligavereinen spielten, kehrten nach Hause zurück. Ich will damit ausdrücken – meine Motivation und die Vorfreude auf die Saison waren riesig! Die Saison begann furios. Die ersten Spiele konnten alle gewonnen werden. Durch kontinuierliches Training und ansprechende Leistungen im Training erkämpfte ich mir meine Position als Starting Quarterback für unser Spiel in Königsbrunn zurück. Es lief fantastisch: Schnell lagen wir mit 0: 14 in Führung. Alles lief wie am Schnürchen – Läufe, Pässe, Trickspielzüge. Zumindest bis mir ein gegnerischer Spieler nach der Ballabgabe mit dem Helm in meinen Knöchel sprang. Die anschließende Diagnose im Krankenhaus: Trümmerbruch im Sprunggelenk. Football sei damit wohl nicht mehr möglich. Die Saison war für mich beendet. Das war mir klar. Aber über alles andere machte ich mir keine Gedanken. Ich würde es Schritt für Schritt angehen. Und das tat ich auch. Zunächst sollte mein Fuß entgegen meiner Bitte nicht operiert werden. Durch ausreichend Erfahrung mit (Sport-)Verletzungen, Reha-Maßnahmen und Krankengymnastik hielt ich mich zunächst an die ärztlichen Empfehlungen. Parallel aber suchte ich selbst Rat in allen Fachbereichen, die mir hilfreich schienen. Nachdem sich trotz umfassender Therapiemaßnahmen der von mir ersehnte Erfolg – volle Beweglichkeit – nicht einstellte, wurde ich dann doch noch von einem Sprunggelenksspezialisten operiert. Die OP verlief auch wie geplant: alle Knochensplitter konnten entfernt werden, eine Sehnenrevision wurde durchgeführt (eine „Reparatur“ der Sehne bzw. des Sehnengleitgewebes). Fazit nach erneuter Krankengymnastik: Zustand unverändert. Das Gelenk bleibt teilweise steif. – Was soll ich sagen, außer DANKE! Danke an all die Physiotherapeuten, Trainer und Freunde, die mir ihre Zeit geschenkt haben und die mir mit Rat und Tat zur Seite standen. Entgegen der Prognose der Ärzte konnte ich nach stetigem Aufbautraining, Aqua-Gymnastik, (unangenehmen, teils schmerzhaften) Dehnübungen und letztlich mit elastischen Bandagen wieder sprinten. Nahezu schmerzfrei. Und dass, trotz eingeschränkter Beweglichkeit. Zwar ist der Bewegungsablauf nicht ganz rund, aber ich konnte in der darauffolgenden Saison bereits wieder auf dem Footballfeld stehen und spielen.

Letztlich beendete ich aber doch nach einer weiteren Verletzung meine Footballkarriere. Diese Entscheidung öffnete mir neue Möglichkeiten. Über die Dauer von zwei Jahren hatte ich immer wieder Schmerzen in der rechten Schulter. Zu Beginn traten die Schmerzen nur beim Sport auf. Nach und nach verschlimmerten sich die Schmerzen aber derart, dass ich schlussendlich nur noch mit zusätzlicher Polsterung unter dem Arm und in einer bestimmten Position schlafen konnte. Und das auch nur so lange, bis sich der Arm versehentlich im Schlaf bewegt hat oder mir vom Polster rutschte. Ich war bei Fachärzten in ganz Süddeutschland, in zahlreichen Therapieeinrichtungen, bei Heilpraktikern und mehrfach in Praxen und Kliniken für MRT- bzw. CT-Aufnahmen (bildgebende Verfahren für Verletzungen an Knochen bzw. Weichteilen, wie z.B. Muskulatur, Sehnen, Bänder). Nichts half. Die üblichen Spritzenkuren mit Cortison lehnte ich inzwischen dankend ab, da sie längerfristig nicht halfen. Ich informierte mich erneut selbst und fand letztlich in einer medizinischen Fachzeitschrift einen Artikel, in welchem eine Reihe von Schulterspezialisten genannt wurden. Zwei der genannten Experten, die ich daraufhin konsultierte, stellten die gleichen Diagnosen: eine Auffaserung der langen Bizepssehne (bedingt durch eine ältere Verletzung, wodurch sich nun die Sehne am Knochen aufrieb). Die folgende OP verlief problemlos. Einzig die Sehne konnte nicht wie geplant repariert werden. Sie musste gekürzt werden und setzte nun nicht mehr an der Schultergelenkpfanne an, sondern wurde am Oberarm verschraubt. Für mich bedeutete dies, ich musste in den kommenden Monaten neu lernen, den Arm zu heben. Diese Funktion konnte meine Sehne nun nicht mehr übernehmen. Die mehrmonatige Sportpause war für mich äußerst lehrreich: Ich spürte die Auswirkungen mangelnder Fitness. Nicht nur die Kondition ließ nach. Auch Gelenke, die ich mir in der Vergangenheit verletzt hatte, begannen erneut zu schmerzen. Die schwächer werdende Muskulatur konnte einige Gelenke nicht mehr in dem Maße stabilisieren als dies zuvor der Fall war. Das hatten also alle gemeint, als sie mir nach Verletzungen immer erzählten, ich solle mit dem Sport aufhören. Ein gerne (und mir verhasster) Satz lautete: „Du wirst später einmal Probleme mit den Gelenken bekommen.“ Von dieser neuerlichen Erkenntnis angetrieben wollte ich nun noch dringender als zuvor wieder fit werden. Mein Fokus verlagerte sich immer mehr auf Kraft- bzw. Fitnesstraining. Entsprechende Trainerscheine hatte ich bereits Jahre zuvor erworben, um mein Training optimal selbst gestalten zu können. Zwar stand ich im folgenden Jahr erneut auf dem Footballfeld – diesmal jedoch als Trainer. Aber auch sportlich griff ich selbst wieder an: Im Bankdrücken – einer Disziplin des Kraftdreikampfes. Im Wettkampfteam der SG Randersacker. Mein Wissen aus den Bereichen Football-, Kraft- und Athletiktraining verhalf mir zu einem sehr erfolgreichen Quereinstieg in dieser Disziplin. Und schon nach ein paar Wochen Vorbereitungszeit half ich wiederum langjährigen Athleten dabei, deren eigene Trainingspläne weiter zu optimieren und neue Impulse zu setzen.

Ich glaubte, diesen Sport könne ich bis ins hohe Alter machen. Aber erneut wurde ich eines Besseren belehrt. Nach anfänglichen Erfolgen warfen mich erneut Schmerzen (diesmal in meiner nicht operierten Schulter) zurück. Dabei war besonders frustrierend, dass ich dreimal meine Teilnahme an Meisterschaften unmittelbar vor dem Wettkampf absagen musste. Die Diagnose lautete diesmal: Arthrose in der Schulter und durch den ungünstig verheilten Schlüsselbeinbruch in meiner Jugend, rieben mir Knochensplitter sowohl die Bizepssehne als auch die Supraspinatussehne langsam auf. Eine OP wäre unumgänglich, allerdings wäre es günstiger für mich, wenn ich diese so lange wie möglich aufschieben könnte. Letztlich käme es zu weiteren Bewegungs- und Belastungseinschränkungen. Ein erneuter Tiefschlag. Durch strikte Einschränkung meiner Kraftübungen (kein Training über Schulterhöhe, nur ausgewählte Bewegungen nach innen über die Körpermitte hinweg und kein Brusttraining) konnte ich innerhalb kürzester Zeit wieder schmerzfrei trainieren. Eine gezielte Ernährungsanpassung und eine bis heute fortwährende Suche nach alternativen Trainingsmethoden halfen zusätzlich. Mir wurde bewusst, wie sehr sich Fitness- oder Figurtraining von echtem Krafttraining unterschieden. Ähnlich wie sich Freizeit- oder Gesundheitssport von Leistungssport abgrenzt. Ein interessantes Detail am Rande: (Leistungs-)Sportler wissen, dass das Training in unterschiedliche Phasen eingeteilt – sprich periodisiert – werden muss. Ein Großteil der Fitnesssportler allerdings sind der Meinung, sie könnten das ganze Jahr über ihre persönlichen Best- oder Maximalleistungen permanent verbessern. Über Themen wie Trainingsqualität, unterschiedliche Belastungsformen und effektives Training bzw. Trainingsumfang könnte ich stundenlang referieren.

Aber ich unterbreche an dieser Stelle meine Ausführungen, um euch von folgendem Erlebnis zu erzählen, das sehr viel mehr Einfluss auf mein Leben nahm und mich persönlich sehr geprägt hat.

Es war der 02. Juli 2018. Gemeinsam mit meiner Frau (ich habe 2009 erneut geheiratet) waren wir mit dem Auto unterwegs. Auf der Heimfahrt bekam ich starke Bauchschmerzen – recht untypisch für mich. Da die Schmerzen immer stärker wurden und letztlich kaum auszuhalten waren, fuhr mich meine Frau am Abend zum Arzt. Die Untersuchung verlief jedoch ohne besonderen Befund. Eine krampflösende Infusion brachte Linderung. Mitten in der Nacht kehrten die Schmerzen schlimmer als zuvor zurück. Wir entschieden uns, ins Krankenhaus zu fahren. Die einzig richtige Entscheidung, wie sich noch herausstellen sollte. Rein vorsorglich sollte ich dann die Nacht im Krankenhaus bleiben. Meine Frau fuhr wieder nach Hause zu unseren Kindern. Einige Stunden später wurde ich dann notoperiert. Ein Stück des Darms hatte sich aus ungeklärter Ursache um 360 Grad gedreht. Der Darm hatte seine Funktion inzwischen gänzlich eingestellt. Es ging um Minuten.

Glücklicherweise verlief die OP erfolgreich. Natürlich war ich nicht begeistert, als ich zunächst die vielen Schläuche sah und dann zum ersten Mal den ca. 15cm langen Schnitt über meinen Bauch. Was mich aber noch viel mehr in der ersten Woche beschäftigte war folgende Erkenntnis: Eine gesunde Ernährung, ausreichend sportliche Betätigung (inzwischen nur noch mit dem Ziel der Erhaltung der eigenen Fitness und Leistungsfähigkeit) und eine gute Konstitution sind keine Garantie für ein gesundes bzw. langes Leben. Ich hatte noch einmal Glück gehabt. Bis heute lässt mich ein Gedanke nicht mehr los: Unmittelbar vor der OP hatte ich keine Möglichkeit mehr, mit meiner Frau, meinen Kindern oder auch mit meinen Eltern zu sprechen - besser zu telefonieren! Ich denke jeder, der selbst Kinder hat, kann nachvollziehen, weshalb mich dieser Gedanke so sehr aufwühlt. Doch genau dieser Gedanke war meine Motivation, mein Antrieb, schnellstmöglich wieder aus dem Krankenhaus zu kommen. Ich erkundigte mich bei den Ärzten, was ich tun dürfe und bereits am nächsten Tag lief ich mit meinem Infusionsständer auf dem Gang umher. Den Tropf mit Schmerzmittel lies ich entfernen, denn im Sport hatte ich gelernt, Schmerz als das zu sehen, was er ist: Ein Warnsignal. Ich reizte alle Möglichkeiten im Krankenhaus aus, mich zu bewegen. Bis der Schmerz kam oder zu stark wurde. Dieses Herantasten an die eigenen Grenzen ermöglichte es mir, dass ich nach nicht einmal einer Woche wieder nach Hause durfte. Die Umstellung von der „köstlichen“ Haferschleimsuppe auf leichte bzw. Vollkost war problemlos erfolgt und der Heilungsprozess verlief planmäßig. Ein weiterer Patient, mein Zimmerkollege, der eigentlich nie aus dem Bett stieg, weil ihm Bewegung Schmerzen bereitete (wie mir aber auch), musste länger im Krankenhaus bleiben. Das, obwohl er bereits einen Tag vor mir operiert wurde. Damit möchte ich sagen, dass sich letztlich mein Training, die Kenntnis über meinen Körper und meine Einstellung in dieser Situation ausgezahlt hatten. Immer wieder wird mir seither bewusst, wie sehr ich von meinen Erfahrungen aus dem Sport profitiere – egal ob aus dem Bereich Freizeit- oder Leistungssport. Nach der Geburt meiner Kinder, war es der schönste Augenblick in meinem Leben, als ich meine Kinder, meine Frau und meine Eltern an meinem Krankenbett nach der OP das erste Mal wiedersah. Gleich danach kommt der Moment, an dem ich meine Familie bei mir Zuhause wieder in den Arm nehmen konnte.

Rückblickend betrachtet, besteht mein Leben aus vielen Up’s and Down’s. Wie grundsätzlich bei jedem anderen Menschen auch. Vielleicht zeigt es der ein oder andere nur nicht, aber ich bin davon überzeugt, dass es uns letztlich allen so (oder zumindest so ähnlich) geht. Es lohnt sich, Ziele weiter zu verfolgen – egal welche Hindernisse Dir in den Weg gelegt werden: Aus gesundheitlichen Gründen wurde mir in jungen Jahren mein damaliges Ziel verbaut: Quarterback der deutschen Nationalmannschaft zu werden. Aber meine Hartnäckigkeit, mein Wille und Kreativität sorgten dafür, dass ich letztlich zufrieden auf eine erfolgreiche Laufbahn als Footballspieler zurückblicken kann. Meine besten Freunde sind ehemalige Teamkollegen - noch aus der Jugendzeit. Und nach dem Gewinn einiger Meisterschaften und mehrerer Aufstiege blicke ich auf eine Footballvergangenheit zurück, die mich sehr glücklich macht. Trotz der Umwege und Verletzungen – sie alle haben mich gelehrt abzuwägen. Lohnt sich der Einsatz? Ist es mir die Sache wert? Wenn sie es ist, dann findet sich auch ein Weg. Immer bzw. immer wieder.

Schwere Zeiten – egal ob sportlich beruflich oder privat - beeinflussen sich gegenseitig. Nicht immer natürlich im gleichen Maß: Häufig kann man Probleme in einem Lebensbereich durch zeitgleiche Erfolge in anderen Bereichen ausgleichen. Aber selbst als z.B. bei mir, das Privatleben in Schutt und Asche lag und sich meine Sorgen letztlich auch auf meinen Körper und meine Gesundheit auswirkten, profitierte ich letztlich von dieser Erfahrung. Seither ist mir bewusst: meine mentale Gesundheit ist fest mit der körperlichen Leistungsfähigkeit verbunden. Ich darf keinen dieser beiden Aspekte vernachlässigen. Mehr Stabilität im Leben erreicht der, der sich hier um ein Gleichgewicht bemüht.

Auch Experten, Ärzte, Professoren usw. sind nur Menschen und können sich irren. Mehrfach wurde mir gesagt, ich darf dies und jenes nicht mehr machen – z.B. nicht mehr Footballspielen. Ich wurde gewarnt vor den Folgen. Letztlich aber fand ich immer Möglichkeiten, wieder fit zu werden. Ob das für jeden gleichermaßen sinnvoll erscheint, immer wieder weiterzumachen, das darf jeder für sich selbst entscheiden. Tatsache aber ist, es lohnt sich Diagnosen auch zu hinterfragen. Auch Ratschläge und Empfehlungen natürlich. Für mich hat sich das mehrfach in vielerlei Hinsicht ausgezahlt: Einerseits trafen einige Diagnosen und Warnungen schlichtweg nicht zu. Andererseits führten sie mich zu neuen Erkenntnissen und neuen Möglichkeiten. Ich bin heute als freiberuflicher Trainer tätig. Natürlich steht Leistungssteigerung im Fokus eines Trainers. Aber für mich nicht um jeden Preis! Die Gesundheit bildet aus meiner Sicht die alles entscheidende Basis hierfür. Und hier nicht nur die körperliche, sondern eben auch die mentale Gesundheit. Gleichwertig. Einer meiner Footballtrainer lehrte mich folgendes: Kurz vorweg, Grundlagenausdauer war für uns kein Vergnügen. Was Viele nicht wissen: Football ist ein extrem technischer und taktischer Sport und wird umgangssprachlich auch „Rasenschach“ genannt. Stell Dir vor was passiert, wenn ein Spieler im letzten Spielviertel spielt und müde ist? Konzentration und in der Folge die (Spiel-)Technik leiden. Die Konsequenz: gerade auch im Football als Kollisionssport führt dies häufig zu Verletzungen. Diese Sichtweise machte das Ausdauertraining zwar seinerzeit nicht leichter für uns, aber wir waren deutlich motivierter. Wir erkennen häufig nicht den Sinn in der Situation, denn der erschließt sich uns oftmals erst im zeitlichen Rückblick.

Heute sehe ich auch meine Verletzungen, meine vielen Stunden in der Physiotherapie und der Reha als zusätzliche Qualifikation für meinen Beruf. Denn ich habe nicht aus Büchern gelernt, was bei welcher Verletzung zu tun oder zu unterlassen ist – ich habe es durchlebt, es gespürt, wie es sich anfühlt. Diese Erfahrungen gebe ich gerne an meine Kunden weiter. Wie in vielen Bereichen gibt es selten „richtig oder falsch“, „schwarz oder weiß“. Vieles hängt von dem Versuch ab. Und hier zahlt sich die Erfahrung aus.

Mit wenigen Ausnahmen gibt es keine ausweglosen Situationen. Und bei Niederschlägen im Leben lohnt sich immer aufzustehen und einen nächsten Versuch in Angriff zu nehmen. Möglicherweise ist uns in diesem Moment nicht klar, wofür. Aber rückblickend habe ich gelernt, dass letztlich alles einen Sinn hat: Fortschritt, Weiterentwicklung oder einen Zugewinn an Erfahrung. Auch und gerade in dieser Zeit.

Ihr Thorsten Gallena

www.coach-thorsten.de

Lebenswendepunkte: Orientieren - Fokussieren - Dranbleiben

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