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Land of 1000 dances


Die Ranch war keine Farm im Mittleren Westen, sondern eine Disco in der Mittleren Oberpfalz, was geografisch einen Unterschied bedeutet. Vermutlich wurde sie Ranch genannt, da das Grundstück am Rande der Stadt rundum mit rustikalen Holzplanken eingezäunt war. Man erwartete förmlich eine galoppierende Mustangherde. Stattdessen wurde die Ranch regelmäßig von einer röhrenden, knatternden Heerschar von Käfern, Kadetts, 12Ms und R4s heimgesucht.

Die Ranch hatte drei Tanzflächen in verschiedenen Räumen. Der Diskjockey des Hauptraums hieß Andy, nach Andy Warhol, denn er war praktisch seine identische Kopie. Nicht künstlerisch – wobei er selbst dabei natürlich anderer Meinung war. Er hatte das gleiche fahle Gesicht, das wahrscheinlich nie Sonnenlicht an sich ließ, einen strohblonden Bubikopf mit extrem dunkler Sonnenbrille. Bei dem gedämpften Licht in der Ranch sah er wahrscheinlich so gut wie gar nichts und niemanden. Wenn man ihn um einen Musikwunsch bat, sagte er nur „später, wenn es ins Programm passt.“ Es passte aber so gut wie nie.

Im Nebenraum legte der Nachwuchs-Jockey auf, wobei dieser aber fast noch älter wirkte als Andy mit seinen dreiviertellangen, fettigen Haaren, Fünftagebart plus dünnem Schnurrbart mit heruntergezogenen Enden und seinen immer streng dreinblickenden schwarzen Augen war er eher eine schlechte, schmalbrüstige Kopie von Charles Bronson, deshalb nannte man ihn Bronso.

Der dritte Raum war eher etwas für Pärchen, mit einer Art von Separees. Hier lief meistens Schmusemusik vom Plattenspieler.

Es gab noch eine kleine Bar, die am Wochenende ab 22 Uhr geöffnet wurde. Die Bardame, Marlene – sie hieß wirklich so – sah aus wie Marlene Dietrich in ihren besten Jahren, und sie bewegte sich auch genauso, unheimlich distinguiert, elegant und nahezu makellos schön und sehr zurückhaltend. Deshalb war ich auch immer mindestens ein Mal am Abend an der Bar. Einmal lächelte sie mich sogar an.

Gemanagt wurde die Ranch von Herrn und Frau Eberwein, wobei die Hauptbeschäftigung der Frau das Zählen der Geldscheine war. Gleich danach widmete sie sich der Kontrolle ihres Mannes. Herr Eberwein war ein wirklich netter Mann. Immer kümmerte er sich ganz besonders um Clarki und mich – wir waren ja auch Stammgäste – aber auch die anderen Gäste konnten sich nie über schlechten Service beschweren. Normalerweise trank Herr Eberwein keinen Alkohol. Aber wenn, dann ließ er es richtig krachen. Wenn er das nötige Quantum intus hatte, schnappte er sich ein Mikrofon und veranstaltete eine große Tom Jones Karaoke-Show. Er hatte auch eine fatale Ähnlichkeit ihm, nicht nur im Aussehen, sondern in seinen ganzen Bewegungen. Die Tanzfläche war ihm nicht groß genug, er sprang von Tisch zu Tisch und unterhielt die Gäste mit seinem schauspielerischen Talent. Die Ranch brummte. Super Musik, prima zum Tanzen und die Gäste waren gut gemischt, selten feste Paare, ein paar Cliquen und auch ein paar Einzelne oder welche zu zweit. Leute, die sich amüsieren wollten und hier konnten Sie es.

Es gab eine Bedienung, die regelmäßig am Wochenende da war: Heike. Sie hatte eine Frisur wie Bonnie Tyler, nur die Haarfarbe war etwas dunkler, weshalb sie von den meisten auch immer Bonnie gerufen wurde. Die anderen Bedienungen wechselten häufiger.

Viele der Gäste kamen regelmäßig, wie z.B. Sarah. Ein etwas größeres Mädchen mit langen schwarzen Haaren, einem etwas robusteren, aber nicht unattraktivem Körper. Ihr Gesicht, na ja. Sie war offen und ehrlich, ein Kumpeltyp und konnte ganz gut tanzen, weshalb ich sie auch regelmäßig aufforderte. Für Clarki war sie etwas zu groß, wie er meinte.

Dann war da Sharon, genannt nach der amerikanischen Schauspielerin und dem Model Sharon Tate. Sie war das absolut schönste Mädchen weit und breit, vom Äußeren her nahe an der Perfektion. Die Wörter nett, sympathisch oder wenigstens Lächeln kannte sie leider nicht. Sie brachte überhaupt null Emotionen mit, sprach auch fast kein Wort, eine sterile Schönheit. Meistens saß sie nahe an der Tanzfläche und starrte ins Leere. Wenn jemand mit ihr tanzen wollte, gelang das nur, wenn es ein schneller Tanz war, den man auseinander tanzen musste. Kam danach ein langsamer, ließ sie die Partner einfach auf der Tanzfläche stehen und suchte sofort ihren Platz auf. Nur einmal sah ich sie, mit einem bekannten Sohn eines Arztes, der mindestens doppelt so alt war wie sie und schon eine halbe Glatze hatte, der Rest der Haare war dafür doppelt so lang wie normal, da tanzte sie mit ihm eng umschlungen zu dem Lied Je t‘aime, moi non plus von Jane Birkin – dem Sex-Song schlechthin – und was die beiden da auf der Tanzfläche öffentlich trieben, das gehörte wirklich in das Reich der Pornografie. Nach diesem Abend habe ich sie nicht wieder gesehen. Von der echten Sharon Tate hatte man leider schon im August 1969 die schreckliche Nachricht von ihrer brutalen Ermordung gehört.

France nannte ich ein kleines Mädchen mit langen blonden Haaren, das oft alleine an einem kleinen Tisch der Nebendisco saß. Sie ähnelte der französischen Sängerin France Gall und blickte immer sehr träumerisch ins Nichts.

Selten kam auch die Säge mit seiner Freundin Elisabeth. Sie war die ältere Schwester eines meiner Freunde. Die Säge belaberte Elisabeth ununterbrochen, schaute dabei aber immer anderen Mädchen hinterher. Ein Glas Limo reichte ihm für den ganzen Abend. Ich forderte seine Elisabeth jedes Mal zum Tanzen auf, weil ich wusste, dass sie gerne tanzt, aber immer meinte er, dass er nicht möchte, dass ich mit ihr tanze. Dabei bewegte sie sich immer sehr weiblich, nicht provozierend, sondern einfach ganz natürlich weich. Jahre später haben sie geheiratet und drei Kinder bekommen.

Manuel war ein südeuropäisch aussehender Junge aus meiner Parallelklasse, der die Mädchen reihenweise abschleppte. Er war auch ein sehr guter Fußballspieler. Meistens sahen wir ihn stundenlang in einer Ecke rumknutschen, diesen Abend mit einem sehr hübschen, kurzhaarigen Mädchen, das bei der Sparkasse arbeitete.

Dort arbeitete auch Christine. Sie war zwei Jahre älter als ich. An und für sich kein Drama, aber wenn man die unterschiedliche Entwicklung der Geschlechter gerade in diesem Alter bedenkt, war ich ihr hoffnungslos unterlegen, auch wenn sie mich das nicht so merken ließ. Wir konnten uns immer sehr gut unterhalten, und ich wollte mehr, aber sie ließ sich nicht darauf ein.

Ein Typ, vor dem alle zumindest Respekt hatten, war Richie. Er passte überhaupt nicht zum Rest des Publikums. Wenn er durch die Disco stürmte, räumte er jeden mit einer einfachen Handbewegung beiseite. Er starrte immer alle sehr direkt an, wie wenn er sagen wollte „was willst du? Komm her und ich geb dir eine aufs Maul!“ Gott sei Dank war er meistens in einer Kaschemme in der Innenstadt, von der man hörte, dass dort der halbe Abschaum der Stadt verkehrte, und nicht in der Ranch.

Gisela, die sehr viel ältere Schwester von Clarki, war die einzige, die ihm Paroli bieten konnte. Gegen ihr Mundwerk und ihre Argumente kam niemand an. Sie hatte eine tolle Figur, feuerrote Haare und ihr Ruf in der Stadt war etwas zweifelhaft. Aber ich glaube, da war nichts dran. Ich verstand mich sehr gut mit ihr. Sie respektierte mich und ich spürte, dass sie mich auch mochte – aber nur als Freund ihres Bruders. Leider war sie nur selten in der Ranch, und wenn, dann verschwand Clarki schnell, er fühlte sich von ihr immer unterdrückt. Später heiratete sie einen GI und ging nach Amerika.

Die offizielle Eröffnung des Tanzabends läutete immer die Melodie Time is tight von Booker T. & the M.G.‘s ein. Alle warteten schon sehnsüchtig, dass dieser Sound erklang, da dada da, daram. Dann konnte es endlich losgehen. Da am Anfang die Tanzfläche noch nicht so voll war, versuchte ich, gleich jemanden zum Tanzen zu finden. Ich hatte mich schon nach einer geeigneten Partnerin umgesehen, war aber noch nicht fündig geworden. Andy hatte gerade Born to be wild von Steppenwolf aufgelegt. Das wollte ich nicht versäumen und ich machte mich auf eine schnelle Erkundungsrunde durch den Saal. Von hinten erblickte ich eine Blondine mit langen, glatten Haaren und beeilte mich, sie auf die Schulter zu tippen und gleich zu fragen, ob sie tanzen möchte. Sie drehte ihren Kopf zu mir. Fassungslos starrte ich in ihr Gesicht, ein Gesicht mit Bart. In Erwartung eines wunderschönen blonden Engels war die Enttäuschung unsagbar groß – ich hatte einen Mann zum Tanz aufgefordert. Das Blut schoss mir in den Kopf, mir wurde heiß wie es im Death Valley sein musste, stammelte eine Entschuldigung und suchte das Weite, so schnell wie möglich raus aus der Ranch!

So einen Reinfall hatte ich noch nicht erlebt. Solch glatte, lange Haare bei einem Mann! Die Beatles mit ihren Pilzköpfen sahen dagegen ja wie brave Schulburschen aus. Das sollte man verbieten! Sieht man ja, wie das enden kann. Draußen auf dem Parkplatz lief ich auf und ab und versuchte, mich zu beruhigen und meine Gedanken zu ordnen. Also, schau dir in Zukunft bitte die Menschen genau von vorne an, bevor du sie ansprichst, mein Junge! Ich atmete nochmals tief durch und ging wieder auf meinen Platz bei Clarki. Den ganzen Abend bemühte ich mich, den Langhaarigen zu ignorieren, aber irgendwie kam es mir vor, dass heute besonders viele blonde Mädchen in der Disco waren. Langsam normalisierte sich die Lage. Die Archies sangen Sugar Sugar, ich fragte Elisabeth, ob sie mit mir tanzen wolle, die Säge erteilte mir wie immer eine Abfuhr („aber warte, ich krieg sie schon noch einmal!“) und ich kreiste weiter im Viereck (nicht im Rund) des Tanzraumes. War wieder nichts.

Also zog ich weiter in die Nebendisco, wo France wie gewohnt einsam an ihrem Tischchen saß. Ich hatte mich schon länger gefragt, was bei ihr nicht stimmte, aber sie sah immer so lieb aus, deshalb forschte ich nicht weiter nach. Ich hatte sie noch nie zum Tanzen geholt. Das machte ich jetzt zu Lay, lady, lay von Bob Dylan. Sie fühlte sich sehr zart und zerbrechlich an in meinen Armen und folgte meinen Tanzschritten ganz leicht und mit sehr viel Einfühlung. Ich bemerkte, wie uns Bronso mit seinen Blicken verfolgte. Also wollte ich ein bisschen weiter zum Rand tanzen.

Da meinte France „bitte, bleiben wir hier auf der Tanzfläche, hier ist doch genügend Platz.“

Ich entgegnete ihr „ich wollte nur etwas unbeobachteter sein.“

France: „Ist schon OK. Bleiben wir hier.“ Nach einer kurzen Pause: „Mein Mann möchte mich immer sehen. Sonst darf ich nicht mehr hierher mitkommen.“

„Dein Mann? Wo ist er denn?“

Sie nickte mit ihrem Kopf nach drüben „da oben, am Mischpult.“

Ich wusste, wer da saß, musste aber trotzdem zu ihm hinschauen „Bronso ist dein Mann?“ entfuhr es mir.

„Bronso? Er heißt doch nicht so!“

„Entschuldige, mir ist das nur so rausgerutscht.“

Sie sah mich komisch und zweifelnd an.

„Wie alt bist du denn?“ fragte ich sie.

„Siebzehn.“ (ich dachte an den Song Siebzehn Jahr, blondes Haar, so stand sie vor mir … – auch wenn ich mit Udo Jürgens sonst nicht viel anfangen konnte)

„Und dein Mann? Wie alt ist der?“

„Warum willst du das wissen?“ fragte sie mich.

Sollte ich ihr sagen, dass ich ihn für annähernd doppelt so alt hielt und dass ich fand, dass sie überhaupt nicht zusammen passten, besser nicht!

„Ach, nur so, egal.“

Bob Dylan sang das Ende vom Lied und France hatte anscheinend genug von mir. Mir reichte es auch, dass mich Bronsos Blicke immer noch verfolgten, als ich schon auf dem Weg aus dem Raum war. Also das!

Ich setzte mich zu Clarki, schnaufte durch und nahm einen großen Schluck vom Weißbier, in der Oberpfalz sagte man Weizen dazu. Übrigens war dieses Getränk zu dieser Zeit noch nicht sehr verbreitet. Als ich einmal in Österreich war, kannten sie es dort nicht einmal.

Andy spielte nun eine Reihe von langsameren Songs, gerade Monday, Monday, so good to me von den Mamas and the Papas – ein schon seltsamer Name für eine Band. Aber schön gesungen. Neben Elisabeth saß nun auch ein hübsches Mädchen aus ihrem Nachbarhaus, Kathi. Sie hatte blaue Augen und mittellange, dunkelblonde Haare, die am Ende neckisch hochdrapiert waren. Sah nett aus. Ich kannte sie flüchtig vom Sehen, deshalb holte ich sie gleich zum Tanzen. Die Säge guckte nur blöd aus der Wäsche.

„Hallo Kathi, wie gehts? Bist du öfter hier?“

„Eigentlich nicht. Elisabeth hatte mich gefragt, ob ich mitkommen möchte, deswegen bin ich nun da. Aber schön hier. Und gute Musik.“

„Ja, nicht wahr. Aber auch schön, dass wir uns hier getroffen haben. Du tanzt sehr gut.“

„Danke, eigentlich bin ich früher mit meinem Freund oft auf die Dorfwirtschaften zum Tanzen gefahren. Da war die Musik aber nicht so wie hier.“

„Ja, ich war auch ein paar Mal auf so einem Dorftanz, aber das ist nicht so wirklich meine Welt – und wo ist dein Freund heute?“

Sie zögerte etwas. „Ist vorbei. Aus und vorbei.“

Ich empfand darüber kein Mitleid, muss ich ehrlich sagen. Da bot sich eine wirkliche Chance für mich, und Kathi war attraktiv und ganz nett.

„Dann vergiss ihn einfach schnell. Lass uns Spaß haben heute, Kathi.“

Sie lächelte mich an und ich spürte, dass auch sie mich mochte.

Sonny & Cher sangen I got you babe und nun ging alles sehr schnell. Wir tanzten sehr eng, spürten uns intensiv, küssten uns lange und gefühlvoll, während wir tanzten. Dabei vergaßen wir alles andere um uns herum. Nach dem Song gingen wir raus auf den Parkplatz, hielten uns an den Händen und beobachteten verliebt den Mondschein, richtig romantisch war es. Wir schlenderten wieder hinein und wechselten unsere Plätze, gingen gemeinsam an einen kleinen Tisch im Separee-Raum. Wir tauschten viele kleine Zärtlichkeiten aus, Zeitgefühl kannten wir nicht mehr.

Plötzlich stand Elisabeth vor uns, nervös sagte sie „komm Kathi, Erwin möchte jetzt gehen. Er drängt schon. Bitte komm schnell!“

Ich sagte zu Kathi, ich hätte sie auch sehr gerne heimgebracht, aber mein Auto sei noch in Arbeit. Wieder einmal versaute mir das fehlende Auto alles! Weil sie den Freund von Elisabeth nicht verärgern wollte, verabschiedete sie sich rasch von mir. Vorher verabredeten wir uns für morgen zum Tennis, das sie anscheinend öfter spielte. Ich hatte bisher nur wenige Male gespielt, dementsprechend schlecht war ich darin, aber das wollte ich nicht öffentlich zugeben. Flüchtig gaben wir uns einen Abschiedskuss, Elisabeth drehte sich im Gehen noch einmal zu mir um und blickte mich mit einem etwas strafenden Blick an, ich lächelte zurück.

Clarki war der anerkannte King bei Jive und Rock&Roll. So gut wie er konnte keiner tanzen. Wenn es sein musste, fast den ganzen Abend. Sein Jacket zog er nie aus, selbst wenn er schon in seinem eigenen Schweiß ertrank. Ich war beim Jive bestenfalls die Nummer zwei, aber Clarki hatte heute seinen großzügigen Tag – vielleicht deshalb, weil heute seine Schwester Gisela nicht aufgekreuzt war – und er wollte mir Nachhilfeunterricht beim Jive geben. Nur, zwei Männer Arm in Arm tanzend? Wo und wie sollten wir das machen? Besonders nach meiner heutigen Erfahrung mit dem blonden Bärtigen! Wir sagten Tom Jones alias Eberwein, dass wir in wenigen Minuten wieder da seien und fuhren schnell in Clarkis Exoten, einem VW 1600 TL Fließheck, in den nahen Waldparkplatz an der kleinen Quelle. Akribisch kontrollierten wir, dass wir wirklich alleine waren und suchten nach einem nicht einsehbaren kleinen Platz. Dann zeigte er mir, worauf es ankommt. Er war sehr streng und passte genau auf, ob ich die richtige Schritte machte und die Tempi einhielt, wobei das ohne Musik auf einige Schwierigkeit stieß, aber schließlich waren wir beide einigermaßen zufrieden und brausten wieder zurück zur Ranch.

Für den Jive hatte Clarki meistens die gleiche Partnerin, Bettina. Sie passte zu Clarki und sie tanzten auch sehr gut zusammen, aber ich fand nichts Gutes an ihr. Weder ihr Aussehen noch ihre Sympathie. Unterhalten konnte ich mich auch so gut wie gar nicht mit ihr. Da lief Sarah an unserem Tisch vorbei und ich fing sie gleich ein, da die Beach Boys Cotton Fields sangen, das war nicht allzu schnell und ein sehr melodischer Jive. Nach einigen ersten schweren Schritten war ich drin und konnte gleich meine von Clarki neu gelernten Tricks mit einbauen. Wenn in der Ranch jemand besonders gut tanzte, verließen die anderen Paare die Tanzfläche und schauten aufmerksam zu, manchmal gab es sogar Szenenapplaus. Clarki war überraschenderweise schon beim letzten Rock&Roll vorher ausgestiegen. Anscheinend gab es ein paar Unstimmigkeiten mit Bettina. Nun waren wir das einzige tanzende Paar – und tatsächlich – hatten wir harmonisch und technisch anspruchsvoll getanzt, so dass wir sogar Beifall bekamen. Ganz stolz führte ich Sarah zurück an ihren Platz.

Clarki gratulierte mir zu meinem gelungenen Jive. Neidisch war er nicht, denn er wußte, dass er normalerweise der Bessere ist. Und sein Unterricht war ein voller Erfolg gewesen. Aber er war nicht mehr so gut drauf, Bettina hatte ihn schon verlassen und er wollte auch gehen. Sonst sind wir oft zusammen gegangen, aber ich war noch voller Energie – so ein ereignisreicher Abend – deshalb wollte ich noch bleiben.

Lange dauerte es allerdings nicht und die Ranch leerte sich relativ schnell. Es ergab sich keine weitere Gelegenheit mehr zum Tanzen, die meisten Mädchen waren zu diesem späten Zeitpunkt in mehr oder minder festen Händen, aber ich ich hatte doch ein zufriedenes Gefühl über einen schönen Abend. Frau Eberwein stand an der Kasse und ging ihrer Lieblingsbeschäftigung nach, wobei sie zwischendurch immer wieder nach ihrem Mann lugte. Bonnie kassierte die letzten Tische ab und kam am Ende zu mir.

„Na, Harry, so kenne ich dich gar nicht. Sonst bist du doch auch nicht bis zum bitteren Ende da.“

Ich wollte etwas Nettes sagen. „So haben wir endlich einmal mehr Zeit für uns, liebe Bonnie.“

Sie blickte mir tief in die Augen. Und ich wusste, das wird ein Nachspiel haben!

„Ach, du willst mich bestimmt nur bezirzen, damit ich bei deiner Rechnung durcheinander komme.“ Sie setzte sich zu mir, holte ihren Notizzettel aus der Tasche und rechnete sehr langsam zusammen.

„Du bist auch schon etwas müde heute. Kein Wunder. Solange auf den Beinen, die laute Musik und die ganzen nervenden Gäste!“ sagte ich.

Sie sah mich wieder lange an. „Ja, jetzt brauche ich Erholung. Schlafen kann ich auch nicht gleich nach der Arbeit.“

Das war schon als kleine Aufforderung zu verstehen. Ich weiß nicht, woran es lag, aber auf einmal erschien mir Bonnie als besonders begehrenswert. Ich hatte sie immer als ein ruhiges, ausgeglichenes Mädchen gesehen, aber als Bedienung gehörte sie eigentlich nicht zum Beuteschema.

Ich fragte sie „hast du noch etwas vor? Willst du noch wo hingehen?“

„Ach, ich weiß nicht. Ich glaube, das wäre mir doch zu anstrengend, dann komme ich gar nicht mehr ins Bett. Und du? Du scheinst ja heute noch ganz aktiv zu sein. Getanzt hast du auch sehr schön.“

„Danke, heute war es wieder sehr gut hier. Jetzt weiß ich auch nicht, was ich anfangen soll. Mein Taxi ist auch schon weg.“

„Dein Taxi? Ach, du meinst Clarki. Ihr seid ja immer zu zweit unterwegs. Wo wohnst du denn, ist es weit?“

„Nein, nicht so. Ich brauche vielleicht eine gute halbe Stunde zu Fuß“ übertrieb ich.

„Na, das muss doch nicht sein. Ich kann dich in meinem Auto gerne mitnehmen. Gleich bin ich fertig.“

„Das ist sehr nett von dir. Ja, das nehme ich gerne an. Ich freue mich.“

Sie verschwand kurz im Nebenraum und kam bald darauf in einem ganz anderen Outfit wieder. Sie hatte ein feuerrotes Kleid an, so als ob sie noch einen großen Ausgeh-Abend vor sich hätte. Beinahe hätte ich sie nicht wieder erkannt, nur die Bonnie-Tyler-Haare erinnerten mich wieder an sie. Wir stiegen in ihren schwarzen Opel Kadett ein und sie fuhr in Richtung Innenstadt. Eigentlich wollte ich ja gar nichts mit Bonnie anfangen, aber was sollte ich machen? Es wäre doch eine Beleidigung gewesen, wenn ich nicht nett zu ihr gewesen wäre, und dann hat es sich so entwickelt. Es war etwas ganz Neues für mich, dass ein Mädchen am Steuer eines Autos saß, ich fühlte mich sehr wohl dabei. Meine Wohnung war nahe an der Innenstadt, aber auch am Rande eines kleinen Wäldchens, von wo aus Treppen hinab zur Wohnung führten. Dort hielten wir an.

„Du hast ein sehr schönes Kleid an, Bonnie.“

„Ich habe eben gewusst, dass ich dich heute treffe. Da wollte ich doch gut aussehen“ revanchierte sie sich geschmeichelt.

Sie blickte mich mit träumerischen Schlafzimmeraugen an. Ich rückte näher zu ihr und wir küssten uns lange. Ich rutschte ihr Kleid etwas höher und streichelte ihren Oberschenkel.

„Na, Harry, nicht so schnell!“

„Ach Bonnie, wir haben doch nicht mehr viel Zeit.“

„Wir haben noch jede Zeit der Welt, und dafür müssen wir uns schon genügend Zeit lassen.“

„Aber als Bedienung bist du doch nicht so zimperlich.“

Kaum ausgesprochen, merkte ich sofort, was für einen Riesenfehler ich gemacht hatte. Wie konnte so etwas nur meine Lippen verlassen. Denken ja, aber bitte Nachdenken vor dem Sprechen!

Ihre Mine erstarrte auf einmal, ihr Blick wurde eisig.

„Was glaubst du denn von mir?“

„Oh, entschuldige Bonnie. So habe ich es nicht gemeint.“

„Nicht gemeint? Du hast es gesagt – und gedacht. Was glaubt ihr eigentlich? Dass wir alle leicht zu haben sind, nur weil wir euch jeden Abend Getränke bringen?“

„Ach Bonnie, es tut mir wirklich furchtbar leid. Ich weiß auch nicht, warum ich das gesagt habe. Es ist einfach so rausgekommen.“

„Weil du es gedacht hast!“

„Nein, wirklich nicht. Meine Cousine arbeitet doch auch als Bedienung. Ich weiß doch, dass das nichts damit zu tun hat. Wirklich!“

Bonnie schaute stur geradeaus. Sie wollte mich nicht mehr ansehen.

„Geh“ sagte sie sehr deutlich zu mir.

Ich spürte, dass ich da nichts mehr ändern konnte und öffnete die Beifahrertür.

„Wirklich Bonnie, so ist es nicht. Ich mag dich sehr und ich meinte es nicht so. Entschuldige bitte!“

Ich wartete ein paar Sekunden, aber von Bonnie kam keine Reaktion, sie blickte immer nur geradeaus. Ich stieg aus und schloß die Tür. Durch das geschlossene Fenster sagte ich zu ihr: „Komm gut heim, pass auf.“

„Du bist ein richtiger Depp“ dachte ich von mir und ging langsam heim.


Am späten nächsten Morgen – ich hatte kaum schlafen können – fuhr ich mit dem Fahrrad zum Tennisplatz, um Kathi zu treffen. Sie war noch nicht da. Ein anderes Paar, ungefähr in meinem Alter, spielte anscheinend schon eine Zeitlang. Ich wollte mich gerade auf einer Bank ausstrecken, da kam Kathi auch schon. Sie trug die perfekte Tenniskleidung, eine Kombi aus weißem Polo und weißem, kurzen Röckchen. Sie sah darin einfach umwerfend sexy aus.

„Guten Morgen, Kathi, du siehst ja toll aus.“

Sie strahlte mich an und wir küssten uns zur Begrüßung. Wir nahmen unsere Plätze neben dem anderen Paar ein und wollten loslegen, als der andere Junge Kathi den Vorschlag machte, ein Doppel zu spielen. Mir gefiel das gar nicht, aber Kathi hatte gleich zugesagt. Ich hatte ja bisher kaum gespielt, deshalb wäre ich lieber mit Kathi alleine geblieben. Aber so? Ich würde mich bestimmt blamieren.

Kathi und ich spielten zusammen gegen die anderen. Kathis Aufschlag kam immer gut und der Return der anderen Seite kam auch ganz gut. Nur ich versaute es meistens, mein Niveau war eben noch nicht ausreichend, vorsichtig ausgedrückt. Ich schwitzte schon vor lauter Konzentration und Bemühen. Manchmal gelang mir eine sehr gute Vorhand, dass die anderen mich sehr überrascht betrachteten, aber mit meiner Rückhand konnte ich gar nichts anfangen. Vom Abend vorher war ich auch noch ziemlich fertig. Die Sonne brannte auf uns herunter, mein Kopf glühte. Endlich hatte man ein Einsehen, dass ich nicht zu gebrauchen war und Kathi und ich machten erst einmal eine Pause im Tennishäuschen. Ganz froh, wieder alleine zu sein, küssten wir uns. Durch die körperliche Anstrengung war aber unser Mund sehr trocken und der Kuss fühlte sich nicht so angenehm an.

Kathi meinte „Du hättest mir sagen müssen, dass du nicht Tennis spielst.“

<Was heißt nicht Tennis spielst. So schlecht war ich nun auch wieder nicht> dachte ich mir. Das ist schon ganz schön abgehoben von ihr.

„Ja, aber dann hätte ich dich ja nicht so schnell wieder gesehen, und das wollte ich.“

Sie lachte, die Stimmung war trotzdem nicht mehr so gut und wir verabschiedeten uns mit dem Versprechen, uns bald wieder zu sehen. Im Gehen beobachtete ich, wie sich Kathi mit den anderen Spielern großartig unterhielt. Ich fand die anderen nicht so sympathisch. Deshalb verstand ich Kathis Umgang mit ihnen nicht. Aber wahrscheinlich passte sie ja besser zu denen als zu mir.

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