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Gegenwart/Ankunft

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Ich weiß nicht genau, wann es begann, aber wo ich ihn das erste Mal sah, das weiß ich noch ganz genau. Es war am 05. Juli 2012 in meiner Schule, der St. Hughs High School. Genau genommen die dritte Stunde, mitten im Biologieunterricht von Frau Bakerfield. Er stand plötzlich da, in ein seltsam aussehendes, helles Licht getaucht und sah gebannt aus dem Fenster, in den Pausenhof hinunter. Fasziniert beobachtete er, wie sich die dicken Kastanienbäume im Wind hin- und herbewegten. Die schulterlangen, blonden Haare waren streng zurückgekämmt und wurden mit einem Lederband im Nacken zusammengehalten. Er hatte ein jungenhaftes Aussehen und eine blasse, olivfarbene Haut. Auf seiner Stirn schien ein seltsames Zeichen zu sein. Irgendwie hatte er etwas Exotisches an sich. Ich schätzte, er war genauso alt wie ich. Der Overall, mit dem er bekleidet war, bestand aus einem mir unbekannten Material. Er schimmerte regenbogenfarben und war in der Taille mit einem breiten, metallischen Gürtel zusammengebunden. Der Verschluss des Gürtels wurde von einem seltsam aussehenden, runden Amulett gehalten. Die anderen Schüler meiner Klasse schienen ihn gar nicht wahrzunehmen und starrten gelangweilt auf die Schultafel. Ich aber konnte ihn sehen und meinen Blick nicht abwenden. Plötzlich drehte er sich um und sah mir direkt in die Augen, ungläubig starrte er mich an, als ob er sich fragen würde, warum ich ihn sehen konnte und seine Lippen formulierten mir unverständlich klingende Laute. „Ich verstehe dich nicht. Wie heißt du?“, fragte ich, neugierig geworden von alldem, und wollte schon geradewegs von meinem Stuhl aufspringen, da war er auch schon verschwunden. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass sich mein ganzes, bisheriges Leben in den nächsten 24 Stunden total verändern würde und nichts mehr so sein würde, wie bisher.

Mein Name ist Nancy Browning und gestern war mein 17. Geburtstag. Eigentlich ist ein Geburtstag immer ein glücklicher und aufregender Tag. Es wird mit Freunden und der Familie ausgelassen gefeiert, die Person wird großzügig beschenkt, es werden Geburtstagsständchen gesungen und es wird eine große Torte gebacken, die mit der entsprechenden Anzahl an Kerzen verziert und dem Schriftzug Happy Birthday überzogen ist.

Mein eigener Geburtstag wird nie wieder so fröhlich und glücklich sein, denn an jedem neuen Geburtstag werde ich schmerzlich daran erinnert, wie unfassbare Leere und entsetzliches Leid über meine Familie hereinbrach. Vor drei Jahren, an meinem 14. Geburtstag, ist meine Ma bei einem furchtbaren Unglück, einem Verkehrsunfall, ums Leben gekommen. Dieser schicksalhafte Tag war wohl der schlimmste Tag in meinem jungen Leben und seitdem ist nichts mehr so, wie es war.

An jenem Tag fuhr ich mit meiner Ma in unserem neuen Auto über die River Stone Bridge, und wie üblich stritten wir beide wieder darüber, dass ich meine gesamte Freizeit nur mit meinen Computerfreaks verbrachte und darüber die Schule total vernachlässigte. Meine Ma drehte den Regler vom CD-Player lauter, es war nur ein verhängnisvoller Augenblick, ein tragischer Moment der Unachtsamkeit, und doch zu spät, um dem führerlosen, auf uns zurasenden 40-Tonner auszuweichen, dessen Fahrer am Lenkrad einen Herzinfarkt erlitten hatte. Verzweifelt versuchte sie, das Lenkrad herumzureißen, aber der LKW erfasste uns an der Kotflügelecke und schleuderte uns frontal gegen die Brüstung. Die Leitplanke zerbrach und wir stürzten hinab in den wild tobenden, eiskalten Fluss.

Viel später sagte man mir, dass wir beide vier Minuten klinisch tot waren, bevor die herbeieilenden Rettungskräfte uns aus dem Autowrack befreiten und versuchten, uns wiederzubeleben. An all das Schreckliche kann ich mich kaum erinnern, nur an ein merkwürdiges, leuchtendes Glitzern in der fernen Finsternis des eiskalten Wassers. Die Ärzte meinten, das wären posttraumatische Belastungsstörungen, hervorgerufen durch das katastrophale Erlebnis, aber ich bin mir sicher, dass es etwas ganz anderes war, was ich da sah, etwas, was greifbar und physisch nicht zu erklären war.

All das Schreckliche ist jetzt drei Jahre her und es vergeht kein Tag, an dem ich mir nicht die Frage stelle, warum ich gerettet wurde und meine Ma nicht. Meine Ma zu verlieren, war unsagbar schwer, aber sie täglich zu vermissen, ist noch viel schlimmer. Manchmal glaube ich, dass sie da ist und sich mit mir freut und manchmal spüre ich, dass sie mir nahe ist, wenn ich sie brauche.

Vor neun Monaten sind mein Vater und ich von Bristol nach Oxford umgezogen. Wir wohnen mit Rover, unserem Mischlingshund, in einem komfortablen Landhaus, am Ende der Headlington Road, direkt am South Park, der im Süden der Stadt liegt.

Dad sagte, er wolle „ganz neu anfangen“, aber ich wusste tief in meinem Innern, dass er vor irgendetwas davonlief und dass er mich für das tragische Geschehen verantwortlich machte. Die Gegend hier ist total öde. Die Anwohner gehören der vornehmen Schickeria an und sind in jeder Beziehung absolute Snobs. Taktvoll und höflich gehen sie miteinander um, dabei ist dieses Getue nur gespielt, um ihre gesellschaftliche Stellung zu festigen. Wie zum Beispiel unser Nachbar, der örtliche Bürgermeister. Er wohnt mit seiner Frau und den beiden niedlichen Kleinkindern in einem wahrlich prächtigen Anwesen. Täglich wird von seinem Gärtner das Unkraut entlang der exakt angelegten Blumenbeete gezupft und herauskommende, neue Sprossen werden umgehend entfernt. Der Rasen seines Vorgartens wird ständig gemäht und misst haargenau vier bis fünf Millimeter. „Das entspricht genau dem ‚Putting-Green‘ der Golfplätze“, so sagt er.

Er erweckt den Eindruck eines glücklichen, beschützenden Ehemanns und sorgsamen Vaters, dabei weiß jeder hier, dass er ein Schürzenjäger ist, und momentan ein Auge auf die gut aussehende Verkäuferin vom hiesigen Drugstore geworfen hat. Oder die betagte und vornehme, weißhaarige Dame, von der gegenüberliegenden Straßenseite.

Ihr Stammbaum reicht zurück bis ins 14. Jahrhundert, sie entstammt einem uralten Adelsgeschlecht, welches tatsächlich einen Sitz im „House of Lords“ hatte. Etikette und alte Traditionen, wie der Brauch des Fünf-Uhr-Tees, sind für sie ein Muss. Sie macht auf kultiviert, dabei ist bekannt, dass sie kurz vor dem Bankrott steht und sie einen großen Teil ihres Vermögens heimlich beiseite geschafft hat. Mylady wohnt mit ihrem treuen Butler und Chauffeur und, weiß Gott, er ist ein seltsamer Kauz, in einer traumhaft schönen Villa, mit malerischen Erkern und kleinen Türmchen. Das runde Gesicht strahlt Freundlichkeit aus, aber seine Augen erwecken einen gehetzten Eindruck. Er hat fast eine Glatze und das restliche Haar ist schon grau durchsetzt. Ständig steckt er in schwarzen Hosen und roten Polohemden, die um seine schlanke Silhouette schlottern. Außerdem hat er wohl den Zwang, pausenlos Handschuhe zu tragen, da er sie komischerweise nie ablegt. Er strebt ständig nach Perfektion und versucht, alle Dinge, seinen strengen Regeln entsprechend, in einer symmetrischen Form anzuordnen. Beispielweise die Kiefernhecke, die das komplette Arial nebst Villa umzäunt. Jede einzelne Kiefer misst in ihrer Höhe haargenau 2,00 m, nicht mehr und nicht weniger. Neue Knospen der Triebe werden rigoros beschnitten, damit die Kiefern harmonisch und im richtigen Größenverhältnis zueinander wachsen.

Sogar beim Einkaufen im Supermarkt versucht er ständig, die Nahrungsmittel gemäß seinen Ordnungsprinzipien anzuordnen. Diese Scheinheiligkeit der Anwohner geht mir, ehrlich gesagt, auf die Nerven. Dazu fehlt ihnen auch noch jegliche Art von Humor. In der direkten Umgebung gibt es kaum Unterhaltungsmöglichkeiten. Es ist, kurz gesagt, ätzend, zum Sterben langweilig. Glücklicherweise gibt es in der City eine echt coole Altstadt mit zahlreichen Pubs und Cafés, wo man perfekt rumhängen kann. Es wäre sonst sicherlich ein absoluter Alptraum für mich, hier zu wohnen.

Heute war der letzte Schultag auf meiner Schule und für mich die allerletzte Gelegenheit, meinen Schwarm Brandon endlich anzusprechen und auf ein Date einzuladen. Brandon war der absolute Wahnsinn und klar, er sah einfach super aus. Seine Haare waren dunkel, fast schwarz und wenn er lachte, glitzerten in seinen strahlend, blauen Augen kleine Funken, wie der Schaum des Meeres, wenn die Sonne sich darauf spiegelt. In der Schule konnte ich meine Augen nicht von ihm losreißen und sah er mich an, wurde mir kalt und heiß gleichzeitig, und in meinem Bauch flatterten dann Hunderte von Schmetterlingen umher. Er war der beste Spieler im hiesigen Rugbyteam und er hatte einen Körper, bei dem würde selbst Brad Pit schlecht aussehen und sich dahinter verstecken.

Alle Mädchen beteten ihn an und lagen ihm zu Füßen. Ich muss mir selbst eingestehen, auch ich war bereits am ersten Tag verloren und verliebte mich hemmungslos in ihn. An diesem besagten

Morgen wachte ich schweißgebadet auf, denn ich hatte in der Nacht wieder diesen merkwürdigen Traum gehabt, der mich in den letzten Nächten immer wieder heimsuchte.

Eigentlich hatte ich immer einen erholsamen, traumlosen Schlaf, und selbst wenn ich träumte, konnte ich mich tags darauf kaum an den Traum erinnern. Doch bei diesem Traum kam es mir irgendwie so vor, dass er viel bedeutsamer für mich war, als jeder andere Traum zuvor. Dieser Traum ließ mich nicht los. Etwas war da in diesem Traum, eine tiefe Dunkelheit und ein namenloses Entsetzen, das über mir lauerte und mich hilflos machte. Irgendwie war dieser Traum wie ein Spiegel dessen, was geschehen würde, an einem anderen Ort oder gar in einer anderen Zeit. Völlig gerädert und übermüdet von dieser fürchterlichen Nacht verbrachte ich an diesem Morgen viel Zeit im Bad. Zuerst duschte ich heiß und ausgiebig, um so die Schreckgespenster des Alptraums aus meinen Gedanken zu verjagen. Für mich war heute ein aufregender Tag und ich musste meinen Kopf freibekommen.

Ich wollte Brandon endlich auf ein Date einladen und hoffte insgeheim, dass er genauso viel für mich empfand, wie ich für ihn. Es war für mich die letzte Chance vor den Ferien, ihm meine Gefühle zu gestehen. Die durfte ich mir nicht durch diesen bescheuerten Traum vermasseln lassen.

Durch den Schlafentzug hatte ich dunkle Ringe unter meinen grünen Augen, die ich mit großzügigem Make-up übertuschte, ich wollte schließlich nicht wie ein ausgehungerter Zombie zur Schule gehen. Meine fuchsroten, gekräuselten Haare kämmte ich wie wild und bearbeitete sie dann mit meinem neu erworbenen Haarstylinggerät, zu großen Lockwellen à la 1930er-Jahre. Meine Haare sollten perfekt aussehen und nicht, als hätte ich soeben in eine Steckdose gefasst. Selbstkritisch schaute ich mir mein eigenes Spiegelbild an und war mit dem Ergebnis einigermaßen zufrieden. Zugegeben, die da war nicht wirklich ich, aber Brandon würde mit absoluter Sicherheit darauf abfahren, und das war momentan für mich das Allerwichtigste. Normalerweise hätte ich mir das nächstbeste, halbwegs saubere Teil geschnappt, das auf dem Boden herumlag, aber heute war ein besonderer Tag und ich wollte Brandon natürlich nicht nur mit meinem natürlichen Charme und meiner Anmut umhauen.

Ich zog ein knappes rotes Top über, schlüpfte in meine superenge Lieblingsjeans und warf mir noch meine Heavy-Metall-Bikerjacke über. Froh gelaunt lief ich die Treppen hinunter und schon trottete Rover gemächlich heran, legte seinen großen Kopf auf mein Knie und ich kraulte ihm die langen Ohren, bis er zufrieden schnaufte. „Morgen, Dad“, sagte ich, als ich in die Küche kam. Mein Vater saß am Tisch, trank Kaffee und blätterte in irgendwelchen Akten. Dad war ein hervorragender Anwalt und hatte einen gut bezahlten Job, bei einer alteingesessenen Kanzlei in der Stadt gefunden. Anscheinend hatte er diese Akten mit nach Hause genommen und machte wieder jede Menge Überstunden. Dad ignorierte mich total und schlürfte weiter an seinen Kaffee. Während ich die Schranktüren der Küchenanrichte aufriss und nach meinen Cornflakes suchte, überkam mich plötzlich der Gedanke, ob ich mich bei Brandon, dem König der Schule, nicht komplett zum Idioten machte, denn normalerweise kam ich gar nicht in seine Nähe. Entweder schwänzelte die Highschoolbeauty Jane und ihre Cheerleadergroupies um ihn herum oder seine Rugbykumpels umringten ihn. Ein nervöses Kribbeln breitete sich in mir aus. Aber ich verwarf den Gedanken schnell wieder, ich war verrückt nach ihm, und heute war mein ganz besonderer Tag.

„Guten Morgen, Dad“, sagte ich wieder, diesmal etwas lauter und schlug mit einem deutlichen Knall die Schranktüren zu. Dad fuhr ruckartig hoch und sah mich endlich an. In seinen braunen, treuen Augen, die mich stark an einen Hundewelpen erinnerten, spiegelte sich milde Überraschung. „Oh, Morgen, Nancy, mein Schatz“, sagte er ruhig, „ich habe gar nicht gehört, wie du hereingekommen bist. Was hast du gerade gesagt?“ „Ach, nichts, Dad“, antwortete ich, umarmte ihn freudig und drückte ihm einen dicken Kuss auf die Wange. Ich konnte ihm nicht böse sein, Dad war ein hoffnungsloser Fall. Ich konnte ihm 20 x etwas sagen, er vergaß es trotzdem immer wieder, sobald ich nur den Raum verlassen hatte. Es war nicht so, dass mein Dad herzlos oder ich ihm völlig gleichgültig war, nein, er liebte mich, aber seit Mas Tod sah er mich immer so überrascht und merkwürdig an, als hätte er völlig vergessen, dass ich auch existiere und mit ihm in diesem Haus lebe. Ich nahm mir die Milch aus dem Kühlschrank, schüttete sie zu den Cornflakes und löffelte genüsslich an meinem Frühstück, während ich gleichzeitig die Uhr im Auge behielt. „Hey, Dad, warte“, sagte ich, als er gerade gehen wollte und stellte mich aufrecht hin. „Wie gefällt es dir?“ Irgendwie hatte ich innerlich gehofft, ihn mit meinem stark veränderten Aussehen so zu reizen, dass er aus seinem apathischen Gemütszustand herausgerissen würde, dass er mir endlich wieder seine ganze Aufmerksamkeit widmen würde und mich bewusst wahrnehmen würde. Oder vielleicht schimpfen würde und mir verbieten würde, in diesem sexy Outfit in die Schule zu gehen. Aber nichts dergleichen geschah. Dad schenkte mir keinerlei Beachtung. Er drehte sich nicht einmal zu mir um. „Mhm? Alles klar, mein Schatz“, meinte er nur trocken und stand auf. „Ich muss jetzt zur Arbeit.“ Seine Schritte verklangen auf der Treppe und ich blieb alleine zurück. Ein Blick auf die Uhr ließ mich leise fluchen und mit einem letzten, skeptischen Blick in den Spiegel setzte ich den Helm auf und fuhr mit meinem Mofa los. Kaum dass ich in der Schule ankam, traf ich meinen Freund Rob, der bereits ungeduldig auf mich wartete. Rob hatte das blasse Aussehen eines Vampirs. Das lag wahrscheinlich daran, dass er stundenlang vor dem Computerbildschirm abhing und dem daraus resultierenden Elektrosmog. Zur Außenwelt hatte er kaum Kontakt und war irgendwann zu einem Aussteiger geworden. Rob hatte lange, dunkelbraune Haare, die er mit einem mit Blumen geschmückten Stirnband zusammenschnürte. Seine lässige Kleidung ähnelte dem Stil der Hippies aus den 1960er-Jahren, Blumengewänder, Jesuslatschen usw., natürlich mit dem Unterschied, dass Rob Turnschuhe, Hemd und Blue Jeans trug.

Er wohnte in einem alten Güterwaggon auf einem abgestellten Bahngleis mitten in der Wildnis. Wo Rob herkam, wusste keiner so genau, aber das war auch nicht so wichtig, denn Rob war, genau wie ich, ein absoluter Computerfreak und seine Welt war das Cyberspace. Meine Freundschaft zu Rob war natürlich rein platonisch. Sie konnte in keinerlei Weise mit meiner Liebe zu Brandon verglichen werden. Bei Brandon konnte ich nicht mehr klar denken und mit Rob war ich verbunden durch eine gute Kameradschaft und die uneingeschränkte Begeisterung für den Computer. Da war er ein absolutes Genie und man konnte mit ihm die fantastischsten Aktionen starten. Erst vor wenigen Tagen hatte Rob sich beim ortsansässigen Energieversorger eingehackt und dort innerhalb weniger Minuten den kompletten Server lahmgelegt. Es dauerte volle drei Stunden, bis der von ihm eingeschleuste Virus entdeckt wurde, mit dem Ergebnis, dass die Hälfte der Stadtbewohner in dieser Zeitspanne ohne Strom auskommen musste. Etwas verwundert über mein radikal verändertes Äußeres zog er seine Denkerstirn kraus und schaute mich mit großen Augen an. Irgendwie sah er nicht sonderlich klug aus in diesem Moment. „Hi, Rob! Schön, dich zu sehen“, begrüßte ich ihn freudig.

„Hi, Nancy! Dito! Äh, ich meine, auch schön dich zu sehen“, antwortete er stockend. Er legte seinen Kopf etwas zur Seite und gleichzeitig wanderten seine braunen Augen mit einem völlig entgeisterten Blick über meine Gestalt. Irgendeine Reaktion hatte ich erwartet, aber nicht unbedingt diese Reaktion. „Und, was denkst du? Wie sehe ich aus?“, fragte ich ihn nach einem kurzen Augenblick und fügte noch leise hinzu: „Ich will Brandon auf ein Date einladen.“ Dabei stellte ich mich geschickt in Pose und warf ihm einen koketten Seitenblick zu. Mir fiel auf, dass Rob mich ungewöhnlich lange anstarrte. Ich zupfte nervös an meiner Kleidung und wäre am liebsten im Erdboden versunken. „Äh, ja, du siehst, äh, irgendwie anders aus“, antwortete er verdächtig langsam. Dabei huschten seine Augen von links nach rechts. Ich verstand nur Bahnhof. Rob hielt eine kurze Zeit inne und räusperte sich: „Äh, ich meine natürlich: Wow, du siehst klasse aus“, dabei kratzte er sich etwas verlegen am Kinn. Ein Blick in seine Augen verriet mir, dass sie genau das Gegenteil vom dem widerspiegelten, was er gerade gesagt hatte, aber ich nahm mir einfach vor, nicht weiter nachzufragen. Ich wusste, dass Rob Brandon nicht ausstehen konnte. Brandon war für ihn nur ein verwöhnter, reicher Oxfordpinkel, der von seinen reichen Eltern unterstützt wurde.

Zugegeben, sein Daddy gehörte zur Gruppe der angesehenen und wohlhabenden Bewohner der Stadt, aber den ganzen anderen Kram hatte Rob sich selbst zusammengereimt und entsprach keineswegs den Tatsachen. Rob verschränkte die Arme vor der Brust. „Brandon wird dir das Herz brechen. Vertrau mir, ich kenne genug von diesen Typen, um das zu wissen.“ Er lächelte mich an wie ein begossener Pudel und hüpfte nervös von einem Bein auf das andere. In mir stieg leichte Wut auf. Wut darüber, dass er es wagte, seine Nase in meine Angelegenheiten zu stecken und Wut darüber, dass er womöglich Recht haben könnte. „Und, hast du dir den neuen Super-PC angeschafft?“, wechselte ich daher schnell das Thema und knuffte ihm mit der Faust leicht gegen die Schulter. Es hieß doch immer, der Zweck heilige die Mittel. Computer usw., das war schließlich seine Spezialität. Der Tag war noch jung und ich wollte ihn mir nicht durch weitere idiotische Bemerkungen versauen lassen. Erleichtert über diese Gesprächswende, machte sich ein Lächeln auf seinem Gesicht breit und er quasselte sofort los, von seinem neu erworbenen Superbaby, dem Computer XP 9980, dem ultimativ allerbesten Gerät, das derzeit auf dem PC-Markt zu bekommen war. Plötzlich hielt Rob mitten im Gespräch inne und zeigte mit seinen Fingern quer über den Schulhof in Richtung Straße.

„Nancy, äh, schau, da hinten“, stotterte er und war unfähig, ganze Sätze zu sprechen. „Lungerten die nicht gestern auch schon hier herum?“ Ich sah, wie er mit sich kämpfte, gleichgültig zu bleiben, aber in seinen Augen, war so etwas wie leichte Nervosität zu erkennen. „Rob, Mano Mann, entspann dich mal! Cool Play!“, gab ich zum Besten und boxte mit meiner Faust leicht gegen seinen Oberarm. Das Gesicht von Rob leuchtete bis zum Haaransatz, so rot wie eine Tomate, und sein gehetzter Ausdruck signalisierte bei mir leichte Panik, auch der Tonfall seiner Stimme klang in meinen Ohren um einige Oktaven höher als gewöhnlich. „Ich hasse Cool Play!“, sagte er ungehalten. „Du Weichei!“, lachte ich und verdrehte leicht die Augen. Auf der St. Margarets Road, die direkt an der Schule grenzte, parkten vier auffällig große, schwarze Limousinen und an der Ecke, in einer kleinen Nebenstraße, war ein Minivan abgestellt, auf dessen Dach eine außergewöhnlich große Satelliten-Sendeantenne montiert war. Systematisch lief eine Gruppe von merkwürdig aussehenden Männern, die einzelnen Häuser an der St. Margarets Road ab, zuerst in die eine Richtung, dann in die andere Richtung und in ihren Händen trugen sie seltsame, viereckige Messgeräte. Sie drückten ständig irgendwelche Tasten und kontrollierten dann das Ergebnis auf ihrer Messanzeige.

Eine andere Gruppe, ausstaffiert mit Kopfhörer, Notizblock und Kugelschreiber, bewegte sich zielsicher Richtung Schulhof, wahrscheinlich um dort Schüler und Schülerinnen zu befragen. Alle wirkten sehr muskulös und durchtrainiert. Ihre Körper zeichneten sich deutlich unter ihrer Kleidung, schwarzer Anzug, graue Krawatte, weißes Hemd und auf den Nasen verspiegelte Piloten-Sonnenbrillen, ab. Die Freaks sehen ja aus wie eine lächerliche Kopie des Agenten Smith, aus einem Science-Fiction Film. Wird hier eine Fortsetzung gedreht? , dachte ich und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Doch ein Blick in das entgeisterte Gesicht von Rob sagte mir, dass hier offensichtlich etwas faul war und für einen kurzen Moment spiegelte sich wohl so etwas wie die totale Verwirrung in meinem Gesicht. Durch meinen Kopf schossen die Gedanken. Die Antenne auf dem Dach des Minivans war mit Sicherheit keine einfache Fernsehantenne. Diese Antenne war hochmodern und speziell entwickelt, um starke elektromagnetische Wellen zu empfangen und auch die benutzten Messgeräte dieser Freaks waren absolute High-Tech-Geräte und auf dem normalen Markt gar nicht zu kaufen. Bingo, schoss es mir durch den Kopf und ich war im ersten Moment ziemlich Baff. „Du meinst, das sind richtige Agenten? Das Ganze ist kein Fake?“ Meine eigene Stimme, war zu einem Flüstern geworden.

„Und die sind dir auf den Fersen. Du meine Güte, die suchen dich.“ Robs Zunge war wie festgefroren und er konnte nur heftig mit dem Kopf nicken. Die Polizei war, wie üblich, auf der Suche nach dem Hacker, überhaupt keinen Schritt weitergekommen, denn Rob war viel zu gut und ausgefuchst in dem, was er da machte. Aber dass die Bewohner der Stadt fast drei Stunden ohne Strom auskommen mussten, bevor die Schwachstelle entdeckt und die Sicherheitslücke geschlossen wurde, war anscheinend doch zu viel für alle Beteiligten gewesen. Nun hatten sich die Regierungsbehörden eingeschaltet. Diese Agenten führten wahrscheinlich gerade in diesem Moment eine verdeckte, geheime Operation durch, um den Hacker, also logischerweise Rob, zu finden und dingfest zu machen. „Na, bravo! Wir sind am Arsch!“, sagte ich leise, mehr zu mir selbst und hoffte, dass Rob nicht sah, wie ich mit mir kämpfte, nicht panisch zu reagieren. Nach einer kleinen Ewigkeit. „Rob, hör mir einmal zu“, ich war selbst verblüfft, wie offen und gelassen das in meinen Ohren klang, gab ihm einen Klaps auf die Schulter und hakte mich bei ihm ein. „Lass uns nichts überstürzen. Mensch, Rob, diese Freaks da erledigst du doch mit links. Im Klartext, Rob, du bist der Größte, ein unschlagbares Genie.“

Ich zwinkerte verschwörerisch mit einem Auge und grinste zuversichtlich. Rob blinzelte und ein seltsamer Ausdruck huschte über sein Gesicht. Er sah mich an, als wolle er noch etwas sagen, dann schüttelte er nur leise den Kopf. „Ok, Nancy! Aber sag später nicht, ich hätte dich nicht gewarnt. Komm, lass uns abschieben“, und das bekannte Funkeln war wieder in seinen Augen. Wir steckten unsere Köpfe zusammen und zogen los in Richtung Schulmensa. Ich hoffte, dort endlich Brandon anzutreffen.

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