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Vorbemerkung/Vorwort

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Im Souterrain meines Hauses befindet sich mein technisches Büro. Daher bin ich auch nicht erstaunt, als – wieder mal – der gestresste Paketdienst-Bote auftaucht, einige hochaufgetürmte Sackkarren-Ladungen vor meine Tür zerrt, um Signatur auf das Bildschirmchen des Scanners bittet und – höchst eilig! – einen guten Tag wünscht.

Nun gut… So manch ein Auftraggeber versendet eben – immer noch – notwendige Arbeitsunterlagen in zentnerschwerer Papierform.

Die Überraschungspakete machen natürlich besonders neugierig: Welcher Kunde schickt mir Akten? Weder erhielt ich eine vorgelagerte Beauftragung, noch sonst eine Vorab-Info. Adressaufkleber: Kein Klient von mir, sondern… – ein Notar!?!? Ich nehme die Stapel in Augenschein, finde an einem der Kartons ein festverschlossenes Couvert, darin ein einzelnes Blatt. Nur wenige, betont neutral gehaltene Zeilen. Auch sie offenbaren nicht den ursprünglichen Versender. Der Name unter der abschließenden Grußformel ist merkwürdig. Ist sicherlich ein Pseudonym. Der Wortlaut verstärkt den Eindruck:

„…dem Empfänger der Sendung...“ „…biete ich, [nach Datums-Sperrvermerk], ausdrücklich, sowohl die Nutzung der Dokumente, als auch, gegebenenfalls, die Veröffentlichung an…“ „…jedoch unter der Auflage, der ausnahmslosen Wahrung der Absender-Anonymität, falls sich, durch die Akteninhalte und trotz aller Sorgfalt, meine wahre Identität erschließen lassen sollte…“ Nach dieser ersten, flüchtigen Inaugenscheinnahme der Lieferung, kommt mir die Überraschung vor, wie eine Art Flaschenpost. Ein Anruf beim Übermittler, dem mir bis dahin unbekannten Urkunden-Juristen, führt zu nichts. Dieser Herr Notar verweigert „…den Vorgaben des Mandanten entsprechend, jegliche weitergehende Angabe!“. Mit dem Hinweis auf die gewichtigen Unterlagen, erklärt er, in geschäftsmäßigem Ton, seine auftragsgemäße Leistungs-Erbringung für vollendet. Warum gerade ich diese Ordner erhalte [und folglich hinunter, ins Büro schleppen muss!] bleibt mir also, bis heute, ein Rätsel. Ich tippe darauf, dass jemand aus meinen umfangreichen Kontakt-Daten, meinen Namen, an (un-)passender Stelle, erwähnt. Wie auch immer… Da ich mich normalerweise nicht in die Angelegenheiten von Menschen einmische, die mich nichts angehen, stehen die Papp-Türme in der Ecke meines Büros und spielen vorerst Staubfänger, während ich wieder an meinen Schreibtisch zurückkehre, und – die Stapel stets im Blick – meiner bezahlten Tätigkeit nachgehe. So vergeht immerhin der Vormittag, bis, nach dem Mittagessen, meine wohl eingehegte Neugier über den Zaun springt, ich einige Kartons öffne und mir erste Einblicke verschaffe: Dem Zufall folgend fischte ich heraus: Bilder, die Gesichter akribisch unkenntlich gemacht, die Dokumenten-Mappe einer geschlossenen Anstalt, Urkunden über Shopping-Center-Schiebereien, sowie Berichtsschnipsel über den Einsatz von Tränengas in (s)einer Stadt, dazu ein Diktiergerät etc… Ein Großteil der Unterlagen befasst sich jedoch mit den Erkenntnissen während seiner familiären und beruflichen Entwicklung, mit seiner Anverwandtschaft, deren Familien-Konzern und reichlich krummen Finanzgeschäften. Abends liegt ein Riesenwust ausgebreitet vor mir, teils in Form von Ordnern, teils lose Papiere, teils geschwärzt, manche Angabe inhaltlich verschlüsselt, einiges nur grob schematisiert dargestellt. Und doch scheinen dem Absender manche Ereignisse und Aussagen wohl derart essentiell, dass sie sogar im Originalton nachvollziehbar sind. Dazu finde ich ein altes Diktaphon, nebst mehrerer Kassetten. ( Kapitel 4: „200 Minuten…“ )

[Das Wortbild dieser Aufnahmen – seine Aussagen und Schlussfolgerungen – bildet für mich das Grundgerüst für die Ausarbeitung der Persönlichkeitsstruktur des Protagonisten]

Diese und weitere detaillierte Inhalte – so lege ich später fest – werden von mir, so weit möglich, eins zu eins wiedergegeben. Natürlich nur in adäquaten, Quellenschutz gewährenden Modifikationen.

Im Verlaufe meiner ersten summarischen Aktendurchsicht, komme ich zu dem Schluss, dass selbige von einer Person zusammengestellt wurden, die reichlich wohlsituiert lebt, jedoch ein weitgehend durchschnittlich-unauffälliger Mensch sein will. Sie wirkt und macht sich klein, in ihrer selbstgewählten, behaglichen Machtlosigkeit; und doch ist sie – unbewusst? – ein extrem störendes Sandkorn im Getriebe ihres direkten Umfelds. Und schließlich, – Wochen später – nach genauer Durchsicht der Unterlagen, scheint mir die Begründung der ausdrücklich gewünschten Anonymität des Protagonisten nachvollziehbar. Mir wird nämlich, mittels dieser Papiere, in nicht für möglich gehaltenem Umfang, ein Einblick gewährt, auf Durchstechereien, Egoismen, Kälte, Provinzialität, Raff- und Rachsucht, Sachzwänge. Kurz: Das kalte Räderwerk hinter einer krampfhaft aufrecht erhaltenen Fassade des, sich wichtig dünkenden, Geldes.

Unter der Prämisse: „Maximale Annäherung an die dokumentierten Inhalte, bei bestmöglicher Maskierung der Betroffenen und deren Umfeld.“, beschreibe ich, die in den Aktenbergen feststellbaren Ereignisse, und das unter dem Vorsatz, statt einer fragmentierten Darstellung, eine weitgehend gebundene Erzählung zu erstellen. Eine Erzählung, deren Ereignisse dem Protagonisten, aus seiner passiv-subjektiven Frosch-Perspektive, nur mit einiger Verzögerung begreiflich werden. Sie widersprechen, diametral, seinem bisherigen, geordneten, beschaulichen, reichlich ignoranten – und bis dahin – offensichtlich privilegierten Leben. Veränderungen seines Lebens, so glaube ich zu erkennen, die ihm in einer derart grotesken Radikalität widerfahren, wie er sie, zuvor, für sich, als vollkommen undenkbar gehalten haben mag.

Verfasst i. A. von „Heinrich T. Köchmüller“



Maskierte Figuren oder abstrahierte Standpunkte?

Wie sehr ist es einer Groteske - oder deren Verfasser - vorzuwerfen,

dass der Inhalt nur rein fiktiver Natur sein soll?

Wie sehr ist sperrige Einseitigkeit vorwerfbar,

wenn die gegebene Datenlage nur diese hergibt?

So lange manch ein Schützenverein, in verbissenem Stechschritt, paradiert

und die todernsten Mienen der Uniformierten,

und deren Kasernenhofton, beim Aufmarsch,

als Parodie auf den Militarismus bezeichnet,

solange darf ich das nun Folgende, als rein erdachte Satire bezeichnen…

( Quelle unbekannt )

Die Köchmüller-Papiere

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