Читать книгу Reisen ans Ende der Welt - Ibn Battuta - Страница 19
ОглавлениеZum Verständnis zahlreicher Kommentare Ibn Battutas soll noch darauf verwiesen werden, dass der Araber ein strenggläubiger Muslim war. Wenn er sich unterwegs einen eigenen Harem zulegt, wenn er sich junge, hübsche Sklavinnen kauft und behauptet, dass es für ihn eine Selbstverständlichkeit sei, täglich mit all seinen Frauen und Konkubinen zu schlafen, so ist dies für ihn und seine Religion durchaus nicht unsittlich. Auch seine geradezu bestürzende Teilnahmslosigkeit, als ihm eine solche Frau eine Tochter schenkt, lässt sich nur aus der Gesamthaltung des Muslims zu weiblicher Nachkommenschaft erklären. Hingegen spricht er mit Leidenschaft gegen die Unzucht, die ihm besonders in den unbekleidet umhergehenden Frauen Afrikas entgegentritt; hier ist es nicht das Geschlechtliche, sondern die Nacktheit, die den an verschleierte, ja fast vermummte Frauen gewöhnten Muslim abstößt, während Sklavinnen und Dirnen ihre ganzen Reize in der Öffentlichkeit demonstrieren dürfen.
Schließlich soll nicht übersehen werden, dass Ibn Battuta auf seinen Reisen Handel trieb, dass er also von Geschäften und Gewinn abhängig war. Auch diese Tatsache findet immer wieder ihren Niederschlag in Äußerungen und Bewertungen. Als Rechtsgelehrter und mehrfacher Mekkapilger genoss er außerdem an Fürstenhöfen im islamischen Bereich besondere Achtung. Es ist daher verständlich, wenn er einen Khan oder Sultan vornehmlich danach beurteilt, wie sich dieser ihm gegenüber verhält. Je reichhaltiger die Geschenke und je eindrucksvoller die Freizügigkeit, die ihm widerfuhr, desto günstiger lauteten die Prädikate, die Ibn Battuta einem Gastgeber zu verleihen bereit war. Knausrige Potentaten hingegen konnten nicht mit der literarischen Gunst des schon zu seinen Lebzeiten geschätzten Arabers rechnen. Geschenke, Bestechungen und überschwängliche Lobhudeleien haben noch in der Gegenwart im Orient einen anderen Stellenwert als im Abendland.
Trotz allem steht fest, dass die geistige Welt mit Ibn Battuta einen Autor besitzt, der an Mut, Wissbegierde und am konsequenten Festhalten seines Ziels, auch bei schweren persönlichen Rückschlägen, den großen Entdeckern und Weltreisenden ebenbürtig ist, die meisten von ihnen aber an Intellekt und an der Fähigkeit, seine Eindrücke schriftlich festzuhalten, in den Schatten stellt.
Der Kenner arabisch-islamischer Dichtung, die sich durch blumenreiche Sprache und vielgestaltige Bilder auszeichnet, wird solches bei Ibn Battuta vermissen. Dieser Araber hatte nie im Sinn, seinen Zeitgenossen und der Nachwelt ein literarisches Denkmal zu schenken. Ihm ging es allein darum, seine Erlebnisse und Eindrücke aus fremden Ländern festzuhalten, dazu zwar den Wortschatz seiner damals hochentwickelten Muttersprache auszuschöpfen, jedoch keine dichterische Großtat zu liefern. Ibn Battuta bleibt stets sachlich, manchmal vielleicht sogar zu nüchtern. Aber gerade diese Tatsache macht seine Niederschrift auch noch für unsere Zeit interessant.
Der Maßstab, den man an Ibn Battutas Arbeit legen will, wird sich daher immer innerhalb der Grenzen dieser Tatsachen zu bewegen haben.
Es erschien notwendig, verschiedene Namen und Begriffe zu erläutern. Um historische Fakten und die geographische Lage sichtbar zu machen, mussten die Bezeichnungen zahlreicher Städte, Flüsse und Gegenden durch den modernen Ausdruck ergänzt werden. Um aber den Fluss der Darstellung nicht durch einen Anmerkungsapparat zu stören, wurden diese Erklärungen in Klammern gesetzt und sehr kurz gehalten. Weitere Erläuterungen geographischer und anderer Begriffe sind am Schluss des Buches zu finden. Dem Interessenten, der sich näher mit Ibn Battuta, seiner Zeit und den arabischen Reisenden des Mittelalters beschäftigen möchte, soll das Literaturverzeichnis weitere Hinweise geben.
Am Ende dieser Einleitung sei noch ein Wort erlaubt. Indem Ibn Battuta seine Erlebnisse dem Dichter Ibn Djuzayy diktierte, vermuten manche, die literarische Arbeit sei nur jenem – modern ausgedrückt – »Ghostwriter« zuzuschreiben. Aber gerade dies dürfte nicht zutreffen; denn arabische Poeten sind für ihre äußerst blumenreiche Sprache bekannt, und bei einem solchen Thema wäre sicher jeder Dichter der Versuchung verfallen, das ganze Reservoir der arabischen Sprache auszuschöpfen. Da dies aber nicht der Fall ist, darf man mit Recht annehmen, dass in diesem Werk Ibn Battuta selbst spricht.
Hans D. Leicht