Читать книгу FLUCHT AUS DER SOWJETUNION - Iga Wagnerowska - Страница 3
1. Kapitel
ОглавлениеMan schrieb das Jahr 1915, als ich an einem wunderschönen sonnigen Tag im Mai in Kiew auf die Welt kam.
Wie immer, um diese Zeit, grünte und blühte die Natur mit voller Kraft. Meine Eltern und Großeltern waren überglücklich. Damals war die Welt noch in Ordnung, niemand ahnte das nahende Unheil, die Revolution. Ich wurde getauft auf den Namen Ala.
Mein Vater war ein Russe und stammte aus einem angesehenen Landadel. Meine Mutter war eine Deutsche. Ihr Vater war ein sehr talentierter Kunstmaler und die Mutter eine Opernsängerin.
Als junges Ehepaar kamen beide nach Russland. Sie sang in Petersburg im Marinskitheater und er malte Porträts der Adeligen am Zarenhof.
Die Familie meines Vaters war zuerst im Schock, als sie erfuhr, dass er eine deutsche Opernsängerin, die später meine Mutter wurde, heiraten möchte. Und dazu war sie noch von solchen Eltern! Beide auch Künstler! Boheme!
Die Mutter meines Vaters war die einzige, die nichts dagegen hatte und meinte, dass man einer großen Liebe zustimmen soll, aber sie war selbst immer ihrer Zeit voraus und machte, was sie wollte, ohne sich darum zu kümmern ,dass zum Beispiel ein Fräulein nicht wie ein Mann im Sattel beim Reiten sitzen oder Zigaretten rauchen durfte! Sie hatte sich sogar selbst die Haare kurz abgeschnitten, was damals wirklich unerhört war!
Mein Großvater väterlicherseits erbte von seinen Eltern große Ländereien „ Gromowka „ in Woroneshska Gubernia. Nach
dem Tod seiner Eltern und seiner Geschwister (sein Bruder war Konteradmiral der Russischen Seeflotte während des Krieges mit Japan im Jahr 1905) gab es niemanden, der die Ländereien bewirtschaftet hätte. Der Großvater war Oberst in der Zarenarmee, und die Großmutter interessierte sich nur dafür, wie viele Ferkel geboren wurden, weil das Geld von dem Verkauf der Tiere war ausschließlich für ihre Annehmlichkeiten bestimmt. Sie machte schöne Reisen ins Ausland, fuhr oft nach Baden-Baden und verspielte dort mit großer Leidenschaft viel Geld im Spielcasino.
Sonst war es ihr egal, was auf dem Landbesitz passierte.
Noch vor dem Ersten Weltkrieg hat mein Großvater diese Ländereien verkauft und legte das Geld an der Russischen Bank an. Als ich geboren wurde, richtete er auf meinen Namen ein Konto ein und zahlte darauf 50Tausend Rubel, die ich natürlich nie erblickt habe .Später, als ich es geschafft habe mit meiner eigenen Familie aus dem sowjetischen „Paradies „ zu fliehen, und wir in großer Not lebten, habe ich oft meinen Vorfahren ihre Kurzsichtigkeit übel genommen.
Aber niemand konnte sich damals vorstellen, dass die Revolution ausbrechen würde, und alles verlorengehen ging. Schade, weil zum Beispiel das Geld in einer Schweizer Bank sicher gewesen wäre. Vor dem Ersten Weltkrieg hatte der goldene Rubel einen sehr hohen Wert.
Leider wurde die einzige Erbin für lange Zeit bettelarm.
Mein Großvater mütterlicherseits erlitt beim Ansturm der Revolutionäre ins Schloss, wo er gerade an einem Porträt arbeitete, eine schlimme Verletzung der rechten Hand. Die sowjetische Macht gab ihm eine Pferdepeitsche in die Hand und eine „Stelle „ als Kutscher. Sein großes Talent wurde begraben. Dieser ehrenwerte Posten war aber immerhin besser, als ein Konzentrationslager hinter dem Polarkreis. Zum Glück sprach er akzentfrei russisch, und der wütende Mob wusste nicht, dass er ein Deutscher war.
Während des Ersten Weltkrieges waren mein Vater, im Rang eines Leutnants, und mein Großvater, der ein Oberst war, an der Front. Im Jahre 1918 erhielt meine Mutter eine Nachricht, dass ihr Mann wegen einer Lungenkrankheit im polnischen Zakopane behandelt würde. Sie fuhr zu ihm, und ich blieb bei meiner Großmutter (Mutter meines Vaters). Meine Mutter sprach mit mir immer deutsch, sang mir deutsche Lieder vor, und jetzt vermisste ich das sehr. Die Großmutter versuchte mir französisch beizubringen, und ich sperrte mich stur dagegen, deutsch gefiel mir besser. Sie war eine wirkliche Dame von Welt. Bis zu der Revolution war ihr Leben ausgefüllt mit den Bällen, Theaterbesuchen, Reiten, Kartenspielen. Sie kleidete sich sehr gerne schick, hatte ihr Mannequin in einem exklusiven Pariser Modehaus „ Worth „, wo sie ihre Kleider bestellte. Die frischen Blumen zu einem Ballkleid bekam sie aus Nizza geschickt. Sie weilte gerne in der Gesellschaft, amüsierte sich und genoss ihre Wirkung auf die Männer. Ihren einzigen Sohn hat sie nicht gestillt, dafür hatte sie keine Zeit und keine Lust, also wurde eine Amme engagiert, die eine Polin war und Michalina hieß. Meine Großmutter mochte keine Kinder, sie fühlte sich immer von ihnen genervt. Welche Betreuung und welche Wärme konnte sie also ihrer kleinen Enkelin bieten?
Während des Krieges haben uns unsere ehemalige Köchin und die Amme Michalina vor dem Hungertod gerettet. Der Ehemann der Köchin arbeitete als Eisenbahner. Einmal brachte er mir Äpfel, die so dufteten, dass ich es nie vergessen habe.
Michalina hatte geheiratet und wohnte jetzt in dem Dorf, von dem sie stammte. Sie brachte uns immer wieder etwas Graupen, Käse, Butter. Das alles war wirklich goldwert, und obwohl die Mengen knapp waren, war diese Hilfe unschätzbar. Sie hatten doch selbst nicht viel. Das Haus, in dem ich geboren wurde und bis zu meiner Heirat wohnte, war siebenstöckig. Unsere Wohnung befand sich in dem Parterre, weil die Großmutter fürchterliche Angst vor einem Brand hatte. In diesem Haus wohnten Menschen, die zu der Intelligenz gehörten, also Ärzte, Rechtsanwälte, Ingenieure.
Wenn die sowjetische Soldatenmeute so einen älteren Herrn in seiner Wohnung angetroffen hat (alle jungen Leute waren im Krieg), schleppte sie ihn auf die Straße, beguckte seine nicht von der Arbeit gezeichneten Hände, und sofort wurde er erschossen. Sie fragten auch niemanden nach seinem Beruf. Weiße Hände, das bedeutete Bourgeois! So wurde unser Nachbar, ein hervorragender Chirurg und großartiger Mensch, umgebracht. Auf diese Art haben die Sowjets die Mehrheit der Intelligenz, hochqualifizierte Spezialisten aus verschiedenen Sparten, vernichtet. Bis zum Jahr 1918 kamen ca. 2,5 Millionen Menschen so ums Leben, und bis zum Jahr 1920 existierten schon sechs Konzentrationslager, die fast niemand lebendig verlassen hat. Manche Leute sind aus Angst vor Bolschewiken ins Ausland geflüchtet, haben ihr ganzes Hab und Gut gelassen und nur die Juwelen und die goldenen Rubel mitgenommen.
Die Leute, die in unserem Haus wohnten, waren reich. Der rote Pöbel hatte später aus den verlassenen Wohnungen viel zu rauben.
Aber selbst, wenn jemand diese Wohnungen betreut hätte,
hätte es nichts geholfen, und womöglich wäre er auch umgebracht worden.
Bei uns haben sie doch wirklich alles geraubt: Bettwäsche, Kissen, Bettdecken, Kleidung und die Möbel. Ich habe es nie vergessen, was ich damals als ganz kleines Kind gesehen habe. Ein total besoffener Soldat riss meiner Großmutter ein goldenes Armband vom Arm ab. Das wunderschöne, aus einem goldenen Birkenholz gemachte Schlafzimmer meiner Eltern, haben sie auf die Strasse raus geschleppt, zerhackt und im Feuer, an dem sie sich gewärmt und Wodka gesoffen haben, verbrannt. Solche Szenen haben sich ganz tief in mein Gedächtnis eingegraben. Wie sollte die Psyche eines Kindes das alles jemals verarbeiten? Diese Bilder wurde ich nie los. .
Wie sollte jetzt der neuerstandene, so riesige Staat existieren?
Ohne die Spezialisten war es nicht möglich die Industrie und Krankenhäuser wieder instand zu bringen. Es hatte eine neue Realität begonnen: Terror! Horror!!! Und so, zum Beispiel,
wurde in einer Fabrik ein Matros (auf Russisch bedeutet das den niedrigsten Matrosen) zum Direktor gemacht. Von der Produktion hatte er selbstverständlich nicht die geringste Ahnung, aber dafür die riesig großen Fäuste und einen Nagan (eine Pistole).
Als sein Stellvertreter wurde ein richtiger Ingenieur, einer von
denen, die Dank einem Wunder überlebt hatten, engagiert.
So ein Matros rief diesen unglückseligen Ingenieur zu sich,
haute mit der Faust auf den Tisch, wirbelte mit dem Nagan herum und befahl, fürchterlich schreiend, einen Termin der Fertigstellung der Produktion. Bei den Erklärungen des Ingenieurs, dass es nicht möglich sei, weil es an Maschinen und Materialien fehlte, reagierte er mit noch größeren Wutausbrüchen und wollte nichts davon hören.
Der arme Ingenieur versuchte verzweifelt alles, aber, wenn er trotzdem den unmenschlichen Befehl nicht ausführen konnte, bezahlte er es immer mit seinem Leben als Saboteur und als Feind der Sowjetischen Macht.
Obwohl meine Großmutter die größte Zeit ihres Lebens mit dem Nichtstun verbrachte, pflegte sie immer zu sagen, dass ein wirklich intelligenter Mensch sich immer den neuen Umständen anpassen können muss, nicht auf Manna vom Himmel oder auf ein Erbarmen warten. Und sie hat sich wirklich angepasst!
Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, ging sie zu einem Schuster und fing an bei ihm zu lernen. Sie begann Damenschuhe mit eisernen Nägeln zu machen. Bald jedoch musste sie feststellen, dass diese Arbeit für eine Frau viel zu schwer ist. Sie fing also an Damenkleider zu schneidern. Die Entwürfe und die Schnitte machte sie selbst nach ihren eigenen Ideen. Das gelang ihr ganz gut.
Nie wünschte sie sich jedoch, eine Schneiderin genannt zu werden, weil sie in Wirklichkeit auch keine war. Sie war immer die Dame, die schneidert. Manchmal, wenn jemand ein Paket vom Ausland bekam, konnte sie der Versuchung nicht widerstehen und kaufte einen Flakon mit dem französischen Parfüm, sogar anstelle von Brot!
In ihrer Familie war sie nicht die Einzige, die sich den neuen Umständen anpassen konnte. Ihr Bruder, ein studierter Agronom, bewirtschaftete das, seit Generationen sich im Besitz ihrer Familie befindende, riesig große Landgut in Wolyn. Nach der Revolution wurde ihm selbstverständlich der ganze Grund und Boden weggenommen.
Ganz gnädig hat man ihm nur das Haus und den daneben liegenden Garten überlassen. Ich verbrachte dort sehr gerne die Sommerferien.
Die Bolschewiken requirierten bald jedoch das Haus und den Garten, teilten der Familie aber nur ein sehr kleines Grundstück hinter dem Garten zu. Mein Großonkel, zusammen mit seinen zwei Söhnen, baute auf diesem winzigen Platz ein kleines Häuschen.
Zwei Zimmer und eine Küche haben sie fertiggestellt, andere zwei Zimmer eigneten sich aber nur im Sommer zur Benutzung.
Leider gab es dort keine sanitären Einrichtungen. Neben dem Häuschen befand sich ein Brunnen, aus dem man das
Wasser schöpfte. Das Klo befand sich in einem Holzhäuschen, an dessen Tür ein Herzchen herausgeschnitten war. Waschen musste man sich in der Küche in einer sehr großen Schüssel.
Die Küche war auch ziemlich groß. Im Sommer war das Waschen ganz unproblematisch, denn nicht weit von dem Häuschen floss ein Fluss, der Horyn hieß. Die Seife hat mein Großonkel selber gemacht. Nur in Kiew konnte man sie im Geschäft kaufen, aber es gab damals noch kein Waschpulver.
Die Wäsche hat meine Großtante mit einer Holzasche gekocht, danach wurde sie in dem Fluss gespült, in der Sonne getrocknet, und danach war sie schneeweiß.
Neben dem Häuschen hat mein Großonkel begonnen Bienen zu züchten. Am Anfang hatte er nur ein paar Bienenkörbe, aber schon bald, dank seiner schweren Arbeit und seinem Fleiß, kam er auf 270 Stück. Er selbst fertigte die Fässer an, in denen er den Honig dem Staat verkaufte. Die Bauern in der Gegend haben ihn sehr geschätzt. Sie wussten, dass jeder zu ihm kommen und um Rat bitten durfte. Es hat der Sowjetischen Macht nicht gefallen, dass der ehemalige Großgrundbesitzer, mit weißen Händen, jetzt nicht zu einem Bettler wurde, dass er nicht an einem Hungertuch nagte sondern sich zu helfen wusste. Obwohl der Staat von ihm, als Lieferanten sehr großer Mengen eines köstlichen Honigs, Nutzen hatte, beschlossen die Bolschewiken ihn zu vernichten. Den Bienenstand hat man ihm weggenommen, und mein Großonkel mit seiner Frau, zwei ältere Menschen, wurden ins Unbekannte weggebracht.
Die Bauern haben an die Regierung ein Schreiben geschickt, in dem sie um eine Erlaubnis für die Rückkehr der alten Leute baten. Das Ergebnis war nicht minder schrecklich. Diejenigen, die die Unterschriften unter dem Schreiben gesammelt hatten, wurden verhaftet und zu Lager in Sibirien verurteilt.
Die sowjetische Macht wusste immer sehr gut, was zu tun war!
Wolyn (die Gegend in der Ukraine) war immer wunderschön, die Erde war dort sehr fruchtbar, alles wuchs und gedieh sehr gut. Im Sommer verschwanden die Dörfer unter dem Grün und den Obstgärten. Die Zeit, die ich dort in den Ferien verbrachte, war für mich die glücklichste. In Kiew wurde ich in der Schule oft von den Kindern wegen meiner deutschen Mutter gehänselt und auch beschimpft. Am schlimmsten war es, wenn ich aus Versehen ein deutsches Wort benutzt habe. Dann kannten sie keine Gnade, und als Strafe dafür wollte niemand mit mir spielen. Es gab einen Jungen, der mich immer verteidigte und sich sogar deswegen mit den anderen Jungen schlug. Ich hätte ihm gerne gedankt und wusste nicht wie, also küsste ich ihn einmal flüchtig auf die Wange. Ich denke, er war zufrieden. Er war größer und stärker als seine Kollegen, und sie hatten Angst vor ihm. Einmal brachte er mir etwas, das sah aus wie ein Stück verbrannter Zucker. Wir lutschten diese Köstlichkeit, und ich spürte, dass ich in ihm einen guten Freund hatte.
In Wolyn wusste niemand, dass ich eine Halbdeutsche war, und ich wurde als die Großenkelin, von meinen allseits verehrten Großtante und Großonkel, respektiert. Ich mochte sehr gerne mit meinem Großonkel Fische fangen. Wir fuhren in der Nacht in einem Boot. Man benutzte eine speziell konstruierte Petroleumlampe, die sich in einem Korb befand, der an einem langen Stock befestigt war. In dem Fluss Horyn war das Wasser kristallklar.
Wenn man mit der Lampe die Oberfläche des Wassers beleuchtete, dann konnte man den Boden in der Tiefe von mehreren Metern sehen und die im Wasser bewegungslos stehenden Fische.
Und die gab es wirklich in Unmengen. Es gab viele verschiede Arten von ihnen, aber am meisten gab es die riesig großen, dicken Hechte.
In der Nacht hat man die Fische mit einem Netzsack aus dem Fluss genommen. Von dem Licht der Lampe geblendet, ließen sie sich einfach fangen. Für mich war das ein großes Abenteuer.
Auf dem anderen Ufer des Flusses Horyn lag ein Städtchen Kornica.
Die meisten Einwohner dort waren Juden, und jeder von ihnen besaß irgendein Verkaufslädchen oder einen Stand.
Sie verkauften alles Mögliche: Stoffe und Schuhe, Knöpfe, Garn, Gesichtspuder, Wangenrouge, Töpfe, Teller, aber auch Tee, Zucker und Heringe. Viele von den Waren stammten aus Polen, aus dem Schmuggel. Wenige Kilometer von Kornica entfernt verlief nämlich die Grenze, die zu dieser Zeit gar nicht so streng bewacht wurde. Kornica war ein Handelszentrum für die umliegenden Dörfer. Mir machte es einen riesig großen Spaß, die Lädchen zu besuchen, und ich freute mich immer sehr, wenn meine Großtante mich dorthin schickte, um etwas zu kaufen, selbst wenn es manchmal nur die Streichhölzer waren. Um auf das andere Ufer zu gelangen, musste man mit einem Boot fahren, und das war schon für mich aufregend. Dort fanden die Märkte statt. Dann war es überaus bunt und lustig. Es gab dort wirklich alles! Pferde, Kühe, Schweine, verschiedenes Geflügel. Das alles schrie und gackerte sehr laut.
Es gab Stände, die kupferne Ringe, Perlenschnüre und Bänder verkauften. Mich interessierte am meisten der Wagen eines Töpfers, der wirklich wunderschöne Sachen hatte, verschiedene große und kleine Krüge, Töpfe, Schüsseln von verschiedenen Formen und sehr schön bemalt. Ich konnte stundenlang davor stehen und diese Schätze bewundern.
Da ich dort jeden Sommer verbracht habe und alle mich kannten, wurde ich immer sehr höflich, wie eine Bekannte, begrüßt und stets, wenn ich etwas gekauft hatte, bekam ich das Beste, was gerade da war. Mein Großonkel musste in seiner Jugend sehr gut ausgesehen haben, und auch als älterer Herr war er sehr interessant, aber meine Großtante war wirklich furchtbar hässlich. Es beschäftigte mich immer die Frage, warum er sie geheiratet hatte? Sie war ein Fräulein aus einem guten Hause, gut erzogen und konnte sehr gut den Haushalt führen. Vielleicht das war das Entscheidende. Das war im Leben, auf einem Landgut, viel wichtiger als die Schönheit, und sie hatte auch einen sehr guten Charakter. Sie vergötterte ihren Mann, gebar ihm drei Kinder. Sie lebten glücklich zusammen und haben nie gestritten. Ich habe mich immer bei ihnen sattgegessen für alle Zeiten.
Sie haben mir im Gegenteil zu meiner Stiefmutter (mein Vater hat zum zweiten Mal geheiratet als ich acht Jahre alt war, und die Stiefmutter war böse, wie aus einem Märchen) nichts und niemals etwas missgönnt. Gemüse und Obst hatten sie aus dem eigenen Anbau.
Die Fische, die der Großonkel gefangen hatte, bereitete seine Frau auf verschiedene Art, sehr lecker. Die kleinen Fischchen trocknete sie erst, und dann kochte sie mit ihnen eine köstliche Suppe.
An jedem Samstag hat sie Brot und aus demselben Teig kleine, unheimlich gut schmeckende, Brötchen, so genannte Pampuschki, gebacken. Die wurden dann gleich, nachdem sie aus dem Ofen rausgenommen wurden, noch heiß mit einer Paste aus fettem Speck und Knoblauch eingerieben. Dieser Geschmack lässt sich nicht beschreiben. Einfach fantastisch!
Die Milch haben sie bei einem Bauer gekauft. Schweine züchteten sie selbst. Der Großonkel machte aus einem alten Fass eine Räucherei, in der er Schinken und durchwachsenen Speck räucherte. Sie hielten das Geräucherte in einem speziellen Raum, in dem es auch viele andere Vorräte gab: Konfitüren, getrocknetes Obst, getrocknete, gesalzene und marinierte Pilze, Zwiebeln, Knoblauch und sehr viele getrocknete, zu Sträußen gebundene Kräuter. Im Garten wurde in der Erde ein großer Keller ausgegraben, in dem es immer kalt war, und dort wurden die Dickmilch und frische Salzgurken aufbewahrt. Von den Lebensmitteln gab es hier immer genug. Ich habe mich immer in den ersten Tagen nach der Anreise überfressen und hatte dann kräftige Bauchschmerzen. Meine Großtante wusste wie schlimm meine Stiefmutter war und hatte für mich viel Mitgefühl. Sie wollte mir immer etwas Gutes tun und hatte für mich besonders leckere Sachen.
Obwohl es dort keine Kinder in meinem Alter gab, hatte ich nie Langeweile. Ich hatte immer eine Beschäftigung.
So half ich oft dem Großonkel bei den Bienen, erntete die Gurken und riss von den Rotebeeten die Blätter für die Schweinchen ab. Ich mochte sehr lange das Gemüse im Garten anschauen, und auf dem Boden des Wolyn wuchs alles prächtig. Ich habe auch Bücher gelesen, von denen die Kusine meines Vaters, die Lehrerin in einem Dorf war, viele hatte.
Ihr Mann wurde auch von der NKWD ( heute KGB ) ermordet.
Ich habe damals davon geträumt, später mit meiner eigenen Familie hier die Urlaube zu verbringen. Leider bin ich später nie mehr dorthin gefahren. Es gab dort niemanden mehr, zu dem ich hätte fahren können.