Читать книгу Zara Nesbit - Blutrabe - Ily Romansky - Страница 9
ОглавлениеKAPITEL 5
Als Zara am nächsten Morgen erwachte, war die Sonne noch nicht aufgegangen. Ein Traum hatte sie aus dem Schlaf geschreckt. Die halbe Nacht hatte Unterpfarrer Corvin sie auf einem Pferd durch den Wald gejagt.
“Gehorche! Gehorche!”, hatte er in ihrem Traum immer wieder gerufen und Zara, das verschreckte Reh, war davongelaufen. Zwischen Bäumen mit den Gesichtern toter Heiden. Die Äste wandelten sich zu Händen, griffen nach ihr und brachten sie zu Fall. Zara riss die Augen auf und starrte in die Dunkelheit der Kammer.
Unter den warmen Decken lauschte sie auf die Geräusche der sterbenden Nacht. Irgendwo rief eine Eule. Kalte Nässe drang durch die Ritzen. Sie vergrub sich tiefer in den Kokon aus warmem Stoff und Daunen, wo weder die Nacht, noch Unterpfarrer Corvin, der Richter oder Zacharius Wycliff sie erreichen konnten.
Ein verrückter Entschluss riss sie aus dem Bett. Warum sollte sie sich fürchten? Warum sollte sie sich unter ihrer Bettdecke verkriechen? Was konnten Corvin und die anderen ihr anhaben?
Tatendrang überwältigte sie. Ihr aufgekeimter Mut wollte auf die Probe gestellt werden und sie wusste auch schon wie. Sie kleidete sich geschwind und schlüpfte aus dem Zimmer. Sie war hellwach. Ihr Herz klopfte. Ihre Haut kribbelte vor Aufregung.
Lautlos wie ein Geist huschte Zara die Treppe hinunter, bis ihre nackten Füße den kalten Steinboden im Erdgeschoss erreichten. Den Atem haltend lauschte sie auf die Geräusche der Abtei. Kein Laut war zu hören. Das Haus schlief wie seine Bewohner. Es atmete seinen gewohnten Atem aus Luftzügen und dem Keuchen des Holzes. Heute war die Abtei ihr Verbündeter.
In ihrem Entschluss bestärkt, eilte sie den Gang entlang, bis sie an die Holztür traf, die seit ihrer Ankunft der Anziehungspunkt ihres Sehnens war. Vorsichtig legte sie die Hand auf das dunkle Holz. Das Gefühl des Verbotenen prickelte auf ihrer Haut. Mit einem beherzten Stoß öffnete sie die Tür und verschwand dahinter.
Das Studierzimmer der Abtei lag im schummrigen Licht des jungen Morgens. Zara hielt den Atem an. Drei Reihen Bücherregale schmiegten sich an die Wände. In ihrer Mitte ein großer Schreibtisch, übersät mit Papieren.
Alle Vorsicht in den Wind werfend nahm sie das erste Buch, das sie in die Hände bekam und schlug es auf. Ihre Augen schnellten über die bekannten Worte ohne ihren Sinn zu erfassen. Sie war wie im Taumel.
Wie lange war es her, dass sie das letzte Mal ein Buch in der Hand gehabt hatte? Es musste bereits zehn Jahre her sein, dass ihr Vater sie eindringlich davor gewarnt hatte, je wieder ein Buch auch nur anzusehen.
Er hatte zwar versucht, ihr das Wissen, das ihr dadurch verloren ging, selbst beizubringen. Doch die Bemühungen eines einfachen Buchdruckers waren kein Ersatz für die unendlichen Geheimnisse, die das geduldige Papier hütete.
Wenn ihr Vater sie jetzt sehen könnte. Wenn Corvin sie jetzt sehen könnte! Sie würde gleichermaßen der Schlag treffen. Zara konnte sich kaum verkneifen, laut loszulachen. Ein Wahnsinn packte sie. Ob sie nicht eines der Bücher mitnehmen könnte? In ihrem Zimmer verstecken und heimlich lesen?
Sacht ließ sie ihre Hand über die Buchrücken streifen. Ein besonders rauer Einband erweckte ihre Aufmerksamkeit. Kein Titel war darauf. Sie nahm das Buch zur Hand und schlug es auf. “Le Morte d’Arthur6” von Thomas Mallory.
Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Die gesamte Artussage war von Königin Mary verboten worden. Die Geschichten enthielten zu viel Magie, um mit dem christlichen Glauben vereinbar zu sein. Wie konnte so ein Buch in das Haus eines Barons gelangen, noch dazu eine ehemalige Abtei?
Sie besah es sich genauer. Es war kein Original. Eine gekürzte, vereinfachte Kopie von Fälschern für die einfache, lesende Bevölkerung angefertigt. Billiges Papier in einem billigen Einband. Es musste vor Marys Thronbesteigung entstanden sein. Ein verrückter Gedanke ergriff sie. Vielleicht hatte sogar ihr Vater dieses Buch gedruckt! Sie konnte sich erinnern, wie er manchmal davon sprach.
Sie strich über die Seiten. Ihre Fingerkuppen kribbelten. Der Gedanke, ihr Vater könnte dieses Buch in seinen Händen gehalten haben, ließ sie schwindeln. Sie musste es haben. Um jeden Preis. Aber nicht heute. Heute würde sie sich beherrschen. Der erste Schritt war getan. Sie würde wiederkommen.
Sie stelle das Buch zurück ins Regal und wollte gerade gehen, als etwas auf dem Schreibtisch ihren Blick fing. Es war ein Brief mit dem Siegel der Stadt York. Sie hätte das Wappen unter allen anderen erkannt. Zara hütete sich davor, Spuren zu hinterlassen, aber das Schriftstück weckte ihre Neugier, jene, die der Unterpfarrer Corvin für so gefährlich hielt. Achtlos hingeworfen lag der Brief zwischen Pachtverträgen und Grenzbeschwerden.
Das Siegel war bereits gebrochen. Zara schaute sich noch einmal um, so als könnten die Wände selbst sie beobachten. Dann öffnete sie den Brief. Es war nicht mehr als eine Zeile auf so teurem Papier.
Vater, bitte unternimm nichts, bis ich zurück bin.
Godwin
Die Dringlichkeit, die durch die Zeilen drang, alarmierte sie. Ein Geräusch schreckte sie auf. Jemand ging über die knarrende Treppe. Zara legte das Papierstück zurück und eilte aus dem Raum. Sie versuchte die Schritte auszumachen, konnte aber nicht sagen, aus welcher Richtung sie kamen. Wer außer ihr konnte so früh auf sein?
Auf jedes Geräusch achtend lief sie zum Fuß der Treppe und spähte vorsichtig hinauf. Niemand war zu sehen, aber die Schritte waren so deutlich, dass Zara sie sich unmöglich einbilden konnte. Doch sie schienen nicht aus dem Gang zu kommen. Sie kamen aus den Wänden. Aus den zugemauerten Zimmern, die dahinter lagen. Irrationale Angst packte sie. Hinter jedem Wandteppich und jedem Bild konnte jeden Moment eine Gestalt hervortreten. Dann wurde irgendwo in der Ferne eine Tür geöffnet und fiel wieder knarrend ins Schloss.
Zara nahm das als Signal. Wachsam trippelten ihre nackten Füße über den Stein. Ohne einen Laut zu hinterlassen, schlüpfte sie in den zweiten Stock und in ihr Zimmer. Zu ihrer Überraschung fand sie Gertie auf ihrem Bett sitzen, den Blick auf den Wandteppich am Kopfende gerichtet.
“Gertie, was tust du?!”
Das Mädchen drehte sich um, Tatendrang klebte in ihren Augen.
“Wo bist du gewesen?”
Zara fühlte sich ertappt. “Ich hatte einen schlimmen Traum und musste kurz an die frische Luft”, log Zara. Es war auch nur eine halbe Lüge.
“Ich hatte auch einen schlimmen Traum.” Gertie vergrub sich unter den Decken, sodass nur das runde Gesicht heraus lugte. Zara seufzte.
“Hat dich auch Mr. Corvin im Traum auf einem riesigen Schwein durch den Wald gejagt?”
Gertie lachte und schüttelte den Kopf. Zara setzte sich zu ihr aufs Bett und strich ihr über das feine, blonde Haar. Das Gesicht des Mädchens wurde auf einmal ernst.
“Es war die Frau. Die Frau am Brunnen. Sie hat mich reingezogen. Und unter Wasser gedrückt.”
“Der Geist der Hexe aus dem Wald?”
Gertie nickte. Selbst unter den Decken wurde sie blass und brach in Zittern aus. Zara nahm sie in den Arm.
“Und wenn sie nun wirklich kommt? Und mich holt. Und in die Hölle bringt?”
“Es war nur ein Traum, Liebes. Es gibt keine Hexe mehr. Und auch keinen Geist.”
“Aber manchmal höre ich Geräusche.”
Gertie sah sie ernst an. Ihr Blick verdunkelte sich mit einem Mal.
“Hörst du sie nicht? Manchmal in der Nacht. Da sind Stimmen hinter den Wänden. Als würde jemand laut atmen.”
Zara lief ein Schauer über den Rücken.
“Der Wind und die Mäuse. Du wirst dich davor doch nicht fürchten. Du bist doch schon zehn.”
Ein Kampf entfachte in Gertie. Zwischen einem Mädchen, das erwachsen sein wollte und einem, das sich vor Geräuschen in der Nacht fürchtete. Zara entdeckte sich selbst in ihr. Wie sie selbst als Kind wach gelegen war und ängstlich auf die Geräusche des Hauses geachtet hatte. Nur, dass es in ihrem Haus echte Dämonen gegeben hatte.
“Aber man muss kein Risiko eingehen”, fügte sie in einem versöhnlichen Ton hinzu. “Es gibt Mittel und Wege sich vor bösen Geistern und Dämonen zu schützen.”
Gertie sah sie ungläubig an. Zara schmunzelte.
“Doch, doch. Glaub mir. Man bringt uns nicht nur Unsinn in York bei. Auch ein paar nützliche Dinge sind darunter.”
Zara schob ihren Ärmel hoch und offenbarte an ihrem linken Handgelenk ein geknüpftes Band, braun-schwarz in der Farbe und nicht einmal einen Finger breit.
“Mein Vater hat es für mich geknüpft”, erklärte Zara, während sie es los band. “Es beschützt den Träger vor Dämonen und bösen Geistern.”
“Ist es ein Zauber?”
“Nein, nein! Kein Zauber. Es ist eher ein geknüpftes Gebet. Bei jedem Knoten, den er tat, sprach mein Vater ein Ave Maria.”
Sie band es um das Handgelenk des Mädchens.
“Schau. Du stehst jetzt unter dem Schutz der Heiligen Maria.”
Gertie betrachtete das Band zweifelnd. “Was ist mit dir? Hast du ein zweites?”
“Nein. Aber ich bin auch kein Kind mehr. Sollen diese Dämonen ruhig kommen. Ich werde es ihnen zeigen.”
Sie meinte es im Scherz, aber Gertie lachte nicht und Zara jagte sich selbst Angst ein. Das Band war so nutzlos wie die Heiligenbilder an den Wänden von Mrs. Neadlethumber, aber es hatte sie gut durchs Leben geführt. Es war die Erinnerung an ihren Vater, die ihr die Zuversicht in ihre eigenen Fähigkeiten und ihre Stärke gegeben hatte.
“Kann dein Papa dir nicht ein zweites knüpfen?”
Das Gesicht des Mädchens hellte sich auf. Wahrscheinlich wollte sie die ganze Welt mit geknüpften Gebeten versehen.
“Mein Papa lebt leider nicht mehr.”
“Und deine Mama.”
Zara stockte. “Auch sie lebt nicht mehr.”
“Ist sie auch gestorben, als du geboren wurdest? Wie meine Mama?”
Zara versuchte die Gedanken fortzujagen, die sich in ihrem Kopf wie ein kalter Nebel ausbreiteten.
“Nein. Sie starb, als ich so alt war wie du.”
Gertie sah verträumt zur Decke.
“Kannst du dich an sie erinnern? Ich kann mich nicht an meine Mama erinnern.”
Die Erinnerung brachte Zaras Haut zum Glühen wie in einem Fieber. Ein Klumpen bildete sich in ihrem Magen und drohte sie zu Boden zu ziehen. Ungewollte Gedanken verlangten, an die Oberfläche zu kommen. Zara hatte Mühe sie wieder hinunter zu drücken.
Ein Klopfen an der Tür riss sie aus ihren Gedanken. Ohne eine Antwort abzuwarten, trat Fred hinein. Er wollte etwas sagen, aber als er Gertie entdeckte, zerwürfelten sich die zurecht gelegten Worte.
“Fred, du kannst nicht einfach eintreten. Wir hätten unbekleidet sein können”, rügte ihn Zara.
“Die Miss ist angezogen”, sagte er unverständig.
“Ja, aber wir hätten unbekleidet sein können. Du musst auf ein Zeichen warten.”
Der Diener nickte. Er verstand den Sinn nicht, akzeptierte es aber als eines jener Befehle, die er befolgen musste.
“Die Miss hat Besuch”, sagte er knapp.
Eine Gedankenjagd setzte in Zaras Kopf ein. Wer könnte sie besuchen kommen? Dann fiel es ihr ein. Die junge Mrs. Albright! Sie war wirklich gekommen. Und wenn Gabriel sie hier sah, obwohl er Zara den Kontakt verboten hatte!? Sie schalt sich selbst dafür, dass sie die Frau nicht sofort abgewiesen hatte.
“Ich komme sofort runter.”
Zara wies Gertie an, in ihr Zimmer zu gehen und sich anzukleiden, und folgte dem Diener eilig hinunter.
“Fred, es gibt keinen Grund Baron Wycliff oder sonst jemandem vom Besuch zu erzählen”, sagte sie auf dem Weg. “Es ist immerhin mein Besuch.”
Fred drehte sich nicht nach ihr um.
“Master Gabriel hat sie bereits empfangen.”
Zara gefror das Blut in den Adern. Was würde die Frau ihm sagen? Was würde er von ihr denken?
Schon von Weitem hörte sie Gabriels aufgeregte Stimme. Sie konnte seine Worte nicht verstehen, aber ihr Magen drehte sich bei seinem Tonfall um. Mit zitternden Händen betrat Zara den Raum. Gabriel stand am Fenster und unterhielt sich hitzig mit einer Frau. Nein, es waren zwei. Und eine von ihnen war unverwechselbar Mrs. Neadlethumber. Erst beim Herantreten erkannte Zara Maggie Brown.
“Fred! Hast du Will bescheid gegeben? Sind die Pferde bereit?”, rief Gabriel, als er sie bemerkte. Sein Gesicht war angespannt und düster.
“Ich habe Will bescheid gegeben. Die Pferde sind bereit.”
Ohne auf Zara zu achten, wandte Gabriel sich wieder den Frauen zu.
“Wir werden sofort zu den anderen in Hohlwiese stoßen. Machen Sie sich keine Sorgen. Es wird sich alles zum Guten wenden.”
Als wollte er seine eigenen Worte negieren, eilte er mit einem sorgenvollen Gesicht davon, sein Hinken war kaum zu bemerken. Zara blieb kein Moment sich erleichtert zu fühlen. Die angespannte Stimmung übertrug sich wie ein Feuer.
“Was ist geschehen?”
“Oh, Miss Nesbit. Grässlich! Einfach grässlich! Das ganze Dorf ist in Aufruhr.”
Mrs. Neadlethumber stürzte auf Zara zu und fasste sie bei den Händen.
“Wir sind so schnell gekommen, wie wir konnten. Richter Warren sagte, man dürfe das nicht auf die leichte Schulter nehmen und hat sofort alle zusammengerufen. Ich war natürlich eine der ersten, die…”
“Jenny Albright ist verschwunden”, unterbrach Maggie die Witwe.
“Heute Nacht. Spurlos aus ihrem Bett verschwunden.”
Zara war froh die Hebamme wieder zu sehen, doch hatte sie gehofft, dass es unter anderen Umständen gewesen wäre. Ein schriller Japser ließ Zara herumfahren. Gertie stand kreidebleich in der Tür, ihre kleinen Hände zitterten.
“Es gibt keinen Grund sich zu fürchten, Gertie”, rief Maggie mit aufgesetzter Fröhlichkeit. “Jenny hat sich wahrscheinlich auf dem Weg zum Klohäuschen verirrt.”
Zara eilte zur Tür und scheuchte das Mädchen hinaus.
“Geh in die Küche und lass dir ein Frühstück machen. Ich komme gleich nach.”
Gertie ließ sich widerwillig verscheuchen. Zara schloss zur Sicherheit die Tür. Nicht, dass es etwas genützt hätte. Gertie hatte das Schlimmste bereits gehört.
“Ist man sich denn sicher, dass sie verschwunden ist?” Zara wandte die Frage an die Hebamme, da sie von ihr eine klarere Antwort erwartete, als von der Witwe.
“Vielleicht ist sie bei Verwandten. Oder sie ist ihrem Mann davongelaufen. So etwas kommt vor.”
“So viel Glück haben wir leider nicht! Wenn mein lieber John endlich frei wäre, würde ich drei Ave Maria sprechen! Aber Richter Warren sagte, wir müssen vom Schlimmsten ausgehen”, mischte sich die Witwe ein und machte deutlich, dass nur das Schlimmste gerade gut genug für ihre sensationsgierige Seele war.
“Malen Sie nicht gleich den Teufel an die Wand, Mrs. Neadlethumber. Wahrscheinlich ist sie zur Beichte gegangen, ohne John etwas zu sagen. Sie taucht schon wieder auf.”
“Ganz so glimpflich wird es nicht sein”, sprach Maggie. “John denkt, dass sie in den Wald gegangen ist.”
“In den Wald der Hexe…”, fügte Mrs. Neadlethumber hinzu. “Oh, welch Unglück. Welche Schande! Das Gerede! Ich wusste es! Der Geist der Hexe hat sie geholt.”
“Die Hexe aus dem Wald?”, fragte Zara skeptisch.
“Die Hexe aus dem Wald”, bestätigte die Witwe. “Und Sie brauchen gar nicht so zu schauen. Ich kann Ihre Gedanken erraten. Sie halten uns für aufgescheuchte Bauernhühner, aber wenn Sie wüssten, was wir wissen, dann würden Sie sich in Ihrem Zimmer einsperren, die Wände mit Heiligenbildern behängen und nie wieder herauskommen.”
Zara sah sie überrascht an. “Warum? Was gibt es denn noch zu wissen?”
“Es ist so.” Maggie zögerte einen Moment bevor sie weitersprach und Zara bemerkte wie ihr Blick hinter sie glitt, als fürchtete sie, die Tür würde sich wieder öffnen.
“Li… also die Hexe aus dem Wald… bevor sie verbrannt wurde, hegte sie einen Groll gegen Jenny. Sie hatte sich in den jungen John Albright verliebt…”
“Nur über meine Leiche!”, rief Mrs. Neadlethumber dazwischen. “Als wäre eine Kuhmagd als Nichte nicht schlimm genug. Dann auch noch eine Hexe. Niemals!”
“Wie auch immer”, fuhr Maggie fort. “Jenny hat der Hexe den Liebsten ausgespannt und ist selbst zu Mrs. Albright geworden.”
“Aber ich dachte, die Waldhexe sei tot”, wandte Zara ein. “Sie wurde doch verbrannt.”
“Aber der Geist, Miss Nesbit! Ihr Geist! Er ist zurückgekehrt und jagt jene, die ihr Unrecht getan haben! Jenny ist nur die Erste!”
“Hexen, die verbrannt wurden, können nicht zurückkehren, Mrs. Neadlethumber. Sonst wäre es sinnlos sie zu verbrennen.”
“Nun, diese ist zurückgekehrt. Ich weiß ja nicht, was für Hexen Sie in York haben, aber unsere Warwick-Hexen…”
“Ob Geist oder nicht”, unterbrach sie Maggie erneut, “das Ergebnis ist das gleiche. Jenny ist weg und muss gefunden werden. Die Männer durchsuchen die Wälder und wir wurden beauftragt, bei den Farmhäusern zu suchen. Vielleicht hat sie sich nur vor John versteckt.”
“Wenn die Gerüchte wahr sind, dann sollte sie in ihrem Versteck bleiben!”, rief Mrs. Neadlethumber, aber Zara und Maggie achteten nicht auf sie.
“Alle sollen bei der Suche mithelfen. Und eine Gouvernante wird am Ehesten wissen, worauf es zu achten gilt.”
Zaras erster Impuls war es, abzulehnen, was auf ihrem Gesicht deutlich zu erkennen war.
“Ich habe einen Schützling”, erklärte sie.
“Und der ist die letzten zehn Jahre auch ohne Sie ausgekommen”, rief Mrs. Neadlethumber aufgebracht. “Wenn Sie keinen triftigen Grund haben, dann muss ich Ihnen Gefühllosigkeit unterstellen, Miss Nesbit. Denken Sie nur an die arme Jenny!”
Zara dachte an die arme Jenny. Die Art wie sie sie in der Kirche angesehen hatte. Und ihre Worte bei ihrer letzten Begegnung. Sie hatte ihr etwas sagen wollen und nun würde sie vielleicht nicht mehr erfahren, was es war. Doch auch wenn die beiden Frauen überzeugt waren, dass Magie im Spiel war, Zara ahnte, dass sie wahrscheinlich nach jemandem suchten, der gar nicht gefunden werden wollte.