Читать книгу Die Uebergabe der Festung Mannheim an die Franzosen - in Vertretung Erik Schreiber - Страница 7

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Einleitung.

§. 1.

Sie haben, Herr Graf! in Ihrem rechtlichen Gutachten über die Uebergabe der Festung Mannheim an den Reichsfeind, unsern Juristenfakultäten, Spruchkollegien, Schöppenstühlen, Dikasterien, Rechtskollegien, Scabinaten, Dingstühlen, und allen Rechtsgelehrten ein neues Muster für die künftige Abfassung ihrer Gutachten aufgestellet. Die allgemeine Meinung unserer Praktiker gieng seither immer dahin, daß eine Reform durchaus, nöthig sey. Sie haben wirklich die Ehre hier als Reformator aufzutreten. Man hat sich seither immer in unseren rechtlichen Gutachten bemühet, die erheblichen Zweifelsgründe (rationes dubitandi) kürzlich vorzutragen und durch Gegengrüncle zu heben. Man hat die eigentliche Motive, warum so, und nicht anders gesprochen werden müsse, die (rationes decidendi) sorgfältig auseinander gesetzet. Allein Sie gehen hier Ihren eignen Weg. Zweifeln ist Ihre Sache nicht, und Ihre Behauptungen, mit den nothigen Beweisen zu versehen, finden Sie für unnöthig. Sie stellen Ihre Prämissen als Orakelsprüche hin, und ziehen alsdann Ihre beliebigen Konsequenzen heraus. In Wahrheit eine wichtige Reform, die nur aus dem Hauptquartiere kommen konnte! Aber wie wäre es, Herr Graf! wenn man Ihnen zeigte, daß sich selbst noch an diesen Ihren für ausgemacht angenommenen Prämissen zweifeln lasse, daß folglich ihre daraus abgeleiteten Schlußfolgen auf keinen festen Grund und Boden sich stützen, und daß auch selbst auf den Fall, wenn man Ihnen Ihre Prämissen zugeben wollte, doch wenigstens Ihre Konsequenzen nicht die Probe aushalten.

Sie gehen in Ihrem ganzen rechtlichen Gutachten von der Hauptprämisse aus: Der Krieg, der gegen die französische Nation geführt wird, ist ein Reichskrieg - hieraus ziehen Sie alle Ihre Folgerungen - folglich, sagen Sie, müssen alle Kriegsunternehmungen von einem einzigen Willen, von dem des Oberbefehlshabers der kriegführenden Macht abhängen, bei allen Kriegsoperationen hat sonst Niemand mitzureden, folglichhat er allein über alle Festungen im ganzen Reiche zu disponiren. Ein deutscher Reichsstand kann über die Festungen, und festen Pläzze, auch Pässe, die in solchen mit Krieg bezogenen (überzogenen) oder nahe am Kriegsschauplätze belegenen (gelegenen) Landen liegen (belegenen liegen??), keine mit dem Oberkriegsbefehlshaber nicht verabredete Anordnungen machen; der Befehl des Oberbefehlshabers des deutschen Reichskriegs muß auf dem ganzen Kriegsschauplatze über den Befehl jedes Landesherrn in alle dem (allem dem), was zur Reichsvertheidgung gehöret, gehen; folglich, wenn Befehle des Landesherrn mit Befehlen des Oberreichsfeldherrn in Kollision kommen, entscheiden lediglich die leztern; weil der Oberbefehlshaber allein die höchste executive Kriegsgewalt, und den höchsten Souverain, von dem sie emanirt unmittelbar representirt, weil er in der Kriegsführung die Souveränität des gesammten deutschen Reichs representirt, vor welcher alle Landeshoheitsrechte verschwinden, folglich ist der Oberreichsfeldherr unbedenklich befugt, jeden deutschen Einwohner, er sey wes (wessen) Rangs es wolle, der seinen Befehlen zuwiderhandelt, selbst wenn er sich durch Befehle seines sonstigen Landesherrn (der Landesherr hört also im Reichskriege auf Landesherr zu seyn?) entschuldigen wollte, vor sein Kriegsrecht zu ziehen, und da ohne Rücksicht auf landesherrliche, während eines Reichskrieges gänzlich suspendirte Befehle, nach Kriegsgesetzen strafen zu lassen, denn der Wille des Oberreichsfeldherrn ist der höchste. Alle diese Folgerungen sagen Sie, leiden auch auf Festungen und ihre Kommandanten ihre Anwendung u. s. w.

§. 2.

Wir wollen einmal alle Ihre Konsequenzen auf ihrem Werth oder Unwerth noch beruhen lassen. Aber wie wäre es, Herr Graf! wenn einer die Dreistigkeit hatte, und Ihnen sagte: Daß Ihre Prämisse aus der Sie schließen; nichts weniger als ausgemacht sey? Wie wäre es, wenn man Ihnen sagte: Daß man nicht ohne Grund behaupten kann, da der Krieg, der in dem Zeitpunckte der Uebergabe der Festung Mannheim gegen die Franzosen geführt wurde, nichts weniger mehr als ein wahrer Reichskrieg gewesen sey, da also auch alle Ihre Konsequenzen, wenn sie auch so ganz ewig ausgemachte. Wahrheiten wären, wie Sie dieselben dictatorisch darnieder zu schreiben beliebten, mit Ihrer falschen Voraussetzung nothwendig über den Haufen fallen müssen. Sie werden über den tollen Einfall lachen? Sie rufen mir zu: Die Schechs des arabischen Reichs haben denn doch unsern Reichsgeneralfeldmarschall nicht dazu bestellet? Wir Herren von der Reichskanzlei wissen es denn doch am besten, daß noch Reichskrieg ist. Ziehen wir denn nicht so manchen schönen Thaler aus der deutschen Reichsoperationskasse? Das Reich bezahlt uns ja unsere schönen Equipagen? Unsere Bedienten, Kutscher, Reitknechte, Maitressen und wie die dienstwilligen Geschöpfe alle heißen? Ja, wenn es kein Reichskrieg wäre, so würden wir wohl, zu Fuße spazieren, und unsere Schuhe selbst puzzen müssen? – Geduld, Herr Graf! Sie ereifern sich, zu sehr! Wir wollen den tollen Einfall etwas genauer mit kaltem Blute überlegen. Wir wollen die ganze Sache gehörig absöndern, damit keine Verwirrung so leicht entstehen kann. Ich will folgende Hauptsatze mit deutscher Offenherzigkeit mit Ihnen kürzlich durchgehen.

1) Der Krieg gegen die französische Nation hatte in seinem Entstehen gar nicht die zu einem Reichskriege wesentlich notbwendigen Charaktere; selbst nach dem durch die Majorität auf dem Reichstage zustandgebrachten Comitialschlusse konnten einzelne überstimnimte Reichsstände immer noch gerechte Ursache gehabt, ja selbst es für Pllicht geachtet haben, bei ihren friedfertigen Gesinnungen zu beharren und sich selbst nicht durch die Mehrheit der Stimmen auf dem Reichstage davon abwendig machen zu lassen.

2) Erst die im Verfolge des Krieges verübten feindseligen Behandlungen der Franzosen gegen offenbar neutrale Reichslande, verschiedene naacher gewagte Verfügungen der Nationalconvention, die der Konstitution und Integrität des deutschen Reichs drohten, und die man schon zum Theile ausführte, erforderten nach der wahren Natur der Reichsverbindung, nach den Reichsgrundgesetzen, und besonders der Executionsordnung, die allgemeine Theilnahme sämmtlicher Reichsstände an dem Kriege. Erst von da an wurde der Krieg in Wahrheit ein Reichskrieg.

3) Von dem 21ten September 1795 aber, als dem Tage der Uebergabe der Festung Mannheim an die Franzosen, läßt sich mit Grunde der damal noch andauernden Eigenschaft eines Reichskrieges widersprechen.

4) Selbst aber auch zugegeben, daß in diesem Zeitpunkt noch von einem wirklich fortwährenden Reichskriege die Sprache seyn könnte, so läßt sich doch auch selbst unter dieser Voraussetzung:

a) Der ganze Schritt des Herrn Churfürsten von der Pfalz mit der Uebergabe von Mannheim unter den Umständen, unter welchen seine Churfürstliche Durchlaucht handelten, gar wohl rechtfertigen, und jene in dem rechtlichen Gutachten gezogene Konsequenzen leiden gewifs nicht, in der ihnen dort gegebenen Ausdehnung ihre Anwendung. Im Gegen theil aber

b) das ganze Verfahren des commandierenden Reichsgeneralfeldmarschalls Grafen von Clairfait, zeigte sich sowohl nach der Uebergabe der Festung Mannheim an die Franzosen, als auch nach der österreichischen Wiedereroberung derselben, offenbar als illegal und reichsconstitutionswidrig.

Lassen Sie uns, Herr Graf! die bemerkten vier Hauptsätze nach der hier vorgezeichneten Ordnung etwas genauer entwickeln! Ich sollte glauben, daß dieses der zweckmäßigste Maasstab sey, um sowohl die in Ihrem rechtlichen Gutachten aufgestellten Prämissen, als die daher abgeleiteten Folgesätze zu bemessen. Die nähere Erörterung dieser Sätze soll mich der Mühe überheben, manche Ihrer einzelnen Konsequenzen besonders zu würdigen.

Die Uebergabe der Festung Mannheim an die Franzosen

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