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3.Prolog

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Lass dich nicht vom Bösen überwinden,

sondern überwinde das Böse mit Gutem.

(Römer 12,21)

Ein wahrlich schöner Spruch, den Tante Sophie fein säuberlich als Lebensweisheit auf der ersten Seite ihres Kalender-Tagebuchs verewigt hat. Jedoch in dem Zusammenhang mit ihrer eigenen haarsträubenden Geschichte ist er eigentlich nicht anwendbar. Jeder andere hätte auf Rache gesonnen. Ich blättere weiter in ihren handschriftlichen Aufzeichnungen: Es ist wirklich empörend, was man ihr angetan hat.

Dabei war sie nun wirklich eine liebenswerte alte Dame, kinderlieb, hilfsbereit und großzügig und stets darauf bedacht, nach den Geboten Gottes zu leben. Noch nie habe ich jemanden erlebt, der im Angesicht des Todes so fest und intensiv an das ewige Leben geglaubt und sich sogar darauf gefreut hat.

Tante Sophies Kindheit war geprägt von der schweren Kriegszeit. Ihre Eltern besaßen damals ein kleines gutgehendes Lebensmittelgeschäft am Stadtrand. Von Hitlers Visionen und Lebensanschauungen nicht überzeugt, begannen ihre Eltern schon früh, Diskriminierte und Bedürftige heimlich zu unterstützen und ihnen unauffällig Lebensmittel zuzustecken. Damit handelten sie sich jedoch bald beträchtlichen Ärger ein. Über Jahre hinaus verfolgten Tante Sophie fürchterliche Erinnerungen an jene Zeit, die so grausam gewesen sein müssen, dass sie darüber lieber erst gar nicht reden wollte. Sie beschloss also einfach, sich daran nicht mehr zu erinnern.

Um den Arbeitsdienst im Krieg zu umgehen, riet ihr Vater ihr nach dem Abitur eine einjährige Lehrerausbildung zu absolvieren. Obwohl sie diese Ausbildung ohne innere Überzeugung begonnen hatte, entwickelte sie eine ungemein große Freude an dem Beruf und den Kindern. Auch hier setzte sie sich ganz besonders für die schwachen Schüler ein. Aus tiefer Dankbarkeit schrieben und besuchten sie auch über sechzig Jahre später noch ehemals betroffene Kinder regelmäßig.

Im Alter von dreißig Jahren lernte sie in den fünfziger Jahren ihren fünfzehn Jahre älteren, sehr wohlhabenden späteren Mann Konrad kennen. Obwohl sie eine glückliche Ehe führten und beide Kinder liebten, blieben sie kinderlos. Stattdessen reisten sie in für die damalige Zeit außergewöhnlich ferne Länder und lernten dort deren Kunst und Kultur kennen.

Doch die Wende begann an jenem besonderen Morgen. Es war eigentlich ein sehr schöner Sommertag und obendrein noch Ferienanfang. Sie frühstückten gemeinsam auf der Terrasse und lasen Zeitung. Konrad wollte gerade einen Schluck Kaffee aus seiner Tasse nehmen, als sie ihm plötzlich aus der Hand glitt und klirrend zu Boden fiel. Er wollte schimpfen, aber kein Wort kam ihm über die Lippen. Stattdessen begannen sein Mund und dann auch die Arme und Beine unkoordiniert zu zucken, bis er bewusstlos zu Boden glitt. Entsetzt sprang Sophie auf und wollte ihm zur Hilfe eilen, aber Konrad reagierte nicht mehr. Sie lief zum Telefon und verständigte den Notarzt, der Konrad ins Krankenhaus brachte. Dort untersuchten sie ihn ausgiebig und stellten anschließend die grausame Diagnose: Hirntumor.

Danach begannen die schweren Jahre, in denen Sophie das Leiden, die Krämpfe, die anschließenden entsetzlichen Kopfschmerzen, den körperlichen Verfall und die darauffolgende Wesensveränderung miterleben musste ohne wirklich helfen zu können. Keine Nacht konnte sie durchschlafen, aus Angst einen lebensbedrohlichen Anfall zu überhören. Der furchtbare Leidensweg dauerte fünf Jahre bis Konrad völlig abgemagert während eines Anfalls starb.

Die Welt brach endgültig für meine Tante Sophie zusammen, als nur wenige Monate später ihr Vater bei einem Herzanfall verstarb, und auch ihre Mutter ihm nach einem weiteren Jahr nach einer schweren Lungenentzündung folgte. Sie fühlte nur noch eine innere Leere und begann nun plötzlich selbst unerklärliche plötzliche Ohnmachten zu entwickeln. Für eine Lehrerin und Aufsichtsperson war das nicht akzeptabel. Der Direktor der Schule legte ihr daher gegen ihren Willen eine vorzeitige Pensionierung mit nur sechsundfünfzig Jahren nahe. Sie tat sich zwar mit der Entscheidung sehr schwer, unterschrieb dann aber auf Drängen der Schule letztendlich doch.

Daraufhin fiel sie endgültig in ein tiefes Loch, einsam und ihrer Aufgaben enthoben, suchte sie verzweifelt nach einem neuen Sinn des Lebens und in dieser fürchterlichen Situation traf sie ihn: Überwältigt von seinen mitreißenden, rhetorisch perfekt ausgefeilten Reden und seiner anpackenden Art, saß sie in der Kirche und himmelte ihren neuen Gemeindepastor Stark bedingungslos an. Die gesamte Kirchengemeinde hing ehrfürchtig an seinen Lippen, wenn der belesen wirkende Diener Gottes bei seinen Andachten zu ihr sprach. Dieser außergewöhnliche Mann schien ohne langes Überlegen Antworten auf komplizierte Fragen und passende Lösungen für Probleme jeglicher Art parat zu haben. In dieser Zeit beginnen die Kalender-Tagebücher meiner Tante und auch die eigentliche Geschichte.

Hütet euch vor dem kriminellen Pfaffen

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