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Prolog

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Eine Mutter ist immer nur so glücklich wie ihr unglücklichstes Kind. unbekannt

An einem frühen Freitagabend im Frühling 2003 sitze ich mit meinem jüngsten Sohn im Foyer der Berliner Philharmonie und erwarte mit Spannung die Aufführung. Da steht er nun: unser angeblich geistig behinderter, hörbeeinträchtigter und nicht beschulungsfähiger Sohn. Er spielt mit einem Teil seiner Mitschüler von der Grundschule wunderschöne Frühlingslieder auf der Flöte, abwechselnd dazu bringen einige Philharmoniker Stücke aus Vivaldis „Die vier Jahreszeiten“ zu Gehör. Hinter den kleinen Künstlern steht ein großes Bühnenbild, welches Motive des Frühlings zeigt. Beides, sowohl das Bühnenbild als auch die musikalische Darbietung, ist im Rahmen eines Kunstprojektes entstanden, welches die Philharmoniker mit Berliner Schulen durchgeführt hatten. Ich habe die Aufführung nicht nur mit freudiger, neugieriger Spannung erwartet, sondern gleichzeitig eine ängstliche Anspannung verspürt, da ich genau weiß, wie unerträglich diese Situation für unseren Sohn sein muss: Die feierliche Kleidung juckt und brennt auf seiner empfindlichen Haut, die grellen Scheinwerfer blenden ihn, das Stimmengewirr der eintreffenden Zuschauer verunsichert ihn zutiefst und die große Halle bietet kaum Schutz oder Rückendeckung. Hinzu kommen noch im Vergleich dazu ganz banale Ängste, welche die anderen Kinder auch verspüren, wie Lampenfieber oder die bange Frage, ob die Eltern rechtzeitig da sein werden. Das regionale Fernsehen zeichnet die Aufführung für einen Bericht auf, was zusätzlich für quirlige Aufregung unter den Kindern sorgt.

Wie konnte aus dem anscheinend schwer behinderten Kind ein Viertklässler werden, der mit großem Erfolg die Grundschule besucht? Der auch die heutige Herausforderung eines großen, öffentlichen Auftritts meistert? Der ehrgeizige Pläne für seinen weiteren Bildungsweg verfolgt? Mit diesem Buch versuche ich, darauf Antworten zu finden, ich möchte anderen betroffenen Eltern Mut machen, nicht aufzugeben, und ihnen Wege für die Lösung von Problemen aufzeigen.

Zu Beginn meiner zweiten Schwangerschaft schenkte mir mein Mann ein Babytagebuch. Eigentlich habe ich nie viel vom Tagebuchschreiben gehalten, aber dieses Buch war so hübsch gestaltet, dass es mich zum Eintragen meiner kleinen Erlebnisse rund um dieses Thema inspirierte. Nach der Geburt habe ich das Schreiben nicht wie geplant eingestellt, weil es anfangs faszinierend und spannend war, wie unterschiedlich die Geschwister sich entwickelten. Später, als die Faszination allmählich in schwere, bedrückende Sorge umschlug, wurde aus dem Tagebuchschreiben eher ein Protokollieren von Können und Nichtkönnen. Somit verfüge ich über eine Fülle von Beobachtungen und Gesprächen mit verschiedensten Fachpersonen, die alle weit vor der Zeit einer endgültigen Diagnose liegen. Möglicherweise helfen diese Beobachtungen Eltern, deren Kinder sich ähnlich anders entwickeln, ihren Kindern so früh wie möglich die angemessene Hilfe zukommen zu lassen.

Der endgültige Anstoß zum Schreiben dieses Buches kam von Professor Remschmidt, einem international angesehenen Wissenschaftler auf dem Gebiet der Autismus-Forschung. Nach einem mehrstündigen Gespräch sagte er zu mir: „Man könnte ein ganzes Buch über ihren Sohn schreiben.“

Mami, ich habe eine Anguckallergie

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