Читать книгу "In der Klapse" - Inge Müller-Keck - Страница 10

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Sam

Ich gewöhnte mir an, mich in der GT-Stunde so zu setzen, dass ich Jella nicht gegenübersaß, da mich ihre Bregenzer Festspiele zusammen mit den Erzählungen aus dem Tal des Jammerns doch recht schnell zu triggern begannen.

Sam, ein im Leben stehender Mann mit einem großen Schalk im Nacken und einem noch größeren Herzen, bekam das mit. Er hatte eine eigene Art von Humor, den wenige Leute verstehen. Er wusste sofort, wieso ich mich wegsetzte. Als wir uns wieder einmal Stühle für den Kreis holten, flüsterte er mir zu: „Guckst du, dass du wieder richtig sitzt?“ Dabei lachte er mich breit an. Sam war ein klarer Verfechter des “springenden Punktes“, er sprach aus, was er dachte. Dies brachte ihm wenig Sympathiepunkte und war sicher mit einer der Gründe, warum er in der Knallerbergklinik gelandet war. Ich erinnere mich an das Gruppengespräch, bei dem Volker erzählte, dass er leider nicht pünktlich bei dem heißersehnten, lange geplanten, vom Jugendamt begleiteten Treffen mit seinem Sohn erschienen war. Eine Umleitung, die er fahren musste, verhinderte dies. Seine Frau, die böse Harpyie, würde ihm das wieder als unzuverlässige Charakterschwäche auslegen. Die Frauen der Gruppe zerflossen vor Mitleid mit Volker. Viele verbalisierten sein Pech und bedauerten ihn sehr.

Sam jedoch polterte in seiner trockenen, pragmatischen Art, dass er sich hätte früher auf den Weg machen sollen und mit einer Baustelle rund um Esgaroth hätte rechnen müssen. Da war aber was los im Auenland. Sams unsensible Art war jetzt das Thema innerhalb und außerhalb der Therapiestunde. Einige Gruppenmitglieder sahen jetzt die Gelegenheit gekommen, ihre Meinung zu seiner flapsigen, arroganten und empathielosen Wesensart in hysterischen Tonlagen rauszuhauen. Sam tat als ob ihm das nichts ausmache, er hielt sich gut. Frau Ächler fragte ihn, ob er denn jetzt wütend sei, er verneinte. Sie fragte ihn wieder, er verneinte. Sie fragte dann sehr bestimmt, dass müsse ihn doch jetzt wütend gemacht haben. Sam drehte den Kopf zu ihr, hielt ein paar Sekunden stumm den Blick, dann antwortete er, er müsse jetzt rausgehen und eine rauchen. Als er viel später wieder in die Gruppe zurückkam, war er in sich gekehrt und hielt mit Niemanden mehr Blickkontakt. Auch am Abend war er nirgends mehr anzutreffen. Die Schlafmützigkeit von Volker war uninteressant und kein Thema mehr, er war ja schließlich der Bedauernswerte und der Liebling der Frauen in der Gruppe.

Ach Sam, wie fremd du dich manchmal fühlen musstest mit deiner klaren Art, auch du warst hier als Patient, der litt und nicht alles wegstecken konnte. Du hast so einiges über dich gelernt und wie du auf andere wirkst. Trotz einer runden Welt eckst du überall an, ich habe dich sehr gemocht.


„… und das Gute liegt so nah“



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