Читать книгу Janis Joplin - Ingeborg Schober - Страница 6

Böses Mädchen

Оглавление

Mit 14 wechselte Janis auf die Thomas Jefferson Senior Highschool. Sie hatte Komplexe, weil sie rund eineinhalb Jahre jünger als ihre Mitschülerinnen und noch völlig unterentwickelt war. Sie trug gerade Rocke, T-Shirts, weiße Söckchen und Loafers, sanft gelocktes Haar und schminkte sich bis ins kommende Jahr noch stark. Der Unterricht war eher praktisch orientiert, mit Druck- und Metallwerkstätten, einer Tischlerei und einem Schweißerkurs. Das »Schöngeistige« beschränkte sich auf technisches Zeichnen. Janis fühlte sich unterfordert und hatte Schulfrust.

Da die soziale Anerkennung vor allem davon abhing, in welche Schulämter man gewählt oder zu welchen Miss-Wahlen man nominiert wurde, war es für Janis ein großer Schlag, dass man sie nicht ins angesehene Musikkorps Red Hussars aufnahm. Zudem setzte sie sogenannten Babyspeck an und litt unter einer hartnäckigen Akne. Ihre Mutter ließ die Schilddrüse von Janis untersuchen, aber es lagen keine Funktionsstörungen vor, die ihre unnatürliche Gewichtszunahme erklärt hätten. Intelligenz und künstlerische Talente halfen einem pummeligen, hässlichen Entlein an der Jefferson Highschool auch nicht weiter, wo man schon an Ansehen verlor, wenn man Bücher las. Ihr Schulfreund Grant Lyons dazu: »Wenn du in Port Arthur, Texas, vierzehn geworden bist, hast du an einer Art sexuellem Wettbewerb teilgenommen, wenn du ein Mädchen warst. Und wenn du nichts vorzuweisen hattest, dann hattest du schlechte Karten. Die Mädchen, die beliebt waren, sahen gut aus. Janis aber nicht.«

Janis war unglücklich und reagierte mit Aufsässigkeit. Doch ihr ungehobeltes und provokantes Verhalten machte sie nur noch unbeliebter. Zwei unterschiedliche Ereignisse ließen ihre Konflikte mit Autoritätspersonen und ihrer Umgebung eskalieren. 1957 erschien der legendäre Beatnik-Roman On the Road von Jack Kerouac,_4 der zu ihrer Bibel wurde. Und ein Artikel im Time Magazine über die Beatniks_5 verfehlte ebenfalls nicht seine Wirkung. Ab da wurde sie bewusst zur Außenseiterin, lief nur noch in Beatnik-Kluft herum, in kurzen Röcken, dunklen Strumpfhosen, Jeans, Männerhemden und schwarzen Pullis.

1957 wurden die neuen Rassengesetze erlassen und somit schwarze Schüler den weißen gleichgestellt. Janis machte sich lebenslange Feinde, als sie die Rassenintegration an ihrer Schule befürwortete. »So etwas macht man einfach nicht in Port Arthur«, so ihre Freundin Karleen, »man macht das noch nicht einmal heute!« Danach wurde Janis überall als »Niggerfreundin« verhöhnt, mit Pennys beworfen, als »Schwein« und »Drecksau« beschimpft. Um ihre Verletzlichkeit und Sensibilität zu verstecken, spielte Janis zunehmend den Clown, reagierte voller Trotz und tat alles, um aufzufallen und beachtet zu werden. Insgeheim wollte sie dazugehören, äußerlich entfernte sie sich mehr und mehr von der Norm. Mit ihren Freundinnen Karleen und Arlene Elster schloss sie sich den harten Brillantine-Jungs in schwarzen Lederjacken an, den so genannten »Fonzies«, Vorläufer der Hell's Angels. Sie ließ sich wie deren Mädchen, die tough girls, die Haare orange färben und raste in Rooney Pauls hochfrisiertem Schrottauto durch die Gegend. Janis passte nicht mehr ins Bild von Port Arthur, fand sich selbst hässlich, wurde schlampig und obszön, kurzum »ein böses Mädchen«. Heute würde man das als normale pubertäre Rebellion bezeichnen.

Sie hat sich einfach total verändert, über Nacht. Eine vollständige Abkehr von ihrem früheren Selbst.

Janis' Mutter Dorothy

Doch Dorothy war entsetzt über die Wandlung ihrer Tochter und sah den hart erkämpften Aufstieg der Familie in den Mittelstand gefährdet. Es kam zum offenen Kampf zwischen Mutter und Tochter, tagtäglich kam es zu Streitereien. Weil Dorothy inzwischen als Lehrerin arbeitete und Großmutter East zum Pflegefall geworden war, hatte sie viel zu wenig Zeit für ihre schwierige Tochter. Karleen berichtet, dass die Joplins durchaus liberal waren, aber furchtbar streng, wenn es darum ging, »das Richtige« zu tun - oder das, was sie darunter verstanden. »Man konnte erkennen, dass irgendetwas geschehen würde. Entweder gab sie [Janis] nach und wurde zu dem, was ihnen vorschwebte, oder sie schlug um ins andere Extrem.« Dorothy wollte eine adrette, fleißige Vorzeige-Janis, ein anerkanntes Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft von Port Arthur. Doch wenn man bedenkt, dass sie ihrer Tochter als Kind die skandalösen Hosen aufgezwungen und sie angehalten hatte, ihre Individualität auszuleben, konnte dieser entgegengesetzte Kurs in der Pubertät nicht gut gehen. Diese Ambivalenz führte bei Janis zu dem Gefühl, nie mit sich selbst eins zu sein, es keinem recht zu machen, schon gar nicht ihrer Mutter. Folglich fiel sie von einem Extrem ins andere.

Nach der neunten Klasse schloss sie sich der Beatnik-Clique »Die Vogelfreien« an, fünf älteren Jungs, die Janis »als Junge« akzeptierten, und entwickelte ein zunehmend männliches, stoffeliges Verhalten. Jim Langdon war ein Musikkenner und passabler Posaunist, Adrian Haston, Dave Moriaty und Randy Tennant gehörten der Schülertheatergruppe »Little Theater« an, die von Grant Lyons' Mutter geleitet wurde. Janis betätigte sich als Kulissenmalerin und wirkte sogar in einem Musical namens Sunday Costs Five Pesos mit. Weil die Jungs an der Schule anerkannt waren und Grant sogar ein hervorragender Footballspieler, wurde das Quintett für Janis zu einem Schutzschild. Doch gleichzeitig schürte diese Freundschaft unwahre Gerüchte über die sexuellen Aktivitäten der Clique, die auf ihren endlosen Autofahrten lieber über künstlerische Außenseiter diskutierte oder unter Alkoholeinfluss jugendliche Mutproben veranstaltete. Einmal kletterten sie die über 100 Meter hohe Rainbow Bridge über dem Sabine-River hoch und riefen damit die Polizei auf den Plan. Janis' Freundin Patti Skaff erklärte später, die Jungs und Janis seien deshalb so gut miteinander ausgekommen, weil sie es genoss, die Leute zu schockieren, was ihr als Mädchen viel leichter gelang.

Irgendwann begriffen wir, dass es recht lustig mit ihr war, denn sie konnte einen ganz hübschen Wirbel verursachen! Etwa zur ersten Hälfte unserer Highschool-Zeit war sie bei uns sehr beliebt. Ich schäme mich, wenn ich daran denke, wie wir sie manchmal behandelt haben. Sie spielte bei uns die Rolle des Hofnarren.

Janis' Schulfreund Dave Moriaty

Nicht ganz so harmlos waren die regelmäßigen Ausflüge 20 Kilometer »über den Fluss« nach Louisiana, wo die Alkoholgesetze locker gehandhabt wurden und zahlreiche Musikkneipen existierten. Der Reiz des Verbotenen lockte die Teenager, weil in Texas erst an Einundzwanzigjährige Alkohol ausgeschenkt wurde und die Gruppe zudem für trinkfeste Schriftsteller wie Ernest Hemingway oder Jack Kerouac schwärmte. Janis meinte dazu nur: »Alles, was ich suchte, waren ein bisschen Freiheit und Leute, denen es genauso ging.« Diese Ausflüge wurden jedoch bald Anlass für Klatschgeschichten in Port Arthur, in denen es natürlich ausschließlich um Sex ging, wie immer, wenn brave Bürger unbrav dachten. Doch alle, die Janis damals kannten, sind davon überzeugt, dass Janis alles andere als frühreif, sondern eher ein Spätzünder gewesen sei und wie in vielen Dingen die »Erfahrene« nur gespielt habe. »Sie war vermutlich unschuldiger als neun Zehntel aller Mädchen, die mit ihr die Highschool absolvierten«, so Jack Smith, der damals heimlich in sie verliebt war. Doch das Ergebnis der ganzen engstirnigen Tratscherei war, dass Eltern ihre Kinder vor dem Umgang mit Janis warnten und das wohl Schlimmste passierte, was sich Dorothy vorstellen konnte: die gesellschaftliche Ächtung. Karleen meinte, Dorothy hätte ihre Tochter sogar als billiges Flittchen und Hure bezeichnet. Janis erzählte später, ihr Vater habe plötzlich aufgehört, mit ihr zu reden. Auf einmal wurde die jüngere, gefügige und hübsche Laura zur Lieblingstochter und Janis verbrachte mehr Zeit bei der Familie Bennett als zu Hause, weil Karleens Eltern viel nachsichtiger waren.

Wenn Janis über die Stränge schlug, dann tat sie das gründlich. Wann hatte man schon einmal aus dem Mund einer Frau den Ausruf: »Well, fuck you, baby!« gehört? Das war sogar uns peinlich. Gleichzeitig nutzten wir das aus, wenn wir Leute schockieren wollten. Und genau deshalb nahmen wir Janis immer mit.

Janis' Schulfreund Jim Langdon

In Louisiana kam Janis erstmals mit dem Blues in Berührung, der auf Anhieb ihr musikalisches Interesse weckte. Unterwegs sang die Clique Folksongs vom Kingston Trio und Janis erkor die Sängerin Odetta_6 zu ihrem Vorbild.

Rock 'n' Roll fanden sie fade und Country war die Musik der verhassten Spießer in Texas. Als Grant Lyons auf einer Party eine Platte von Leadbelly_7 auflegte, sei seine Musik wie ein Blitz für sie gewesen, meinte Janis später, »sie bedeutete mir etwas«.

Ihre Begeisterung für den Blues und die Schwarzen, denen sie sich in ihrer gesellschaftlichen Außenseiterrolle innerlich verbunden fühlte, führte so weit, dass sie den Slang der Schwarzen imitierte. Janis begann zu Schallplatten zu singen und entdeckte dabei ihre ungewöhnliche Fähigkeit, fast jede Stimme nachahmen zu können. »Man konnte sie nicht von der Originalaufnahme unterscheiden, so perfekt gelang ihr das«, so ihre Mutter. Trotzdem galt ihre damalige Liebe immer noch der Malerei und nicht dem Gesang.

Wie ungewöhnlich ihre Stimme tatsächlich war, wurde ihr erst bewusst, als die Clique in einem Leuchtturm eine Party feierte. Weil kein Plattenspieler zur Hand war, übernahm Janis zur Verblüffung aller die Alleinunterhaltung und sang zum Spaß ein Lied der Sängerin Odetta. In ihrem Buch Love, Janis schreibt ihre Schwester Laura auch, dass Janis damals vor dem Spiegel ein ganz bestimmtes höhnisches, provokantes Lachen einübte, das zu einem ihrer Markenzeichen werden sollte und in vielen Interviews und Bühnenansagen zu hören ist. Weil in der Schule Hosen für Mädchen verboten waren (!), schockte sie mit schwarzen oder lila Bodystockings und mehr als kniekurzen Röcken. Und das ausgerechnet im Jahr 1959, in dem die neu erfundene Barbie-Puppe das absolute Schönheitsideal aller eitlen Südstaatenschönheiten an Janis' Schule darstellte. Janis entschloss sich zum Anderssein in einer Zeit, in der alle Teenager gleich sein wollten, den Rock 'n' Roll und das Tanzen entdeckten, während sie systematisch mit allen Regeln brach. Ihr Vater meinte, Janis wollte offenbar herausfinden, was den Leuten absolut nicht gefiel, und habe dann genau das getan.

1959 veränderte sich Janis' Leben an der Schule radikal, weil Arlene Elster und einige der älteren Jungs aus der Clique zum Lamar College nach Beaumont abwanderten und ihr Schutzschild zusammenbrach. Es ging so weit, dass die Leute vor ihr ausspuckten und sie zur »Schulschlampe« abstempelten. »Janis lachte darüber, um zu zeigen, dass sie auch Spaß verstand«, so Karleen, »aber wenn sie nach Hause kam, weinte sie«. Das Abschlussjahr wurde für Janis ganz besonders schwierig, denn es begann eine regelrechte Hetzjagd auf sie. Als ihre Mutter sie in einen Zeichenkurs schickte und sich herausstellte, dass Janis das einzige Mädchen in der Klasse war, kochte die Gerüchteküche über. »Ich erkannte damals nicht, dass ich sie in eine schwierige Situation brachte, denn es hieß plötzlich, dass sie den Jungen nachlaufe und so weiter. Das verletzte sie zutiefst«, so ihre Mutter. Schließlich wurde Janis sogar zum Schulberater zitiert, wo sie sich gegen die Vorwürfe »Trinken und ungehöriges Benehmen« zu verteidigen hatte. Ihre Eltern waren derart verzweifelt, dass sie ihre Tochter zu einem Psychologen schickten, in jener Zeit ein glattes Eingeständnis, geisteskrank zu sein.

Wir hatten nun mal dieses frühreife Kind, das Ölgemälde verkaufte. Wir gehörten zwar nicht zur Handelskammer, aber wir leisteten ebenfalls unseren Beitrag für die Gemeinschaft. Wenn man in einer solchen Position ist und ein Kind hat, das plötzlich Schwierigkeiten macht, dann ist man sofort ein beliebtes Objekt für allen möglichen Klatsch und Tratsch.

Janis' Vater Seth

Im neu eröffneten Jazz-Café The Sage fand Janis ein paar Gleichgesinnte. Dort fand Silvester 1959 für sie eine Doppelpremiere statt. Sie eröffnete die erste Ausstellung mit ihren Bildern und entschloss sich zu einem spontanen Auftritt als Sängerin. Im Abschlussjahr hatte sie hervorragende Zensuren, schränkte deshalb ihren Schulbesuch ein und jobbte als Serviererin und Kartenverkäuferin in einem Kino. Abends besuchte sie häufiger das Pasea's Café, einen neuen Treffpunkt der wenigen Beatniks in Port Arthur. Auch dort hingen inzwischen ihre Bilder an der Wand, von denen sie ab und an eines verkaufte.

Im Mai 1960 machte sie ihren Schulabschluss. Während der Abschlussball stattfand, kurvte sie mit Karleen im Auto durch die Gegend.

Das politische Klima hatte sich in den USA inzwischen radikal verändert. John F. Kennedy_8 war der neue Präsident, aber die Kubakrise und der Vietnamkrieg trübten den Heiligenschein des politischen Hoffnungsträgers. Im Lone-Star-Staat Texas spielte die neue Politik, voran die Rassenintegration, keine Rolle, folglich auch nicht am Lamar State College im nahe gelegenen Beaumont, an dem sich Janis im Sommer 1960 einschrieb. Janis bezog im Mädchenwohnheim ein Zimmer und begegnete Jim Langdon und Adrian Haston wieder. Die Clique hatte sich um ein paar Freunde vergrößert: Tary Owens gehörte dazu, Johnny Moyer und die Brüder Wally und Tommy Stopher. Janis war von dessen künstlerischem Talent so beeindruckt, dass sie bald darauf die Malerei völlig aufgab. Tary Owens: »Wenn sie bei irgendetwas nicht die Beste der Welt sein konnte, dann ließ sie es ganz bleiben.« Die Eltern waren erleichtert, Janis zwar in ihrer Nähe zu wissen, das Problemkind aber aus dem Haus zu haben. Ihrer Schwester Laura nach feierte Janis in Lamar vor allem wüste Partys. Ihr Hauptfach war Kunst und ihr Interesse galt insbesondere dem Maler Amadeo Modigliani._9

Doch auch an diesem Provinz-College war das Klima kunstfeindlich, hier wurden zukünftige Ingenieure ausgebildet, Janis abermals angefeindet und verspottet. Beaumont war nur eine Fortsetzung von Port Arthur. Oder, um mit Dave Moriaty zu sprechen, der an der Universität in Austin studierte - am Lamar war man Port Arthur noch längst nicht entkommen, im Gegenteil, man nahm es mit. Vielleicht brach Janis deshalb zu Ende des Wintersemesters ihr Studium ab und kehrte nach Port Arthur zurück. Damit begann ihr fünfjähriger Zickzackkurs zwischen der bürgerlichen Welt von Port Arthur und einem Boheme-Leben in den Großstädten Amerikas.

Anfang 1961 schrieb sie sich am Port Arthur Business College ein, einer Art höheren Wirtschaftsschule, um eine Ausbildung als Datenerfasserin und Sekretärin zu machen. Pikanterweise unterrichtete dort auch ihre Mutter seit zwei Jahren. Die viermonatige Ausbildung absolvierte Janis ohne aufzufallen, wenn auch nur halbherzig - allein an 20 Tagen hatte sie sich krankgemeldet. Patti Skaff stellte ihr manchmal das teure Tonbandgerät ihres Vaters für Gesangsaufnahmen zur Verfügung, ansonsten zog Janis weiterhin mit ihrer alten Clique herum. Einer dieser alkoholreichen Ausflüge nach Houston endete mit einer Niereninfektion in einem Krankenhaus in Beaumont. Anschließend konsultierte Janis für kurze Zeit einen Psychiater in Port Arthur und später einen Psychologen in Beaumont. Freunde meinten, dass sie damals vielleicht einen Insulinschock erlitten hätte, sie selbst deutete später an, es habe sich um einen »Nervenzusammenbruch« gehandelt. Dr. Edmund Rothschild, den sie später in New York wegen ihrer Suchtkrankheiten aufsuchte, erzählte sie, sie sei damals bereits wegen Alkoholismus behandelt worden. »Sie schwänzte ihren Unterricht und hatte ein schlechtes Gewissen«, war alles, was Janis Mutter dazu einfiel.

Im Sommer 1961 hatte Janis ihr Sekretärinnen-Diplom in der Tasche und bestieg den nächsten Greyhound-Bus nach Los Angeles. Keiner weiß, ob es sich um eine Art »elterliche Verbannung« oder aber um eine »Flucht« von Janis aus dem Elternhaus handelte.

Anfangs wohnte Janis bei Tante Mimi und ihrem Mann, einem Hobbymaler mit einem eigenen Atelier im Gartenschuppen. Sie arbeitete bei der LA Telephone Company als Kartenlocherin. Dann zog sie in die Dreizimmerwohnung von Tante Barbara, deren Tochter jedoch bald eifersüchtig auf Janis wurde. Dorothy zufolge hatte sich Janis schon mit ihrem ersten Gehaltsscheck ein hübsches Apartment in der Nähe ihrer Arbeitsstelle genommen, es dann aber nicht mehr bezahlen können. Im Herbst zog sie jedenfalls zur Missbilligung aller in eine Art Strandhaus in der heruntergekommenen Strandkolonie Venice, dem Beatnik-Viertel in Santa Monica, und nahm einen Job bei der Bank of America an. In dieser Zeit begann auch ihr reges Sexualleben mit Partnern beiderlei Geschlechts. Vermutlich kam sie damals auch erstmals mit Drogen in Berührung. Weil das legendäre Beatnik-Leben in Venice längst der Vergangenheit angehörte, trampte sie im Spätherbst 1961 nach San Francisco, dem gelobten Land der Kerouacjünger, aber auch hier war die Beatnik-Szene inzwischen tot. Der City Lights Book Shop, der Buchladen von Ferlinghetti, wurde zu ihrer Anlaufadresse. Wie lange ihr Aufenthalt an der Golden Gate Bridge dauerte, ist nicht bekannt, jedenfalls kehrte sie kurz vor Weihnachten wieder nach Port Arthur zurück.

Dort beeindruckte sie die provinziellen Freunde mit ihrem offenherzigen Benehmen und Beat-Slang sowie einer Schaffelljacke, die sie stolz zur Schau trug. Vermutlich hatte Janis mächtig auf die Pauke gehauen, um die texanischen Spießer zu schockieren, was ihr spielend gelang. Sie selbst meinte später zu ihrem ersten Ausflug ins Beatnik-Milieu nur: »Ich traf dort Leute meinesgleichen.« Nach ein paar Tagen bei den Langdons überraschte sie die ahnungslosen Eltern mit ihrer plötzlichen Rückkehr. Am Silvesterabend 1961 fand ihr erster öffentlicher Auftritt als Sängerin in Beaumont vor einem desinteressierten Publikum statt, das mit ihrem Bessie-Smith-Stil absolut nichts anfangen konnte. Jim Langdon hatte sie zu diesem Auftritt in einem Privatclub überredet. Aber der Besitzer, der Jazzer Jimmy Simmons, holte sie von der Bühne, weil er ihren Gesang nicht mochte.

Janis Joplin

Подняться наверх