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Eine von den Jungs der Waller Creek Boys

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Die erste Bühnenenttäuschung steckte Janis offenbar schnell weg, denn bereits im Januar 1962 trat sie im Folkclub Purple Onion in Houston auf. Und wenn Jim Langdon (der neben dem Sinfonieorchester in Beaumont auch diversen Tanzbands von Johnny und Edgar Winter_10 angehörte) in einem Jazzclub spielte, holte er manchmal zum Schluss Janis für eine Version von »Cherry Pie« auf die Bühne. Mit ihm machte sie auch ihre erste Plattenaufnahme, einen Werbespot für eine Bank in Nacogdoches in Texas. Tary Owens und Jim hatten dafür zur Melodie von Woody Guthries_11 »This Land Is Your Land« einen neuen Text verfasst. Allerdings wurde die Gesangsaufnahme nie verwendet.

This bank is your bank

This bank is my bank

From Nacdogcoches to the Gulf Coast Waters

Sixty years of savings

Sixty years of earnings

This bank was madefor you and me.

Werbetext von Tary Owens und Jim Langdon zur Melodie von Woodie Guthries »This Land Is Your Land«.

Im Frühjahr 1962 kehrte Janis ans Lamar College in Beaumont zurück, wohnte aber dieses Mal zu Hause. Es folgte wieder eine Phase der Anpassung ans bürgerliche Leben. Sie trug das Haar ordentlich hochgesteckt und jobbte in den Sommerferien als Serviererin in der Bowlingbahn. Nach Feierabend ging sie oft mit Jack Smith an den Strand oder zum Tanzen. Seinen Schilderungen nach wollte sie damals unbedingt als Dame behandelt werden und zerbrach sich den Kopf darüber, was sich schickte und was nicht. Doch von einem Tag auf den anderen schlug alles ins Gegenteil um und die alte, verdrängte Janis kam wieder zum Vorschein. Statt Bier trank sie Whisky, der Bourbon wurde ihr Begleiter. Todesmutig rauschte sie mit 120 Sachen in den Nebel am Strand, sorgte für hitzige Schmusereien und Wortgefechte. Der sensible Jack, der Gedichte schrieb und malte, konnte damit nicht mehr umgehen. »Es war eine phänomenale Energie, die befriedigt werden musste, und irgendeine Spannung, die sie nicht abbauen konnte.«

Sie nahm die wilden Ausflüge mit ihrer Jungenclique über die Grenze nach Louisiana wieder auf. War es für anständige Jungs schon ungebührlich, so gehörte es sich natürlich für ein Mädchen erst recht nicht, sich in Spelunken wie Lou Ann, Big Oak oder Buster's zu besaufen. Janis ließ sich von den harten Burschen dort aushalten und wenn die Lage brenzlig wurde, mussten die Jungs aus der Clique den Kopf hinhalten. »Wir mussten immer zu viert oder fünft sein, um überhaupt wieder lebend rauszukommen«, so Langdon.

Bei einem Sonntagabendausflug mit Janis und ihrer Freundin Patty Skaff überschlug sich das Auto auf dem Rückweg dreimal und blieb schließlich im Straßengraben liegen. Wie durch ein Wunder kamen alle Insassen heil davon. Ein andermal fuhren Jack Smith und Janis auf dem Heimweg einfach weiter bis Austin und landeten gegen fünf Uhr morgens vor einem heruntergekommenen Wohnblock, genannt The Ghetto. Als sie drinnen einen jungen Mann entdeckten, der auf dem Kühlschrank sein Banjo spielte - es war der Folkie John Clay -, rief Janis begeistert: »Das gefällt mir! Ich liebe es! Hier bleibe ich!« Zu Hause gab es ein Riesendonnerwetter, weil Janis die Fahrt mit dem Auto ihres Vaters unternommen hatte. Die genervten Eltern gaben sofort ihre Zustimmung, als Janis ihnen den Plan unterbreitete, ab sofort in Austin zu studieren.

Im Sommer 1962 schrieb sie sich an der University of Texas in Austin für das Fach Malerei und schöne Künste ein. Eigentlich war die Hauptstadt von Texas am Colorado River nicht minder provinziell und schon damals das Technologiezentrum Amerikas, also auch kein Ort für künstlerisch Begabte oder Unangepasste wie Janis. In der Country-Hochburg war in den sechziger Jahren Jazz, Folk und später auch Rock verpönt und bei Männern galt sogar ein Bärtchen als unanständig. Als Studienanfängerin durfte Janis außerdem nicht im Ghetto wohnen. Die Eltern zahlten die Miete in einer ordentlichen Studentenpension für Mädchen unter der Aufsicht einer Hausmutter Ecke Neunzehnte und Nueces Street. Damals war der Campus von so genannten »Bubbleheads«, Mädchen mit überdimensionalen Hochfrisuren, auch »Bienenkörbe« genannt, und Sportlern bevölkert, die Studentenverbindungen angehörten und selbstverständlich für die Rassentrennung waren.

Doch Janis hatte ihre Clique wieder, die im Ghetto wohnte, jenem vergammelten Apartmentkomplex in der Nueces Street 2812½ unweit der Universität. Zum engen Freundeskreis gehörten der Musiker Powell St. John, Jim Langdon, die Stopher-Brüder, John Clay, Julie Paul und kurzfristig auch Jack Smith. Zum harten Kern zählte zudem der Karikaturist und Cartoonist Robert Shelton, der mit Dave Moriaty die preisgekrönte satirische Campus-Zeitschrift Texas Ranger herausgab, die es bald auf die unglaubliche Auflage von 25.000 Exemplaren brachte. Geschichten wie »Wie man sich in Dallas betrinkt« trafen den Geschmack der Studenten. Noch heute ist in Texas Kampftrinken ein beliebter Sport. Man feierte ununterbrochen Partys, die Beatnik-Dichter Kerouac und Allen Ginsberg waren ebenso Vorbilder wie die Kleiderordnung der Folkies aus Greenwich Village, New York. Die Zimmer kosteten 35 Dollar Monatsmiete und waren Treffpunkt, Liebesnest, Absteige und Durchgangslager für die Freunde aus Port Arthur und Beaumont. Viele aus dieser Clique zogen später nach San Francisco, gaben Underground-Magazine heraus, arbeiteten als Poster-Künstler oder Musiker.

An der Universität von Texas gab es zweifelsohne einen Generationsunterschied, aber nicht den, von dem man heute spricht. Leute wie Janis und ich haben die Werte unserer eigenen Generation abgelehnt.

Janis' Studienkollege John Clay

Für die Normalos auf dem Campus war Janis auch hier schon rein äußerlich eine Provokation. Sie trug lose Herrenhemden, Jeans, viel Schwarz und meist als Markenzeichen eine alte Bomberjacke, das Lammfell wegen der texanischen Hitze nach außen, die Ärmel abgetrennt. Sie ging meist barfuß und verzichtete skandalöserweise auf einen BH, was man vor der Erfindung der Pille und der freien Liebe auch in weniger prüden und hinterwäldlerischen Gegenden vulgär fand. Sie galt als streitsüchtig und mit dem ständigen Gebrauch des Wortes »fucking«, noch heute trotz Pop-Slang nicht gesellschaftsfähig, stieß sie alle vor den Kopf. Sie selbst bezeichnete sich im Beatnik-Slang als ein »jive chick«, also als coole Braut mit losem Mundwerk, die andere verarscht. Und damit brachte sie sich und ihre Freunde nicht selten in arge Schwierigkeiten.

Eines Tages hörte Ramsey Wiggins aus dem Nachbarzimmer eine klare, kräftige Altstimme und hielt es für eine Schallplatte. Aber es war Janis, die oft für sich allein neue Lieder einstudierte. Geistesgegenwärtig schaltete irgendwann einmal Jack Jackson das Tonband an und zeichnete » I'll Drown in My Own Tears« auf, das später auf dem Album Janis veröffentlicht wurde. »Aber sie haben Janis' Lachen und die Hintergrundgeräusche mit einer künstlichen Clubatmosphäre überspielt.« Auch Powell St. John, der Mundharmonika spielte und für die Band 13th Floor Elevators schrieb, sowie Bassist Lanny Wiggins waren von ihrer Stimme hingerissen. Die beiden hatten ein Folk-Duo, die Waller Creek Boys, und Janis schloss sich ihnen als Sängerin an. »Ich bin halt eine von den Jungs«, erklärte sie, obwohl sie sich danach bisweilen auch The Waller Creek Boys Plus One nannten. Schon bald trat das Trio regelmäßig bei den neu installierten Folktreffs an der Uni von Austin sonntagnachmittags im Union Building auf. Die aufblühende Musikszene von Austin ging sozusagen Hand in Hand mit dem Karrierebeginn von Janis als Sängerin. Sie arbeitete unermüdlich an ihrer Stimme, an jeder Phrasierung, den Übergängen von einem Akkord zum anderen, lehnte jedoch eine Gesangsausbildung ab: »Die wollen doch nur, dass ich anders singe.« Eine kuriose Parallele zu ihrer Mutter, die einst das Opernstudium abbrach, weil sie lieber Broadway-Melodien sang.

Mit Janis' schmetternder Version von Woody Guthries »This Land Is Your Land« gewannen die Waller Creek Boys als beste Gesangstruppe einen lokalen Wettbewerb. Travis Rivers ermutigte Janis, auch eigene Songs zu schreiben, die sie manchmal bei den so genannten Hootenannies, den spontanen Folk-Sessions an der Uni, vortrug.

Weil sie kein Instrument beherrschte, kam sie auf die Idee, sich auf einer Autoharp, einer griffbrettlosen Akkordzither, zu begleiten. Obwohl eher für zarte Töne gebaut, ging Janis damit ziemlich ruppig zur Sache.

Niemand wusste, was man von ihr halten sollte! Man hatte keine Gelegenheit, sich darüber klar zu werden. Wir nahmen es einfach so, wie es kam, glaube ich. Ich meine, es war schon toll! Es war unheimlich cool! Denn es war so verdammt neu!

Powell St. John von den Waller Creek Boys

Sie widmete sich nun ganz der Musik und wandte sich immer mehr von der Malerei und Kunst ab. Sie nannte es ihr Coming-out, weil sie sich durch die Musik »nach außen« gewandt hätte, während die Malerei eher ein innerer Vorgang war. Am 27. Juli erschien in der Schülerzeitung The Summer Texan ein Artikel über Janis mit der Überschrift: »Sie wagt es, anders zu sein!« Mit ebenso großem Staunen wie Entsetzen portraitierte eine Kommilitonin Janis so: »Sie geht barfuß, wenn ihr danach ist, trägt Levi's im Seminar, weil sie bequemer sind, ... und macht sich nicht die Mühe, jede Woche zum Friseur zu gehen, ... und wenn sie Lust hat zu singen, dann singt sie mit einer vibrierenden Altstimme ...«.

An den Mittwochabenden traten die Waller Creek Boys oft in der zur Musikkneipe umgebauten Tankstelle Threadgill's auf. Seit 1946 stellte der Countrysänger Ken Threadgill seinen Laden jungen Musikern zur Verfügung, die mitten im Publikum standen, weil es keine Bühne gab, und für ihren Auftritt ein paar Biere bekamen. Ken hatte nach der Prohibition als einer der Ersten eine Lizenz für Alkoholausschank bekommen. Für Janis wurde er eine Art Vaterersatz. Damals sang sie mit hoher, klarer Stimme Bluegrass_12 und Folk, hin und wieder auch Bessie-Smith-Blues und Country-Balladen im Stil von Jean Richie oder Rosie Maddox. Meistens wurde unplugged gespielt, also ohne Mikrofonverstärkung.

Auf dieses Kichern folgte das breiteste Grinsen der Welt. Ihre Augen haben sich weit geöffnet und sie hat ihre Arme ausgestreckt. »Gott, Jack, ist es nicht wunderbar?«, rief sie nach ihren Auftritten aus.

Janis' Studienfreund Jack Smith

Obwohl sie schüchtern und unsicher wirkte, fiel allen auf, dass Janis unbedingt die »Beste« sein wollte, etwas »Besonderes«, oder wie sie meinte, »jedenfalls keine Joan Baez für Arme«. Als in Austin ein Mädchen mit einer Stimme wie Joan Baez_13 auftrat, war Janis drauf und dran, wie schon zuvor die Malerei auch die Singerei an den Nagel zu hängen. Doch inzwischen war sie bereits die Hauptattraktion im Threadgill's.

Janis führte im Ghetto auch das Marihuana ein. Während es damals in vielen US-Staaten bereits mit hohen Gefängnisstrafen geahndet wurde, war die Kaktuspflanze Peyote mit dem Wirkstoff Meskalin für zehn Cent in jedem Garten-Center erhältlich und erfreute sich unter den Studenten großer Beliebtheit. Allerdings hatte Janis schon damals wenig für psychedelische Drogen übrig, sie war nur an beruhigenden oder aufputschenden Substanzen interessiert, also einerseits Alkohol, andererseits Speed, eine Aufputschdroge der Beatniks. Ironischerweise war es damals auch die legale Alltagsdroge der konservativen Studenten und wurde sogar vom staatlichen Gesundheitsdienst an der Uni für anstehende Examina kostenlos verteilt. Ihren exzessiven Alkoholkonsum, den Bourbon und Southern Comfort, verband Janis mit der »texanischen Outlaw-Kultur« und ihrer eher männlichen Lebensweise. Ihre damalige Bettgenossin Julie Paul meinte, sie hätte auch jede Menge Seconal-Tabletten geschluckt. »Sie drehte dann völlig durch. Sie irrte nachts über die Straße und versuchte, überfahren zu werden, und rannte mit dem Kopf gegen Hauswände.« Ihrer Meinung nach litt Janis schon damals unter schweren Depressionen.

Ein weiterer Vorfall, der bis heute nicht zu klären ist, fand im Herbst 1962 statt, als Janis zum »hässlichsten Mann« des Campus gewählt wurde. Dieser Wettbewerb wurde ausgerechnet vom Texas Ranger durchgeführt, war wahrscheinlich aber eher als Satire auf die zahlreichen Schönheits- und Leistungswettbewerbe an der Uni gedacht. Ob Janis dabei die Täter- oder Opferrolle spielte, ist strittig. Ihre späteren Aussagen dienten vor allem dazu, in den Medien zu untermauern, wie sehr sie unter Texas gelitten hatte. Manche Freunde meinen, sie hätte sich selbst auf den Wahlzettel geschrieben, andere, es sei ein Racheakt der Studentenverbindungen gewesen. Zu dieser Zeit kam es auch nach einem Saufgelage mit der Clique beim Mardi Gras (Karneval) in New Orleans zu einem so heftigen Streit, dass ihre Freunde Janis ohne Geld und Papiere einfach aus dem Auto warfen. Wie sie nach Hause gekommen sei, erklärte sie dem naiven Travis Rivers so: »Ich hab das gemacht, was jedes Mädchen tun würde. Ich hab zwei Nummern geschoben.« Damals fing Janis an, mit ihrem regen Sexualleben anzugeben, wobei sie allerdings ihre lesbischen Beziehungen wie die zu Julie Paul nie an die große Glocke hängte. Alles in allem schien es, als seien ihre Beziehungen meist ungezwungener Natur gewesen und ihre Partner aus dem engsten Freundeskreis, wie Powell, mit dem sie eine kurze Sommeraffäre hatte, was natürlich den Eindruck verstärkte, sie würde buchstäblich hinter jedem her sein. Doch viele ihrer damaligen Partner erklärten, dass Janis sich unter den festen Pärchen an der Uni einsam vorgekommen sei, andererseits keine feste Bindung eingehen wollte. Travis Rivers dazu: »Es gab zwei Arten der Beziehung mit Janis: sexuell, was derb, ungesüßt, räuberisch und vergänglich war, und die Freundschaft, die dauerhaft war.« Laut ihrer Freundin Fredda Slote habe Janis ständig nach Liebe gesucht: »Ich weiß nichts über Janis' Mutter, aber es hat dich nachdenklich gemacht.«

Die Studentin Janis war nur selten präsent, aber dann konnte sie engagiert und brillant argumentieren. Ihre Klugheit brachte ihr sogar die Einladung zu einem Förderprogramm hochbegabter Studenten der Uni Texas ein. Doch sie absolvierte zwischen Sommer und Dezember 1962 nur ein Semester, bekam in Anthropologie und Psychologie eine Drei und zog für fünf weitere Fächer ihre Anmeldung zu den Prüfungen zurück. Obwohl sich die Ghetto-Clique als apolitisch verstand, als Außenseiter und nicht als Aktivisten, wurden etwa 68 Personen, »die Zelle«, wie sie Untersuchungsbeamte der Universität nannten, observiert, wie Tary Owens später erfuhr: »Ich habe immer gesagt, ›die Augen von Texas ruhen auf dir – jederzeit‹.«

Ende des Jahres beschloss Janis, Texas erneut zu verlassen, ihr Interesse am Studium war gleich null, die weiteren Chancen als Sängerin dort limitiert. Powell meinte, der Wettbewerb zum hässlichsten Mann hätte ihr den Rest gegeben, aber die meisten waren überzeugt, dass Karrieregründe ausschlaggebend waren. Tarys Erinnerung nach hatte sie sogar versucht, die Waller Creek Boys zu überreden, mit ihr nach San Francisco zu gehen. Ihre Studienfreundin Pepi Plowman brachte es auf den Punkt: »Janis hatte ein wahnsinniges Verlangen, berühmt zu werden. Sie wollte einfach jemand sein, weil sie immer mit solcher Geringschätzung betrachtet wurde.« Wie es der Zufall wollte, tauchte der ehemalige Austin-Student Chet Helms auf, der mittlerweile in San Francisco lebte und Abenteuerliches über die Szene in North Beach berichtete. Er sah einen Auftritt von Janis in Threadgill's Bar und war von ihrer rauen, explosiven Mischung aus Blues, Folk und Country hingerissen.

Ich werde nie mit Sängerinnen wie Joan Baez oder Judy Collins konkurrieren können. Aber wer will das schon? Das ist Zuckerpapp, das will ich nicht.

Janis gegenüber dem Schulfreund Jack Smith

Janis Joplin

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