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2. Kapitel Manchmal ist weniger mehr und das Einfache bekommt große Bedeutung

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Familienbande

Ich denke gern an meine Kindheit zurück. „Wie bitte“, sagen Sie jetzt vielleicht, „wo doch bei so viel Training, Schmerz und Disziplin kaum Zeit blieb für Kinderspiele?“

Ich wuchs in einem intakten Zuhause auf und fühlte mich aufgehoben. Unser Leben verlief planvoll und gut organisiert, bisweilen recht straff. Aber ich konnte mich in diesem Leben festhalten; es besaß Strukturen, die nun meinen eigenen zugrunde liegen.

Am Nachmittag um 15 Uhr brachten mich Mutter, Vater, Großmutter oder Großvater zum Training und holten mich zwei Stunden später wieder ab. Meine Eltern organisierten unsere Tage, bis wir Kinder das selbst vermochten. Die beiden lernten sich schon als Jugendliche kennen; bezeichnenderweise auf einem Sportplatz. Dort sah mein Vater die künftige Leichtathletin die Bahnen entlangsprinten. Vier Jahre später trug die junge Frau den Nachnamen meines Vaters und zwei kleine Rabauken stolperten durch die knapp 70 Quadratmeter große Wohnung der Steuers. Mein Vater „steuerte“ unser Schiff umsichtig und mit Bedacht. Er legte den Kurs fest und stand gemeinsam mit unserer spontanen Mutter auf der Kommandobrücke. Er schaute voraus und sie überraschte. Wie es sich für einen guten Mix gehört, trage ich von beidem etwas in mir.

Von meiner Mutter stammen die Liebe zum Sport und die Disziplin bis zur Selbstverleugnung. In einer Zeit, in der das sehr unpopulär war, kam meine Mutter in Plauen als Tochter eines amerikanischen Soldaten zur Welt – 1946, gleich nach Kriegsende. Sie kannte seinen Namen nicht und lernte ihn nie kennen. Dieses Geheimnis nahm meine Großmutter mit ins Grab. Streng und mit Härte erzog sie ihr Kind. Und so lernte meine Mutter viel auszuhalten, um überhaupt existieren zu können. Normal war das nicht. Auch ich bin geübt darin, mir zu sagen: „Was mich nicht umbringt, macht mich stärker“. Den Gegenpol zu dieser Erziehung fand meine Mutter im Sport. Sie begann als Geräteturnerin und stieg später in die Leichtathletik ein. Als Läuferin über 200 und 400 Meter heimste sie eine Menge Medaillen ein. Leider fiel ihre sportliche Laufbahn einem ignorierten, vereiterten Blinddarm zum Opfer.

Ich glaube, ich bin so ehrgeizig, wie sie es war. Mein planerisches Talent wurzelt in dem meines Vaters, und trotz seiner konsequenten Erziehung erlebte ich ihn liebevoll und uns zugewandt. Mein ein Jahr älterer Bruder und ich, wir verhalten uns tatsächlich brüderlich. Als erwachsene Männer treiben wir zwar gelegentlich noch Schabernack miteinander, aber wir sind einander die besten Berater. Natürlich prägte unser kindliches Zusammenleben nicht ausschließlich Liebe und Güte, wie man sich denken kann. Unser geringer Altersunterschied sorgte dafür, dass wir, wie zwei Kater im Hof, ständig miteinander stritten. Unsere arme Mutter! Permanent rauften wir um den besten Platz im Auto und die tägliche Führungsrolle. Der Chefposten war niemals klar vergeben, sondern immer heiß umkämpft.


Jeden Morgen sah und hörte man uns schon von Weitem vor dem Kindergarten zetern. Wir rivalisierten um den Reitersitz auf einem kleinen bronzenen Esel – der zweite Sieger musste mit dem seitlich angebrachten Korb vorliebnehmen. Wir zwei Grautiere aus Fleisch und Blut zelebrierten dieses Ritual jeden Morgen neu!

Auch aus diesem Grund fanden unsere Eltern, die selbst sehr sportlich waren, schnell heraus, dass die kleinen Kerle beschäftigt werden mussten. Vier- und fünfjährig saßen wir eines Abends beim Abendbrot und lauschten den Beschlüssen unserer Eltern. Für jeden von uns hatten sie einen Plan.

Für meinen Bruder sollte es Fechten und für mich als den „Filigraneren“ von uns beiden Eiskunstlaufen sein, denn ich war wendig und biegsam genau wie meine Mutter.

Mein Bruder wechselte auf den Fußballplatz ins Tor, später in die Gilde der Schiedsrichter. Noch heute pfeift er an manchem Wochenende irgendwo in Deutschland verschiedene Turniere.

Indem wir in sportliche Gefilde abtauchten, reduzierten sich unsere heimischen „Rauf“-Zeiten beträchtlich. Einmal jährlich lebten wir in absolutem Waffenstillstand.


Vom 1. bis zum 19. November waren wir beide gleichaltrig. Mein Bruder hatte festgelegt, dass für diesen Zeitraum mir die Führungsrolle gehörte. Neunzehn Tage lang im Jahr hatte ich das Sagen. In der restlichen Zeit stritten wir ununterbrochen ohne Regeln um die Macht. Mein kluger Bruder kam dabei immer ein wenig besser weg als ich; manche Suppe musste ich auslöffeln, ohne die Brocken reingeworfen zu haben. Einmal fuhren wir mit den Rädern in den Wald und begegneten einer Gruppe Jungs, die meinem Bruder nicht gut gesonnen war. Ich riskierte die dicke Lippe, sie sollten ihn gefälligst in Ruhe lassen. Mein Bruder animierte mich, in die Pedale zu treten und das Weite zu suchen, aber meine dünnen Beine schafften nicht, was ihm gelang. Sieben, acht Jungs kreisten mich ein und ich musste für meine große Klappe geradestehen. Ich bekam mächtig eine verpasst. In den Allerwertesten getreten und die Nase blutig geschlagen, kam ich nach Hause. Im Garten erzählte ich unseren Eltern nur sehr vage von unserem Erlebnis. Ich, der „begossene Pudel“, schüttelte mich kurz – ich hätte ja meinen Mund auch halten können – und weiter ging‘s. Später, als ich auf die Kinder- und Jugendsportschule ging und bald kaum noch gemeinsame Zeit mit meinem Bruder haben sollte, waren wir beide hin und wieder in wirklich gutem Einverständnis.


Ich glaube, wir lebten wie eine gute ostdeutsche Durchschnittsfamilie. Die Eltern arbeiteten beide, wir Kinder gingen früh, ziemlich früh, mit ihnen aus dem Haus. Manchmal saßen wir am Nachmittag bei einem Stück Pflaumenkuchen mit Oma, Opa oder unserer Mutter am Tisch. Unsere Großeltern teilten unser Leben; der gut organisierte Alltag forderte ihre Energien schlichtweg ein. Gepriesen seien die gemeinsam verbrachten Zeiten! Irgendwie echt italienisch. Unseren Hof auf der Ammonstraße bevölkerte in der Zeit bis zum Abendbrot eine große Kinderschar. Dem elektronischen Standard der damaligen Zeit sei Dank spielten sie „Räuber und Gendarm“, „Doppeltes E“ oder „Verstecker“, bis es dunkelte. Wir gehörten sehr selten dazu, denn viel Zeit blieb uns dafür nicht; unser Training bestimmte den Rhythmus des Tages.

Vorerst aber versuchte ich, in der Kindergartengruppe meine Führungsposition zu stärken. Ich erinnere mich, dass sich in meinen sehr frühen Jahren, als ich den Kindergarten unsicher machte, Folgendes zutrug: Es war wohl um die Schlafenszeit herum und mein Mitteilungsbedürfnis ließ sich nicht beruhigen. Auch nach mehrmaligem Auffordern krakeelte ich unbesorgt weiter. Da wurde ich zur Strafe auf einen Schrank gesetzt; zuvor stülpte mir eine besonders witzige Kindergärtnerin ein Netz, das den „Maulkorb“ darstellen sollte, über den Kopf. Ich dachte aber gar nicht daran zu schweigen, sondern verlegte mich nun aufs Bellen – wusste ich doch, was sich für einen guten Hund gehört. Unter allgemeinem Lachen holte man mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.

Diese Episode verstehe ich heute, während ich zurückschaue, als sehr bezeichnend für mein Verhalten in Krisensituationen. Jene ausgefallene Strafe hätte mich als Fünfjährigen ja auch zum Weinen bringen oder in kindliche Verzweiflung stürzen können. Stattdessen passte ich mein Verhalten der Situation an und machte das Beste daraus, ohne Ängste vor dem Kindergartenbesuch zu entwickeln. Einmal holte mich mein Vater vom Kindergarten ab und fragte eher beiläufig bei den Erzieherinnen nach, wie ich Rübchen mich geführt hätte. Leider gab es einiges zu berichten. Mein Vater lenkte daraufhin meinen Blick nach draußen und meinte nur, dass ich nun – bedauerlicherweise – nicht mit dem nagelneuen Wartburg nach Hause fahren könne, sondern laufen müsse. Das war hart und schlug mir Fünfjährigem mächtig auf den Magen. Für die nächste Zeit zeigte ich mich also sonderlich brav und rauschte ein paar Tage später, versunken in das Leder der Rücksitze, im Wartburg chauffiert heim.

Mein Vater war streng, aber verlässlich. Auch aus diesem Grund entstand in mir mit den Jahren eine innere Stabilität, die sich bis heute erhalten hat, gefestigt vom familiären Umgang und mütterlicher und väterlicher Erziehung.

An den Wochenenden und in den Ferien zogen wir vier manchmal umher – ich erinnere mich an schöne gemeinsame Unternehmungen. Wir wanderten durchs Erzgebirgsvorland und kraxelten die Berge hoch. Wir picknickten hart gekochte Eier, Beefsteaks und Butterschnitten, Äpfel und Pflaumen aus dem elterlichen Garten. Wir lechzten alle nach Bewegung und kämpften in manchen Wettbewerben um die innerfamiliären vordersten vier Plätze. Im Grunde genommen wuchsen wir in solchen Zeiten zusammen wie Eltern und Kinder üblicherweise in gemeinsamen Stunden. Wir durchstreiften die Gebirgslandschaft vor unserer Haustür und bezogen dort vertrautes Quartier, Winter für Winter. In so manchen Situationen meines Lebens hat mir mein energievolles Durchhalten mächtig geholfen, so auch ganz früh, in eben jener Zeit, als unsere Familie gemeinsam in den Urlaub fuhr.

In einem unserer Winterurlaube hatten wir wieder einmal die Wanderfahne gehisst und streiften durch die verschneiten erzgebirgischen Wälder. Da wir häufig am gleichen Ort „urlaubten“, entstand zwischen dem Sohn der Herbergsfamilie und mir eine Ferienfreundschaft, gefestigt durch kleine Heimlichkeiten und Ausflüge zu zweit. Auf einem dieser Streifzüge kamen wir vom Weg ab und gelangten in unwegsames Gelände. Dann, auf einmal, ein schnee- und eisbedeckter Felsüberhang, der sich schnell als mein einziger Rückweg erwies. Nur die ausgestreckte Hand meines Freundes konnte mir helfen. Ich spannte mich wie eine Feder, zitterte vor Aufregung und mein Wille schüttelte mich förmlich. Dann nahm ich Augenmaß, sprang, erreichte seine Hand und kam mit meiner, seiner und wessen Hilfe auch immer, über den Hang.

Meine Eltern erfahren von dieser kleinen Episode erst in diesem Buch, auf dieser Seite. Ich bitte nachträglich um Verzeihung.

In den Sommerferien zuckelten wir, damals noch mit unserer „Rennpappe“, an die Ostsee. Aufgeregt knatterten wir zehn Stunden und fünfhundert Kilometer lang mit unserem Trabbi an die Küste, Mutter und Vater in Sorge, ob das Gefährt die „enorme Distanz“ durchhielte, wir Jungs in Vorfreude auf Wasser und Sand. Ich erinnere mich mit großer Freude an unseren immer gleichen Campingplatz. Ich vermisste die große weite Welt damals nicht, weil ich die kleine Welt so sehr mochte. Unsere Familie schuf sich so ein Polster gemeinsamer Erlebnisse und Zuneigung, davon zehrten wir vier.

Mein engster Freund wohnte in jenen Jahren im gleichen Haus zur Miete: Karsten Augustin. Zwei Jahre besuchten wir die gleiche Schule und drückten die gleiche Schulbank. Kam ich nach dem Training nach Hause, flog manchmal der Ranzen in die Ecke und wir stürmten in den Hof. Wenn auch nur für kurze Zeit – der kleine Rasen gehörte uns. „Fußball“ hieß unsere gemeinsame Leidenschaft. Wir dribbelten und köpften, tricksten und schossen uns abwechselnd die Pille ins gleiche Tor. Mit Karsten durchlebte ich diese frühen Jahre mit all ihren Eigenheiten. Wir stibitzten uns gegenseitig die Kohlen aus dem Keller und halfen uns, wann immer es nötig war. Unsere Geheimnisse waren beim anderen gut aufgehoben. Ich erinnere mich, dass wir einmal zur gleichen Zeit aus der Schule kamen. Ich hatte die Arme vollbepackt mit Beuteln, Schulzeug und Ähnlichem. So stiegen wir im Hausflur die Treppe hoch und es zeichnete sich deutlich ab, dass ich kaum meinen Wohnungsschlüssel würde ergreifen können. Unsere Wohnungstüren zierte ein Briefkastenschlitz. Damals kam der Briefträger ja in jedes Haus hinein, ohne Sicherheitsschloss oder Generalschlüssel. Natürlich standen die Haustüren offen, so wie sich Freunde und Bekannte unverhofft besuchten, ohne sich telefonisch anzumelden – von 20 Familien besaß maximal eine einen Telefonanschluss. Vor meiner Wohnungstür angekommen, nahm mein Freund einen großen Holzlöffel aus einem schmalen Wandschrank, wie er eigentlich im Waschhaus gebraucht wurde und der einem besonderen Zweck gewidmet war: unser „Reserveschlüssel“. Ohne ihn wären wir oft verzweifelt, weil mein Bruder nicht selten seinen Schlüssel verlor oder ihn liegen ließ, wo er niemandem nützlich sein konnte. Karsten steckte den „Holzschlüssel“, als ob es nicht anders sein könnte, durch unseren Briefschlitz, drückte mit dem langen Stiel die Klinke an der Innenseite der Wohnungstür herunter und schwupps stand ich in unserem Flur.

Damals wusste ich alles von ihm, heute nichts mehr. Nachdem wir aus der Gegend wegzogen, verloren wir uns aus den Augen. In meiner Erinnerung lebten wir alle sehr nah beieinander und kannten uns gut.

Meine Eltern meinen, ich sei ein lebendiges, pflegeleichtes Kind gewesen, aber manchmal auch recht schwierig. Schwierig – wie das klingt – hat so einen merkwürdigen Nachklang, als ob ich nicht ganz richtig im Kopf gewesen wäre. Ein Dickschädel war ich, das mag stimmen. Wovon ich überzeugt war, dafür kämpfte ich mit allen Mitteln. Fühlte ich mich zum Beispiel im Training falsch behandelt, hackte ich manchmal mit den Kufen ins Eis oder trat gegen die Bande. Letztendlich läuft es doch darauf hinaus, ob man die Meinung der Mehrheit vertritt oder mit seinem Verständnis der Sachlage unpopulär ist. Ich hatte einfach schon als kleiner Junge meinen eigenen Kopf und mein eigenes Maß von dem, was richtig oder falsch war. Ach, das konnte schon ermüdend sein für andere. Wie der Kleinstadthauptmann verteidigte ich mein Revier, meine Gedanken, meine Ansprüche. Mal fauchend und Feuer spuckend, mal diskutierend, bis allen erschöpft und genervt die Spucke ausging.

Einen Teil meiner kostbaren Freizeit verbrachte ich ganz allein an meines Vaters Seite. Ich meine damit den privaten Nachhilfeunterricht beim „Hauslehrer“. Ich habe das gehasst, wie jedes Kind. Mit dem Vater am Stubentisch sitzen und Schulaufgaben lösen! Mein naturwissenschaftliches Verständnis existierte nur rudimentär und ich besaß schlichtweg kein Interesse an Mathe und Physik. Im Nachhinein rettete mich die Tatsache, dass mein Vater Mathe und Physik lehrte. Er begeisterte sich für klare mathematische Wege und schwärmte von den wunderbaren Möglichkeiten der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Ich sehe ihn heute noch vor mir, wie er freudig Flächeninhalte und Volumen berechnet. Leider schrammte diese Leidenschaft an mir vorüber. Doch ich hatte Glück. Schnell und einfach erklärte er mir komplizierte Sachverhalte. Was ist wichtig? Worauf muss ich weniger achten? So sparte ich viele kostbare Stunden, in denen ich mir später nur mühsam Integralrechnung und optisches Grundwissen angeeignet hätte. Das nervte damals natürlich, half mir aber enorm.

Damit, dass Sport mein Lebensinhalt wurde, bin ich in unserer Familie schon etwas aus der Art geschlagen. Sport getrieben haben wir zwar alle, mein Vater zum Beispiel liebte früher Fußball über alles und heute steht er begeistert am Feldrand oder sitzt als alter Hase bei jeder Bundesligaübertragung vor dem Fernseher. Fußball würde ich übrigens auch gern spielen, nicht nur mit Robin Szolkowy zur Erwärmung und zum Spaß. Wer weiß, mit meiner ambitionierten Haltung hätte ich bestimmt einen guten Stürmer abgegeben. Weltmeister wäre ich mit Sicherheit nicht geworden. So bleibt es erst einmal dabei, dass ich ab und zu kicke und, wann es immer es geht, im Stadion sitze und den Chemnitzer FC anfeuere. Beneidenswert, dass mein Bruder übers Feld flitzen kann. Weil es aber für mich ein großes Vergnügen wäre, mehr Fußballspielen zu können, steht fest, dass in meinem Leben nach dem Eiskunstlauf das runde Leder als feste Größe dazugehören wird.

Mit der gleichen Leidenschaft, mit der ich dem Eislaufen fröne, arbeitet mein Bruder übrigens in seiner Kanzlei als Anwalt. Wir gehen beide mit großer Hingabe unserer Arbeit nach, darin ähneln wir uns.

Mein Vater und mein Bruder sind die beiden Denker in unserer Familie. Bei mir liegt die Energie, mütterlicherseits vererbt, in meinem großen Bewegungsdrang. Noch als sie in den letzten Monaten mit mir schwanger war, kletterte sie auf Apfelbäume!

In meiner Kindheit brachten unsere Nachbarn mein quecksilbriges Wesen damit in unmittelbaren Zusammenhang. Ich bin einfach kein Bücherwurm, habe weder buchhalterische noch andere herausragende intellektuelle Begabungen. Nein, ich will damit an dieser Stelle nicht kokettieren. Ich bin ein einfacher Mensch mit vielseitigem sportlichem Talent. Nicht der Denker, sondern der Handelnde. Ich muss mich zwingend bewegen. Zwar steht unter meinem Abiturzeugnis ein „Sehr gut“, doch das war reine Übungssache, die mich hin und wieder aus der Haut fahren ließ oder nervte. Sobald ich begriff, dass mit Wiederholungen „etwas zu reißen“ war, erledigte sich das allerdings von selbst.

Gelernt habe ich nur, was wirklich nötig war. Ich war faul in der Schule, das trifft es durchaus. Die meisten Stunden meines Lebens gehörten seit frühester Kindheit dem Eiskunstlaufen.

Für den Fall, dass mir dabei einmal etwas einen Strich durch die Rechnung machen würde, sollte ich natürlich einen vernünftigen Beruf erlernen – auch, weil mein Vater wollte, dass seine Kinder im Leben zurechtkommen. So studierte ich später also Sport, die naheliegende Variante. Als zur Wende nicht klar war, ob die Studienjahre angerechnet würden, beziehungsweise ob es Arbeit für uns geben würde, stieg ich aus.

Diese Aussicht besaß so wenig Charme, dass ich sofort über eine andere Perspektive nachdachte. Zuerst versuchte ich mich in einer Werbeagentur, kurvte mit meinem Manta auf eigene Kosten durch die Gegend und ging auf Akquise. Nach einem Monat war Schluss damit. Ein feuchter Händedruck, ein Danke, das war‘s. So würde meine Zukunft also nicht aussehen, für den Fall, dass ich einmal nicht mehr eislaufen konnte. Lehrer werden wie mein Vater, das wollte ich auch auf keinen Fall. Früh aus dem Haus, mittags heim, Versammlungen, Elternabende – nein, das reizte mich nicht. In meiner Vorstellung sah ich mich auch nicht in eine Firma oder Fabrik stiefeln, 7 Uhr raus, 9 Uhr am Schreibtisch, 17 Uhr nach Haus kommen und morgen und übermorgen und nächste Woche immer so weiter.

Ich wusste, ich wollte auch mit Menschen zusammen sein. Ich lief für mein Leben gern auf dem Eis und hatte – neben einem streng ausgeklügelten Trainingsplan – immer mit Sportlern oder Trainern zu tun. Auf dem Eis, beim Krafttraining, in den Trainingslagern und natürlich bei den Wettkämpfen.

Nach einigem Hin und Her fand ich schließlich einen Ausbildungsplatz. Es musste ja irgendwie weitergehen. Heute kann ich mir das gar nicht mehr vorstellen, von jetzt auf gleich mussten die Karten neu gemischt werden. Ich brauche immer ein Ziel, denn ich bin so ein Typ, der schwer alle fünfe gerade sein lassen kann. Erst mal schauen – erstes, zweites, drittes Studium –, dafür war ich nicht gemacht. Außerdem war mir bis dahin eine exzellente Ausbildung als Eiskunstläufer zuteilgeworden und es war sonnenklar, dass ich neben der Ausbildung ein Zeitfenster brauchte, um weiter zu trainieren. Jeden Tag wollte, musste ich aufs Eis. Infrage kam schließlich eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann mit theoretischer und praktischer Ausbildung. Und das im Konsum. Wirklich! Groß und blau leuchteten die Buchstaben von der Fassade des Gebäudes. Ganz schön verrückt, dachte ich, vom Sportstudium zum Verkäufer in einer Konsumfiliale. Anfang September 1990 trafen wir vier, fünf junge Menschen uns in einer Kaufhalle und los ging es mit der Lehre.

Man wies die wesentlich jüngeren Kerlchen und mich dort erst einmal ein und in der Folge stand ich das erste Jahr in einem kleinen Eckkonsum im Chemnitzer Beimler-Gebiet. Ein „Tante Emma“-Konsum, 30 Quadratmeter klein, im Keller gelegen. Dort absolvierte ich meine praktische Ausbildung und wurde Teil eines guten kleinen Vier-Mann-Teams. Früh um fünf heizte ich den Ofen der Filiale, damit der Verkaufsraum einigermaßen überschlagen war, und 14 Uhr war Schluss für mich. Ich konnte trainieren gehen. Das war eine gute Zeit, auch wenn ich aufstehen musste, wenn der Tag gerade erst müde aus der Wäsche blinzelte. Ich wusste, das gehörte dazu und würde zudem nicht bis in alle Ewigkeit so weitergehen. Da ich Abitur und schon ein paar Semester studiert hatte, verkürzten sich meine Lehrjahre von drei auf zwei und so war das Ende ohnehin absehbar. Irgendwann würde mein Wecker für mich auch wieder später klingeln.

Letztendlich hatte ich alle theoretischen und praktischen Prüfungen der Industrie- und Handelskammer in der Tasche. Ganz nebenbei erschloss sich mir auch ein Kapitel aus der Entwicklungsgeschichte des Konsums, der sich damals in extremer Veränderung befand. Vom kleinen Konsum ging es für mich in den Supermarkt und dann doch wieder zurück in die kleine Filiale.

Im zweiten Jahr lernte ich also in einem großen Markt mit strenger Chefin. Es fiel mir schwer, ihr wirklich etwas recht zu machen. So lernte ich einmal mehr, dass immer wieder Menschen unsere Wege kreuzen, mit denen man nicht wirklich gut harmoniert, aber zurechtkommen muss. Zwischen uns stimmte wohl einfach die Chemie nicht. Ich gab mir Mühe, mich etwas zurückzunehmen, denn mein Temperament ließ mich reden, wie mir der Schnabel gewachsen war. Meine Sportler kennen das zur Genüge und ich bin mir ganz sicher, es macht sie nicht immer glücklich. Einmal wurde ich damals, 1991/92, in diesem Markt sogar zur Strafarbeit verdonnert. Für eine Woche sollte ich jeden Morgen die Rampe kehren. Man bedenke, ich war ein fast 26-jähriger Lehrling, ein junger Mann! Während heute junge Männer nicht selten schon Mitte zwanzig sind, wenn sie erstmalig in die Arbeitswelt hineinschnuppern, galt ich damals als Exot in der Lehrlingsgruppe. Mit dem festen Vorsatz, die Lehre zu Ende zu bringen, stellte ich mich dieser liebenswerten kleinen Zusatzaufgabe „Rampe reinigen“. Der Zufall wollte es, dass genau eine Etage über der Rampe ein Zigarettenautomat von reichlich Kundschaft aufgesucht wurde. Eine Diskothek sorgte an jedem Wochenende für Stimmung in den oberen Räumen und beim Münzeneinwerfen am Automaten verfehlte zu später Stunde so manche D-Mark den Geldeinwurf und landete auf der Rampe, die ich allmorgendlich kehrte und vom Kleingeld „befreite“. Und so hat nicht nur jede Münze zwei Seiten, sondern eben auch jede andere Angelegenheit.

Bis dahin hatte ich schon die verschiedensten Arbeiten erledigt: Flaschen putzen, Obst einsortieren, an der Käsetheke aufs Gramm genau Käse am Stück abtrennen. Was für ein Hochgefühl: „Ich hätte gern 150 Gramm Emmentaler!“ – abgeschnitten, auf die Waage gelegt und 149,5 Gramm abgesäbelt! Das ringt mir heute noch Bewunderung ab, wenn ich so geschickt bedient werde. Abenteuerlich war auch der Kassendienst. Den Preis für jedes Lebensmittel hatten wir im Kopf – von wegen Scanner! Jedes Stück Butter, jeden kleinen Schokoriegel preisten wir aus und tippten ihn bei jedem Kunden einzeln in die Kasse. Mir war das ein guter Ausgleich zu meinen Trainingseinheiten. Ganz abgesehen davon lernte ich die Buchhaltung kennen und erfuhr viel über Lebensmittel. Wie lange sind sie haltbar? Was ist drin? Ein Umstand, der später sowohl mir als auch meinen Sportlern half.

Nach zwei Jahren nannte ich mich also Einzelhandelskaufmann. Ich besaß einen soliden Berufsabschluss, mit dem überall etwas anzufangen war.

Verrückt war an der ganzen Sache, dass ich mitten in meinem Aufstieg zum Chemnitzer „Spitzen-Konsumverkäufer“ auf dem internationalen Eis mit Mandy Wötzel Vizeweltmeister wurde! Ich will später in einem Extrakapitel von jener umfassenden Zweisamkeit erzählen.

Man stelle sich vor, Montag an der Kasse im Konsum das Wechselgeld herausgegeben und Samstag im schillernden Dress die Silbermedaille bei den Weltmeisterschaften im Paarlaufen erkämpft. Als das im Supermarkt bekannt wurde, gratulierten mir die verwunderte Chefin und meine Kollegen. Ich glaube, sie sahen mich von da an mit anderen Augen und zollten mir Respekt.

Manchmal schaue ich heute meinen zehnjährigen Sohn Hugo an und versuche, in seine Zukunft zu sehen; ich bin neugierig auf seine Wünsche. Was wird er einmal wollen? Wenn wir davon ausgehen, dass unsere Talente und Neigungen schon bei unserer Geburt angelegt sind – wie und wo findet er einmal Erfüllung und Glück? Ich bin ganz vorsichtig und will ihn nicht bedrängen, damit alles aus ihm selbst erwächst. Ich will geduldig bleiben, bis er seine ersten wichtigen Entscheidungen trifft.

Bundeswehr

Ich hatte zu diesem Zeitpunkt, nach Abschluss meiner Lehre, noch einmal eine andere Perspektive ins Auge gefasst.

Von irgendjemandem hatte ich von Sportfördergruppen der Bundeswehr gehört. Diese Gruppen existierten in den alten Bundesländern schon über Jahrzehnte, nur im Osten waren sie noch nicht etabliert und man begann gerade erst, sie ins Leben zu rufen. Mithilfe der Gruppen unterstützt die Bundeswehr erfolgreiche Sportler, indem sie ihnen eine finanzielle Basis schafft.

Wenn ich Teil einer solchen Fördergruppe würde, könnte ich trainieren, ohne parallel dazu als Verkäufer arbeiten zu müssen.

Ich erfuhr, dass in Halle eine solche Fördergruppe aufgebaut werden sollte und bewarb mich dort für den ganz normalen Dienst bei der Bundeswehr – in der Hoffnung, die kleine Spezialeinheit würde tatsächlich irgendwann entstehen und ich könnte Teil derselben werden. Ich wusste, dann würde es mir leichter fallen, gleichzeitig zu trainieren und vernünftig zu existieren. Also reichte ich alle nötigen Unterlagen ein, musste einen Sonderantrag stellen, denn ich war schon älter als 25, und so konnte für mich nur eine bestehende Ausnahmeregelung greifen; kurz darauf wurde ich Soldat der Bundeswehr.

Montagfrüh um vier zog ich in Chemnitz los und schob bis Freitagnachmittag in Holzdorf bei den Fliegern Dienst in der Grundausbildung. Dann sauste ich zurück, denn Mandy Wötzel und ich hatten zu diesem Zeitpunkt schon begonnen, zusammen zu trainieren und hatten jeden Freitagabend ein „Date“ in der Eishalle, ebenso am Samstag und Sonntag. Die Wochenenden gehörten komplett unserem Training, Ausnahmen erlaubten wir uns kaum. Ein Vierteljahr mit Stress ohne Ende verging auf diese Art und Weise, aber ich wusste ja wofür. Im Sommer 1993 war es so weit – gemeinsam mit Hauptfeldwebel Zimmer als Vorgesetztem, der Schwimmerin Silke Otto und mir wurde in Frankenberg eine Sportfördergruppe der Bundeswehr aufgebaut. Ich bekam einen Dienstplan und konnte trainieren. Acht bis zwölf Wochen im Jahr absolvierten wir Sportsoldaten dort einige Lehrgänge, frischten sozusagen unser militärisches Wissen auf und konnten den Rest der Zeit frei von finanziellen Sorgen trainieren. Die ersten Jahre erhielt ich nur den Wehrsold, als Gefreiter wurde es ein wenig mehr und zwei, drei Jahre später, ich war inzwischen Zeitsoldat geworden, ging es mir finanziell sehr gut; ich bekam ein vernünftiges Gehalt und konnte in Ruhe trainieren.

Ich blieb sechs Jahre Sportsoldat der Bundeswehr, wurde 1998 nach den Olympischen Spielen in Nagano verabschiedet und startete meine Profikarriere.

Exakt zur gleichen Zeit

Für mich hat sich auf andere Art und Weise Jahre später mein Wunsch erfüllt, mit Menschen zu arbeiten. Mit vier Semestern Sportstudium und einem riesigen Schatz an Erfahrungen startete ich mehr oder weniger autodidaktisch in meine Trainerlaufbahn: Ich setze meine Ideen um, gerade so wie ich es will und kann. Etwas Besseres konnte mir aus heutiger Sicht kaum passieren.

Manchmal fragt man mich, ob meine Eltern nicht meine größten Fans seien. Nein, eigentlich nicht. In all den Jahren waren sie keine Fans, sondern zu 100 Prozent meine Eltern. Mein Vater konnte mich beispielsweise nie laufen sehen, wenn Wettkämpfe anstanden. Ihm wurde schlecht vor Aufregung, deshalb wartete er draußen vor der Halle. Übertrug man die Entscheidungen im Fernsehen, saß er in der Küche, drückte mir die Daumen und lauschte später den Kommentaren meiner Mutter, die alles genau verfolgt hatte. Heute sind meine Eltern wieder drin in der Geschichte mit Aljona und Robin. Wieder verlässt mein Vater das Zimmer, um sein Herzklopfen einzugrenzen. Beide sind wieder Feuer und Flamme. Unsere Familie war immer mein größter Halt.

Mir gelang Gleiches leider nicht. Unsere kleine Familie zerbrach und mein Sohn lebt bei seiner Mutter. Wir zwei Erwachsenen bleiben für ihn sein Elternpaar, darin sind wir uns einig. Sooft es geht, verbringe ich Zeit mit ihm. Ich hoffe, ich kann mir sein Vertrauen auch in den kommenden Jahren erhalten. Sein Fels in der Brandung sein für immer, das wäre schön.

Zunächst wünsche ich ihm, dass er die Schule gut hinbekommt. Er muss nicht der Beste sein, aber er soll gut zurechtkommen. Für die Naturwissenschaften braucht er allerdings einen anderen Nachhilfelehrer als seinen Vater. Er soll gesund bleiben und viel Freude haben. Keine geschenkte, hingegebene Freude, sondern selbst erarbeitete. Kämpfen soll er lernen.

Mein Sohn soll wissen, dass sein Vater und seine Mutter immer die stabile Basis sein werden, die er braucht, um durchs Leben zu kommen. Genauso wie meine Familie immer zur Stelle war, als ich sie brauchte. Ich habe viel gelacht in meiner Kindheit und eine Menge Spaß gehabt. Das will ich nicht missen. Aber danach gefragt, ob ich mir Gleiches für meinen Sohn wünsche, kann ich nur mit einem klaren „Nein“ antworten.

Ich erinnere mich noch gut an jene Zeit, in der sich die Prioritäten in meinem Leben noch einmal neu fanden. Als Hugo auf die Welt kam, stand mein 37. Geburtstag bevor. Da waren wir gerade mit „Holiday on Ice“ in Berlin, meine Freundin und ich wohnten damals zusammen in der Hauptstadt. Natürlich hatten wir schon ein Krankenhaus ausgesucht, um nichts dem Zufall zu überlassen. In besagter Woche lief ich jeden Tag Doppelshows mit unserem Programm. Abends war ich völlig ausgepowert. Dann, am Samstag, standen drei Durchläufe auf dem Programm: 9, 14 und 19 Uhr. Für den Sonntag galt der gleiche Zeitplan.

Am späten Samstagabend kündigte sich unser Sohn an; ich telefonierte völlig aufgelöst mit dem Krankenhaus und teilte dort mit, dass mir die Fruchtblase geplatzt wäre! Die Schwester in der Aufnahme des Krankenhauses nahm mich trotzdem ernst. Wir fuhren sofort los und ich befand mich wohl in der gleichen Verfassung wie jeder Mann in dieser Situation: hilflos, überfordert und trotzdem gut funktionierend.

Turbulente sieben Stunden später kam 6:35 Uhr unser Sonntagskind zur Welt; zur gleichen Uhrzeit wie 37 Jahre zuvor sein Vater. Ich hielt ihn im Arm, wenige unbeschreibliche Minuten lang – und fuhr dann zur ersten Sonntagsvorstellung in die Eishalle. Vor ausverkauftem Haus liefen meine Partnerin Mandy Wötzel von rechts und ich von links aufs Eis und wir glitten nach vorn. Nie kann ich diesen Augenblick vergessen und niemals habe ich einen schöneren Morgen erlebt. Mein Sohn war auf die Welt gekommen und mit diesem Wahnsinnsgefühl stand ich da, nach durchwachter Nacht mit einer Energie, die von irgendwoher aus dem Universum zu mir kam. Für einen winzigen Augenblick stand ich ganz still und bedankte mich für dieses große Geschenk. Ich erlebte diesen glückseligen Sonntag wie in einer Wolke.

Danach veränderte sich alles für mich, der kleine Knopf wurde zum Zentrum meines Universums. Aber ihm eine Jugend wie meine wünschen? Obwohl ich alles wieder genauso machen würde, wünsche ich es mir für meinen Jungen anders. Alles erleben, was mir geschah und wie es mir ergangen ist – nein. Sein Leben soll mehr Leichtigkeit haben, ohne dass er bequem wird. Mehr Heiterkeit, weniger Druck. Ich will sein Lachen hören, wenn ich mit ihm zusammen bin, sooft es geht.

Es wünscht sich wohl jeder für sein Kind, dass es glücklich ist, weil es jeden Vater, jede Mutter selbst glücklich macht. Ich denke, wenn Kinder nicht glücklich werden, finden deren Eltern auch kein Glück.

Wenn ich mit meinem Jungen zusammen bin, denke ich oft an mein Kinderleben, das so komplett anders verlief. So viel Ernst und Reglement. Zu wenig Zeit für unbeschwertes, einfaches Dasein. Bei allem Erfolg und in dem Wissen, dass ich aus mir selbst heraus immer ehrgeizig getrieben war, kam doch die Unbeschwertheit zu kurz. Ein wenig mehr Entspannung hätte mir sicher nicht geschadet und mir vielleicht schon in jungen Jahren etwas mehr Gelassenheit geschenkt. Manchmal denke ich, das hängt mir heute noch an.

Der Ernst des Lebens kommt früh genug. Wie mein Junge einmal leben wird, wo er seinen Platz findet, das ergibt sich aus seinem ureigenen Weg. Ich versuche ihm zu vermitteln, dass man im Leben nur sehr selten etwas geschenkt bekommt und für alles kämpfen muss. Ob mir das gelingt, weiß ich nicht. Bei meinen Sportlern gelingt mir das meist, aber meinem Sohn kann ich nur Vater, nicht Trainer sein. Vielleicht habe ich das Glück, dass wir uns nie aus den Augen verlieren. Ich möchte mein ganzes Leben lang an seiner Seite sein; mal von Nahem, mal aus der Ferne zuschauen. Ich verfolge seine Entwicklung sehr aufmerksam und bin gespannt, wie er durch die Jahre gehen wird, während denen er alles kompromisslos selbst ausprobieren muss. Stehen mir dann die Nackenhaare zu Berge? Ob ich ihn dann immer noch verstehen kann? Hört er mir dann immer noch zu?

Wir werden sehen.

Eiszeiten

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