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09. April (01.Tag) HH-Burchardkai nach Antwerpen - B
ОглавлениеDie „Santa Rosa“ legt um 6.10 Uhr am Burchardkai ab. Langsam werden wir von den Schleppern in die Fahrrinne gezogen und geschoben. 45 Minuten später passieren wir die Begrüßungs- und Verabschiedungsanlage am „Willkommen-Höft“. Die sonst übliche Verabschiedung mit: „Muss i denn zum Städtele hinaus …“ wird uns leider nicht zuteil. Schade, aber es ist noch zu früh. Ob wir nach sieben Wochen begrüßt werden? Es kommt auf die Einlaufzeit an!
Mit einer Geschwindigkeit von 9 und 13 Knoten fährt das Schiff in Richtung offene See. Der Kurs bewegt sich zwischen 285° und 290°, also in westlicher Richtung. Es ist allerhand los auf der Elbe und der Hafenlotse macht zwischendurch Frühstück. Die „AIDAstella“ begegnet uns. Es ist ein AIDA-Kreuzfahrtschiff, das Träume wahr werden lässt. Das Schiff hat wirklich nach außen hin Balkone. Bisher überlegte ich bei Reiseausschreibungen immer, wo denn wohl Balkone sein sollen? Nach einigen Tagen lese ich in einer Bordzeitschrift der „Hamburg-Süd“, dass die „AIDAstella“ 253 m lang ist. Sie hat 71.304 BRT. Am 11. März 2013 übergab die „Meyer Werft“ den Passagierriesen offiziell an die „Kussmund Reederei“. Sie wird gern so genannt, weil auf dem Bug ein riesiger Kussmund gemalt ist.
Der Steward kommt gegen 10 Uhr, um für Ordnung und Reinigung in meiner Kammer zu sorgen und ist bei mir schnell fertig. Meinen Tagesbericht habe ich bereits geschrieben. Es ist der erste von am Ende 49 Tagen Seefahrt auf der „Santa Rosa“. Ich begebe mich zwei Decks höher auf die Brücke. Der Hafenlotse wurde inzwischen durch den Elblotsen abgelöst. Nun stelle ich dem Lotsen die dumme Frage, ob wir schon auf dem offenen Meer sind? „Nee, immer noch auf der Elbe!“ So dumm war meine Frage eigentlich gar nicht, denn
die Elbe ist hier so breit, dass man wirklich davon ausgehen könnte, diese liege bereits hinter uns und wir befänden uns auf dem offenen Meer.
Ich werde auf der Brücke kaum wahrgenommen und betrete diese zunächst noch recht ehrfürchtig. Kontakt hatte ich bisher kaum mit der Mannschaft. Ich lasse es auch langsam angehen, denn die Besatzung hat hier etwas Besseres zu tun, als sich mit dem Passagier zu befassen. Unter uns aber: Ein kurzes Kopfnicken würde mir derzeit auch genügen. Das wird sich aber sicher alles noch ergeben. Zurzeit komme ich mir aber etwas hilflos vor!
Der Koch stammt aus der mikronesischen Republik Kiribati. Zum Mittag gibt es eine Pilzcremesuppe, danach Fischfilet mit Brechbohnen und Reis oder Kartoffelchips. Der Steward ist sehr nett und im Moment auch einer der wenigen Besatzungsmitglieder, zu dem ich etwas Kontakt habe. Der Kapitän nimmt seine Mahlzeit wortlos und sehr schnell ein. Er muss wieder auf die Brücke. Nach gut fünf Stunden ist die Nordsee erreicht.
In der Offiziersmesse hat jeder seinen eigenen Platz. Am Nebentisch sitzen der 2. und der 3. Offizier, der 2. und 3. Ingenieur sowie der Elektriker. An meinem Tisch sitzt mir gegenüber der Kapitän, rechts der 1. Offizier und links der polnische „Chief Engineer“.
Die Mahlzeiten werden zu folgenden Zeiten eingenommen: Frühstück von 7.30 bis 8.30 Uhr, Mittagessen von 11.30 bis 12.30 Uhr, Abendessen von 17.30 bis 18.30 Uhr. Zusätzlich gibt es um 10 Kaffee und um 15 Uhr Tee. Um mein Gewicht zu halten, werde ich, wenn ich die Decks wechsele, dieses stets zu Fuß machen. Es gibt wohl einen Fahrstuhl, der benutzt werden kann, wenn sich das Schiff nicht gerade über 10 Grad nach Backbord oder Steuerbord neigt. Aber ich werde von Deck zu Deck jeweils die 18 Stufen laufen. Vom Oberdeck bis zur Brücke kommen damit 144 Stufen zusammen. Komme ich von Land, so laufe ich erst einmal die 55 Stufen der Gangway hoch und dann die 6 Decks zu meiner Kammer mit 108 Stufen.
Die Wellen haben kaum Schaumkronen, aber dennoch schaukelt das Schiff merklich. In meiner Kammer ist ein kleiner Lautsprecher für Durchsagen und Alarmierungen angebracht. Aus dem Ding fängt es lang anhaltend zu tuten an. Ich kann damit nichts anfangen. Also: Abwarten! Ich begebe mich zum Oberdeck. Die Luft ist angenehm frisch. Ich mache meinen Decksspaziergang in Richtung Back. Dort angekommen werde ich vom 3rd Mate angehalten. Er hat drei Leute bei sich, die offenbar wie ich neu auf dem Schiff sind. Er führt eine Sicherheitseinweisung durch. Das Signal in meiner Kammer war also ein Probealarm!
Wir werden in den Gebrauch der Rettungswesten, der Sauerstoffmasken usw. eingewiesen und laufen das Schiff von der Back bis achtern durch und überall wird etwas erklärt. Der Maat schließt eine Tür auf und bittet darum, dass ich draußen bleibe. Es ist in dem Bereich sehr ölig und schmierig und er hat erkannt, dass mein Pullover noch neu ist. Ich stehe direkt über der Welle des Schiffspropellers. Müsste ich hier etwas schreiben, so sähe es aus, als stünde ich unter Strom. Am Ende der Sicherheitseinweisung werden wir noch fotografiert und müssen eine Unterschrift leisten. In meiner Kammer befinden sich auch Unterlagen, was die Sicherheit anbelangt. Ich werde sie wohl oder übel studieren müssen. Bei Alarmierungen muss ich mich auf dem B-Deck auf der Backbordseite einfinden.
Zum Abendessen soll es Chopsuey mit Pasta oder Reis geben. Nachdem ich den Speisenplan auch für die nächsten Tage studiert habe, gehe ich in die Kombüse. Der Koch schneidet gerade das Fleisch für das Abendessen. Die Brötchen waren heute Morgen warm, schmeckten und sahen auch gut aus. So gut habe ich sie früher nicht hingekriegt. Oder lag es auch an meinem Ofen? Ich frage den Koch, wie er die schönen Brötchen hinbekommen hat. Er muss lachen. Die Brötchen wurden in Hamburg gekauft und lagern im Gefrierraum. Ich studiere daraufhin die Mannschaftsliste: Es gibt gar keinen Bäcker!
Ich frage den Chief Mate, ob Extrawünsche bezüglich der Speisenzubereitung geäußert werden können. Als Veranstalter von Mehrtagesläufen kenne ich das Problem mit Vegetariern. Seit das Schiff am 10. Oktober 2011 in Dienst gestellt wurde, gab es bisher einen einzigen zu verköstigenden Vegetarier. Und das ist nun schon über 16 Monate her. Zu meiner Seefahrtszeit hatte man damit noch keine Probleme. Vegetarier waren eine absolute Randgruppe und kaum bekannt. Bei unserem Koch bestehen Zweifel, ob er ein rein vegetarisches Gericht überhaupt zubereiten kann. In seiner Heimat dürften Vegetarier absolute Exoten sein.
Die Außentemperatur ist angenehm und die Sonne lacht. Mein Fenster steht seit dem frühen Morgen offen. Die sogenannten „Bullaugen“ sieht man auf den modernen Schiffen kaum noch. Mein „Fenster“ kann mit vier Flügelschrauben fest verschlossen werden. Das Schiff wiegt sich leicht in den Wellen. Die Sicht zum Horizont ist neblig, um nicht zu sagen, dass der Horizont kaum als solcher auszumachen ist. Ich werde mal nach einem geeigneten Platz Ausschau halten, wo ich in Kürze einen Liegestuhl aufstellen kann.