Читать книгу Den Oridongo hinauf - Ingvar Ambjørnsen - Страница 6

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Um diese Tageszeit, wenn der Nachmittag zum Abend wird, kann ich die Schiffe der Hurtigrute draußen in der Dunkelheit zwischen Skarven und der Insel vorübergleiten hören. Und ich liege hier in meiner eigenen Dunkelheit, den Kopf unter der Decke und die Augen geschlossen. Hier liege ich und döse vor mich hin und lausche den gewaltigen Schiffsmotoren und dem Wind. Der singt im Draht, der das Haus festhalten soll, wenn wieder ein Orkan wütet. Ein seltsames Stück Musik. Es ist nicht schön, aber es ist stark und beruhigend. Wenn ich die Hand unter der Wärme der Decke hervorstrecke und die kalte Wandtäfelung berühre, spüre ich, wie das Haus leise vibriert. Es scheint unter meinen Fingerspitzen zu leben. Es tut mir gut zu denken, dass das Haus lebt, da soll dieser Einfall so banal und dumm sein, wie er nur will, denn ich habe nicht vor, andere mit solchen Gedanken zu belästigen.

Und ich sehe das Schiff vor mir, wie es jetzt durch den Sund nach Norden weiterfährt, wie es in der Herbstdunkelheit leuchtet, wie die Gesichter sich hinter den Fenstern von Restaurant und Kabinen dem Land zuwenden, jemand schaut in den schwarzen Nachmittag hinaus, und vielleicht erfassen einzelne dieser Augen den Umriss unseres Hauses hier im Inneren der Bucht, vielleicht sogar den Umriss von ihr, die unten im halbdunklen Wohnzimmer steht, die eine Hand auf die Fensterbank gestützt, so steht sie nämlich jeden Tag da, wenn die Hurtigrute auf dem Weg nach Norden vorüberkommt, so steht sie in dem halbdunklen Wohnzimmer und stützt sich mit einer Hand auf die Fensterbank, eine magere Hand zwischen Topfblumen und Kerzen. Das weiß ich, das kann ich klar vor mir sehen, denn oft stehe ich mit ihr zusammen dort, stehe hinter ihr, eine Hand auf ihrer Schulter, oder vielleicht sogar eine Hand auf ihrer Hüfte, so stehen wir da und sehen die vielen Lichter der Hurtigrute langsam in Richtung Ozean verschwinden, ehe sie hinter Nabben dann plötzlich erlöschen.

Ich liege da und schlafe ein und wache auf, stelle die Wirklichkeit auf den Kopf, während Traumbilder sich mit meinen Gedanken verflechten, und wenn das Geräusch der Schiffsmotoren sich in der Ferne verliert, wird das schmale Bett, in dem ich liege, zu einem anderen Bett an einem anderen Ort, zu einer Pritsche, und das Zimmer wird zu einer Kajüte umgeträumt, ehe das Geräusch der Motoren wieder durch meine Gehörgänge pocht, ich fahre den Oridongo hinauf, den düsteren Strom hinauf, und es ist so heiß und feucht und hämmernd einsam, so erfüllt von Krankheit und Sehnsucht, und wenn die Motoren ausgeschaltet werden, kann ich daliegen, die Hände vors Gesicht geschlagen oder zwischen die Oberschenkel geschoben, und dem Geplapper der Vögel des Dschungels lauschen, oder Lachen und Weinen aus den anderen Kajüten und von Deck, laufenden Füßen, dem Klang von Trommeln, weit, weit weg, ich kann einfach ganz still daliegen, und Sekunden, Minuten und Stunden zerbrechen.

Auf diese Weise bekomme ich eine gute Beziehung zur Zeit.

Zur geträumten und zu der, die in der Welt der Wachen herrscht.

Später gehe ich in die Küche hinunter und setze Kaffeewasser auf. Schneide zwei Stücke vom Kringel ab und bringe sie auf einer Untertasse ins Wohnzimmer.

Berit sitzt im Schaukelstuhl, das Kinn auf der Brust. Ihr Tuch ist heruntergeglitten, es liegt zerknüllt auf dem Boden. Sie behauptet, niemals Mittagsschlaf zu halten, aber hier haben wir sie in ihrer ganzen bewusstlosen Pracht! Wenn ich mich nur erinnern könnte, wo ich die IXUS hingelegt habe, dann würde sie es selbst sehen. Aber es ist ja auch so, dass sie durchaus auf die Idee gekommen sein könnte, das Zeitliche zu segnen. Statt also nach dem Fotoapparat zu suchen, stelle ich die Untertasse auf den Tisch neben der Seekiste und beuge mich über sie. Die Halsschlagader pocht … ich hebe das Tuch vom Boden auf und lege es vorsichtig um ihre Schultern.

Und dann wacht sie auf, natürlich.

Im Licht der vielen Kerzen sehe ich, wie sie das rechte Auge öffnet, dann das linke, während sie mich zugleich anlächelt, und ich kann es nicht erklären, ich weiß nicht, warum, aber ich verbinde diesen Blick und dieses Lächeln immer mit etwas »Schwedischem«, ihr ganzes Gesicht hat gleichsam etwas Schwedisches, wenn sie so dasitzt und listig und ein wenig geheimnisvoll aussieht. Die grauen, lebhaften Augen. Das schmale Gesicht. Die geschwungenen Lippen.

Und natürlich hat sie nicht geschlafen. Sie schläft nachts, kann sie mitteilen. Nicht tagsüber.

Ich bin es, der tagsüber schläft.

Sie hat mich durch die Wohnzimmerdecke schnarchen hören.

Ob ich geträumt habe?

Offenbar habe ich auch ein wenig gewimmert.

Darauf antworte ich weniger als nichts. Ich gehe in die Küche und gebe Kaffee in die Kanne. Vier Maße. Nicht mehr und nicht weniger.

Ich kann hören, wie sie aufsteht und durch das Wohnzimmer geht. Ein wenig später, wie sie sich am CD-Gerät zu schaffen macht, ehe sich Miles Davis’ »In a Silent Way« weich über das Zimmer legt.

Dann sitzen wir im Halbdunkel mit unseren Kaffeetassen da und lauschen dieser Musik, die es noch vor wenigen Jahren in meiner Welt nicht gegeben hat, diesen fremdartigen Tonfolgen, und den Musikern, die sie in mein Leben eingebracht hat, Miles Davis, Wayne Shorter, Herbie Hancock und die vielen anderen, und als das Stück Kringel verzehrt ist, schiebe ich mir einen Priem ein, eine Prise, sie liegt salzig und scharf unter meiner Oberlippe.

Wir reden nicht viel. Wir haben einander schon so viel gesagt. Außerdem hat sie nach dem, was geschehen ist, eine Art Schüchternheit entwickelt, sie hat sich ein behutsames Nuscheln zugelegt, das S ist ein wenig unklar, es spielt ein bisschen mit C und H, und es ist wohl auch so, dass die Zeit der langen verwickelten Sätze unwiderruflich vorüber ist. Das macht ihr natürlich zu schaffen, und bisher hat sie kein besonderes Interesse an den von mir entwickelten Ausspracheübungen an den Tag gelegt – Sara Selmers siebter Einsatz als serbische Sachensucherin –, aber jetzt ist es nun einmal so, dass Gott der Herr dafür gesorgt hat, dass sie mich hat und ich sie. Das ist groß, und deshalb gibt es nicht sehr viel darüber zu sagen. Alles liegt ein wenig jenseits der Worte.

So zu sitzen. Mit Lutschtabak und Kaffee. In einem Zimmer mit einer Frau. Zum Gott weiß wievielten Mal geht mir auf, wie gemütlich dieses Wohnzimmer ist, vor allem um diese Tageszeit, und nachts, ja, die ganze Zeit, bis im Osten das erste Tageslicht zu sehen ist. In all diesen Stunden, vom Nachmittag bis zum Morgengrauen, ist dieses Zimmer das Herz des Hauses. Ja, so denke ich. Dass das Wohnzimmer das Herz des Hauses ist. Tagsüber sitze ich in der Küche, vom Frühstück an und in jedem müßigen Augenblick. Sitze da mit Ziegenkäse und Kaffee oder nur mit Kaffee, sitze da zusammen mit ihr oder allein, trinke Kaffee und schaue hinaus auf die Straße, so wie Tausende andere Menschen in diesem langgestreckten Land ebenfalls am Küchentisch sitzen und auf die Straße hinausschauen, den Nachbarn vorüberradeln sehen, mit dem Auto vorbeifahren, vorbeigehen, so wie sie vertraute Autos und fremde Autos bei jeder Art Wetter sehen, sommers wie winters fahren die vorbei, von links nach rechts, oder von rechts nach links, und wenn man einen anderen Menschen hat, kann man darüber reden, über die Bewegungen, die sich draußen vor dem Küchenfenster abspielen, während der, der allein ist, alles in sich versinken lassen muss, ich kenne mich aus mit diesen beiden unterschiedlichen Zuständen. Und nach dem Essen kommen die warme Dunkelheit des Wohnzimmers und das Meer, das sich in die Unendlichkeit erstreckt, das Rauschen des Strandes und die Schreie der Seevögel, und hier sitze ich und lasse alles auf mich einwirken, nicht die Schreie der Seevögel, die schweigen jetzt in der Dunkelheit, aber die Wellen, die gegen das Ufer schlagen, und das Knistern im alten Holzofen, nachdem Miles für diesmal Feierabend gemacht hat. Ja. Das Herz des Hauses. Das Bücherregal. Eine ganze Wand, bedeckt von Buchrücken. Abgegriffene Bücher und neuere Bücher. Die Seekiste unter dem Fenster, mit den Tischdecken, die Berit in den langen Wintermonaten bestickt hat, Jahr um Jahr. Der Diwan hinten beim Ofen, und das Holz, das ich selbst ins Haus getragen habe. Wenn ich auf dem Diwan liege, ich hätte fast gesagt: Wenn der Kater mir gestattet, mich auf den Diwan zu legen, dann riecht es nach warmem Holz und ein wenig schimmelig von dem dicken Wandbehang. Es ist ein gewebter Wandbehang, ein Bild, das einen röhrenden Hirsch zeigt, dazu zwei kleine Hirschdamen, die ihn unter einer alten Eiche fragend mustern. Gemälde. Bäume. Blumen. Fjord und Inseln. Der Leuchtturm von Skarven. Sie hat sie selbst gemalt. Sie ist sehr begabt, aber nicht als Malerin, und diese Unbeholfenheit in Öl auf Leinwand gibt mir ein Gefühl, das an Mitleid erinnert, das aber etwas ganz anderes ist, ich weiß nicht so recht, was.

Der Kater steht in der Küchentür und betrachtet mich. Große aufgerissene Augen, als habe er einen soeben gelandeten Außerirdischen entdeckt, er steht da in der Türöffnung und ist in der Welt zugegen, wie erstarrt für einige Sekunden, ehe er zum Schaukelstuhl hinüberstolziert, um dann einen Sprung auf Berits Schoß zu machen, zu ihr, die seine Auserwählte ist, seine Bevorzugte auf Erden, und darin liegt ein tiefes Verständnis zwischen dem Kater und mir.

Das Mobiltelefon in der Seitentasche meiner Arbeitshose piept. Ein schwaches Vibrieren an meinem Oberschenkel.

Es ist Reinert von Neset. Jetzt will er das Holz bringen.

Ich gehe in den Gang hinaus und ziehe Magnes schwere Arbeitsstiefel und Magnes Jacke mit den Farb- und Harzflecken an.

Dann gehe ich hinaus.

Es weht. Hier oben weht es fast immer. Starker Wind kommt vom Meer herein, gewürzt mit winzigkleinen Eiskristallen, die sich an den Nähten der Jacke ablagern, die weiße Linien auf den groben Stoff zeichnen. Die Lampe auf dem Hof legt einen gelben Halbkreis in den Kies. Ich gehe über den Hofplatz zur Scheune und öffne die Doppeltür, ich weiß nicht, warum, es ist doch zu früh, aber ich sichere beide Türen mit den dicken Eisenbolzen. Und die Bolzen wiederum sind im Boden verankert.

Unten am Strand bleibe ich stehen und stoße mit dem Fuß den dicken Stamm an. Der lässt sich ein wenig bewegen. Ich denke, dass wir zwei noch gute Freunde werden, in den Stunden, die wir brauchen, um dich mit Säge und Axt zu zerteilen, dich Stück für Stück ins Haus zu bringen, zum Trocknen beim Ofen, ehe der Ofen dich bekommt und Berit und ich die Wärme.

Dann gehe ich in die Hocke und halte die Hand in das eiskalte Wasser.

Berühre die glatten Steine.

Wie ich das sonst nur mache, wenn die alte Unruhe mich erreicht.

Das geschieht nicht oft.

Jetzt bin ich ganz ruhig. Deshalb zähle ich nicht bis tausend, sondern denke stattdessen an Walhai und Rochen, an Tigerhai und Seelachs, die da unten in der großen nassen Welt umherschweben, in die ich jetzt meine Hand geschoben habe, in dem hohen Himmel aus Salzwasser, der sich über den Tiefen wölbt, kalt und dunkel und gewaltig. Es ist überwältigend. Eine einzige große schwimmende Gebärmutter, und ich wohne so nah dabei, dass die Stürme große Schaumsoden von der Oberfläche reißen und sie mit einem weichen Klatschen, das ich aus irgendeinem Grund mit Sex assoziiere, gegen die Wohnzimmerfenster werfen. Der grelle Leuchtturm draußen auf Skarven brennt jetzt und alle paar Sekunden fegt der Lichtkegel über Meer und Schären und Inseln hier drinnen in unserem Teil der Bucht, jetzt durch das immer dichter werdende Schneegestöber. Ich ziehe die Hand aus dem Meer und will mir durch die Haare fahren, ich nehme die Mütze ab, um mir durch die Haare zu fahren, aber im selben Moment merke ich, dass die nicht mehr da sind: Es ist vier Jahre her, aber ich habe mich noch immer nicht daran gewöhnt, dass ich auf dem Weg den Oridongo hinauf die Haare verloren habe. Das macht nichts. Als ich in die alte Welt zurückkehrte, stellte ich fest, dass ein kahler Schädel bei Männern jetzt modern war. Berit sagt, ich hätte schöne Ohren. Sie ähnelten Muscheln.

Ich gehe zurück zur Scheune. Ich hätte die Doppeltür natürlich nicht öffnen dürfen. Der Schnee legt sich auf den Boden. Andererseits habe ich keine Lust, die Tür zu schließen, wo ich sie nun schon sperrangelweit aufgerissen habe. Ich will Reinert von Neset klarmachen, dass ich die Dinge auf meine eigene Weise erledige. Und jetzt stelle ich mir vor, dass er die Ladung direkt in die Scheune kippen soll. Aber warum habe ich nicht warten können, bis er hier ist? Weil ich nicht die Zeit eines anderen vergeuden will. Ich will, dass alles bereit ist, wenn er kommt. Außerdem ist es ja so, dass der Schnee den grauen Staub auf den breiten Bodenbrettern bindet, stimmt das nicht? Doch. Wenn ich mit dem Besen darüberfahre, wird der Schnee grau gefärbt, fast schwarz, und dann brauche ich den Dreck ja nur noch auf den Hof hinauszukehren; was ich hier mache, ist wirklich fast schon genial. Nicht so dumm, der alte Vågsvikinger, denke ich. Er hat seine Eigenheiten, das schon. Wer hat die nicht? Er beharrt auf seiner Meinung und gibt sich nur selten geschlagen. Das ist hier draußen am offenen Meer nicht direkt ein Nachteil. Im Gegenteil. Es ist sogar eine Annäherung an die Gemeinschaft, die verstanden und respektiert wird. Offener Trotz ist ein Teil des Inselkodex. Ich glaube fast, das sagen zu dürfen.

Ich höre Reinert, ehe ich ihn sehe. Das heißt, ich höre seinen Traktor hinter dem Haus. Dann sehe ich die blauen Lichtkegel der Scheinwerfer über dem Briefkasten, ehe der Traktor plötzlich aus der Dunkelheit auftaucht und auf dem Hofplatz rangiert, hin und her, oder auf und ab, wie Reinert selbst sagen würde, wenn er Lust hätte, sich zu dieser Frage zu äußern, aber vorläufig begnügt er sich damit, zum Gruß mit einem Finger an seine Pelzmütze zu tippen, was ich damit beantworte, dass ich braun ins Scheinwerferlicht spucke, ehe ich ihn mit beiden Händen zu mir winke, als er mit seiner Ladung zur Scheune zurücksetzt. Näher. Näher. Er dreht das Kinn über die rechte Schulter und starrt mich misstrauisch an, während er vorsichtig auf das Gaspedal tritt. Noch näher? Ja. Noch näher. Bis fast ganz zu mir. So machen wir das da, wo ich herkomme. Am Ende will er nicht mehr und leert die Ladung Birkenholz so heftig ab, dass die Scheite mitten in die Scheune krachen. Dann dreht er den Motor aus und dreht sich eine Zigarette.

Jetzt ist es wichtig, nicht »danke« zu sagen und keinerlei Form von Enthusiasmus zu zeigen. Er kann in solchen Situationen ungeheuer reizbar sein.

Ich packe eine weitere Prise und schiebe sie mir unter die Lippe. »Du kommst doch auf einen Kaffee mit rein?«

Er gibt sich Feuer. »Nein. Komm nicht rein.«

Er steigt vom Traktor und macht sich an die Inspektion der Ladung, die er angeliefert hat. Schiebt mit dem Fuß zwei Scheite zurecht. Dann entdeckt er das Holzlager, das ich aufgeschichtet habe, und schnalzt auf eine Weise mit der Zunge, die ich als Anerkennung deute. Und von mir aus gern. Es hat seine Zeit gebraucht, um alles so zu legen, wie er es jetzt sieht, und die einzige Hilfe, die ich dabei bekam, stammte von meinen eigenen Händen. Ich zeige und erkläre. Zuerst zwei Bretter, parallel durch die gesamte Länge des Raumes gelegt, das innere dicht vor die Wand. Ich habe sie, mit einem Zwischenraum von zwanzig Zentimetern, an den Boden genagelt, sicherheitshalber, nicht zweiundzwanzig und nicht fünfundzwanzig, sondern zwanzig. Dann muss man die Sache mit der Wasserwaage überprüfen, kleine Keile dazwischenschieben, zurechtrücken und begradigen, bis es an diesem Fundament, dieser Unterlage, nicht auch nur eine Abweichung von einem Millimeter von Kante zu Kante gibt, oder, wenn man so will – von Wand zu Wand, es dauert einige Tage, aber es ist ein gutes Gefühl, wenn alles stimmt und wenn man anfangen kann, das Holz zu legen. So nenne ich das. Das Holz legen. Langsam. Vorsichtig. Schieben. Herausziehen. Eine Schicht nach der anderen an der ganzen Länge der Wand entlang legen, mit so wenig Zwischenraum wie möglich zwischen den Scheiten, die wegnehmen, die nicht hineinpassen, sie durch neue ersetzen, die hier nicht passen, passen anderswo, probieren, sich irren, wieder und wieder, bis das Holzlager fast als massive Wand daliegt. Und dann? War das eine Kunst? Nein, das vielleicht nicht, aber jetzt zeige ich Reinert von Neset den Hammer. Hebe ihn hoch. Schlage vorsichtig auf ein Holzscheit, sodass es die notwendigen drei Millimeter nach innen rutscht und damit in besserer Harmonie mit dem restlichen Lager daliegt. Ich habe jedes einzelne Holzscheit hier angepasst, und deshalb kann man am Lager vorbeigehen und mit der Hand über die Endscheite fahren, mit dem Gefühl, über die glatte Wand zu streichen, und ich gebe zu, wenn auch nur insgeheim und nicht anderen gegenüber, das wage ich nicht, das traue ich mich nicht, aber wenn ich allein hier wäre, ja, dann würde ich den weißen Enden zwei Lackschichten verpassen. Denn das wäre noch ein wenig schöner.

Er sieht mich mit einem Blick an, den ich nicht deuten kann. Ist das Ver- oder Bewunderung?

Berit kommt mit einem dampfenden Becher Kaffee in der Hand über den gefrorenen Kies. In der anderen Hand hält sie das vollgestopfte Portemonnaie. Der Boden knirscht unter ihren großen Holzschuhen. Sie hat sich rote Wollsocken über die Hose gezogen.

Sie reicht Reinert den Becher und fängt an, die Geldscheine abzuzählen.

Du dürftest nicht hier draußen in der Kälte stehen, denke ich, sage es aber nicht.

Ich müsste die Arme um dich legen und dich vor dem Wind beschützen. Ich bringe das nicht über mich, solange dieser Trottel da steht und glotzt. Jetzt fangen sie an, eine Art Gespräch zu führen, es besteht aus Räuspern und halben Sätzen. Ein Gespräch von der Sorte, die die Leute aus den entlegenen Gebieten wütend macht, wenn es in einem norwegischen Spielfilm vorkommt. Ich versuche mich ebenfalls an einigen amputierten Sätzen, aber das ist irgendwie … nicht … da gehe ich lieber zum Birkenholz hinüber und fange an, die Stücke in die Scheune zu werfen, damit wir die Tür schließen können, wenn die Nacht sich über uns hereinsenkt.

Ich höre, wie Reinert den Motor anlässt und losfährt.

»Lass es liegen!«, sagt sie. »Komm jetzt ins Haus.«

»Du dürftest nicht hier draußen in der Kälte stehen«, sage ich.

Dann drehe ich mich um und lege die Arme um sie.

Den Oridongo hinauf

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