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Wie der Vater, so die Tochter?
»Mein Name ist Insa Thiele-Eich, und ich möchte Deutschlands erste Astronautin werden.« So verabschiedet sich die 35-jährige Meteorologin und Zweifach-Mama in ihrem Vorstellungsvideo auf YouTube. Die Floskel ist vorgegeben, alle Finalistinnen müssen sie sagen. Auch wenn sie an die diktierten Sätze bestimmter Castingshows erinnert, handelt es sich hierbei nicht um ein Medienevent, auch wenn das strenge Auswahlverfahren und harte Training der Frauen gern medial begleitet wird.
»Die Astronautin«, initiiert von Raumfahrtingenieurin Claudia Kessler, möchte die erste deutsche Frau ins All bringen. Denn insgesamt waren bereits 60 Frauen verschiedener Nationalitäten oben. Und obgleich Deutschland innerhalb Europas mit elf Astronauten die stärkste Raumfahrtnation ist, hat es bisher – trotz Bewerbungen – keine Frau in ihre Reihen geschafft. Tatsächlich begegnen Anwärterinnen auf der Fahrt ins All hierzulande Sätze, die beispielsweise in den USA undenkbar wären: »Wie, eine Frau kann das auch?« Dabei haben in den 80ern sogar schon zwei Frauen als Raumfahrtanwärterinnen trainiert: Renate Brümmer und Heike Walpot.
Mit Brillengestell aus Tiroler Holz auf der Nase und langen blonden Haaren ist die zierliche Insa vermutlich die größte Antithese zum Phantom des Astronauten-Alphamännchens, das immer noch durch die Köpfe ewig Gestriger schwebt. Ihre fünf- und siebenjährigen Töchter sitzen auf ihrem Schoß, wuseln um sie herum, haben ganz eigene Ideen, wo es nun langgehen soll. Geht Mama auf Reisen, begleiten sie jeweils zwei von den Mädchen ausgewählte Kuscheltiere, die dann am Zielort posieren und per WhatsApp das heimische Sofa wieder erreichen.
Doch wie kommt die ruhige Wissenschaftlerin mit der Tendenz, sehr schnell zu sprechen, dazu, jetzt eine der letzten gläsernen Decken Deutschlands zu durchbrechen, noch dazu mit Raketenantrieb?
Ihr Vater, Gerhard Thiele, umkreiste bereits im Jahr 2000 die Erde in dem Space Shuttle Endeavour und kartografierte dabei 80 Prozent der Landmasse in 3-D. Die Daten werden unter anderem für die Flugnavigation normaler Flugzeuge genutzt, für Funkwellenberechnungen – und von Insa in ihrer Promotionsarbeit über die Auswirkungen des Klimawandels in Bangladesch. Was hat sie sonst noch von ihm bekommen? Charakterzüge, besondere Fähigkeiten, etwa Tipps für das Auswahlverfahren? Nun ja. Die Fähigkeit, Sachverhalte punktgenau zu durchleuchten, scheint beiden naturgegeben. Der analytische Geist ist stark in beiden. Ansonsten prallen sie aber mit ihrer unterschiedlichen Art auch oft aufeinander, was sie feingeistig und liebevoll wieder ausgleichen. Einen praktischen Tipp von Papa gab es für den Abend vor den Tests: »Sieh zu, dass du eine ordentliche Mütze Schlaf kriegst.« Und: »Stay calm and have fun!«
Gerhard Thiele hatte seinen Raumfahrtkollegen im Auswahlkomitee für »Die Astronautin« bewusst nicht erzählt, dass seine Tochter unter den Bewerberinnen für dieses Projekt ist, um eine mögliche Bevorzugung zu vermeiden. Und ihr zu sagen, auf was sie bei den Tests zu achten habe, »hätte sie nur von der Aufgabe abgelenkt«, weshalb er komplett darauf verzichtete. Dennoch ist sein prägender Einfluss auf Insa nicht von der Hand zu weisen, wuchs sie doch durch ihn in der »Raumfahrtszene« auf, verdiente sich als Babysitterin für Kinder der NASA-Astronautinnen ein Taschengeld dazu. Kann ich Mutter sein und gleichzeitig Astronautin? Diese Frage hat sich für die junge Insa nie gestellt.
Wie Insa ihren Weg geht, wie zuvor ihr Vater und wie diese beiden Astronauten ticken, das erfahren Sie in diesem Buch. Beider größter Wunsch ist es, die Bevölkerung in Deutschland und besonders junge Frauen zu inspirieren, sich aktiv in Naturwissenschaften, Forschung und der Raumfahrt einzubringen. Momentan stellt es ein großes Event dar, dass 2020 endlich auch eine deutsche Frau ins Weltall kommen könnte. Die Hoffnung aller Beteiligten: dass so etwas in zehn bis 20 Jahren vollkommen normal sein wird.