Читать книгу Nimm mich - oder stirb - Irene Dorfner - Страница 6
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ОглавлениеManuela Kaufmann hatte vergeblich versucht, Hilfe von der Polizei zu bekommen und musste unverrichteter Dinge wieder gehen. Traurig packte sie ihre Mappe wieder ein und ging. Seit diesem Fund fühlte sie sich um Monate zurückgeworfen und wurde wieder zu der eingeschüchterten, ängstlichen Frau, wie Walter sie haben wollte. Sie ging zu ihrem Wagen, wobei sie sich ständig umsah. Sie spürte, dass Walter hier irgendwo war. Aber wo?
Stefan Kimmerle war untröstlich und sah der Frau hinterher. Sie hatte Angst und auch jeden Grund dazu. Trotzdem durfte er eine Anzeige nicht ohne Beweise aufnehmen. Die Kollegen waren sprachlos und starrten Kimmerle an.
„Können wir wirklich nichts für die arme Frau tun?“, fragte Horst Deutschle immer noch sehr ergriffen.
„Was denn? Ohne Beweise? Denkst du, der Stein reicht für eine Anzeige aus?“
„Kaum. Schade, ich hätte der Frau sehr gerne geholfen.“
„Denkst du, ich nicht?“
Kimmerle tippte den Namen Walter Neubert Nürnberg in den Computer. Auf dem Bildschirm tauchte das Bild eines Mannes auf, der völlig harmlos aussah. Trotzdem war er aktenkundig, was den Anzeigen von Manuela Kaufmann und der damit zusammenhängenden Gerichtsverhandlung zu verdanken war. Fassungslos starrte Kimmerle auf das Gesicht, Deutschle stand hinter ihm.
„Das ist der Beweis dafür, dass du den Menschen wirklich nicht ansiehst, welche Sadisten und Psychopathen dahinterstecken können. Wenn mir der Typ auf der Straße begegnen würde, würde ich niemals glauben, zu was der alles fähig ist. Wenn ich doch nur mal so einen in die Finger kriegen könnte.“ Horst Deutschle war sein Leben lang Polizist mit Leib und Seele gewesen. Aber seine Tage im Polizeidienst waren gezählt. Er war krank und seine Pensionierung war nur noch eine Frage von Monaten. Trotzdem würde er nicht vor einer Konfrontation mit einem solchen Verbrecher zurückschrecken, auch wenn seine beste Zeit schon hinter ihm lag.
Nur noch eine halbe Stunde, dann hatte Kimmerle Feierabend. Frau Kaufmann ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Es kam nicht selten vor, dass er es mit häuslicher Gewalt und auch Stalking zu tun hatte. Die ängstlichen Augen der Opfer ließen ihn oft nicht zur Ruhe kommen, das ging auch an Polizeibeamten nicht spurlos vorbei. Das, was Frau Kaufmann erzählt hatte und was er dazu in den Unterlagen gelesen hatte, war einfach nur grausam und ekelhaft. Er hätte der Frau gerne geholfen, aber ihm waren die Hände gebunden.
Manuela Kaufmann sah immer wieder in den Rückspiegel. Sobald Scheinwerfer darin auftauchten, wurde sie panisch. Sie verriegelte die Türen von innen, auch wenn das nicht viel helfen würde. Wenn Walter es auf sie abgesehen hatte, konnte ihn nichts und niemand davon abhalten. Zum Glück war der Weg nach Hause nicht zu weit. Sie stellte den Wagen ab, griff nach dem Pfefferspray und rannte auf den Eingang des Hochhauses zu. Rasch machte sie die Tür zu, wobei sie es unterließ, das Licht einzuschalten. Sie wartete und sah nach draußen, aber nichts geschah. Als sich die Tür des Aufzugs hinter ihr schloss, atmete sie erstmals auf. Die sechste Etage war erreicht. Ob Walter vor ihrer Tür auf sie wartete? Sie umklammerte das Pfefferspray und war auf das Schlimmste gefasst.
Walter Neubert war immer in ihrer Nähe. Er war verärgert darüber, dass Manuela zur Polizei gegangen war. Hatte er ihr das nicht verboten? Und hatte sie nicht gelernt, dass sie ihn dadurch nicht abwimmeln konnte? Er konnte der Liebe seines Lebens ansehen, dass sie Angst hatte, was ihn wiederum freute. Nicht mehr lange, und er hatte sie genau da, wo er sie haben wollte.
Walter Neubert dachte nicht daran, seiner Angebeteten jetzt schon zu nahe zu kommen. Noch nicht, die Zeit war noch nicht reif. Außerdem hatte er sich für Manuela viel einfallen lassen. Die Freude daran wollte er sich nicht mit einem zu schnellen Vorpreschen verderben.