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Jacob Winzl kam langsam zu sich. Sein Kopf dröhnte und die Glieder schmerzten. Um ihn herum war alles ruhig. Er spürte sofort, dass hier etwas nicht stimmte. Er öffnete die Augen. Durch einen Spalt des mit dicken Vorhängen zugezogenen Fensters drang nur wenig Tageslicht ins Zimmer und schemenhaft nahm er Stück für Stück seine Umgebung wahr. Er lag auf einem schäbigen, dreckigen Metallbett. Außer der uralten Matratze gab es ein versifftes Kissen und eine alte Wolldecke; beides warf er sofort angeekelt auf den Boden. Von der Wand links von ihm strahlte ihn eine nackte Schönheit an. Nach einem kurzen Moment der Freude erkannte er, dass die Frau nicht real war, sondern Teil eines riesigen, billigen Fotokalenders, wie sie oft in Werkstätten und Spinden hingen. Seine Blicke wanderten weiter. Die uralte Tapete hing an einigen Stellen von der Wand. Neben dem Bett stand ein Eimer, daneben sechs Liter Wasser in Plastikflaschen. Sonst war in dem kleinen Raum nichts. Was sollte die Scheiße?

Das Handy! Er griff in die Hosentasche und suchte nach seinem Smartphone, das er immer bei sich trug. Es war weg. Er schloss die Augen und rieb sich den Kopf, denn die Schmerzen und das Pochen wurden immer stärker. Jacob war sich sicher: Wenn er jetzt die Augen aufmachte, entpuppte sich alles als ein dummer Traum. War er gestern nicht beim Feiern gewesen?

Jacob öffnete die Augen und musste feststellen, dass er immer noch denselben Traum träumte. Wach endlich auf! Er rieb sich die Augen und setzte sich auf, was aufgrund der Kopf- und Gliederschmerzen ein Kraftakt war. Was zum Teufel war hier los? Ein übler Scherz seiner Freunde? Oder ein Racheakt einer verrückten, enttäuschten Frau? Nein, mit solchen Frauen hätte er sich nie eingelassen. Er entschied, aufzustehen, was ihm nicht gelang. Erst jetzt bemerkte er, dass sein linker Fuß mit einer dicken Kette ans Bett gefesselt war. In Panik zog er daran, versuchte, mit zitternden Händen die Kette irgendwie aufzubekommen. Vergessen waren die Schmerzen und er achtete auch nicht darauf, dass sein Fuß durch die Aktion malträtiert wurde. Das Blut lief den Knöchel herunter, aber das war jetzt nicht wichtig. Er zerrte und zog, schlug um sich und bemerkte nicht, dass die Wunde am Knöchel immer größer wurde. Erschöpft und ohne etwas erreicht zu haben gab er auf.

Die Panik war verflogen, Wut stieg in ihm auf. Nicht mehr lange, und man würde ihn aus seiner misslichen Lage befreien und alles löste sich auf. Das hier war kein Scherz mehr und das würde auf jeden Fall rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Gut, auch er machte seine Späße, aber die gingen nie so weit!

Wie war er hierhergekommen? Denk nach! Er war nach einer durchzechten Nacht nach Hause gebracht worden. Von wem? War das nicht Charly gewesen? Doch, sie war es ganz bestimmt! Wie immer hatte sie ihn vor der alten Tanne abgesetzt. Dann war er über das Grundstück zum Haus gelaufen. Was war dann passiert? Jetzt fiel es ihm wieder ein. Jemand kam von hinten und hatte ihm ein Tuch vors Gesicht gehalten. An mehr konnte er sich nicht mehr erinnern. Da hatte sich jemand einen dummen Scherz mit ihm erlaubt. Er war für Scherze immer zu haben, aber das ging zu weit! Beleidigt legte er sich wieder aufs Bett und wartete auf den- oder diejenige, die ganz sicher sehr bald durch diese Tür kommen würde.

Jacob wartete und behielt die Tür im Auge, aber nichts passierte. Es wurde kalt. Wo war diese verdammte Decke? Es kostete ihn sehr viel Mühe und Geschick, die Decke zu erreichen, und er deckte sich rasch zu. Er musste dringend pinkeln. Aber wie? War dafür der Eimer gedacht? Das durfte doch nicht wahr sein! Er wartete noch, bis er es nicht mehr aushielt, langte nach dem Eimer und erleichterte sich. Das war menschenunwürdig! Er konnte sich nicht daran erinnern, dass er jemals so sauer war.

Plötzlich tauchten vor ihm an der Wand Bilder auf. Eine Frau mit einem Kleinkind vor einem See, im Wald und vor einem Auto. Das waren ältere Bilder. Wo wurden die gemacht? Die Frau war ihm völlig unbekannt. Woher zum Teufel kamen die Bilder? Und was sollte der Scheiß? Jacob drehte sich um und entdeckte eine kleine Öffnung weit über dem Bett, durch die die Bilder an die Wand projiziert wurden. Er versuchte, an diese Öffnung zu gelangen, was ihm misslang: Die Kette am Fuß hinderte ihn daran. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als sich die Bilder anzusehen. Er versuchte, sich an die Frau zu erinnern. Hatte er etwas mit ihr? Das konnte nicht sein, dafür waren die Bilder zu alt. Wie hätte er sich an sie erinnern sollen? Die Frauen sahen sowieso alle gleich aus und er konnte sie noch nie auseinanderhalten. Er war schon oft in eine peinliche Situation geraten und hatte sich angewöhnt, den Frauen alle Kosenamen zu geben. Tat ihm diese Frau das hier an, die fortwährend in die Kamera lächelte? Oder waren es doch seine Freunde, die ihm übel mitspielten und das Ganze auch noch lustig fanden? Wieder und wieder tauchten dieselben Bilder vor ihm auf, die ihm alle nichts sagten. Er kannte weder die Frau noch das Kind, noch irgendeine Umgebung. Wurden die Bilder überhaupt hier aufgenommen? Anfangs langweilte er sich, dann nervten ihn die Bilder mehr und mehr. Nach einigen Stunden konnte er die Bilder nicht mehr sehen. Wann hörte das alles endlich auf? Wann wurde er endlich aus dieser misslichen Lage befreit?

JACOB

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