Читать книгу JACOB - Irene Dorfner - Страница 7
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Оглавление„Sie kennen Alfred Winzl?“, stellte Rudolf Krohmer, Leiter der Polizeiinspektion Mühldorf den Gast im Besprechungszimmer vor. Alle kannten den 63-jährigen Winzl nicht nur aus den Medien. Die Firma Winzl war in Ampfing ansässig und handelte seit den 70er-Jahren mit Schrott und Metall. Alfred Winzl hatte mit einem kleinen Schrottplatz angefangen und die Firma durch viel Geschick und mit sehr viel Fleiß Stück für Stück zu einem ansehnlichen Unternehmen aufgebaut, das mittlerweile fast 60 Mitarbeiter beschäftigte. Niemand mochte den kleinen, untersetzten Mann mit dem schütteren Haar und dem billigen Anzug, denn Winzl nahm kein Blatt vor den Mund und legte sich mit allen und jedem an. Er war zwar ein knallharter Geschäftsmann, konnte sich aber nicht benehmen. Oder wollte er nur nicht? Was wollte Winzl bei der Kriminalpolizei? Sein Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes.
„Herr Winzl ist hier, weil er vermutet, dass sein Sohn Jacob entführt wurde. Das hier fand er heute in seinem Briefkasten. Es ist nur eine Kopie, das Original ist bereits bei der Spurensicherung.“
Tatjana Struck schnappte sich das Blatt und las es aufmerksam durch. Das war keines dieser Schreiben, die aus Buchstaben verschiedener Zeitungen und Illustrierten zusammengeklebt wurden. Das hier war anders.
„Das darf doch nicht wahr sein,“ rief die 36-jährige Frau aus, die auch heute wieder einen dicken, selbstgestrickten Pullover trug, der schon bessere Zeiten gesehen hatte. Sie gab das Schreiben an ihren 55-jährigen Kollegen Hans Hiebler weiter, den auch heute wieder ein betörender Herrenduft umgab. Je mehr Hans las, desto mehr verzog sich sein Gesicht. Was sollte dieser Blödsinn? Wortlos gab er das Schreiben an den 40-jährigen Werner Grössert weiter, der wie immer wie aus dem Ei gepellt in einem sündhaft teuren Anzug erschienen war. Werner überflog das Schreiben und gab es schließlich an Leo Schwartz weiter, der schon ungeduldig wartete. Warum hatte der Chef nicht einfach vier Kopien gezogen? Nicht nur Leo war ungeduldig, sondern auch Alfred Winzl, der ständig auf die Uhr blickte. Ihm schien das alles viel zu lange zu dauern und er begann, mit den Fingern auf den Tisch zu trommeln, was Krohmer überhaupt nicht mochte. Krohmer hatte mit Absicht nur eine Kopie von dem Schreiben gezogen, um die jeweiligen Reaktionen seiner Leute mitzubekommen. Wie würden sie auf den Inhalt reagieren? Hielten auch sie das für einen Scherz? Noch stand die Reaktion von Leo Schwartz aus, der sich die Zeit nahm, die wenigen Worte mehrfach zu lesen. Dabei gab er Geräusche von sich, die seinen Unmut erahnen ließen. Der 51-jährige Schwabe warf das Schreiben auf den Tisch.
„Das ist doch völliger Schwachsinn. Da erlaubt sich einer einen Scherz. Das kann man doch nicht ernst nehmen,“ sagte er wütend.
Hans war derselben Meinung.
„Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen Herr Winzl, müssen Sie zugeben, dass Ihr Sohn Jacob kein Heiliger ist. Wie oft wurde er von der Polizei aufgegriffen und kam mit dem Gesetz in Konflikt? Wie oft hat er sich auf Kosten anderer einen Scherz erlaubt und ist dabei weit übers Ziel hinausgeschossen? Wenn Sie mich fragen, ist das hier ein weiterer Versuch Ihres Sohnes, andere zum Narren zu halten.“ Hans hatte selbst schon mit Jacob zu tun und hielt ihn, gelinde gesagt, für ein richtiges Arschloch. Arrogant, überheblich, hinterfotzig und immer darauf aus, sich über alles und jeden lustig zu machen.
„Das ist eine Unverschämtheit,“ schrie Alfred Winzl und wollte auf Hans losgehen, aber Krohmer hielt ihn zurück.
„Sie wissen genau, dass Herr Hiebler nicht falsch liegt. Auch ich bin geneigt, das alles für einen Scherz zu halten.“ Krohmer hatte von einem tragischen Fall wegen Mobbings gehört, in dem Jacob Winzl einer der Drahtzieher war. Das Opfer wollte sich das Leben nehmen, was die Mobber aber wenig interessierte. Angewidert verzog Krohmer das Gesicht. Vielleicht wollte sich jemand an Jacob rächen oder ihm einen Denkzettel verpassen?
„Ja, Sie haben ja Recht. Mein Jacob ist kein Kind von Traurigkeit und er ist wahrlich kein Sohn, auf den man stolz sein kann. Ich wäre nicht hier, wenn ich nicht davon überzeugt wäre, dass er tatsächlich entführt wurde. Ich habe bereits gestern einen Zettel mit verwirrendem Inhalt im Briefkasten gefunden, den ich nicht beachtet habe. Dummerweise habe ich ihn auf dem Weg in die Firma aus dem Fenster geworfen.“
„Was stand auf dem gestrigen Zettel?“
„Das weiß ich nicht mehr. Es war ein zweizeiliger Vers mit mehreren Zahlen, ähnlich dem Zettel hier. Für mich klang das nach wirrem Zeug, das ich nicht ernst nahm. Ich bin auch davon ausgegangen, dass sich jemand einen dummen Scherz erlaubt hat, sonst hätte ich den Zettel doch nicht weggeworfen.“ Winzl kramte in seiner Tasche und zog ein Handy hervor. „Das gehört meinem Sohn. Es lag zusammen mit dem Papier im Briefkasten. Der Verlauf seiner Kontakte endet abrupt vor zwei Tagen. Das passt nicht zu meinem Sohn, ohne sein Handy kann er nicht leben. Ihm muss etwas zugestoßen sein. Bitte glauben Sie mir und suchen Sie nach ihm.“
„Gehen wir also davon aus, dass Jacob entführt wurde,“ fasste Leo zusammen, „dann bleibt uns nichts anderes übrig, als den Anweisungen des Schreibens zu folgen.“ Leo gefiel das überhaupt nicht, denn das klang nicht nach einer normalen Entführung, sondern nach einem Hollywood-Film der übelsten Sorte.
„Widmen wir uns dem Hinweis. Vielleicht finden wir Jacob rasch und können so dem Ganzen ein Ende setzen,“ mutmaßte Krohmer. Laut las er vor:
„Da hörte er einen Gesang, der war so lieblich, dass er stillhielt und horchte.“
Findet den Ort des Geschehens und Ihr werdet Jacob näherkommen.
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Werner Grössert hatte wie immer sein Tablet dabei und gab den Hinweis ein.
„Das ist eine Passage aus Rapunzel von den Gebrüdern Grimm.“
„Das Märchen Rapunzel?“
„Richtig. Hier steht es Wort für Wort. Wenn ihr mich fragt, müssen wir nach einem Turm suchen.“
„Ein Kirchturm? Da suchen wir uns dumm und dämlich. Wisst ihr, wie viele Kirchen es in unserem Zuständigkeitsbereich gibt?“, rief Hans aus.
„Konzentrieren wir uns auf einen einzelnen Turm. Wie viele gibt es davon?“
„Abgesehen von der Burghauser Burg, wo es einige Türme gibt, fällt mir keiner ein,“ sagte Leo, der sich nicht ganz so gut auskannte wie Hans, Werner und der Chef.
Tatjana musste passen, sie war erst wenige Wochen hier. Obwohl sie sich alle Mühe gab, sich mit ihrer neuen Heimat vertraut zu machen, war sie bezüglich der Türme völlig überfragt und musste sich auf die Kollegen und zur Not aufs Internet verlassen.
„Was ist mit dem Wasserturm in Graming?“, fragte Hans. „Das ist ein einzelner Turm.“
„Zwei fahren nach Burghausen, zwei nach Graming. Ich fahre mit Herrn Winzl nach Hause und warte dort. Vielleicht melden sich die Entführer.“
Krohmer sah seinen Leuten hinterher. Was sollte der Mist? Und was sollten diese unsinnigen Zahlen? Ein Hinweis in dem fraglichen Märchen? Rapunzel! Krohmer hasste Märchen schon seit seiner Kindheit und hatte sich nie mit ihnen auseinandergesetzt, aber jetzt blieb ihm wohl oder übel nichts anderes übrig. Er beschloss, diese Zahlen erst einmal außer Acht zu lassen, denn auch die Kollegen hatten sich nicht weiter darum gekümmert. Krohmer folgte dem nörgelnden Alfred Winzl, der ihm mehr und mehr auf die Nerven ging. Dieser Tag konnte nur beschissen werden! Er hatte sich die Akte Jacob Winzl genau angesehen. Sollte sich herausstellen, dass sich der Rotzlöffel einen Scherz erlaubte, dann würde er alle Hebel in Bewegung setzen und dafür sorgen, dass Jacob eine harte Strafe bekommt.
Winzl war nicht begeistert, dass der Polizeichef ihn in sein Privathaus begleitete. Er mochte keine Besucher und hatte es stets erfolgreich vermieden, Fremde in sein Haus zu lassen. Sein Haus war seine Zuflucht und der einzige Rückzugspunkt, wo er seine Ruhe hatte und er seine Familie schützen konnte. Das hatten nicht nur Fremde, sondern vor allem sein Sohn zu respektieren, der ebenfalls keinen Besuch empfangen durfte. Natürlich gab es diesbezüglich immer Reibereien, Ärger und Vorwürfe, aber das war Winzl egal. Er hatte seine Prinzipien und danach hatte sich sein Sohn zu richten. Seine Frau war mit seinen Vorgaben einverstanden und hatte sich nie beschwert. Warum auch? Hier in Ruhe und Sicherheit leben zu können kam auch ihr zugute.
Lotte Winzl öffnete die Tür und war überrascht, dass ihr Mann einen Gast mitbrachte. Sofort spürte sie, dass etwas passiert sein musste. Wortlos folgte sie ihrem Mann und dem Fremden ins Wohnzimmer, das zu Krohmers Überraschung sehr geschmackvoll eingerichtet war. Er kannte Lotte Winzl nicht persönlich und konnte sich nicht daran erinnern, jemals ein Bild von ihr gesehen zu haben. Sie hielt sich aus der Öffentlichkeit heraus. Oder war es ihr Mann, der das nicht wollte?
„Was ist los Alfred?“, fragte die elegante, schlanke Frau, die so gar nicht zu dem grobschlächtigen Mann zu passen schien. Krohmer war erschrocken. Wusste Frau Winzl noch nichts von der Entführung? Anstatt behutsam und vorsichtig mit seiner Frau umzugehen, knallte ihr Winzl die Information direkt ins Gesicht.
„Jacob wurde entführt. Das ist Herr Krohmer von der Kriminalpolizei Mühldorf,“ sagte er und setzte sich. Er sah seine Frau nicht an, die aber auf weitere Informationen und Erklärungen wartete und ihren Mann anflehte, mit ihr zu sprechen.
Krohmer hasste diesen Winzl. Warum behandelte er seine Frau so? Sie war die Mutter und hatte ein Recht darauf, mehr zu erfahren.
„Ihr Mann hat heute Morgen ein Schreiben im Briefkasten gefunden. Zusammen mit dem Handy Ihres Sohnes.“ Sollte er ihr das Schreiben zeigen? Krohmer suchte den Blickkontakt zu Winzl, der sich ihm entzog. Was war los in dieser Familie? Krohmer entschied, ihr das Schreiben später zu zeigen.
„Jacob? Aber wie...? Warum…?“, stammelte Frau Winzl.
Da Alfred Winzl nicht reagierte, stand Krohmer auf und holte der Frau aus der angrenzenden Küche ein Glas Wasser.
„Bitte beruhigen Sie sich. Meine Leute sind bereits dabei, nach Ihrem Sohn zu suchen. Wann haben Sie Jacob das letzte Mal gesehen? Wo wollte er hin? Mit wem war er zusammen?“
„Jacob hat sich am Samstagabend von mir verabschiedet. Es war schon spät, trotzdem wollte er noch mit seinen Freunden raus. Wenn ich mich nicht irre, hatte er eine Reisetasche bei sich. Was er vorhatte und wohin er wollte, kann ich Ihnen nicht sagen. Junge Leute sagen ihren Eltern nicht mehr, wo sie hingehen, das kann ich verstehen. Er war die ganze Nacht unterwegs, sein Bett war unberührt.“
„Er hatte eine Reisetasche dabei? Kam das öfter vor?“
„Ja, ich denke, dass ich mir sicher bin. Es kam ab und zu vor, dass er mit Freunden ein paar Tage wegfuhr und da hatte er immer eine Reisetasche bei sich. Ich habe mich nie in sein Leben eingemischt und habe ihm gegönnt, dass er sich amüsierte.“
„Er hat sich wie immer herumgetrieben und mein Geld verplempert,“ sagte Winzl wütend. „Anstatt sich um sein Studium zu kümmern, zu lernen und zu arbeiten, hat sich der saubere Herr Sohn viel lieber ein schönes Leben gemacht. Er ist 28 Jahre alt und hat bisher noch nichts geleistet. Jacob könnte mit dem Studium längst fertig sein und könnte mich in der Firma entlasten. Ich bin auch nicht mehr der Jüngste und wäre für Hilfe dankbar. Andere in seinem Alter sind mit der Ausbildung fertig, sind verheiratet und haben Kinder. Aber mein Herr Sohn geht lieber raus und nimmt sich jede Frau, die nicht bei drei auf den Bäumen ist.“
„Alfred!“, sagte Frau Winzl streng. „Jacob ist jung und ungebunden, warum sollte er sich nicht die Hörner abstoßen, bevor er ins Arbeitsleben einsteigt und sich fest bindet? Ich kann ihn gut verstehen. Ich war damals viel zu jung, hätte das Leben lieber genießen sollen. Ich war erst 18 Jahre alt, als ich meinen Mann kennenlernte. Nach wenigen Wochen haben wir geheiratet und unser Jacob wurde geboren.“
Krohmer rechnete mit. Demnach könnte Lotte Winzl höchstens 50 Jahre alt sein. Konnte das wahr sein? Obwohl sie durchaus hübsch war, sah sie mindestens 10 Jahre älter aus.
„Was beschwerst du dich Lotte? Du hast alles, was du dir wünschen kannst. Wir leben hier in einer Idylle in Ruhe und Sicherheit. Du brauchtest nie zu arbeiten, hattest immer Personal und konntest dir jeden Wunsch erfüllen. Und ich schufte den ganzen Tag, damit es meine Familie gut hat. Was willst du mehr?“
„Ich sitze seit meiner Heirat in einem goldenen Käfig und kenne nichts als Leere und Einsamkeit.“
Das hatte gesessen! Winzl starrte seine Frau an und konnte nicht glauben, was sie eben von sich gab. Er hatte das alles für sie getan. Und jetzt dieser Vorwurf!
Krohmer war das zu viel, er brauchte dringend frische Luft. Ohne zu fragen, öffnete er die Terrassentür und trat hinaus. Sein Blick schweifte über den riesigen, gepflegten Garten, in dem es nur so von Vögeln wimmelte. Die Ehe der Winzls war unglücklich, das lag auf der Hand. Jacob war ein Lebemensch und übernahm bis dato keinerlei Verantwortung, das war ihm bereits bekannt gewesen. Er ging wieder zurück ins Wohnzimmer.
„Haben Sie Feinde? Gibt es irgendjemanden, der Ihnen so etwas antun würde?“
„Natürlich gibt es im Geschäftsleben immer wieder Probleme. Aber die würden nie persönlich ausarten oder gar in einer Entführung enden. Nein, mit mir hat das bestimmt nichts zu tun. Da müssen Sie sich im Umfeld meines Sohnes bewegen. Ich sage Ihnen gleich, dass ich die Menschen, mit denen sich Jacob abgibt, nicht kenne.“
„Da bin ich auch überfragt. Mein Mann hat immer verboten, dass Freunde unseres Sohnes in unser Haus kommen dürfen, und daran haben wir uns immer gehalten.“
Winzl starrte seine Frau abermals fassungslos an. Schon wieder ein ungerechtfertigter Vorwurf, der ihn sprachlos machte. Was war los mit seiner Frau?
„Sie haben auf meine Frage noch nicht geantwortet, Frau Winzl. Gibt es jemanden in Ihrem Leben, der Ihnen so etwas antun könnte?“
„Sie meinen mich? Nein!“
„Was ist mit Ihren Freunden oder Bekannten?“
„Ich habe keine Freunde und auch keine Bekannten.“ Frau Winzl sprang auf, rannte ins Badezimmer und schloss die Tür hinter sich. Sie musste jetzt ganz ruhig bleiben und durfte sich nicht verraten, sonst flog alles auf. Jacob war entführt worden und sie ahnte, wer dahintersteckte. Sie hatte sich in den letzten Jahren sicher gefühlt und war mutiger geworden, ging sogar ab und zu raus unter Menschen, was sie immer vermieden hatte. Sie hatte sich damals in Alfred einen verlässlichen Beschützer gewünscht, der ihr Sicherheit bieten konnte. Aber ihr Mann war nicht der strahlende Held. Er war nicht mit ihr, sondern mit seiner Firma verheiratet. Wann hatte er angefangen, sie nicht mehr wahrzunehmen? Wann war ihm die Familie völlig gleichgültig geworden? War das nicht schon immer so gewesen? Sie hatte sich etwas vorgemacht, denn von Anfang an war sie auf sich gestellt und hatte sich verkrochen. Seit drei Jahren verlor sie mehr und mehr ihre Angst und begann, das Leben schrittweise zu genießen. Sie stand kurz davor, ihr erdrückendes, liebloses Zuhause für immer zu verlassen. Und jetzt war alles anders! Sie kramte in ihrem vollen Medikamentenschränkchen und wühlte in der üppigen Auswahl. Medikamente waren zu ihrem Grundnahrungsmittel geworden, ohne sie konnte sie nicht leben, nicht mehr. Vor vielen Jahren hatte sie angefangen, das Teufelszeug zu nehmen. Sie hatte sich schnell daran gewöhnt und nicht nur die Auswahl, sondern auch die Dosen wurden immer größer. Alfred war nicht glücklich darüber, dass sie von diesen Medikamenten abhängig war, besorgte sie ihr aber trotzdem auf dem Schwarzmarkt, da sich die ansässigen Ärzte allesamt irgendwann weigerten, ihr neue Rezepte auszustellen. In dem Punkt war auf Alfred Verlass! Er sorgte immer für Nachschub, sie brauchte es ihm nur sagen. Da ist es! Endlich fand sie das Päckchen mit den starken Beruhigungstabletten und nahm gleich drei davon. Mit zitternden Händen trank sie das Wasserglas leer und setzte sich auf den Badewannenrand. Nicht lange, und sie würde sich besser fühlen. Sie wollte schon lange mit diesem Teufelszeug aufhören und schob den Termin immer wieder auf. In Kürze wäre es so weit gewesen und sie hätte ein neues Leben begonnen. Sie wäre von diesen Tabletten losgekommen und hätte endlich angefangen, zu leben. Jetzt war alles anders. Jacob war entführt worden.
Trotz der langsam einsetzenden Wirkung der Tabletten fühlte sie sich schlecht. Sie ahnte, wer hinter der Entführung ihres Sohnes steckt. Vor vielen Jahren hatte sie einen dummen Fehler gemacht und sie dachte, dass der der Vergangenheit angehörte und sie endlich in Ruhe leben könnte. Aber die Entführung Jacobs und die Erinnerungen schlugen ihr hart ins Gesicht.