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[33]2 Geschichte der Nachhaltigkeit und soziopolitischer Hintergrund


ProblemAlle reden aktuell von Nachhaltigkeit, aber wo kommen der Begriff, das Konzept, das Leitbild her? Wo hat das Konzept seinen Ursprung? Was sind Meilensteine und Rahmenbedingungen, die zur Herausbildung des Nachhaltigkeitsbegriffes geführt haben?
MaßnahmenSchrittweise Annäherung über den historischen Verlauf. Herleitung des Konzeptes anhand zentraler Studien, Berichte, Konferenzen.
ErgebnisseStudierende kennen die wichtigsten Stationen der Geschichte der Nachhaltigkeit.
HilfsmittelKonferenzen, Dokumente, Gesetze.

Man kann nicht den Wald abholzen und das Echo stehen lassen.

Richard Schröder

Woher kommen das Konzept, das Leitbild, das Handlungsprinzip überhaupt? Wie ist das Konzept entstanden, wie hat es sich entwickelt – und warum? Die folgenden Ausführungen geben einen Überblick über die Geschichte der Nachhaltigkeit, politische Hintergründe, wichtige Konferenzen, Dokumente. Kurz, das, was Nachhaltigkeit zu dem gemacht hat, was es heute ist. Es geht darum, [34]den Wald hinter den Bäumen zu sehen. Denn nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Zukunft einschätzen.

Die historischen Vorläufer des Nachhaltigkeitsleitbildes, die erklärt werden, sind:

Carlowitz’ Waldbewirtschaftungsprinzip
Grenzen des Wachstums
Brundtland-Bericht
Rio-Gipfel
Agenda 21
Millenniumsziele der UN
Klimakonferenz Durban

2.1 Carlowitz’ Waldbewirtschaftungsprinzip

Der Begriff der Nachhaltigkeit beschreibt in seinem ursprünglichen Sinn die Nutzung eines regenerierbaren natürlichen Systems in einer Weise, dass dieses System in seinen wesentlichen Eigenschaften erhalten bleibt und sein Bestand auf natürliche Weise nachwachsen kann.

Seinen Ursprung hat der Begriff in der Forstwirtschaft. Bereits 1713 forderte Carl von Carlowitz, Oberberghauptmann und Leiter des frühindustriell überaus bedeutsamen sächsischen Oberbergamts in Freiberg, „eine beständige und nachhaltende Nutzung des Waldes.“5 Die „kluge Art der Waldbewirtschaftung“, wie Carlowitz es bezeichnete, wird als die anschaulichste Metapher zur Erklärung des Nachhaltigkeitsleitbildes herangezogen: Bäume, die abgeholzt werden, müssen nachgepflanzt werden, um die Ressourcenbasis – und damit die wirtschaftliche Basis – nicht zu erschöpfen. Wer allen [35]Wald abholzt, hat kurzfristig viel Holz, aber über die nächsten Jahrzehnte nur wenig.

In Ulrich Grobers höchst empfehlenswertem Buch zur Kulturgeschichte des Begriffes Nachhaltigkeit zitiert er Carlowitz6: „Die gehöltze pfleglich brauchen“ bedeutete so viel wie sie „also zu handhaben, daß solch eine beständige revenüe auf lange jahre geben … über den ertrag der höltzer nicht gegriffen, sondern eine immerwährende beständige holtz=nutzung dem Herrn und eine beharrliche feuerung, auch andere holtz-nothdurfft, dem lande, von jahren zu jahren, bey ihrer zeit, und künfftig den nachkommen bleiben.“

Konkret ist der Anspruch an Nachhaltigkeit Anna Amalia, der Mutter von Herzog Carl August, zu verdanken. Sie veranlasste die erste Forstreform der Welt mit dem Ziel, Holz, dauerhaft und mit stetem Ertrag bereitzustellen. Denn Europas damalige Gier nach der „Materia Prima“, sei es beim Schiffs- oder Hausbau, beim Kochen oder Heizen, drohte die Ressource so kahlzuschlagen, dass zwar das kurz-, nicht aber das langfristige Überleben gesichert wurde.

Nachhaltigkeit wird gegenwärtig schnell und möglichst greifbar gefasst. Dass dem Begriff in Kultur und Bewusstsein, in Philosophie und Poetik viel tiefere Schichten und Dimensionen innewohnen, hat Grober beschrieben. Sein Buch ist eine Ode an die Bedeutung des Begriffes und seinen wahren Kern. Dafür wurde er mit dem Brandenburgischen Literaturpreis Umwelt für „Die Entdeckung der Nachhaltigkeit. Kulturgeschichte eines Begriffes“ ausgezeichnet. In der Beschreibung des Buches warnt Grober: „Nachhaltigkeit ist unser ursprünglichstes Weltkulturerbe, ein Begriff, der tief in unserer Kultur verwurzelt ist und den es vor seinem inflationären Gebrauch zu retten gilt.“

Das von Joachim Heinrich Campe 1807 herausgegebene Wörterbuch der deutschen Sprache definiert das Wort „Nachhalt“ als das, „woran man sich hält, wenn alles andere nicht mehr hält“.

Die Idee aber reicht noch weiter zurück. Sie findet sich im „Sonnengesang“ des Franz von Assisi genauso wie bei den griechischen Philosophen und den Philosophen der Aufklärung. Ulrich Grobers Zeitreise in die Nachhaltigkeit führt an den Hof des Sonnenkönigs [36]und in die deutschen Fürstenstaaten, erzählt von sächsischem Silberbergbau und vom Holzmangel. Und davon, dass die Nachhaltigkeitsidee überall dort, wo sie auftaucht, ein Kind der Krise ist, aber auch die Entstehung eines neuen Bewusstseins markiert: „Des Bewusstseins, dass der Planet, auf dem wir leben, erhalten und bewahrt werden muss.“ So jedenfalls wird das Opus Magnum vom Verlag beschrieben und fasst die jahrhundertelange Geschichte damit in aller Kürze zusammen.

Merke: Ihrem Ursprung nach ist Nachhaltigkeit ein ressourcenökonomisches Prinzip, das ermöglichte, eine Ressource dauerhaft ertragbringend zu nutzen.

Linnés oeconomia naturae

Die Naturlehre bildet den Ausgangspunkt. In dem lateinischen Wort oeconomia steckt das griechische oikos – Haus, Haushalt. Im Kontext von Natur ist damit so viel gemeint wie die Einheit und Ganzheit der Natur, die Mannigfaltigkeit der Arten, der Biodiversität von Flora und Fauna, die Kreisläufe von Werden und Vergehen, Nahrungsketten, Energieströme – das Eigenleben der Natur in seiner ganzen Hülle und Fülle. Mineralreich, Pflanzenreich und Tierreich bilden ein vernetztes Ganzes. Sie sind ein sich selbst regulierender und erhaltender Organismus. Carl von Linné als Vater und Vorläufer der Ökologie schrieb im Rahmen seiner oeconomia naturae um 1750 in diesem Zusammenhang: Es müsse gelingen, die Abläufe der Ökonomie mit den großen, unwandelbaren, gottgegebenen Kreisläufen der oeconomia naturae zu synchronisieren. „Die Natur erlaubt niemandem, sie zu beherrschen“, so Linné.7 Seiner Auffassung nach war die Ökonomie eine nachahmende Wissenschaft. Diese dürfe nicht wider die Natur handeln, sondern müsse dieser folgen und mit den Ressourcen haushalten. Ökologie meint also die Haushaltung mit der Natur.

[37] Zusammenprall von Ökonomie und Ökologie

Mitte des 19. Jahrhunderts prallten Ökonomie und Ökologie aufeinander. Ihre Ziele, Absichten und Vorgehensweise schienen inkompatibel. Denn die Reinertragslehre setzte dem gemäßigten Holzeinschlag ein abruptes Ende. Die neue Lehre fragte allein nach der höchstmöglichen Verzinsung des im Wald investierten Kapitals. Statt eines steten hohen Holzertrages rückte plötzlich der höchstmögliche direkte Geldertrag in den Fokus. Nicht mehr die Produktivität der Natur war der Maßstab, sondern der freie Markt und sein Gesetz von Angebot und Nachfrage. Gewinnmaximierung nicht Naturgesetzmäßigkeit war das neue Credo in Wirtschaft und Gesellschaft. „Die Zyklen der Natur traten zurück gegenüber der Dynamik des Kapitalismus, der Gebrauchswert hinter den Tauschwert“, nennt es Grober.8 Damit wurde das Handlungsprinzip Nachhaltigkeit entwertet. Es sollte über hundert Jahre, bis in 1970er Jahre hinein, dauern, bis die wissenschaftlichen Disziplinen Ökologie und Nachhaltigkeit wieder aufgegriffen wurden.

2.2 Die Grenzen des Wachstums

Eines der in unserer Gesellschaft gern geglaubten Märchen ist die Behauptung, dass die Fortdauer des Wachstums zu einer stärkeren menschlichen Gleichberechtigung führen müsse. Wir haben bereits dargestellt, wie das gegenwärtige Wachstum von Bevölkerung und Kapital tatsächlich die Kluft zwischen arm und reich weltweit vergrößert.

Dennis Meadows

Der Bericht „Grenzen des Wachstums“ (→QR) im Jahre 1972 schlug wie eine Bombe ein. Basierend auf ausgeklügelten Computersimulationen malte er ein düsteres Bild der Zukunft des Planeten, wenn die Menschheit nicht ressourcenverträglicher wird. Der Bericht markiert den Beginn der jüngeren wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit nachhaltiger Entwicklung und mahnte eine [38]neue „Weltkonjunkturpolitik“ an. Dennis Meadows und sein Forscherteam warnen: „Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.“9 Nach der Publikation des Berichts wurden nur einige zehntausend Exemplare in den USA verkauft, aber Millionen in übervölkerten Ländern wie den Niederlanden oder Japan. Er wurde in etliche Sprachen übersetzt.

Der Begriff der Nachhaltigkeit erfuhr eine deutliche Ausdehnung in seiner Bedeutung. Insgesamt plädierten die Wissenschaftler für einen dauerhaften, weltweiten Gleichgewichtszustand (Homöostase), der nur durch weltweite Maßnahmen erreicht werden kann. Sie verknüpften gezielt ökonomische, ökologische und soziale Aspekte der Nachhaltigkeit. Dabei basierte die Studie auf dem Modell der Dynamik komplexer Systeme (Systems Dynamics) einer homogenen Welt. Sie berücksichtigte die Wechselwirkungen zwischen Bevölkerungsdichte, Nahrungsmittelressourcen, Energie, Material und Kapital, Umweltzerstörung, Landnutzung u.a. Mittels Computersimulation wurde eine Reihe von Szenarien entwickelt. Die Ergebnisse waren immer ähnlich: ein katastrophaler Abfall in der Weltbevölkerung und dem Lebensstandard innerhalb von 50 bis 100 Jahren, wenn die gegenwärtigen Trends anhielten. Das Fatale der ressourcen- und emissionsintensiven Industriegesellschaft sei, dass das Wachstum nicht linear, sondern exponentiell verlaufe. Diese Form des Wachstums endet langfristig tödlich. Nur wenn das Ruder herumgerissen werde, könne ein ökologischer Kollaps verhindert werden, war Meadows’ Argumentation.

Sich ihrer unvollständigen Datengrundlage bewusst, erstellte das Forscherteam Modellläufe unter Annahme gleichbleibender wie bis zu fünfmal höherer Reserven. Das Anliegen war, „Hinweise auf die im Weltsystem charakteristischen Verhaltensweisen“ zu geben statt fixer Voraussagen.10 Ebenso war es ein Anliegen, dass durch eine [39]Betrachtung der Welt als Ganzes – ohne eine separate Behandlung verschiedener Regionen oder Länder – das heißt durch Simplifizierung – ein Modell überhaupt erst möglich gemacht wurde. Auch hagelte es Kritik am Vorgehen sowie an Annahmen und Berechnungsweisen des Berichts. Diese beruhten jedoch meist auf Fehlinterpretationen. Vielmehr bestätigen einige bereits heute eingetretene Voraussagen die damaligen Prognosen des Berichts. So veröffentlichte Graham Turner von der Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation (CSIRO) im Juni 2008 eine Studie. Dort verglich er die historischen Daten von 1970 bis 2000 mit den Szenarien der Studie und stellte fest, dass viele mit den Vorhersagen des Standardszenarios übereinstimmten und dieses in einem globalen Kollaps Mitte des 21. Jahrhunderts resultieren dürfte.11 Nachhaltig ist anders.

2006 kam es zu einem Update der Studie. In „Grenzen des Wachstums. Das 30-Jahre-Update“ schreiben Meadows und sein Forscherteam: „Die globale Herausforderung kann man einfach zusammenfassen: Um eine Entwicklung tragfähig zu gestalten, muss die Menschheit das Konsumniveau der Armen dieser Welt anheben, gleichzeitig aber den ökologischen Fußabdruck der Menschheit insgesamt senken. Dazu braucht es technologischen Fortschritt, personelle Veränderungen und längere Planungshorizonte.“12

Small is Beautiful

Die Studie steht in einer langen Tradition von wachstumskritischen Schriften, die das Thema Nachhaltigkeit befördert haben. Dazu zählt auch E.F. Schumachers „Small is Beautiful: Economics as if People Mattered“ aus dem Jahre 1973.

Als Ausgangspunkt der weltweiten Umweltbewegung kann das 1962 erschienene Buch ‚Der Stumme Frühling‘ (Silent Spring) der [40]Biologin und Wissenschaftsjournalistin Rachel Carson gelten. Ziel war, die Auswirkungen eines rigorosen Pestizid-Einsatzes auf Ökosysteme aufzuzeigen. Das Buch löste in den USA eine heftige politische Debatte aus und führte letztlich zum späteren DDT-Verbot. In einer raffiniert aufgebauten Anklage gegen den übermäßigen Einsatz von Pestiziden und anderen Chemikalien zeichnet Carson die Idylle einer fiktiven amerikanischen Kleinstadt, in der die Stimmen des Frühlings, die Vögel, aber auch die Insekten und andere Lebewesen verstummen. Sie nennt statistische Angaben, Fallbeispiele und Aussagen von Experten und erzeugt so mit ihrer eindringlichen Erzählung Betroffenheit.

Neuen Auftrieb bekam der Schutz der Erde auch durch die Weltraumperspektive (→QR). 400.000 Kilometer von der Erde entfernt meinte der Astronaut Eugene Cernan 1972: „Wir brachen auf, um den Mond zu erkunden, aber tatsächlich entdeckten wir die Erde.“ Er und seine Kollegen sprachen von der blauen Weltkugel (das meistpublizierte Foto aller Zeiten) als fragil, zerbrechlich, zart, verletzlich. Vom Universum aus war die Schönheit der Erde von grenzenloser Majestät, sie war ein funkelndes blauweißes Juwel, unergründlich und geheimnisvoll, ein einsames, marmoriertes, winziges Etwas, ein Saphir auf schwarzem Samt. Das jedenfalls waren die Bezeichnungen von Astronauten beim Anblick unseres Planeten vom Weltall aus.

Um materiell und energetisch nachhaltig zu sein, wie Meadows et al. es fordern, müssten für alle Durchsätze der Wirtschaft Bedingungen erfüllt sein, die sich an den drei Prinzipien orientieren, die Herman Daly u.a. in seinem vielbeachteten Werk „Towards a Steady-State Economy“ formuliert:

Erstens dürfen die Verbrauchsraten erneuerbarer Ressourcen nicht deren Erneuerungsraten übersteigen.
Zweitens dürfen die Verbrauchsraten nicht-erneuerbarer Ressourcen nicht die Rate überschreiten, mit der nachhaltig erneuerbare Ressourcen als Ersatz dafür erschlossen werden.
[41]Drittens dürfen die Raten der Schadstoffemissionen nicht die Aufnahmefähigkeit der Umwelt für diese Schadstoffe übersteigen.13

2.3 Der Brundtland-Bericht

To keep options open for future generations, the present generation must begin now, and begin together, nationally and internationally.

Our Common Future Report

Seit Meadows et al. prosperierten viele Länder und Ökonomien, gleichzeitig aber häuften sich wirtschaftliche, ökologische und soziale Probleme als unliebsame Begleiterscheinungen. 1983 gründeten die Vereinten Nationen deshalb eine unabhängige Sachverständigenkommission, die sogenannte Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (World Commission on Environment and Development, WCED) mit ihrem Sekretariat in Genf. Sie wurde damit betraut, einen Perspektivbericht zu langfristig tragfähiger, umweltschonender Entwicklung im Weltmaßstab bis zum Jahr 2000 und darüber hinaus zu erarbeiten. Der offizielle Titel dieses Berichtes war „Our Common Future“, geläufiger aber ist die Benennung nach der Vorsitzenden, Gro Harlem Brundtland. Ob als Brundtland- oder Our-Common-Future-Bericht bezeichnet, zwischen den Buchdeckeln findet sich, was bis heute als „klassische“ und am weitesten anerkannte Definition und Leitbildbeschreibung von nachhaltiger Entwicklung gilt:

[42]„Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die gewährleistet, dass künftige Generationen nicht schlechter gestellt sind, ihre Bedürfnisse zu befriedigen, als gegenwärtig lebende.“

Wer sich diese Definition verinnerlicht, sie auswendig lernt und damit immer parat hat, tut sich einen Gefallen, weil letztlich und im Zweifelsfall immer auf sie rekurriert wird.

Mit dem Bericht beabsichtigten die UNO und die Weltkommission, Handlungsempfehlungen für eine dauerhafte Entwicklung zu geben. Und damit war hier konkret gemeint: eine dauerhafte Erfüllung der Grundbedürfnisse aller Menschen weltweit unter Berücksichtigung der Tragekapazität14 der natürlichen Umwelt sowie der Konfliktlinien zwischen Umwelt- und Naturschutz, Armutsbekämpfung und Wirtschaftswachstum.

Der Verdienst des Brundtland-Berichts war, den Begriff nachhaltige Entwicklung erstmals als globales Leitbild der Entwicklung einer breiten Öffentlichkeit nahegebracht zu haben. Und dies indem er einen Aspekt hervorhob, der gemeinhin radikal vernachlässigt wird: Globale Umweltprobleme sind hauptsächlich das Resultat der nicht-nachhaltigen Konsum- und Produktionsmuster im Norden und der großen Armut im Süden. Diese Problemwahrnehmung verlangte sowohl nach einer gerechtigkeitsorientierten Definition von Nachhaltigkeit als auch nach einem entsprechenden Lösungsansatz. Dies erforderte in der Konsequenz eine Strategie, die Entwicklung und Umwelt zusammenbrachte. Eine weitere, in eine Gleichung gefasste Definition lautete deshalb:15

[43]Nachhaltigkeit = Umwelt + Entwicklung.

Mit dieser Formel schließt sich der Kreis. Sie zeigt, dass die heute geläufige Bezeichnung „nachhaltige Entwicklung“ die Übersetzung der Ausgangsdefinition von „sustainable development“ war. Erstmals war in der Politik die Rede von der Notwendigkeit eines „dauerhaften Gleichgewichtszustandes“.

Beachte: Der Unterschied zwischen den Begriffen Nachhaltigkeit und nachhaltiger Entwicklung ist: Nachhaltigkeit verweist auf einen Zustand, Statik und Beständigkeit; nachhaltige Entwicklung impliziert Bewegung, Dynamik, das Prozesshafte sowie das Werdende und Entstehende.

Konferenzen und Abkommen von globaler, historischer Bedeutung sind die Meilensteine bei der Herausbildung des Nachhaltigkeitsleitbildes. Im Hintergrund des politischen Ringens verschärften sich dabei einige Entwicklungen, die Treiber hin zu mehr Nachhaltigkeit werden können. Auch wenn sicher mehr Rahmenumstände als jene zu nennen sind, wie sie auch im ersten und dritten Kapitel etwa unter Push- und Pull-Faktoren und (Mega-)Trends genannt werden, seien an dieser Stelle der Treibhauseffekt, die Bevölkerungsexplosion sowie die globale Ressourcenerschöpfung genannt. Ihnen ist ihr Zerstörungspotenzial wie ihre wissenschaftliche Mess- und Überprüfbarkeit gemein.

Das Treibhaus heizt sich auf

Was war der Anlass für die Weltgemeinschaft, sich im Brundtland-Bericht von 1987 auf eine gemeinsame globale Strategie zu verständigen? Es war die sich erhärtende wissenschaftliche Erkenntnis, dass sich die Umweltqualität weltweit aufgrund wirtschaftlicher Aktivitäten des Menschen rasant verschlechterte. Besonders deutlich abzulesen war dies an der Veränderung der Emissionswerte und der damit einhergehenden Klimaveränderung.

[44]Zu diesem Ergebnis kam auch das Intergovernmental Panel on Climate Change bzw. der Weltklimarat. Eine Auswahl der Ergebnisse aus dem jüngsten Sachstandsbericht von 2013 findet sich hier:16

Die Konzentration an Kohlendioxid hat sich seit Beginn der Industrialisierung um 40 Prozent erhöht.
Die Konzentration des Treibhausgases Methan stieg um 150 Prozent.
Wenn sich der CO2-Gehalt der Atmosphäre verdoppelt, wird die Lufttemperatur um 1,5 bis 4,5 Grad Celsius steigen. (Im Report 2007 war das IPCC noch von 2 bis 4,5 Grad ausgegangen.)
Die Ozeane haben etwa 30 Prozent des menschengemachten Kohlendioxids aufgenommen und sind dadurch saurer geworden.
Der Meeresspiegel ist von 1901 bis 2010 um 19 Zentimeter gestiegen. Bis zum Ende des Jahrhunderts wird er um 26 bis 82 Zentimeter steigen.
Die Geschwindigkeit der Eisschmelze in Grönland und in der Antarktis hat sich vervielfacht.
Hitzewellen treten sehr wahrscheinlich öfter auf und halten länger an.
Nie war es, dem Bericht zufolge, seit Beginn der Wetteraufzeichnungen wärmer als im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts.

Mit welchen Veränderungen, basierend auf dem Ausgangsjahr 1986, bis zum Jahr 2100 zu rechnen ist, zeigen folgende Grafiken anhand der Kategorien globale bodennahe Durchschnittstemperatur, durchschnittlicher globaler Niederschlag sowie Schneeabdeckung in der nördlichen Hemisphäre.

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Abb. 6: Klimawandel – Globale Durchschnittswerte (IPCC 2013)

Die Kurzfassung des aktuellsten Weltklimaberichts ist abrufbar unter →QR.

Die Wissenschaft stößt in Politik und Wirtschaft vor allem auf Gehör, wenn sie beziffert, was Umweltschäden kosten. Weltweite Beachtung über Nacht fand deshalb der Stern-Report (→QR), benannt nach Sir Nicholas Stern, ehemaliger Weltbank-Chefökonom und Herausgeber des rund 650-seitigen Berichts ‚Stern Review on the Economics of Climate Change‘. „Der Klimawandel ist das größte und weitestreichende Marktversagen der Weltgeschichte.“, so Stern, den die britische Regierung beauftragt hat, die wirtschaftlichen Folgen der globalen Erwärmung abzuschätzen.

[46]Der Bericht erschien Ende 2006 mit Ergebnissen wie: „Die jährlichen Kosten für Maßnahmen zur Stabilisierung der Treibhausgaskonzentration zwischen 500 und 550 ppm Kohlendioxidäquivalenten werden schätzungsweise bei etwa 1 % des globalen Bruttoinlandsprodukts liegen, wenn jetzt begonnen wird, entschieden zu handeln.“ Laut Stern kämen Schäden von umgerechnet knapp 5,5 Billionen Euro pro Jahr bis 2100 auf die Menschheit zu, wenn nichts gegen den Klimawandel unternommen wird. Bereits heute wird rund 1 % des globalen Bruttoinlandsprodukts, etwa 270 Milliarden Euro, jährlich ausgegeben, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Die jährlichen Kosten des Klimawandels werden, wenn nicht gehandelt wird, dem Verlust von wenigstens 5 % des globalen Bruttoinlandsprodukts entsprechen. Unter Berücksichtigung sämtlicher Risiken und Einflüsse könnten die Schäden auf 20 % oder mehr des erwarteten globalen Bruttoinlandsprodukts ansteigen. Vor allem Entwicklungs- und Schwellenländer werden die ökonomischen Folgen des Klimawandels zu spüren bekommen.

So wären bspw. weitere soziale und kulturelle Konsequenzen, dass bis zu 100 Millionen Menschen ihr Obdach durch Überschwemmungen und infolge des steigenden Meeresspiegels verlieren. Einem von sechs Menschen weltweit droht akute Wasserknappheit bedingt durch schmelzende Gletscher. Bereits heute gibt es über 150 Millionen Klimaflüchtlinge, das heißt Menschen, die etwa durch Trockenheiten und Dürren zur Umsiedelung gezwungen sind.

Wie sich die Kohlendioxid-Konzentration entwickelt hat, zeigt die folgende Abbildung 7.

Der Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre war seit 400.000 Jahren nicht so hoch wie heute.

Es wird voll auf dem Planeten

Der Treibhauseffekt verschärfte die externen Lebensbedingungen, d.h. die ökologischen Rahmenbedingungen des Lebensraums. Das rasante Bevölkerungswachstum verschärft dabei den Ressourcendruck, v.a. durch Wasserverbrauch und Nahrungsmittelproduktion zusätzlich. Eine Milliarde Menschen leidet täglich Hunger. Gleichzeitig wächst die Weltbevölkerung stetig und ungebremst. Für 2050 erwarten die Vereinten Nationen bis zu 9,1 Milliarden Menschen [47] auf der Erde. Das stellt Bevölkerungsexperten, Ökologen, Epidemiologen und Agrarwissenschaftler gleichermaßen vor Rätsel, wie diese steigende Anzahl von Menschen ernährt werden soll.


Abb. 7: Entwicklung Kohlendioxid-Konzentration letzte 400.000 Jahre (IPCC 2007)

Das exponentielle Wachstum stellt die landwirtschaftliche Produktion unter Druck. „Wir müssen in den kommenden 40 Jahren die gleiche Menge von Lebensmitteln herstellen wie in den letzten 8.000 Jahren“, sagt Jason Clay von der Umweltorganisation World Wide Fund For Nature (WWF) auf dem Kongress des Amerikanischen Wissenschaftsverbandes AAAS in Washington im Februar 2011.17

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Abb. 8: Bevölkerungsentwicklung 1990–2050 (UN, World Population Prospects (2009))

Dieses rasante Tempo der Bevölkerungszunahme erhöht den Ressourcendruck, treibt den Emissionsausstoß an und vermindert die Qualität der globalen Umweltgüter, die Voraussetzung für Leben und Produktion sind.

Problematisch dabei ist, dass 95 % der Zunahme in armen Ländern stattfindet, aber gerade jene im Überlebenskampf keine Rücksicht auf die Umwelt nehmen können. Experten fordern, bei der Energieverschwendung müsste den Industrieländern, beim Bevölkerungswachstum den Entwicklungsländern Einhalt geboten werden.

2.4 Der Rio-Gipfel

Die Weltgemeinschaft ist seit 1992 der nachhaltigen Entwicklung verpflichtet –jedes einzelne Land für sich, aber auch gemeinsam, müssen wir dieses Versprechen umsetzen.

Ursula Eid

Erkenntnis und Handeln sind bisweilen zwei Paar Stiefel. Während Meadows’ Studie die Grenzen des Wachstums bereits vor vier Jahrzehnten ins globale Bewusstsein gehoben hatte, brauchte der Brundtland-Bericht immerhin nur zwei Jahre, bis er 1989 in der UNO-Vollversammlung Beachtung fand. Endlich war der Entschluss geboren, Taten folgen zu lassen. Hatte der vormalige Bericht auf dringenden Handlungsbedarf in internationalem Rahmen hingewiesen, ging es nun darum, Forderungen und Vorschläge in verbindliche Verträge und Konventionen zu überführen. Als Instrument wählte die UNO hierfür eine Konferenz – exakt 20 Jahre [49]nach der ersten weltweiten Umweltkonferenz 1972 in Stockholm. Die Startbahn war frei für die Planung der bis dato größten Umwelt- und Entwicklungskonferenz der Welt, der legendären Rio-Konferenz von 1992.

Die so genannte Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (United Nations Conference on Environment and Development, UNCED) ist geläufig unter dem Begriff Erd-Gipfel, Rio-Gipfel und Weltumwelt-Konferenz. Sie tagte vom 3. bis 14. Juni 1992 in Rio de Janeiro. Die Besonderheit der Konferenz lag in ihrem stattlichen Umfang von zwölf Tagen und der großen Anzahl von Teilnehmern aus insgesamt 178 Staaten. Auch was die Beteiligung zivilgesellschaftlicher Organisationen anging, setzte die Konferenz neue Maßstäbe, nahmen doch 2.400 Vertreter von NGOs teil, weitere 17.000 Menschen beteiligten sich am parallel stattfindenden NGO-Forum.18

Die Herkulesaufgabe war, die Umwelt- und Entwicklungsanliegen zusammenzubringen und sie in ein Abkommen zu überführen, das weltweite Verbindlichkeit beansprucht. Nicht nur umweltpolitische Probleme waren Gegenstand der Konferenz; vielmehr sollten auch die drängenden globalen Entwicklungsprobleme im umweltpolitischen Zusammenhang behandelt werden. Ziel war es, die Weichen für eine weltweite, nachhaltige Entwicklung zu stellen. Dabei war die Öffentlichkeit insbesondere für die Abhängigkeit des Menschen von seiner Umwelt zu sensibilisieren ebenso wie für die Rückkopplung weltweiter Umweltveränderungen auf sein Verhalten bzw. seine Handlungsmöglichkeiten.

Es war ein langer Weg von den Verhandlungen der Regierungen bis zur Verabschiedung der Dokumente. Und einer, auf dem zäh gerungen [50]wurde. Umso mehr wird der Erdgipfel als bisheriger Höhepunkt weltweiter politischer Bemühungen um Nachhaltigkeit angesehen. Trotz der Interessengegensätze – etwa beim Thema Wald- oder Klimaschutz – konnten sich die Staatsmänner und -frauen auf die Unterzeichnung von sechs Dokumenten einigen, die die formaljuristische Verankerung von Nachhaltigkeit befördert haben.


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Abb. 9: Die wichtigsten Abkommen der Rio-Gipfels 1992

Im Nachfolgeprozess der Rio-Konferenz wurde die Kommission für Nachhaltige Entwicklung (Commission on Sustainable Development, CSD) gegründet, die den Umsetzungsprozess der Konferenzergebnisse überwacht. Als Nachfolgekonferenzen fanden 1997 die Konferenz Rio+5 in New York und 2002 der Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg statt. Im Juni 2012 fand mit Rio+20 erneut ein Gipfeltreffen in Brasilien statt, das unter dem Titel Konferenz der Vereinten Nationen über nachhaltige Entwicklung lief.

Insgesamt hielt das Leitbild Nachhaltigkeit durch den Rio-Gipfel Einzug in die Politik. Allerdings wurde die Problematik von den Ländern in Art und Intensität unterschiedlich angegangen, in der Strategie wie in der Umsetzung. Nach wie vor krankt es zudem an der geringen gesetzlichen Einklagbarkeit und damit Durchsetzungskraft.

Johannesburg Summit – the show must go on

Die größte Nachfolgekonferenz von Rio war der Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung 2002 in Johannesburg/Südafrika mit ca. 20.000 Vertretern von Regierungen, der Wirtschaft, NGOs und Kommunen. [52]Diese mündete nach Marathondebatten über Konsensformulierungen in die Verabschiedung einer Politischen Erklärung der Staats- und Regierungschefs („The Johannesburg Declaration on Sustainable Development“). Wichtigstes Ergebnis: neue Prioritäten, Zielmarken und Umsetzungsprogramme wurden vorgegeben zur weiteren Umsetzung des Leitbildes. Erstmals wurden quantifizierbare Ziele, insbesondere die Millenniumsziele, in den Aktionsplan aufgenommen. Zentrale neue Ziele waren:

a) Bis zum Jahr 2010 soll der Rückgang der Artenvielfalt deutlich reduziert werden.

b) Bis zum Jahr 2015 soll die Zahl der Menschen, die in absoluter Armut, d.h. von weniger als einem USD pro Tag, leben, um 500 Mio. reduziert werden, weltweit alle Kinder eine Grundschulausbildung erhalten und der Anteil der Menschen, die keinen Zugang zu sanitärer Grundversorgung haben, halbiert werden.

c) Bis zum Jahr 2020 soll eine Minimierung der gesundheits- und umweltschädlichen Auswirkungen bei der Produktion und dem Gebrauch von Chemikalien erreicht werden.

Das Hauptproblem hinsichtlich der Umsetzung der Millenniumsziele waren zu knappe Finanzmittel. Um die Gelder zu gewinnen, wurde die sogenannte Global Marshall Plan Initiative als Einnahmequelle erwogen.

Global Marshall Plan Initiative – Welt in Balance

Eine weltweite Ökosoziale Marktwirtschaft zu etablieren, ist das Ziel der Initiative. Denn nur so bekommt die Weltwirtschaft den Ordnungsrahmen, den es für eine nachhaltige Entwicklung braucht. Ihrem Selbstverständnis nach ist die Global Marshall Plan Initiative „eine Plattform für eine Welt in Balance“. Getragen von rund 5.000 Unterstützern aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft organisieren sich diese als Netzwerk mit flachen Hierarchien und ohne Zentrale. Bereits in den 1990er Jahren unterstützten die Idee Persönlichkeiten wie Kofi Annan, Al Gore, Michail Gorbatschow, Prinz El Hassan bin Talal, Jane Goodall oder George Soros. Deutsche Befürworter sind u.a. Joschka Fischer (der 100 Milliarden DM [53]pro Jahr für die Einrichtung einer Ökosozialen Marktwirtschaft forderte), Hans-Dietrich Genscher, Hubert Weinzierl, Ernst Ulrich von Weizsäcker, Jakob von Uexküll und Sandra Maischberger. Ihre Kernforderungen für eine gerechtere Globalisierung lauten:

globale Etablierung ökologischer und sozialer Standards für eine nachhaltige Entwicklung
Überwindung der entwürdigenden Armut der Hälfte der Weltbevölkerung; Verwirklichung der Menschenrechte und Menschenwürde für alle
Beförderung weltweiten Friedens, globaler Sicherheit und Befriedung von Terrorismus
Gestaltung eines neuen Wirtschaftswunders durch Nutzung brachliegender Human-Potenziale von drei Milliarden Menschen weltweit.

„Der Wille zum Wandel muss aus der Mitte der Gesellschaft kommen.“, ist die Initiative überzeugt. Zu diesem Zweck schärft sie das Bewusstsein für die Zusammenhänge der Globalisierung durch Information, Allianzen und Druck „von unten“.19

2.5 Die Agenda 21

Die Agenda 21 nimmt sich der drängendsten Probleme der heutigen Zeit an und ist zur gleichen Zeit bemüht, die Welt auf die Herausforderungen des nächsten Jahrhunderts vorzubereiten. Sie ist Ausdruck eines globalen Konsenses und einer auf höchster Ebene eingegangenen politischen Verpflichtung zur Zusammenarbeit im Bereich von Entwicklung und Umwelt.

Präambel Agenda 21

Die Rio-Konferenz machte eines deutlich: Nachhaltige Entwicklung lässt sich nur durch ein Handlungsprogramm von globaler Reichweite [54]erreichen. Und das war die Agenda 21 (→QR). Mit der in Rio verabschiedeten Agenda 21 wurden detaillierte Handlungsaufträge unter sozialen, ökologischen und ökonomischen Vorzeichen gegeben, um einer weiteren Verschlechterung der Situation des Menschen und der Umwelt entgegenzuwirken und eine nachhaltige Ressourcennutzung sicherzustellen.

Von 172 Landesvertretern unterzeichnet, ist die Agenda 21 damit ein entwicklungs- und umweltpolitisches Aktionsprogramm für das 21. Jahrhundert. Sie ist ein Maßnahmenpaket, das sich an alle Akteure, Ebenen und Bereiche richtet. Ihr zufolge sind es vor allem die Regierungen der einzelnen Staaten, die auf nationaler Ebene die Umsetzung der nachhaltigen Entwicklung planen müssen, in Form von nationalen Strategien, Umweltplänen und Aktionsprogrammen. Dabei sind auch regierungsunabhängige Organisationen und andere Institutionen zu beteiligen. Wichtig für den Erfolg der Maßnahmen und Projekte ist eine breite Beteiligung der Öffentlichkeit bzw. der Bevölkerung, weil sie das Rückgrat der Gesellschaft sind. Eine Verantwortung kommt auch den Kommunalverwaltungen zu, die für ihren Bereich die Umsetzung der „Lokalen Agenda 21“ im Konsens mit ihren Bürgern herstellen soll.

Global denken – lokal handeln

Die Agenda 21 besteht aus insgesamt 40 Kapiteln, in denen alle relevanten Politikbereiche und Handlungsmaßnahmen angesprochen werden. In der Präambel heißt es: „Durch eine Vereinigung von Umwelt- und Entwicklungsinteressen und ihre stärkere Beachtung kann es uns jedoch gelingen, die Deckung der Grundbedürfnisse, die Verbesserung des Lebensstandards aller Menschen, einen größeren Schutz und eine bessere Bewirtschaftung der Ökosysteme und eine gesicherte, gedeihlichere Zukunft zu gewährleisten. Das vermag keine Nation allein zu erreichen, während es uns gemeinsam gelingen kann: in einer globalen Partnerschaft, die auf eine nachhaltige Entwicklung ausgerichtet ist.“

Die Agenda 21 ist thematisch in vier Bereiche unterteilt:

[55]

Abb. 10: Themenbereiche der Agenda 21

Anlässlich des „Weltgipfels für nachhaltige Entwicklung“ in Johannesburg 2002 vermeldeten die Vertreter der Kommunen nach zehn Jahren nur mittelmäßige Erfolge. In Deutschland besteht derzeit in rund 2.600 Kommunen ein Beschluss zur Erarbeitung einer Lokalen Agenda 21, das heißt, dass ein nachhaltigkeitsorientiertes Handlungsprogramm, das auf die örtlichen Voraussetzung abgestimmt ist, entwickelt werden soll. Insgesamt stehen die Bemühungen für die Lokale Agenda 21 unter dem Motto „Global denken – lokal handeln!“ bzw. unter dem Vorzeichen des Prinzips Glokalität.

[56]2.6 Die Millennium-Entwicklungsziele

Today it is increasingly clear that UN objectives: peace, security, development, go hand in hand with prosperity and growing markets. If societies fail, so will markets.

Kofi Annan

Die Millennium-Entwicklungsziele – auf Englisch Millennium Development Goals oder kurz MDGs – der Vereinten Nationen sind acht Entwicklungsziele, die im Jahr 2000 von der UNO, der Weltbank, der OECD und mehreren Nichtregierungsorganisationen formuliert worden sind. Hauptziel dabei ist, die weltweite Armut zu halbieren und dies innerhalb desselben Zeitrahmens, der für die anderen Ziele ausgegeben wurde, bis 2015. Am 9. September 2000 verabschiedeten 189 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen mit der Millenniumserklärung einen Katalog grundsätzlicher, verpflichtender Zielsetzungen für alle UN-Mitgliedstaaten. Armutsbekämpfung, Friedenserhaltung und Umweltschutz wurden als die wichtigsten Ziele der internationalen Gemeinschaft bestätigt. Das Hauptaugenmerk lag hierbei auf dem Kampf gegen die extreme Armut. Hauptanliegen war die globale Zukunftssicherung, also die Gewährleistung einer weltweiten nachhaltigen Entwicklung, mit vier Handlungsfeldern:

Frieden, Sicherheit und Abrüstung
Entwicklung und Armutsbekämpfung
Schutz der gemeinsamen Umwelt
Menschenrechte, Demokratie und gute Regierungsführung.

Die Ziele sind hier genannt, weitere Informationen dazu finden sich in Kapitel 5.


[57]

Abb. 11: Millenniumsentwicklungsziele (UN 2000)

[58]Zehn Jahre später wurden die MDGs und ihre Umsetzung auf der 65. UN-Generalversammlung (vom 20. bis 22. September 2010 in New York) einer Zwischenbilanz unterzogen. Auf der sogenannten „Weltarmutskonferenz“ mahnte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon: Es gebe Fortschritte, aber auch noch viel zu tun. Kritiker indes sprechen davon, dass die Ziele weit verfehlt werden und die Arm-Reich-Schere sich unaufhörlich erweitert. Karl-Albrecht Immel von der Welthungerhilfe sagt: „In den Industrieländern und einigen Entwicklungsländern insbesondere in Asien ist der Pro-Kopf-Konsum in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. In Afrika dagegen steht einem Durchschnittshaushalt heute rund ein Fünftel weniger zur Verfügung als 1980. In den Ländern mit dem reichsten Fünftel der Erdbevölkerung ist das Pro-Kopf-Einkommen heute rund 90 Mal so hoch wie in jenen Staaten, in denen das ärmste Fünftel der Menschheit lebt. Selbst in der „Blütezeit“ des Kolonialismus gab es nicht annähernd ein solches weltweites Wohlstandsgefälle. Noch im Jahr 1960 hatte das Verhältnis bei 30:1, im Jahr 1990 bei 60:1 gelegen.”

2.7 Weltklimagipfel Durban

Der Glaube an das unbegrenzte Wachstum der Wirtschaft und nationale Egoismen sind die Ursachen des Scheiterns des Klimagipfels in Durban.

Hubert Weinzierl

2012 ist das Jahr, in dem das einzige völkerrechtlich verbindliche Instrument der Klimaschutzpolitik, das Kyoto-Protokoll auslief. Wie jenes Abkommen nach seinem Ablauf verlängert werden könne, war die zentrale Frage auf der Weltklimakonferenz 2012 in Durban/Südafrika. Vom 28.11. bis 11.12.2011 debattierten Vertreter aus knapp 200 Staaten über ein Nachfolgeabkommen für das Kyoto-Protokoll, um den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.

Nach erneut zähen Verhandlungen einigte sich der Gipfel auf einen Kompromiss, während die Beschlüsse hinsichtlich der Umsetzung unverbindlich blieben. Demnach sollte 2012 in Katar das Kyoto-[59]Protokoll mit einer zweiten Verpflichtungsperiode verlängert werden und bis zum Jahr 2015 ein verbindliches Klimaschutzabkommen, ein sogenannter Weltklimavertrag, ausgehandelt werden, der 2020 in Kraft treten soll. Erstmals wollen dann auch Länder wie die USA und China verbindliche Ziele mittragen, Kanada trat im Anschluss an die Verhandlungen aus dem Kyoto-Protokoll aus. Norbert Röttgen sagte am 16.12.2011 in einer Regierungserklärung zu den Ergebnissen des Klimagipfels: „Mit den Ergebnissen dieser Konferenz hinken wir dem Problem hinterher. Klimaschutz findet statt, er entwickelt sich dynamisch. Aber die Maßnahmen, die einzelne Staaten getroffen haben, die Maßnahmen, die die Staatengemeinschaft getroffen haben, sind in der Summe nicht ausreichend. Wir tun immer noch zu wenig“.

2.8 Die wichtigsten Stationen

The science is getting worse faster than the politics is getting better.

David Miliband

Die wichtigsten Konferenzen, Abkommen und Bündnisse zum Thema Nachhaltigkeit sowie Umwelt- und Klimaschutz sind nachfolgend aufgelistet:

1946Internationale Konvention zur Regelung des Walfangs
1948Gründung der Welt-Naturschutzunion
1961OECD – Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: gegründet, um die Arbeit der Vorläuferorganisation OEEC (Organisation for European Economic Co-operation) und konkret die politische Stabilisierung Westeuropas vor dem Hintergrund des Ost-West-Konflikts fortzusetzen.
1968Europäische Wassercharta
19721. Internationale Konferenz über die menschliche Umwelt in Stockholm
[60]1973Washingtoner Artenschutzübereinkommen – Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen
1976HABITAT: UN-Konferenz über menschliche Siedlungen
1979Weltklimakonferenz, Konferenz der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) zur Veränderung des Klimas
Nord-Süd- bzw. Brandt-Report: Das Überleben sichern. Gemeinsame Interessen der Industrie- und Entwicklungsländer. Forderung an die Industrieländer, die Entwicklungsländer stärker zu unterstützen.
1982Weltcharta für die Natur
1985Wiener Abkommen zum Schutz der Ozonschicht
1987Internationale Konferenz zum Schutz der Ozonschicht in Montreal
Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen; erstmalige Definition des Begriffs Nachhaltige Entwicklung in einem politischen Dokument
1990Gründung von Klimabündnis e.V., einer Instiution zur Förderung von Städtepartnerschaften zwischen Industrie- und Entwicklungsländern
1992Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung bzw. Erdgipfel oder Rio-Konferenz – Meilenstein für die Integration von Umwelt- und Entwicklungsfragen; seit Stockholm 1972 die erste größere internationale Konferenz zur Diskussion von Umweltfragen in einem globalen Rahmen
1993Menschenrechtskonferenz, Wien
WHO-Programm: Globale Strategie für Gesundheit und Umwelt (Global Strategy for Health and Environment): dient als Arbeitsrahmen für die Erfüllung der in der Agenda 21 vereinbarten Ziele [61]Weltwaldkonferenz, Jakarta: Folgekonferenz der Wald-Deklaration, verabschiedet auf der Rio-Konferenz 1992
1994UN-Klimarahmenkonvention, UN-Weltbevölkerungskonferenz, UN-Artenschutz-Konferenz, Nassau/Bahamas, 1. Vertragsstaatenkonferenz zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt, der Artenschutz-Konvention
Aalborg-Charta: Charta der Europäischen Städte und Gemeinden auf dem Weg zur Zukunftsbeständigkeit
Inselstaatenkonferenz, Barbados, „Weltkonferenz zur nachhaltigen Entwicklung der kleinen Inselstaaten“
19951. UN-Klimakonferenz Berlin/Deutschland
19962. UN-Klimakonferenz Genf/Schweiz
WACLAC – Weltversammlung der Städte und Gemeinden, Istanbul
HABITAT II, Istanbul: 2. UN-Konferenz über menschliche Siedlungen
19973. UN-Klimakonferenz Kyoto/Japan – erstmals werden rechtlich verbindliche Ziele für Emissionshöchstmengen für Industrieländer international festgelegt.
Weltgipfel Rio+5 New York/USA – Ernüchterung nach Bilanzierung der Bemühungen seit 1992; Diskussion um die Entwicklung der Vorgaben des ersten Weltgipfels.
1. Weltwüstenkonferenz, Rom
19984. UN-Klimakonferenz Buenos Aires/Argentinien – Arbeitsplan zur Ausgestaltung des Kyoto-Protokolls.
Aarhus-Konvention: EU-Übereinkommen über den Zugang zu Informationen und Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren in Umweltangelegenheiten
19995. UN-Klimakonferenz Bonn/Deutschland
20006. UN-Klimakonferenz Den Haag/Niederlande – Scheitern und Aussetzen der Klimaverhandlungen [62]Millenniumsgipfel der Vereinten Nationen in New York, mit Verabschiedung der acht Millenniumsziele, die bis 2015 erreicht werden sollen.
20016. UN-Klimakonferenz Bonn/Deutschland – Fortführung der vorigen Klimakonferenz und Einigung über Kyoto-Protokoll-Ausgestaltung
7. UN-Klimakonferenz Marrakesch/Marokko
2002Weltgipfel Rio+10 Johannesburg/Südafrika – erneute Diskussion der Umsetzungsmöglichkeiten der Rio-Konventionen in Zeiten voranschreitender Globalisierung
8. UN-Klimakonferenz Neu Delhi/Indien
20039. UN-Klimakonferenz Mailand/Italien – Verabschiedung neuer Leitlinien für Emissionsberichterstattung und Übereinkunft zu kohlenstoffbindenden Aufforstungsprojekten (Clean Development Mechanism, CDM)
200410. UN-Klimakonferenz Buenos Aires/Argentinien – Überlegungen zu Möglichkeiten der Anpassung an unvermeidbare Klimawandelfolgen
200511. UN-Klimakonferenz Montreal/Kanada – Beschluss über Kyoto-Protokoll-Fortschreibung nach 2012; Aushandlung neuer Grenzwerte für Treibhausgasemissionen
200612. UN-Klimakonferenz Nairobi/Kenia – Beschluss eines Fonds zur Unterstützung afrikanischer Länder
200713. UN-Klimakonferenz Bali/Indonesien – gemäß „Fahrplan von Bali“ soll 2009 ein Folgeabkommen samt inhaltlicher Anforderungen für das Kyoto-Protokoll beschlossen werden.
200814. UN-Klimakonferenz Posen/Polen
200915. UN-Klimakonferenz Kopenhagen/Dänemark – laut rechtlich unverbindlichem „Minimalkonsens“ ist die Erderwärmung auf maximal 2° C im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
[63]201016. UN-Klimakonferenz Cancún/Mexiko – es wurden keine völkerrechtlich bindenden Maßnahmen getroffen.
201117. UN-Klimakonferenz in Durban/Südafrika – Ziel war es, ein Nachfolgeabkommen für das 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll zu finden – Beschluss, das Kyoto-Protokoll zunächst ab 1. Januar 2013 mit einer zweiten Verpflichtungsperiode zu verlängern, Reduktionsziele und Dauer der zweiten Verpflichtungsperiode sollten auf der 18. UN-Klimakonferenz in Katar 2012 festgelegt werden.
201218. UN-Klimakonferenz Doha/Katar (sogenannter Weltgipfel Rio+20) – Beschluss der Fortsetzung des Kyoto-Protokolls bis 2020 in letzter Minute; Russland, Kanada, Japan und Neuseeland erklärten ihren Austritt.
Weltgipfel Rio+20 Rio de Janeiro/Brasilien – Ansinnen der Staats- und Regierungschefs der Welt, dem Thema nachhaltiger Entwicklung neuen Schwung zu verleihen; BUND-Vorsitzender Hubert Weiger kritisierte, blumige Absichtserklärungen und ein Aufguss früherer Gipfelbeschlüsse würden dem globalen Ressourcenschutz nicht helfen. Gipfelergebnisse wurden gemischt aufgenommen.
201319. UN-Klimakonferenz Warschau/Polen – Konferenz endet nur mit einer Einigung auf die Grundsätze eines Abkommens.
201420. UN-Klimakonferenz Lima/Peru
201521. UN-Klimakonferenz Paris/Frankreich

Insgesamt lässt sich der Prozess der Etablierung des Nachhaltigkeitsleitbildes auf politischer Ebene – wie er sich anhand obiger Konferenzen und Abkommen abzeichnet – als ambivalent beschreiben. Einerseits lässt sich die Herausbildung der Gedanken des Umweltschutzes und sozialer Gerechtigkeit an der zunehmenden Regelmäßigkeit, Institutionalisierung und Internationalisierung politischer Treffen ablesen. Andererseits verlaufen dieser Verstetigungs- [64]und Aufwertungsprozess des Themas Nachhaltigkeit, die damit einhergehende globale politische Konsensfindung als auch die Umsetzung von Maßnahmen im Verhältnis zur Relevanz des Themas viel zu langsam, fragmentarisch und unkoordiniert. Somit lässt sich die nachhaltigkeitsbezogene Institutionen-, Kapazitäten- und Willensbildung als erratisch, im Sinne von „ein Schritt vor und ein Schritt zurück“, beschreiben.

Als Beispiel hierfür kann das 1997 beschlossene Kyoto-Protokoll gelten, das bis heute als wichtigster Beschluss für den globalen Klimaschutz aufgrund seiner annähernd sanktionsfähigen Wirkung angesehen werden kann. Demgegenüber sind alle Bemühungen auf internationaler Ebene seitdem als zaghaft und rückschrittlich zu bewerten. So offenbarten die Verhandlungen zur Fortschreibung des Klimaschutzabkommens die großen Schwierigkeiten zwischen Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern zu einem Konsens zu gelangen, da sich die Parteien gegenseitig Zugeständnisse abverlangen, bevor sie jene eingehen, was in einer Patt-Situation resultiert, die wiederum die Bemühungen, sich der Herausforderung des Klimawandels zu stellen, stagnieren lässt.

Für viele Akteure wie z.B. Umweltschutzverbände, Menschenrechtsorganisationen oder wissenschaftliche Einrichtungen ist dies insofern befremdlich, weil das politische Verhalten mit den durch die Medien vermittelten Erkenntnisfortschritten kontrastiert, die klimawandelbedingte Veränderungen zunehmend bestätigen (wie Überschwemmungen, Wirbelstürme oder Meeresspiegelanstieg; vgl. aktueller Weltklimabericht des IPCC von 2013, S. 43). Auch für die globale Zivilgesellschaft führt es zu Irritationen, wenn Politiker und Regierungen vor dem Hintergrund der sich erhärtenden Klimawandelhypothese nicht konsequent aktiv werden.

Fazit – Es geht voran, aber zu langsam

Der Ursprung des Nachhaltigkeitsprinzips geht auf das Jahr 1713 zurück. In den darauffolgenden 300 Jahren griffen vor allem Politik und Zivilgesellschaft das ressourcenökonomische Prinzip erneut auf. Im 20. Jahrhundert verstärkte sich das Bewusstsein der Weltgemeinschaft für Probleme wie Umweltverschmutzung, Überbevölkerung, Armut und Ressourcenerschöpfung. Zu Beginn des Jahrhunderts fanden erste internationale [65]Konferenzen zum Thema Naturschutz statt. Ab Mitte der 1970er Jahre wuchs das öffentliche und politische Interesse an Umweltschutz-Themen. Es wurden bindende Regelungen zwischen Staaten zum Schutz der Umwelt beschlossen, so z.B. das Washingtoner Artenschutzabkommen. Die Probleme wurden spezifischer, die Ziele konkreter.

Ein vorläufiger Höhepunkt war 1972 der alarmierende Bericht „Grenzen des Wachstums“, der ein neues Denken und Handeln in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft forderte. 1987 lieferte der Brundtland-Bericht die erste formale politische Definition von Nachhaltigkeit, die bis heute als die klassische, gültige und am weitesten akzeptierte Definition anzusehen ist.

An der Schwelle zum 3. Jahrtausend markierte die weltweite Umweltkonferenz in Rio de Janeiro 1992 den Höhepunkt gemeinsamer globaler Nachhaltigkeitsbemühungen, nämlich von 178 Staaten. Hieraus ging auch die maßgebliche globale Agenda 21 hervor. Die Erfolge der Millenniumsentwicklungsziele bleiben seit dem Jahr 2000 indes genauso aus wie die Fortschreibung des Kyoto-Protokolls zum Klimaschutz.

International wurden in den Folgejahren nach Rio viele verschiedene Gremien und Arbeitsorgane gegründet und Konferenzen durchgeführt. Bis heute sind die Aktivitäten umfangreich und unübersichtlich geworden. Das Prinzip Nachhaltigkeit ist dabei, sich seinen Weg zu bahnen. Leicht hat es das Thema dabei aber nicht.

Literatur

Brandt, W. (Hrsg.) (1982) Das Überleben sichern. Bericht der Nord-Süd-Kommission. Gemeinsame Interessen der Industrieund Entwicklungsländer. Kiepenheuer und Witsch.

Carson, R. (1963) Der stumme Frühling. Biederstein München.

Costanza, R. (1991) Ecological Economics. The Science and Management of Sustainability. New York. Columbia University Press.

Dueck, G. (2008) Abschied vom Homo Oeconomicus. Warum wir eine neue ökonomische Vernunft brauchen. Eichborn.

[66]Grober, U. (2010) Die Entdeckung der Nachhaltigkeit: Kulturgeschichte eines Begriffs. München.

Habisch, A.; Schmidpeter, R.; Neureiter, M. (2007) Handbuch Corporate Citizenship. Corporate Social Responsibility für Manager. Springer Berlin.

Hauff, V. (Hrsg.) (1987) Unsere gemeinsame Zukunft. Der Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung. Eggenkamp Verlag, Greven.

Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) (2013) Fifth Assessment Report, AR5. United Nations.

Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung (1992) Agenda 21. Rio de Janeiro.

Meadows, D. et al. (1972) Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit. dva Stuttgart.

Meadows, D. et al. (2008) Grenzen des Wachstums. Das 30-Jahre-Update: Signal zum Kurswechsel, 3. Aufl., Stuttgart.

Ott, K.; Döring, R. (2008) Theorie und Praxis starker Nachhaltigkeit, Marburg.

Radermacher, F.J.; Beyers, B. (2011) Welt mit Zukunft: Die ökosoziale Perspektive, 7. Aufl., Hamburg.

Rogall, H. (2008) Ökologische Ökonomie. Eine Einführung. Verlag für Sozialwissenschaften Wiesbaden.

Schumacher, E.F. (1973) Small is Beautiful: Economics as if People Mattered. Harper New York.

Siebenhüner, B. (2001) Homo sustinens – Auf dem Weg zu einem Menschenbild der Nachhaltigkeit. Metropolis Marburg.

Stern, N. (2007) The Economics of Climate Change. The Stern Review. Cambridge University Press Cambridge.

5 Hans Carl von Carlowitz (1732) Sylvicultura Oeconomica. Haußwirthliche Nachricht und Naturmäßige Anweisung zur Wilden Baum-Zucht. Kessel, Remagen-Oberwinter (Wiederauflage 2009).

6 Grober (2010), S. 115

7 Grober (2010), S. 128 f. Im Original siehe Carl von Linné (1735), Systema Naturae. Johan Wilhelm de Groot, Leiden.

8 Grober (2010), S. 177

9 Meadows et al. (1972), S. 17

10 Meadows et al. (1972), S. 79

11 Graham Turner: A Comparison of The Limits to Growth with Thirty Years of Reality. In: Socio-Economics and the Environment in Discussion. CSIRO Working Paper Series Number 2008–09. Juni 2008; New Scientist: Prophesy of economic collapse „coming true“. 17. November 2008

12 Meadows et al. (2006), S. 264

13 Daly (1990), S. 2. Als physikalische Teildisziplin bietet die Thermodynamik z.B. mit ihrem Entropiegesetz Ansätze, die als Gegenentwürfe zum neoklassischen Paradigma genutzt werden könnten und an denen sich Wirtschaftsprozesse orientieren könnten. Demnach wären jene Prozesse etwa als unwiederbringlicher Verzehr eines endlichen Vorrats an Ressourcen zu begreifen. Siehe Daly, H.E.: Toward Some Operational Principles of Sustainable Development. In: Ecological Economics, Bd. 2 (1990) H.1; S. 1–6. Siehe auch Georgescu-Roegen, N.: The Entropy Law and Economic Process. Cambridge 1971.

14 In der Schifffahrt bezeichnet der in der Ökologie geläufige Begriff der Tragekapazität bzw. carrying capacity die maximal mögliche Fracht, bevor das Schiff Gefahr läuft unterzugehen.

15 Auf diese Definition als Ausgangspunkt bezieht sich auch die Dissertation der Autorin mit dem Titel „Klima, Wälder, indigene Völker“. Dort zeigt sie auf, wie Umweltveränderungen menschliche Entwicklung beeinflussen. Da indigene Völker besonders nah an, mit und in der Natur leben, lässt sich der Zusammenhang von Umwelt und Entwicklung gut aufzeigen. So ist bspw. der Regenwald die notwendige Basis für kulturelles wie wirtschaftliches (Über-)Leben und beeinflusst damit die Entwicklung einer Gemeinschaft.

16 IPCC Fifth Assessment Report (AR5), Climate Change 2013, The Physical Science Basis. WMO. Genf.

17 The American Association for the Advancement of Science (AAAS). Science Without Borders, 177th Meeting. 16–21.02.2011, Washington, DC

18 Siehe www.un.org/jsummit/html/basic_info/unced.html; Die Konferenz wurde über mehrere Jahre vorbereitet, u.a. durch ein eigens dafür gegründetes Sekretariat in London, durch Berichte aus über 120 Ländern und durch Expertenarbeitsgruppen aus verschiedenen UN-Gremien wie der UN-Wirtschaftskommission UNCTAD, dem UN-Entwicklungsprogramm UNDP und der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO sowie der Weltorganisation für Meteorologie WMO.

19 Siehe Global Marshall Plan Initiative (Hrsg.) (2004) Welt in Balance. Zukunftschance Ökosoziale Marktwirtschaft. Hamburg

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